Archiv des Autors: Geerd Heinsen

Mehr von Händel

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Von Händels Frühwerk Amadigi di Gaula präsentiert Chandos Records eine bemerkenswerte Neuaufnahme auf zwei CDs, die Ende 2021 London entstand (CHSA 0406/2). 1715 wurde die dreiaktige Oper im Londoner King’s Theatre uraufgeführt, der Autograph des Werkes ist verschollen, doch existieren davon mehrere handschriftliche Kopien. Teile der Ouverture sowie neun Gesangsnummern übernahm Händel aus seiner 1713 komponierten Oper Silla. Die in Griechenland spielende Geschichte handelt von dem für seine Heldentaten berühmten Ritter Amadigi und seiner Liebe zu Prinzessin Oriana, welche durch die Zauberin Melissa und ihren Anspruch auf Amadigi auf die Probe gestellt wird.

Die Early Opera Company leitet deren Gründer Christian Curnyn, der sich durch viele Einspielungen barocker Werke international einen Namen gemacht hat. Die reiche Palette der musikalischen Klangfarben der Komposition fächert er faszinierend auf und erzielt dabei stupende Wirkungen. Solche hört man schon in der Ouverture mit ihrem gravitätischen Largo als Einleitung und einem lebhaften Allegro als Mittelteil. Am Ende sorgt er mit dem Ballo di Pastori e Pastorelle für einen lebhaft-heiteren Ausklang.

Die Besetzung führt der renommierte Countertenor Tim Mead in der Titelpartie an. Er führt sich mit der Cavatina „Notte, amica die riposi“ ein und lässt eine sanft schmeichelnde Stimme hören. Das folgende Allegro „Non sa temere“ ist von beherztem Zuschnitt und demonstriert die flexible Stimmführung des Sängers. Zu Beginn des 2. Aktes kann er in der wiegenden Siciliana „Sussurrate, onde vezzose“ mit schwebenden Tönen bezaubern. Mit „Sento la gioia“ brilliert er am Ende des Werkes noch mit einem jauchzenden, Koloratur gespickten Solo. Seine Geliebte Oriana, Tochter des Königs der Glücklichen Inseln, nimmt die britische Sopranistin Anna Dennis wahr – auch sie erfahren im Barock-Genre und mit einer Stimme von lyrischem Wohllaut ausgestattet. Mit der Aria „Oh caro mio tesor“ fällt ihr eine Perle der Oper zu, welche sie mit fein gesponnenen Tönen zu bester Wirkung bringt. „Ti pentirai, crudel“ im 2. Akt ist dagegen erregt und heftig im Vortrag. Zu Beginn des 3. Aktes bezaubert sie mit zarten Klängen in „Dolce vita del mio petto“. Geliebt wird Amadigi auch von der Zauberin Melissa, die Mary Bevan singt. Ihr Sopran entfaltet in der Auftrittsarie „Ah! spietato!“ klagende Laute der Verzweiflung. In „Io godo, scherzo e rido“ kann sie dagegen vehement auftrumpfen. Auch ihr Duetto mit Amadigi im 2. Akt, „Crudel, tu non farai“, ist von stürmisch-auffahrendem Duktus. Mit „Desterò dall’empia dite“ fällt ihr ein von Trompetengeschmetter begleitetes Bravourstück zu, in welchem die Sängerin ihr virtuoses Vermögen demonstriert. Von ähnlichem Zuschnitt ist das rasante „Vanne lunghi“ im 3. Akt, das ihr energische Koloraturläufe abverlangt, in denen dann auch einige strapazierte Momente zu hören sind.

Eine der weltweit führenden Altistinnen ist Hilary Summers, der die Hosenrolle des thrakischen Prinzen Dardano anvertraut wurde. Mit „Pugnerò contro del fato“ fällt ihm das erste Solo des Werkes zu, ein energisches Presto, in welchem die Sängerin ihre noch immer perfekt funktionierende und agile Stimme vorführt. In der Aria „Agitato il cor mi sento“ überzeugt sie mit resolutem Ausdruck. Das getragen-ernste „Pena tiranna“ nimmt das berühmte „Lascia ch’io pianga“ aus dem Rinaldo auf und Summers zelebriert es in würdevoller Manier. „Tu mia speranza“ bringt eine kokette Note ein. Der Countertenor Patrick Terry komplettiert die Besetzung klangvoll als Zauberer und Orianas Onkel Orgando.

Das Werk ist auf dem Musikmarkt nicht eben reich vertreten. Die vorliegende Chandos-Aufnahme ist erst die dritte kommerzielle Einspielung der Oper und ergänzt die bisher maßstäbliche unter Marc Minkowski von 1989 auf Erato. Sie dürfte sogar eine starke Konkurrenz zu dieser Vorgängerin sein. Bernd Hoppe

Robuste Emotionen

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Eine beachtliche Karriere hat der armenische Bariton Gevorg Hakobyan bereits gemacht, der im kommenden Sommer auch in der Arena di Verona zu erleben sein wird, nachdem er bereits an vielen bedeutenden Bühnen mit Erfolg gesungen hat. Mit Ettore Bastianini und mit Silvano Carroli soll man ihn verglichen haben, welchem Urteil man zumindest, was den Jüngeren der beiden betrifft, zustimmen kann, entspricht doch trotz eines süffisanten Lächelns, das er auf dem Cover seiner CD bei Delos mit dem Titel Arias of Love & Sorrow zeigt, die Optik, aber auch die Stimmfarbe eher dem typischen „Brunnenvergifter“ á la Barnabà als dem edel-tragischen Helden.

Es beginnt mit dem Credo des Jago, das man allerdings weder der Liebe noch der Sorge zuordnen kann, zu dem aber die etwas dumpfige, dunkel grollende Stimme sehr gut passt, die Gemütsbewegungen weniger durch ein chiaro-scuro als durch einen Wechsel der Lautstärke hörbar werden lässt. Besonderen Nachdruck will der Sänger durch ein energisches Hervorstoßen der Töne erzielen, in der Höhe wird die Stimme etwas flacher, das grässliche Gelächter, das viele Baritone der Arie folgen lassen, unterlässt Hakobyan dankenswerterweise.

Hört man Nemico della patria, das dem Credo folgt, kann man wahrnehmen, dass die Stimme von Natur aus gar nicht so böse klingt, für den Jago wohl künstlich abgedunkelt wurde und nun einen echten Heldenbariton vernehmen lässt. Bärbeißiger zeigt sich dann wieder der Michele aus Il Tabarro, der seine Arie mit einem sieghaften Spitzenton krönen kann.  Legato und Phrasierung stimmen im Gebet Nabuccos, eine farbige mezza voce wird für den Renato eingesetzt, der für die besungenen dolcezze auch einiges davon im Timbre aufweist. Soweit das italienische Repertoire.

In die italienischen Arien eingestreut sind solche aus russischen und armenischen Opern. Bekannt ist Tschaikowskis Pique Dame, aus dem der Bariton die Erzählung des Tomsky vorträgt, sehr empfindsam nimmt er sich der Klage des Fürsten Igor aus Borodins gleichnamiger Oper an, zugleich ein beachtliches Material ausstellend wie sich mit Erfolg um ein differenzierendes Portrait des unglücklichen Fürsten bemühend. Das wilde Aufbegehren des Gryaznoy aus Rimski-Korsakows Zarenbraut wird eindrucksvoll vermittelt. Aus Rachmaninoffs Aleko wird dessen Arie schließlich  schön differenzierend zwischen Wut und zärtlicher Erinnerung dargeboten.

Im Westen nicht bekannt sind die armenischen Opern, derer sich Hakobyan verständlicherweise annimmt. 1945 wurde Levon Khodja-Eynatyans Oper Arshak II in Jerewan uraufgeführt, die  Arie des Titelhelden klingt recht basslastig, aber auch die sichere Höhe der Stimme kann ihre Wirkung entfalten. Mit zwei Werken ist der Armenier Armen Tigranian vertreten, und sowohl in der Arie des Mosi aus Anoush wie in der des David Bek aus der gleichnamigen Oper kann der armenische Sänger noch einmal alle Vorzüge seiner Stimme ausstellen. Begleitet wird er von John Fisher und Constantine Orbelian, die das Kaunas City Symphnony Orchestra leiten (Delos 3577). Ingrid Wanja    

Unentwegt auf Tour

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So richtig auf den Geschmack gekommen, was Freilichtgroßereignisse betrifft, scheint Luciano Pavarotti nach dem Konzert 1990 mit den anderen zwei Tenören in den Thermen des Caracalla in Rom anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 1990 gekommen zu sein. Damals gewann übrigens Deutschland den Titel. Bereits im folgenden Jahr gab es , allerdings nur mit ihm als Alleinstar, im Londoner Hydepark und noch ein Jahr später im Central Park von New York  ein Konzert mit einer halben Million Zuschauer.

Die Programme der beiden Veranstaltungen ähnelten einander, nahmen allerdings auch Rücksicht auf die jeweiligen Vorlieben des Publikums, das Wetter hätte nicht unterschiedlicher sein können, denn während in London ein buntes Meer von Regenschirmen wetterfest ausharrte, konnte man und kann man nun auch auf zwei Blurays in New York bei strahlendem Sonnenschein den einen oder anderen nackten männlichen Oberkörper bewundern.  Während das Londoner Publikum Weltmeister im Winken zu sein scheint, ist das in New York  weitaus gelassener.

War in Ravenna, wo es im Juni eigentlich kaum regnet, ein Pavarotti-Konzert im Hafen der Stadt wegen schlechten Wetters noch auf den kommenden Abend verschoben worden, ist man in London schlechtes Wetter gewöhnt und trotzt ihm, so wie auch Lady Diana, Prince Charles und Ministerpräsident Major in der ersten Reihe, die Mitglieder des Philharmonia Orchestra fürchteten wahrscheinlich um ihre kostbaren Instrumente, aber Leone Magiera, bevorzugter Dirigent italienischer Sänger und oft auch ihr Begleiter am Flügel, zog das Programm durch.  In New York war er gleichfalls der Taktgeber, diesmal für The New York Philharmonic. An beiden Orten beginnt man mit der Ouvertüre zu Luisa Miller, gefolgt von der Arie des Rodolfo, „Quando le sere“, einschließlich Rezitativ, aber ohne Cabaletta. Für die vielen Verdi-Partien, die der Tenor sang, ist abgesehen vom Duca und Alfredo die Stimme recht hell, in New York klingt sie etwas metallischer als in London, der Spitzenton ist natürlich ein strahlender und wird mit Lust lange gehalten. Geht es in London mit „O paradiso“ weiter, so in New York sehr viel angemessener mit dem Schlussbild von Lucia di Lammermoor, in London bleibt man weit eher der bedeutenden  E-Musik verhaftet, ehe es zu den Canzoni geht, in New York wechselt nach einem Lamento di Federico der Star bereits ins Populäre, ehe er bei den Zugaben wieder  zu den beiden Cavaradossi-Arien und damit zur Oper zurückkehrt.

In London hat der Philharmonia Chorus eine bedeutende Funktion im Konzert, natürlich mit dem unvermeidbaren „Va pensiero“, aber völlig unverhofft und aus dem Rahmen fallend auch mit dem Brautchor aus Lohengrin. Die Londoner bekommen weit mehr Pavarotti serviert als die New Yorker, die auf Canio und Des Grieux verzichten müssen, dafür aber, unbefangen wie man in den USA nun einmal ist, mitten im Pavarottikonzert mit dem Boys Choir of Harlem und Strayhorn, Ellington und I can go to God konfrontiert werden.

In beiden Städten kommt das Publikum in den Genuss der Kunst eines außergewöhnlich guten Flötisten, Andrea Griminelli, der in London nur eine Carmen-Phantasie, in New York dazu noch Mercadantes Rondo Russo zum Besten gibt. Auf O Sole mio und Nessun dorma aber braucht man weder in London noch in New York zu verzichten, und auf beiden Aufnahmen ist der Maestro in guter Form, stellt seine Stimme genüsslich und genussvoll aus, ein prächtiges Material, das sich selbst genug ist (C-Major 762404 und 762704). Ingrid Wanja      

KATRIN WUNDSAM

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Im deutschsprachigen Raum vor allem durch ihre Auftritte bei den Bregenzer Festspielen, an der Staatsoper Unter den Linden und an der Oper Köln bekannt, wo sie über viele Jahre zum Ensemble gehörte, arbeitet Katrin Wundsam nun schon mehrere Jahre als freischaffende Sängerin. Nun stehen diese Spielzeit spannende und wichtige Debüts auf dem Programm. Momentan steht die Künstlerin als Jezibaba und Fremde Fürstin in Rusalka auf der Bühne des Staatstheaters Wiesbaden, im Frühling kommt die erste Magdalene in den Meistersingern von Nürnberg beim Tokyo Spring Festival und im Frühsommer Lulu/Gymnasist/Gaderobiere bei den Wiener Festwochen. Geplant sind außerdem Partien wie Komponist, Fricka oder Charlotte. Mit Christian Glace sprach Katrin Wundsam über diese Pläne, Rusalka am Staatstheater Wiesbaden, ihre Zeit an der Oper Köln, ihre Ausbildung zum Coach für Angstbewältigung und vieles mehr.

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Was ist Ihre erste mit Musik verknüpfte Erinnerung? Meine erste Erinnerung ist es tatsächlich, ein österreichisches Volkslied mit meiner Mama im Duett zu singen. „In die Berg bin i gern“.

Katrin Wundsam/Foto Liliya Namisnyk

Wie entstand Ihr Interesse am Singen? Und wann haben Sie gemerkt, dass Sie eine Stimme haben, die für Opernbühne tauglich ist und sich entschieden, professionelle Opernsängerin zu werden?
Gesungen habe ich immer gern, und wohl auch gut. Von dort, wo ich herkomme, vom Land, war die Blasmusikkapelle und der Kirchenchor im Prinzip das höchste der Gefühle. Singen war an sich nichts, was auch nur ansatzweise als Beruf hätte angesehen werden können. Ich habe, als ich die HBLA [Höhere Bundeslehranstalt für Landwirtschaft und Ernährung] begonnen habe, Aufnahmeprüfung am Bruckner-Konservatorium Linz gemacht. Und mein Lehrer „to-be“ meinte, da wäre EIN Ton gewesen, der hätte ihm gezeigt, dass da was möglich ist…

In der Neuproduktion von Rusalka in Wiesbaden sind Sie mit der herausfordernden Aufgabe betraut, zwei Rollen in derselben Aufführung zu singen, Ježibaba und die Fremde Fürstin. Die beiden Rollen sind sowohl was ihren Charakter angeht, als auch hinsichtlich der stimmlichen Anforderungen sehr verschieden. Ježibaba ist eine echte dramatische Mezzopartie, während die Fremde Fürstin ja schon Zwischenfach ist und oft einem Sopran anvertraut wird, da sie eine höhere Tessitura und einen bis zum hohen C reichenden Tonumfang hat. Wie gehen Sie diese Herausforderung und diese zwei Rollen an?
Ich muss sagen, ich liebe es!! Herausforderungen generell und dies im Besonderen. Beide Rollen liegen mir sehr gut und beide haben jeweils einige sehr exponierte Momente- sei es in der Tiefe und in der Höhe. Ich arbeite immer daran, die Stimme farblich durch alle Übergänge auszugleichen und an solchen Passagen arbeitet man natürlich umso mehr. Aber zum Glück liegen alle Töne gut im Stimmumfang, das heißt, es gilt „nur“, sie dem Charakter der Rollen, des Textes und der Dynamik anzupassen .

Was können Sie über die Produktion am Staatstheater Wiesbaden sagen? Es ist eine sehr frische Sicht auf das Stück. Dem Regieteam um Daniela Kerck und Olesya Golovneva und auch dem Dirigenten Philipp Pointner ging es von Anfang darum, eine springende Geschichte zu erzählen. Theater und Oper im besten Sinne zu machen. Das Stück gibt so viel her, und ich glaube, wir haben einen sehr märchenhaften Zugang gefunden. Gespickt mit atemberaubenden Videos von Astrid Kessler.

Welche Rollen werden Sie demnächst in Ihr Repertoire aufnehmen? Und welche zukünftigen Engagements sind geplant? Mein nächstes Engagement führt mich direkt zum Tokyo Spring Festival für die Magdalene in den Meistersingern von Nürnberg unter Janowski. Dann geht’s als Gymnasist/Gaderobiere in Lulu ans Theater an der Wien [Wiener Festwochen]. Schöne Debüts, über die ich mich sehr freue!
In meinem Repertoire sind für die nächste Zukunft Rollen wie Komponist, Venus, Fricka, Judith (Blaubart) geplant. Aber auch Marguerite (Damnation) oder Charlotte… es gibt sooo vieles.

Katrin Wundsam/Foto Liliya Namisnyk

Was können Sie uns über Ihre Erfahrungen als Ensemblemitglied der Oper Köln erzählen? Ich hatte eine tolle Zeit in Köln. Ich habe dort gelernt, eine Sängerin zu sein. Viele tolle Partien in den verschiedensten Spielstätten. Und mir wurde immer ermöglicht zu gastieren, ein Netzwerk aufzubauen.

Wie bzw. nach welchen Kriterien haben Sie Ihr aktuelles Repertoire aufgebaut? Nun ganz ehrlich, wenn man als junge Sängerin ins Festengagement kommt, ist man immer etwas abhängig davon, was einem angeboten wird. Ich hatte Riesenglück, denn Uwe Laufenberg hat mich von Anfang an unterstützt und auch auf sein eigenes Risiko mit größeren Rollen ohne Orchesterproben besetzt. Auf meinen eigenen Wunsch. (lacht) So geschehen bei Clemenza di Tito, als ich ablehnte, Annio zu singen… Und weil ich mir den Sesto eingebildet habe, hat er ihn mir gegeben. Ohne Orchesterproben, weil die gab’s nicht. Das war eine grandiose Herausforderung und etwas, das ich nicht vergesse.

Welche Opernaufnahme würden Sie auf eine einsame Insel mitnehmen? Muss es Oper sein? Wenn, dann einen Ring, da hat man auch lange was von! (lacht)

Auf Social Media teilen Sie regelmäßig Fotos und Videos Ihres Bauernhofs, den Sie mit Ihrem Mann neu aufbauen.  Ja. Unser Lebensprojekt. Der Hof der Großeltern meines Mannes, circa 300 Jahre alt, wurde von uns abgerissen – bis auf zwei Stallungen. Den Rest bauen wir mit dem alten Holz, eigenen Tannen und nachhaltig im alten Grundriss wieder auf. Eigene Energieversorgung, eigene Quelle und Hackschnitzel aus eigenem Wald runden unsere recht energieautonome Bauweise ab. Hinein kommen die Firma meines Mannes Reitinger Ofenbau & Fliesen, und ein Musikbereich, der wohl auch für Kammermusik, Vernissagem, Meisterkurse, etc. genutzt werden wird.

Katrin Wundsam/Foto Liliya Namisnyk

Sie sind ja auch Coach für Angstbewältigung. Ich bin hier noch in Ausbildung, habe diese in der Coronazeit begonnen. Lampenfieber bis hin zur Panik war immer ein großes Thema für mich und ich glaube, über die Jahre habe ich mir einiges angeeignet, was den Umgang damit gut erträglich macht. Sehr viel in eigenem trial-and-error Verfahren. Und sehr viel mit Hilfe von Dr Anja Walter Riß, einer fantastischen Coach, die mich seit drei Jahren begleitet. Solch eine Art von Hilfestellung und Begleitung stelle ich mir auch vor, geben zu können. Nicht nur für SängerInnen. Für alle, die sich trotz hoher Kompetenz selbst im Weg stehen, weil das Lampenfieber sie von den „Bühnen“ fernhält.

Und wie würde eine ideale Spielzeit für Sie aussehen? Hm…. Komponist, Fricka, Blaubarts Burg. Gespickt mit tollen Konzerten wie Verdis Requiem, Ravels Sheherazade und immer gern 9. Beethoven, weil sie einfach auch beim 100.Mal mein Herz berührt (Foto oben als Sesto/ La Clemenza di Tito/ Paul Leclair).

Verdienstvolle Editionen

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Der aus der Schweiz stämmige Komponist Heinrich Sutermeister (1910-1995) wird von Toccata Classics nach dem begrüßenswerten Erstling nun mit einer zweiten Ausgabe seiner Orchesterwerke gewürdigt (TOCC 0608). Die CD weist zwar keine Überlänge auf (Vol. 1 kam auf rekordverdächtige 87 Minuten), ist mit 72 Minuten jedoch gut gefüllt.

Abermals zeichnet der Dirigent Rainer Held verantwortlich, diesmal an der Spitze der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz. Als die namhaften Solisten treten in Erscheinung die Sopranistin Juliane Banse und der Tenor Benjamin Bruns. Im Mittelpunkt stehen in Vol. 2 Orchesterlieder Sutermeisters, welche ihn als bedeutenden musikalischen Lyriker ausweisen, der er neben seiner wichtigen Rolle als Opernkomponist zweifelsohne war.

Auf 1935 datieren die Sieben Liebesbriefe für Tenor und Orchester, welche auf Texten aus dem 18. Jahrhundert basieren. Bereits als 25-Jähriger zeigt Sutermeister darin einen spezifischen Individualstil mit einer hervorgehobenen Rhythmik, kontrastreicher Kantabilität, dem bewussten Einsatz von Sprechgesang und der Betonung des Schlagwerkes. Bei den sieben Dichtern bzw. Briefschreibern handelt es sich um Gottfried August Bürger (Der Leidenschaftliche), Wilhelm von Humboldt (Der Naturphilosoph), Johann Wolfgang von Goethe (Der Liebeswahnsinnige), Heinrich Voß (Der Bürger als Bräutigam sowie Der Bürger als Edelmann), Gotthold Ephraim Lessing (Liebe und Tod) und nicht zuletzt Kronprinz Friedrich von Preußen, der spätere Friedrich der Große (Der Kavalier). Das liedhafte Ich reise weit aus der Oper Romeo und Julia für Sopran und Streichorchester (1940) ist ebenfalls noch in diese frühe Phase von Sutermeisters Kompositionstätigkeit zu einzuordnen.

Dem gegenüber entstammen die beiden anderen Liederzyklen den späten Lebensjahren des Komponisten. Die 1977 entstandene sogenannte Consolatio philosophiae (wörtlich „Der Trost der Philosophie“) weist er als Dramatische Szene für hohe Stimme und Orchester aus. Grundlage sind Verse des spätrömischen Dichters Boethius (um 480-524). In Erwartung seiner Hinrichtung hatte dieser einen Dialog mit der weiblich symbolisierten Philosophie über Glück, Wahrheit, Tod und weitere essentielle Themen geführt. Das Werk entstand zu Ehren von Ernest Ansermet und war Wolfgang Sawallisch gewidmet.

Mit den Sechs Liebesbriefen für Sopran und Orchester kehrte Sutermeister 1979 fast 70-jährig zum Sujet des eingangs genannten Vorgängerwerkes zurück. Die Texte entstammen diesmal aus dem 16. und 18. Jahrhundert. Anders als 1935 steht hier nicht mehr Sturm und Drang im Mittelpunkt. Die Verlobung datiert bereits auf 1544 und stellt ein Schreiben der Leipziger Goldschmiedstochter Margaretha Kuffner an ihren Verlobten Philipp Melanchthon d. J. dar. Mit Die Hochzeit von 1598 rückt Ursula Freher, Tochter des Nürnberger Stadtsyndikus, ins Zentrum, welche der Verbindung mit dem begüterten Frankfurter Patrizier Johann Adolf von Glauburg entgegenfiebert. Sehr viel traurigeren Anlasses ist Der Tod, 1766 von niemandem Geringeren als der nunmehrigen Kaiserinwitwe Maria Theresia verfasst, die darin das Ableben ihres geliebten Gemahls Franz Stephan von Lothringen beklagt. Die Trennung von 1771 hingegen sollte ein Happyend haben für Maria Karoline Flachsland und ihren späteren Gemahl Johann Gottfried Herder. Platonisch-freundschaftlicher Natur ist das 1789er Capriccio Albertines von Grün an Ludwig Friedrich Höpfner. Mit Cherubino a cavallo greift Sutermeister überraschenderweise den Kavalier von 1935 neuerlich auf und somit das Abschiedsschreiben des preußischen Kronprinzen Friedrich an Frau von Wreech. Tatsächlich steht diesmal nicht der Verfasser, sondern die Empfängerin des Briefes im Mittelpunkt.

Die Neuerscheinung enthält einen formidablen Einführungstext von Christian Heindl, der neben Deutsch auch auf Englisch vorliegt. Dies gilt auch für die sämtlichen Liedertexte, wobei im Falle der Consolatio philosophiae erfreulicherweise auch das lateinische Original mit abgedruckt wurde. Künstlerisch und klanglich (Aufnahme: Philharmonie, Ludwigshafen, 31. Jänner bis 4. Februar 2022) ist Toccata abermals eine herausragende Ausgabe gelungen, so dass guten Gewissens eine volle Empfehlung ausgesprochen werden darf. Daniel Hauser

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Der österreichische Geiger Heinrich Wilhelm Ernst (1812-1865), in Brünn geboren und in Nizza gestorben, galt zu Lebzeiten als der liebenswürdige Antagonist zum „Teufelsgeiger“ Niccolò Paganini. Joseph Joachim meinte über Ernst: „Ähnliches habe ich niemals wieder gehört; wie denn Ernst der Geiger war, der turmhoch über allen anderen stand, denen ich im Leben begegnet bin.“ Die Wertschätzung des Geigenvirtuosen war also grenzenlos. Doch wie sieht es mit dem Komponisten aus? Tatsächlich gibt es immerhin 26 nummerierte Werke aus der Feder Ernsts, darunter eine Vertonung von Goethes Erlkönig und ein technisch beinahe haarsträubend schwieriges Violinkonzert in fis-Moll. Die verdienstvolle Edition der kompletten Werke, welche Toccata Classics vorlegt, ist mittlerweile bei Vol. 6 (TOCC 0311) angelangt. Das Herz dieser gerade 54-minütigen CD machen besagter Erlkönig – mit vollem Titel Grand Caprice. Solo pour Violin sur Le Roi des Aulnes de F. Schubert, Op. 26 (1842) – sowie die Études pour le Violin à plusieurs parties (Sechs mehrstimmige Studien für Violine. Gruß an Freunde und Kunstbrüder) (1864) aus, zwei hoch virtuose Violinwerke, das eine gerade vierminütig, das andere über eine halbe Stunde dauernd. Mit dem rumänischen Geiger Sherban Lupu konnte ein tadelloser Interpret gewonnen werden, der den höchsten Anforderungen gerecht wird, aber auch den langen Atem hat, um insbesondere in dem langen Spätwerk zu bestehen. Im hochexpressiven Erlkönig – stellenweise schon Bernard Herrmanns Psycho-Soundtrack vorwegnehmend – kommt Ernst Paganini am nächsten. Den Rest der CD machen an Schubert erinnernde Klavierwerke aus, darunter drei frühe Walzer von etwa 1838, eine Clara Schumann gewidmete Romanze von 1842 sowie eine spät entstandene Nocturne Posthume von 1864. Für diese zeichnet der englische Pianist Ian Hobson verantwortlich und fungiert zudem als Begleiter in den beiden Goethe-Liedern Lebet wohl (vor 1843) und Der Fischer (um 1830). Den Vokalpart übernimmt die amerikanische Sopranistin Yvonne Redman mit angenehmem Timbre.  Abgesehen vom dritten Walzer sind alle Werke mit Klavier Weltersteinspielungen. Das Beiheft wird bereichert durch einen klugen Essay des Ernst-Biographen Mark Rowe. Die Klangqualität der 2014 bzw. 2017 entstandenen Einspielungen unterstreicht das hohe Niveau dieser Produktion. Daniel Hauser

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Der polnische Komponist Moritz Moszkowski (1854-1925) ist heutzutage vermutlich noch am bekanntesten aufgrund einiger seiner virtuosen Klavierstücke, war er doch auch selbst Pianist. Dass er sich auch der großen Sinfonik und gar der Oper (Boabdil, der letzte Maurenkönig, 1888-1892) widmete, ist gleichsam der Vergessenheit anheimgefallen. Johanna d’Arc. Symphonische Dichtung in vier Abtheilungen nach Schiller’s Jungfrau von Orleans für grosses Orchester – so der volle Titel des seinem etwas älteren Komponistenkollegen Philipp Scharwenka gewidmeten Opus 19 – entstand in den Jahren 1875/76, ist also ein Frühwerk des Komponisten, welches nunmehr seine Weltersteinspielung erfährt (Toccata TOCC 0523). Es handelt sich um ein gewaltiges, einstündiges Werk im Stile ausgereifter Spätromantik, dessen vier Sätze wie folgt sehr detailliert bezeichnet sind: I. Johannes Hirtenleben. Eine Vision bringt sie zum Bewusstsein ihrer hohen Stellung; II. Innere Zerwürfnisse – Rückerinnerungen; III. Einzug der Sieger zur Krönung in Reims; IV. Johanna in der Gefangenschaft. Sieg, Tod und Verklärung. Es ist also möglich, die Intention des Komponisten zu verfolgen, der sich ganz in der Nachfolge von Franz Liszt und César Franck im Genre der Tondichtung bewegt. Bereits der pastorale, lyrisch angelegte Kopfsatz könnte mit seinen 23 Minuten ein Vertreter dieser Gattung sein. Er vermittelt tatsächlich sehr bildhaft die Idylle der unbeschwerten Jugend der späteren Jungfrau. Moszkowski wählte wohl ganz bewusst die Schiller’sche Vorlage, die ja bereits für sich genommen eine Abstraktion der historischen Wirklichkeit des kurzen, aber ereignisreichen Lebens der Jeanne d’Arc (1412-1431) darstellt. Erst im letzten Drittel dieses ersten Satzes kommt durch das erstmalige Auftreten der Pauken eine gewisse Unruhe ins scheinbare Paradies. Die ambitionierte Orchesterbesetzung mit Schlagwerk und Harfe erinnert ganz allgemein auch nicht unbedingt an ein sinfonisches Erstlingswerk. Die Solovioline (Jakub Haufa), die Vision versinnbildlichend, kommt ebenfalls zum Zuge. Der zweite Satz (12:49) mit der Tempobezeichnung Andante malinconico ist erwartungsgemäß von düsterer, eben melancholischer Grundstimmung und übernimmt gewissermaßen den Platz eines langsamen Satzes. Spätestens jetzt wird man des unzweifelhaften Talents Moszkowskis gewahr. Das ist alles andere als irgendeine durchschnittliche Orchesterkomposition, die zurecht vergessen wurde. Zwar behauptet der Beschreibungstext, Moszkowski habe sich an Wagner orientiert, doch erscheint die ebenfalls in den Raum gestellte Anlehnung an Joachim Raff noch naheliegender. Alles in allem aber  handelt es sich um einen durchaus erkennbaren Personalstil, der stellenweise herrlich schwelgerisch daherkommt. Im marschartigen dritten Satz (10:07) gelingt es Moszkowski, den höfisch-zeremoniellen Charakter zu betonen. Hier überwiegt wieder ganz offenkundig der Optimismus. Sehr festlich der Ausklang. Gute Filmmusik klingt ähnlich. Im Finalsatz (13:30) kehrt Moszkowski zum Anfang zurück, was sich schon im Wiederauftreten der Solovioline zeigt. Trotz des traurigen persönlichen irdischen Ausgangs für die Heldin triumphiert sie letzten Endes, indem sie standhaft bleibt, nicht widerruft und dadurch zur Märtyrerin wird. Eine fulminante Apotheose beschließt die Tondichtung. Freilich könnte man dieses Werk im Sinne absoluter Musik auch als eine gewöhnliche viersätzige Sinfonie der Spätromantik begreifen. In jedem Falle steht am Ende das Gefühl, ein anregendes Hörerlebnis erfahren und die Stunde des Hörens nicht vergeudet zu haben. Die Darbietung der Sinfonia Varsovia unter Ian Hobson ist sowohl Orchester als auch Dirigent erkennbar eine Herzensangelegenheit. Klanglich gibt es ebenfalls Grund zum Lob für die 2018 im Witold Lutoslawski Concert Studio in Warschau entstandene Einspielung. Ein feuriges Plädoyer für den „anderen“ Moritz Moszkowski. Daniel Hauser

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Der schweizerische Komponist Heinrich Sutermeister (1910-1995) erlangte insbesondere durch seine Opern Bekanntheit. Der Durchbruch gelang ihm 1940 mit Romeo und Julia, die an der Semperoper in Dresden von Karl Böhm uraufgeführt wurde. Die Premiere seines wichtigsten Chorwerkes, der Missa da Requiem, leitete 1952 Herbert von Karajan in Rom. Und noch 1985 war es Wolfgang Sawallisch, der Sutermeisters letzte Oper König Bérenger I in München uraufführte. An prominenten Fürsprechern mangelte es also mitnichten, so dass Sutermeister zu den bedeutendsten Komponisten seines Landes in der Generation nach Bloch, Honegger, Martin und Schoeck gezählt werden muss. Toccata Classics (TOCC 0420) präsentiert in Vol. 1 der Sutermeister’schen Orchesterwerke nun auf einer 87-minütigen (!) CD die Sinfonische Suite zu Romeo und Julia für großes Orchester (1940), die Suite Aubade pour Morges (1978/79), das Divertimento Nr. 2 (1959/60) sowie Die Alpen. Fantasie auf schweizerische Volkslieder für Orchester und Sprecher (1946-1948).

Bei der gut 20-minütigen Romeo und Julia-Suite handelt es sich freilich um eine sinfonische Umarbeitung der gleichnamigen Oper für den Konzertgebrauch. Der Vergleich mit Tschaikowskis Fantasie-Ouvertüre und Prokofjews Ballett drängt sich auf. Sutermeister widmet sich weniger den dramatischen als eher den lyrischen Momenten. So gerät der der längste Satz, die siebenminütige Sarabande mit der Tempobezeichnung Andante molto sostenuto, zum Höhepunkt. Die Tonsprache ist hier durchaus noch der Spät(est)romantik zuzuordnen und erscheint gerade im Vergleich zu Prokofjew geradezu auf Schönklang bedacht.
Aubade pour Morges, wörtlich: Das Morgenständchen für Morges, den Hauptort des gleichnamigen Distrikts im Schweizer Kanton Waadt, offeriert in seinen knapp 13 Minuten einen gewissen Tonfall, den man wohl durchaus als schweizerisch klassifizieren könnte. Sutermeister gelingt es in den fünf Sätzen, ein prächtiges Landschaftsbild vor dem eigenen geistigen Auge auferstehen zu lassen, so insbesondere im vorletzten Satz Clair de lune sur le lac. Man würde das sehr tonale Werk schwerlich auf die späten 1970er Jahre datieren und könnte es (im besten Sinne) für Filmmusik halten. Das schweizerische Idiom findet sich nicht wirklich im neoklassizistischen zweiten Divertimento, klassisch viersätzig und insgesamt wohl mit der gewagtesten Tonsprache, dafür vor allem aber in den Alpen, beide knapp halbstündig.

Diese in sechs Abschnitte unterteilte Fantasie über schweizerische Volkslieder, im Grunde genommen eine Tondichtung mit Sprecher, darf als eigentlicher Höhepunkt der Neuerscheinung betrachtet werden. Stellenweise fühlt man sich an Richard Strauss erinnert. Mehr noch als in Aubade our Morges huldigt Sutermeister seinem Heimatland. Der vorzügliche Sprecher Bruno Cathomas trägt fraglos seinen Teil zum Gelingen bei, auch wenn seine Wortdeutlichkeit durch die Kunstgriffe einer Studioproduktion erzielt wurde. Live hätte ein Rezitator wohl stellenweise seine Not, sich gegen die Klangmassen eines großen Sinfonieorchesters durchzusetzen. Der deutsche Text ist samt englischer Übersetzung glücklicherweise im Booklet abgedruckt. Dank des stellenweisen regelrecht poetischen Textes ist die genaue Intention des Komponisten, wie mittels einer Regieanweisung, nachvollziehbar.

Durchgängig ausgezeichnet in allen Werken die orchestrale Begleitung durch das Royal Philharmonic Orchestra unter Rainer Held, was durch eine vorbildliche Klangqualität unterstrichen wird (Aufnahme: London, 2018). Von daher bleibt, an Freunde einer sehr gemäßigten klassischen Moderne gerichtet, nichts anderes übrig, als eine Empfehlung auszusprechen. Daniel Hauser

Rettungsversuch

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Lange schien es so, als würde sein Wirken für die Firma seines Stiefvaters sein Schaffen als Komponist bei weitem überstrahlen, ist doch Hans Sommer, dem das Musikstudium verwehrt wurde und der stattdessen Mathematik und Physik studieren musste, nicht nur ein Musiker, sondern auch ein Erfinder, der für viele Produkte von Voigtländer verantwortlich ist. Die Firma erfreut sich noch immer eines vorzüglichen Rufs, die Musik von Hans Sommer, der auch mehrere Opern komponierte, ist so gut wie vergessen. Zwar betätigte sich Sommer stets auch als Musiker, dazu noch als Agent und Kritiker, seine Kompositionen wurden von Richard Strauss geschätzt, der seine Oper Lorelei 1892 in Weimar uraufführte, und Bayreuth verdankte ihm eine intensive Förderung, aber zwischen den ersten Liedern und einer Wiederaufnahme der Tätigkeit als Liederkomponist liegen immerhin zwanzig liederlose Jahre, und die 1983 entstandenen ersten Lieder wurden erst 1900 mit einer orchestralen Begleitung versehen.

Unter dem Titel Orchestral Songs sind nun bei Pentatone endlich 22 Lieder erschienen, nur eines davon, nämlich Wanderers Nachtlied II, wurde schon einmal aufgenommen, alle anderen erscheinen zum ersten Mal auf dem Markt und das in durchaus prominenter Besetzung, seien es die Vokalsolisten, sei es das Rundfunk Sinfonieorchester Berlin. Der Einfluss Wagners lässt sich nicht verleugnen, die Stücke atmen durchweg spätromantischen Geist, die Instrumentierung ist raffiniert, das Opernschaffen Sommers lässt sich oft nicht verleugnen, am ehesten noch in den schlicht gehaltenen Lieder der Lorelei, die nun ausgerechnet aus der gleichnamigen Oper stammen. Die letzten fünf Lieder, vier davon stammen aus  dem Zyklus Hunold Singuf, sind für ein Kammerensemble aus Klarinette und Streicher komponiert.

Die meisten Lieder werden vom Bariton Benjamin Appl gesungen, der mit Freisinn beginnt, zunächst etwas verquollen klingt, sich dann in der Höhe freisingt und den Schluss mit Aplomb bewältigt. Auch Sommer vertonte den König von Thule, lässt einen bemerkenswerten Kontrast zwischen dem schlichten Volksliedtext und der aufwändigen Melodieführung sowie dem reichen Orchesterklang feststellen. Besonders gefallen kann der Säger in der Ballade Sir Aethelbert, er kann eine Geschichte aufbauen und zeigt hier besondere Timbrequalitäten. Die beiden Goethe-Wanderlieder werden weniger im Bemühen um das Schaffen einer Gesamtstimmung als in dem um die Herausarbeitung von Einzelheiten gestaltet. Das ist jedoch vom Komponisten so angelegt, beim zweiten Lied fällt der Kontrast zwischen dem schlichten Text und der raffinierten Instrumentierung auf. Ehe der Bariton sich mit den anderen drei Sängern zum Istud Vinum vereint, singt er noch drei Lieder aus Hunold Singuf und das mit viel Sinn gleichermaßen für den schalkhaften, sich volkstümlich gebenden Text wie für die anspruchsvolle Musik.

Die Sopranistin Mojca Erdmann ist mit zwei Liedern auf Goethe-Texte vertreten, hat für Beherzigung II ein schönes Aufblühen der Stimme auf „frei“ und „Götter“ und für die Rastlose Liebe bei mächtig auftrumpfendem Orchester eine auf der Strecke bleibende Diktion.  Der Sängerin sind auch die Lieder der Lorelei anvertraut, ihr Sopran kann im besungenen „Abendgold“ glänzen, schwebt schön über dem Orchester und umgaukelt es und hat für Auf dem Felsen eine sichere Höhe. Anke Vondung erfreut mit einer guten Diktion, mit einer blühenden Mezzostimme und in Mignons Heimath mit viel Sinn für die Kontraste. Von schöner Leichtigkeit und Beschwingtheit kann Im Dorfe blüht die Linde profitieren. Mauro Peter ist der Tenor, der mit schönem Timbre und ausgesprochen textverständlich und mit viel Elan Nachts in der Kajüte aufwertet.

Das RSB unter Guillermo Garcia Calvo tut alles, um Hans Sommer doch noch zu spätem Ruhm zu verhelfen. Rühmenswert ist das gehaltvolle, informationsreiche Booklet (Pentatone PTC 5187 023). Ingrid Wanja  

Fund- und Schatzgrube

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Nur häppchenweise und nicht etwa in einem Zuge sollte man sich den umfangreichen Band  mit dem Titel  Voices zu Gemüte führen, in dem nicht mehr und nicht weniger als knapp siebzig mit der Oper oder zumindest mit der klassischen Musik verbundene Künstler sich zu dem Thema äußern, warum sie sich ihrem anspruchsvollen und risikoeichen Beruf, der fast allen Berufung ist, zugewandt haben, welches das auslösende Erlebnis für die Wahl desselben war und welche Erlebnisse prägend für ihr Verhältnis zur Musik waren und sind. Ein kleinerer Teil der Beiträge wurde speziell für den umfangreichen Band verfasst, ein größerer wurde von Christine Cerletti (nicht zu verwechseln mit dem Opernpapst Rodolfo Celletti) und von Thomas Voigt erfragt und aufgeschrieben, und auch wenn der Titel nur Sänger vermuten lässt, kommen auch Dirigenten, Pianisten, Regisseure, Stimmkenner und sogar mit Ion Holender ein Agent/Operndirektor zu Wort, übrigens zur Überraschung des Lesers mit dem befremdenden Bekenntnis, so recht gefallen habe ihm lediglich der Rosenkavalier unter Carlos Kleiber– ein rechtes Armutszeugnis für einen, der schließlich für die Qualität der Wiener Opernereignisse zumindest mitverantwortlich war. Seltsam mutet auch seine Kritik am Singen in Originalsprache an, wo doch die Wiener Staatsoper schon früh mit Übersetzungen für das Publikum arbeitete.

Jedes Kapitel enthält neben dem Bekenntnis des jeweiligen Künstlers eine Reihe von Fotografien, dazu kleingedruckt den Lebenslauf und Karriereverlauf. Die rund 700 Fotos sind nicht nur Rollenportraits, sondern zeigen zum Beispiel auch die im jeweiligen Artikel erwähnten Persönlichkeiten oder Plattencover.

Ab und zu taucht eine längst verstorbene und so nicht mehr befragbare  Persönlichkeit auf, die mit einem attraktiven Foto und einem meist von Bescheidenheit sprechenden Eigenzitat und einem rühmenden Urteil gewürdigt wird.

Das Vorwort stammt von Elke Heidenreich, die in gewohnt gefühliger Art, aber auch ungenau ihre Liebe zur Musik bekundet. Nicht weil Orpheus nicht an die Macht seiner Musik glaubte, sondern weil er die Klagen der Gattin nicht ertrug, drehte er sich trotz des Verbots nach ihr um.

Christine Cerletti erläutert, warum Musik gerade in unserer Zeit ungemein wichtig ist. An ihre Ausführungen schließt sich eine „Chronik“, beginnend mit 1945, an, die bis in unsere Tage reicht, also endend mit der Berufung Kyrill Petrenkos als Chef der Berliner Philharmoniker, der Corona-Pandemie und dem Krieg in der Ukraine.

„Momente unendlichen Glücksgefühls“ schildert anschließend Thomas Voigt, zu welchen offensichtlich neben Opernerlebnissen auch ein Gespräch mit Christa Ludwig kurz vor ihrem Tod, aber auch emsiger Plattentausch mit Jochen Kowalski gehörte.

Den Reigen der Bekenntnisse eröffnet Christa Ludwig, und ihre Aussagen könnten fast wörtlich auch für gut zwei Drittel aller Befragten gelten, die allesamt wie die berühmte Mezzosopranistin in einem Elternhaus aufwuchsen, in dem Musik zumindest regelmäßig konsumiert, wenn nicht sogar praktiziert wurde und das sogar professionell. Ganz selten trifft der Leser auf Musiker, deren Familie die klassische Musik fremd war oder die gar eine feindselige Haltung ihr und dem Wunsch des Kindes nach einem musischen Beruf gegenüber einnahm. Da ist viel von Kindern die Rede, die unter dem Flügel hockten, wenn der Vater seine Opernpartien einstudierte, von Schallplattensammlungen der Eltern, die durchforstet wurden, von einer Gilda Erna Bergers, die zu Tränen rührte, von der Magie des Verdi-Ortes Busseto, und gar nicht so selten gibt es, vor allem bei amerikanischen Sängern, den Umweg über die U-Musik. Einige Jahrzehnte zuvor wurde noch der Kirchenchor als Einstiegsdroge in das Reich der Musik angegeben, zumindest von italienischen Sängern. Im vorliegenden Buch bekennt sich allerdings noch Marlis Petersen dazu.

Und selbst ein Stimmenkenner wie Jürgen Kesting sieht sich zu peinlichen Bekenntnissen gezwungen, wenn er als Dreizehnjähriger Rudolf Schock für das non plus ultra des Tenorgesangs hielt. Da hatte sicherlich Ferruccio Furlanetto mit seiner Vorliebe für Boris Christoff als Zaren, die er mit Ludovic Tézier teilt,  eher ins Schwarze getroffen. Ambrogio Maestri wiederum glaubt man gern, dass seine Mutter in der Nähe der Mailänder Scala ein Restaurant hatte, Christian Thielemann ebenso, dass er über die Orgelplatten der Eltern zur Musik kam. Brian Large, verantwortlich für unzählige Videoaufnahmen von Opernaufführungen, kam über die Tierliebe zur Oper, als er zwar nicht Aida mit Elefanten, dafür aber Die Walküre mit Pferden im Kino sehen durfte.

Darf bei Stimmen-Beschreibungen nicht fehlen: Thomas Voigt, unangefochtener Kenner mit vielen Publikationen/ OBA

Als Verführer zur Oper trifft der Leser immer wieder auf Birgit Nilsson, natürlich auf die Callas, auf Janet Baker und auf Fritz Wunderlich. Zu Tränen und in der Folge zum Sängerberuf rührt und führt auffallend häufig Verdis La Traviata. Zu denen, die Violettas Schicksal besonders rührte, gehört auch Diana Damrau.  Aber auch Der Freischütz übte eine ähnliche Sogwirkung aus. Anne Sophie von Otter allerdings bekennt sich dazu, dass der attraktive Musiklehrer sie für die klassische Musik zu interessieren wusste, und auch Anja Harteros verdankt dem Musiklehrer am Gymnasium, an dem sie bereits mit dreizehn Jahren die Zerlina sang,  das Interesse an Oper.

Das letzte Kapitel wird von Judith Williams, präsent in so ziemlich allen TV-Formaten, bestritten, die auch hier noch einmal ihre traurige Geschichte von der durch Hormone, die sie wegen einer Krebserkrankung nehmen musste, beschädigten Stimme berichtet. Neben Furtwängler, Caballé und Kosky wirkt  das doch etwas seltsam. Ansonsten aber ist das Buch eine Fund- und Schatzgrube für alle Opernfreunde (336 Seiten, Abbildungen/Fotos, Verlag für moderne Kunst , Wien 2022; ISBN   978 3 903439 44 3.) Ingrid Wanja

Zuwachs im Lully-Regal

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Seinem reichen Katalog von Lully-Einspielungen fügt Christophe Rousset mit der Tragédie lyrique Psyché eine weitere Perle hinzu. In seiner Collection Chateau de Versailles bringt das französische Label VERSAILLES die im Januar 2022 in der Opéra Royal de Versailles entstandene Aufnahme auf zwei CDs heraus (CVS086). Die mythologische Fabel ist Lullys sechstes Werk im Genre der Tragédie lyrique und erzählt von den Prüfungen, die der jungen Psyché durch den Gott Amour auferlegt werden, den die Göttin Vénus aus Eifersucht der schönen Sterblichen gesandt hat.

1678 wurde das Stück uraufgeführt als Umarbeitung einer Tragikomödie gleichen Titels von 1671. Es beginnt in barocker Manier mit einem Prologue, in welchem Vénus, erzürnt über Psyché, Amour befiehlt, diese in den unwürdigsten aller Männer verliebt zu machen. Die Titelheldin erscheint 1. Akt, bereit, sich den Göttern zu opfern, um das Land von einer Schlange zu befreien, die Vénus den Menschen geschickt hat, um sie zu bestrafen – haben sie es doch gewagt, Psychés Schönheit mit jener der Göttin zu vergleichen. Ambroisine Bré, aufsteigender Stern am französischen Sopran-Himmel, singt mit feinen Valeurs und großer Empfindsamkeit.

Auch Vénus ist mit einem Sopran besetzt und wird von Bénédicte Tauran wahrgenommen. Sie tritt bereits im Prologue auf und formuliert mit strengem Ton der Göttin Zorn. Die Sopranriege komplettiert Deborah Cachet als Amour. Im 2. Akt hat sie mehrere Szenen mit Psyché und gefällt mit lieblicher Stimme. Der bekannte Barock-Interpret Cyril Auvity gibt den Mercure, der im 5. Akt auf Befehl Jupiters (resolut der Bassist Philippe Estèphe) Psychés Leiden beendet, hatte sie doch durch das Einatmen giftiger Dämpfe aus einem Kästchen Proserpinas den Tod gefunden. Der Göttervater selbst steigt in einer Glorie herab, verleiht Psyché Unsterblichkeit und vereint sie mit Amour. Ein Divertissement mit Göttern, Musen und Satyrn sorgt für einen festlichen Schluss.

Mit seinem Ensemble Les Talens Lyriques fächert Christophe Rousset die Musik in ihrer Vielfalt mit einem reichen dynamischen Spektrum auf. Gravitätisch die Ouverture, munter die Ritournelles, ernst die Plainte italienne, feierlich die Airs, wild die Airs des démons. Mit der ausgedehnten Scène dernière entfaltet der Dirigent noch einmal den ganzen Glanz und Pomp des Genres. Hier werden Bacchus, Mars und Apollon gefeiert, werden die Musen besungen. Der Choeur ist solistisch besetzt und von hoher Klangqualität. Wenn er zuletzt „Chantons les plaisirs charmants“ anstimmt, ist das Vergnügen tatsächlich groß (24. 01. 23). Bernd Hoppe

Bisherige Beiträge

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01 Ernest Reyer: Salammbô

02 William Vincent Wallace: Lurline

03 Jacopo Foroni: Cristina

04 François-Joseph Gossec: Thésée

05 Guido Guerrini: Enea

06 Francesco Gasparini: Bajazet

07 Ferdinand Ries: Die Räuberbraut

08 Karl Goldmark: Die Königin von Saba

09 Camille Saint-Saëns: Proserpine

10 Raritäten der französischen Romantik

11 Temistocle Marzano: I Normanni a Salerno

12 Gaetano Donizetti: Maria di Rohan

13 Giuseppe Verdi: Don Carlos

14 Antonio Sacchini: Renaud

15 Karel Miry: Charles Quint

16 Yiddish Theatre, New York

17/17b Pierre-Louis Dietsch: Le Vaisseau fantôme

18 Henri Rabaud: Mârouf

19 Gaetano Donizetti: Le Duc d’Albe

19b Gaetano Donizetti: Le Duc d’Albe

20 Anton Urspruch: Das Unmöglichste von Allem

21 Antônio Carlos Gomes: Joana de Flandres

23 Johann Chrstoph Vogel: Le Toison d’or

24 Antônio Carlos Gomes: Il Guarany

25 Bernhard Sekles: Schahrazade

26 Pietro Generali: Adelaide di Borgogna

27 Franz Lachner: Catharina Cornaro

28 Lamberto Pavanelli: Monna Vanna

29 Jules Massenet: Ariane 

30 Pierre-Alexandre Monsigny: Le Roi et le fermier

31 Don Davis: Río de Sangre

32 Josef Netzer: Mara

33 Antonio Mazzoni: Antigono

34 Christoph Willibald von Gluck/Richard Wagner: Iphigenia in Aulis

35 Arthur Sullivan: The Beauty Stone

36 Georg Philipp Telemann: Germanicus

37 Ferenc Erkel: István király

38 Victorin de Joncières: Dimitri

39 Eugen d’Albert: Der Golem

40 Pierre Gaveaux: Léonore

41 Ruggero Leoncavallo: Mameli

42 Pancrace Royer: Pyrrhus

43 Pierantonio Tasca: A Santa Lucia

44 Giuseppe Verdi: Macbeth auf Französisch

45 Gino Marinuzzi: Palla de‘ Mozzi

46 André-Ernest-Modeste Grétry: Raoul Barbe bleu

47 Jacques Offenbach: Le Voyage dans la lune

48 Clemens von Franckenstein: Li-Tai-Pe

49 Alberto Franchetti: Asrael

50 Joachim Raff: Benedetto Marcello

51 Camille Saint-Saëns: Le Timbre d’Argent

52 Othmar Schoeck:  Das Schloss Dürande

53 Alfredo Catalani: Loreley

54 Feliks Nowowiejski: Quo Vadis

55 Italo Montemezzi: La Nave

56 Bedřich Smetana: Dalibor

57 Gustaaf Francies de Pauw: Bellida

58 Georg Caspar Schürmann: Jason

59 Ernest Reyer: Sigurd

60 Giuseppe Nicolini: Carlo Magno

61 Zdeněk Fibich: Die Braut von Messina

62 Luigi Cherubini: Les Abencérages

63 Victor Herbert: The Fortune Teller

64 Bernard Herrmann: Wuthering Heights

65 Félicien David: Le Désert

66 Leo Blech: Alpenkönig

67 Licinio Refice: Cecilia

68 Étienne-Nicolas Méhul: Adrien

69 Franz von Suppè: Die Afrikareise

70 Antonio Salieri: Les Danaïdes

71 Félicien David: Herculanum

72 Nicola Porpora: Germanico

73 Antonín Dvořák: Alfred

74 Carl Thomas Mozart: Il ratto dal serraglio

75 Giacomo Meyerbeer: Vasco da Gama

75a Giacomo Meyerbeer: Vasco da Gama

75b Giacomo Meyerbeer: Vasco da Gama

76 Bellini Bianca e Gernando

77 Wenzel Lachnith: Les Mystères d’Isis

78 Carl Maria von Weber: Oberon auf Französisch

79 Victorin de Joncières: Lancelot

80 Michael William Balfe: Satanella

81 Nicola De Giosa: Don Checco

82 Giacomo Meyerbeer: Dinorah

83 Amilcare Ponchielli: I promessi sposi

84 Johann Simon Mayr: Medea in Corinto

85 Ruggero Leoncavallo: Zazà

86 Gaspare Spontini: La Vestale

87 Alfredo Keil: Serrana

88 Wilhelm Stenhammar: Fest auf Solhaug

89 Otto Nicolai: Die Heimkehr des Verbannten/ Il proscritto

90 Ruggero Leoncavallo: Der Roland von Berlin

91 Albert von Tilzer, Louis Achille Hirsch & Sigmund Romberg

92/92b Richard Wagner: Tannhäuser auf Französisch

93 E. T. A. Hoffmann: Aurora

94 Spiros Samara: Rhea

95 Andreas Hallén: Waldemarsskatten

97 Étienne-Nicolas Méhul: Uthal

98 Giacomo Meyerbeer: Ein Feldlager in Schlesien

98b Giacomo Meyerbeer: Ein Feldlager in Schlesien

99 Louis Niedermeyer: Marie Stuart

100 Georg Philipp Telemann: Emma und Eginhard

101 Heinrich Dorn: Die Nibelungen

102 Ivan Zajc: Amelia

103 Gaspare Spontini Agnes von Hohenstaufen

103b Gaspare Spontini: Agnes von Hohenstaufen

104 Jean-Baptiste Lemoyne: Phèdre

104b Jean-Baptiste Lemoyne: Phèdre

105 Ivar Hallström: Den Bertagna

106 Camille Saint-Saëns: Henry VIII

107 Jaromir Weinberger: Wallenstein

108 Tigran Tschukadian: Arshak II.

109 Victor E. Nessler: Der Rattenfänger von Hameln 

110 Antonio Smareglia: Nozze istriane

111 Karl Goldmark: Götz von Berlichingen 

112 Paolo Carrer: Markos Botsaris

113 Fromental Halévy: La Reine de Chypre

114 Antonio Salieri: Les Horaces

115 Peter Josef von Lindpaintner: Il vespro siciliano

116 Heinrich Marschner: Der Bäbu

117 Saverio Mercadante: Il proscritto

118 Edward Loder: Raymond and Agnes

119 Luigi Cherubini: Ali-Baba

120 Charles Gounod: Le Tribut de Zamora

121 Camille Saint-Saëns: Ascanio

122 Anton Rubinstein: Moses

123 Feliks Nowowiejski: Baltische Legende

124 Eugen d’Albert: Die Revolutionshochzeit

125 Ivor Novello: The Dancing Years

126 Ignacy Feliks Dobrzyński: Monbar

127 Max von Schillings: Der Pfeifertag 

128 Rutland Boughton: The Queen of Cornwall

129 Jacques Offenbach: Les Fées du Rhin

130 Johann Simon Mayr: I cherusci

131 César Franck: Hulda

132 Gaetano Donizetti: L’Ange de Nisida

133 Gaspare Spontini: Olympie

134 Luigi Cherubini: Les Deux Journées

135 Jakov Gotovac: Ero der Schelm

136 Nicola Vaccaj: Giulietta e Romeo

137 Hector Berlioz: Les Troyens (1858)

138 Simone Mayr: Ginevra di Scozia

139 Antonio Salieri: Tarare

140 Charles Gounod: Faust (1859)

141 Charles Gounod: La Nonne sanglante

142 Franco Faccio: Amleto

143c Ignacy Jan Paderewski: Manru

144 Giuseppe Verdi: Le Trouvère

145 Saverio Mercadante: Didone abbandonata

146 Antônio Carlos Gomes: Lo schiavo

147 Robert O’Dwyer: Eithne

148 Georg Joseph Vogler: Gustaf Adolf

149 Carl Heinrich Graun: Iphigenia in Aulide 

150 Charles-Hubert Gervais: Hypermnestre

151 Bronsart: Scherz: List und Rache

152 Francesco Morlacchi: Tebaldo e Isolina

153 Gaspare Spontini: Fernand Cortez

153b Gaspare Spontini: Fernand Cortez

154 Ferdinando Paër: Agnese

155 Ivan Zajc: Nikola Šubić Zrinski

156 Antonín Reicha: Lenore

157 Jules Massenet: Don César

158 Joseph Martin Kraus: Aeneas i Carthago

159 Saverio Mercadante: I briganti

159b Saverio Mercadante: I briganti

160 Saverio Mercadante: Amleto

161 Michele Carafa: Masianello

162 Paul Dessau: Lancelot

163 André Messager: Fortunio

164 Reynaldo Hahn: L’Île du Rêve

165 Max Bruch: Die Loreley

166 Franz von Suppè: Il ritorno di Marinaio

167 August Emil Enna: Kleopatra

168 Ricardo Castro: Atzimba

169/170 Christian Frederik Emil Hornemann: Aladdin

170 Giovanni Pacini: Gli Arabi nelle Gallie

171 Ernst von Sachsen-Coburg und Gotha: Santa Chiara

172 Eugen Engel: Grete Minde

173 Iranische Opern von Behzad Abdi

174 Giovanni Pacini: Medea

175 Niccolò Zingarelli: Giulietta e Romeo

176 Carl Maria von Weber/Hector Berlioz: Le Freyschutz

177 Zdeněk Fibich: Pád Arkuna

178 Władysław Żeleński: Goplana

179 Antonio Smareglia: Il vassallo di Szigeth

180 Charles Gounod: La Reine de Saba

181 Havergal Brian: Faust

182 Camille Saint-Saëns: Phryné

183 Johann Simon Mayr: Alfredo il Grande

184 Euclides Fonseca: Leonor

185 Louise Bertin: Fausto

186 Ambroise Thomas: Hamlet / Tenorfassung

187 Fromenthal Halévy: La Tempesta

188 Félicien David: Lallah-Roukh

189 Vratoslav Lisinski: Porin

190 Camille Saint-Saens: Déjanire

191 Franz Schmidt: Fredigundis

192 Jules Massenet: Werther/Bariton-Version

193 Joachim Raff: Samson

194a Giacomo Meyerbeer: Le Prophète

194b Giacomo Meyerbeer: Le Prophete

195 Niccolò Piccinni: Didon

196 Conradin Kreutzer: Der Taucher

197 Camille Erlanger: La Sociere

198 Clémence de Grandval: Mazeppa

 

Glück, das mir verblieb

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Von vielen sehr unterschiedlichen Seiten kann man sich dem Komponisten Erich Wolfgang Korngold mit einem ihm gewidmeten Lesebuch mit dem Titel Glück, das mir verblieb nähern, herausgegeben von Heide Stockinger und erschienen im Verlag böhlau. Von einem sehr eng gefassten, sich dem Frack des Komponisten widmenden Kapitel, über eine Auseinandersetzung mit dem bekanntesten Werk, der Oper Die tote Stadt, in Hamburg bis zum Exil in den Vereinigten Staaten reichen die Themen, und so unterschiedlich der Inhalt der einzelnen Aufsätze ist, so verschieden ist auch die Art der Darstellung. Sie reicht vom streng wissenschaftlichen Beitrag bis hin zu einem fiktionalen Interview, das die Verfasserin angeblich mit der Gattin des Komponisten abhält. Gemeinsam ist allen Artikeln die angehängte Literaturliste, dazu kommen noch ein umfangreicher Anhang, eine biographische Übersicht, Korngold heute-auf der Bühne, Korngold heute- im Konzertsaal, ein Abbildungsnachweis, ein Autorenverzeichnis und ein Personenregister.

Als Dirigentin der Hamburger Aufführung von Die tote Stadt war Simone Young dazu berufen, das Geleitwort zu schreiben, und verweist auf die beiden Schöpfungen des Komponisten, die auch in den folgenden Texten die bedeutendste Rolle spielen, das Violinkonzert und Die tote Stadt, von der sie allerdings nicht Mariettas Lied, sondern das des Pierrot als erstes berührte.

Im Vorwort stellt die Herausgeberin die einzelnen Autoren und ihre Themen vor. Danach meldet sich eine Enkelin Korngolds zu Wort, als Amerikanerin natürlich zunächst einmal mit dem Filmkomponisten vertraut, auf einer Europareise auch den E-Musiker entdeckend,  sich  zum 50.Todestag über Briefmarken zu Ehren des Großvaters freuend und „mit Demut als Verwalterin des Vermächtnisses“ tätig werdend.

Hochinteressant ist der Beitrag von Kurt Arrer über den „Übervater Julius Korngold“, der in den Sohn die Verachtung für das Atonale pflanzte und ihn als Waffe gegen seine Vertreter nutzte, sicherlich auch gegen das Abdriften in die Filmmusik war und dessen Biographie 1991 in der Schweiz erschien. Drei Generationen Korngold konnten den Nazis entfliehen, viele weitere Familienmitglieder wurden von ihnen ermordet.

Derselbe Autor beleuchtet auch die bevorzugten Ferienorte der Familie Korngold, die die Liebe zum Salzkammergut mit vielen anderen Wiener Künstlern teilte. Ob das Vermitteln vieler Daten und Ortsnamen gewinnbringend für den Leser ist, muss dieser selbst entscheiden, als exemplarisch für den Umgang von jüdischem Besitz durch die Nazis mag das Schicksal von Schloss Höselberg  gelten, mit Interesse liest der deutsche Leser später bei Karin Wagner, dass in Wien private Übergriffe und selbstherrliche Aneignungen durch Arisierung keine Ausnahmeerscheinung waren.

Spaßig ist das fiktive Interview von Lis Malina mit Korngolds Gattin Luzi nicht ohne neckische Koketterie und mit vielen Zigaretten, mit der Erwähnung der Söhne Schurli und Ernsti und einer Entschuldigung in Richtung Gender-Freunde.  Es gibt sicherlich auch Leser, die davon angetan sind.

Oswald Panagl schreibt über das Liedschaffen Korngolds, das selbst von den Alles-Singern Fischer-Dieskau und Prey nicht beachtet wurde, obwohl Korngold bereits mit vierzehn Jahren zwölf Eichendorff-Gedichte vertonte, außerdem später zwei Shakespeare-Zyklen und als letztes Lied das „Sonett für Wien“. Der Autor verschweigt nicht, dass er einige dieser Lieder für  Routine-Arbeiten hält, wörtlich „Gelegenheit macht Lieder“, was wiederum auch ein bisschen läppisch klingt.

Gottfried Franz Kasparek widmete sich den Bearbeitungen, die Korngold verschiedenen Operetten zuteilwerden ließ, obwohl er eigentlich grundsätzlich gegen eben solche war. Eine besondere Rolle spielte dabei die Zusammenarbeit mit Max Reinhardt, und interessant ist es zu lesen, inwiefern sich durch diese oft Rettungsversuche das Klangbild des jeweiligen Werkes insgesamt veränderte. Lobend erwähnt werden in diesem Zusammenhang die Operetten-Häuser in Dresden und Leipzig, die sich mit Erfolg um diese Werke bemühten. „Verkorngoldungen“ nannte man diese Bearbeitungen scherzhaft, wobei der Verfasser sich im Fall Leo Fall durchaus kritisch äußert. Erwähnung findet auch die einzige „echte“ Korngold-Operette, die 1954 in Dortmund zum Publikumserfolg wurde, aber einen Verriss durch die Kritik erdulden musste.

Auch das Instrumentalwerk Korngolds wird durch diesen Autor gewürdigt, seine drei Chorwerke, sämtlich bisher unaufgeführt, erwähnt, das Klavier-Trio des Zwölfjährigen, bei dessen Aufführung Bruno Walter mitwirkte, analysiert und die Roosevelt gewidmete Sinfonie in die Betrachtungen einbezogen.

Karin Wagner erweckt das Interesse des Lesers besonders durch die Entstehungsgeschichte der letzten Oper Korngolds, Kathrin, die Geschichte eines deutschen Dienstmädchens, das sich in einen französischen Besatzungsoffizier verliebt.  Das war natürlich kein in den Dreißigern beliebter Stoff, aber auch eine Umarbeitung und Verlegung der Handlung in die Schweiz konnte einen Erfolg nicht herbeizwingen. In diesem sehr aufschlussreichen Aufsatz wird auch der Vorwurf erwähnt, dass Korngold nicht nur einmal Musik aus seinen Sinfonien und Opern für seine Filmmusik-Projekte verwendete und umgekehrt. Einen schätzenswerten Überblick über die „deutsche Kolonie“ in Hollywood gewinnt man außerdem durch diesen  Beitrag, der zudem durch Zitate aus dem Briefwechsel Korngolds interessant  ist.

Nobuko Nakamura findet die Ausstellung des Fracks, den Korngold bei der Oscar-Verleihung trug und der nun mit anderen Devotionalien im Exilarte Zentrum ausgestellt wird, eines Artikel für wert. Der letzte Beitrag, für den Heide Stockinger und Robert Oltay verantwortlich sind, vergleicht Korngolds Oper Die tote Stadt mit dem gleichnamigen Gemälde von Egon Schiele.

Zuvor erwecken noch zwei Aufsätze über das Fortleben von Korngolds Werken in unserer Gegenwart die Aufmerksamkeit des Lesers, einmal die Inszenierung der Toten Stadt in Hamburg und Korngold-Aufführungen in Salzburg. Einmal wird das Regie-Konzept ausführlich dargestellt, werden Entscheidungen von Regisseurin Karoline Gruber begründet, zum anderen werden die unterschiedlichen Versuche,  zu Gedenktagen wie 1997 oder 2004 das Publikum an Korngold heranzuführen, geschildert und bewertet. Wer sich zur näheren Beschäftigung mit Korngold angeregt sieht, findet in  dem Hinweis auf B.C. Carrolls Buch The Last Prodigy eine Hilfestellung.

Der Untertitel Lesebuch bedeutet insofern eine Hilfestellung, als der Leser keinen umfassenden Überblick über Leben und Werk des Komponisten erwartet und erhält, sondern Mosaiksteinchen, die ihm allerdings einerseits durch ihre Vielfalt ermöglichen, sich einen ersten, recht umfassenden Eindruck zu verschaffen, darüber hinaus aber auch zu weiterem Studium anregen (230 Seiten, Böhlau Verlag Wien Köln 2022; ISBN 978 3 205 21520 2). Ingrid Wanja

Eugenia Zareska

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„Skúchno, Marina, akh, kak, skúchno-to!“ („Langweilig ist mir´s“) singt eine geheimnisvolle, dunkle, ungemein erotische Mezzo-Alt-Stimme in Russisch auf dem Boris Godunow unter Isaac Doubrowen, und Nicolai Geddas Dimitri verfällt dieser Ballung an müder Erotik der polnischen Fürstin nachvollziehbar, denn Eugenia Zareska (9. November 1910 in Rawa Ruska bei Lemberg, heute Polen – 5. Oktober 1979 – Paris) ist schlicht eine Wucht, nicht nur in dieser Partie. Was für ein Organ, was für eine Ironie in der wunderbar tief geführten Stimme – eine ganze Nachkriegs-Epoche tut sich mit ihr auf.

Begegnet bin ich ihr zum ersten Mal beim Hören der Grande-Duchesse de Gerolstein unter René Leibowitz auf einer alten und etwas zerkratzten Nixa-LP, die ich als Student auf dem Flohmarkt in Londons Bayswater kaufte (inzwischen bei Naxos digital). Ich wusste weder wer Leibowitz war noch wer Zareska. Aber ihre Grande-Duchesse, die da frech den Säbel ihres Vaters besingt („Ah le sabre, le sabre de mon pêre..“) und mir als Hörer keinen Zweifel lässt, was sie damit andeutet, eröffenete mir Offenbachs Welt der erotischen Zweideutigkeiten und der Ironie. Was für eine Stimme.

Eugenia Zareska als Dorabella/ Sammlung HS

Genau das Gegenstück an Würde und Pathos ist ihre Ottavia in der für heutige und an Alte-Musik-gewohnte Ohren etwas konservative Poppea unter Ewerhart bei Vox (ah, der nervös-hysterische Nerone des Hans-Ulrich Mielsch!), ihr „Addio Roma“ verströmt Größe und Ruhe, Ergebenheit in ihr Schicksal, fast überirdische Abgehobenheit angesichts der Verbannung. Die Aufnahme fand ich am Kiosk neben der Scala vor vielen Jahren, und sie ist bis heute nicht wieder aufgelegt worden. Eine ganz wunderbare Leistung. Diese Brustigkeit, dieses Timbre! Unglaublich.

Sowas ist es auf modernen Aufnahmen nicht zu finden. Auch nicht die pathosreiche Jeanna d´Arc von Tschaikowsky, die sie bei youtube singt – große russische Oper (in Französisch, wie oft üblich) und große Gefühle… Kaum eine schafft das wie sie.

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Viel gibt es nicht von ihr dokumentiert – meint man auf den ersten Blick. Nicht mehr – muss man auf den zweiten sagen. Denn sie war fleißig und ganz offensichtlich von den großen Dirigenten ihrer Zeit in Paris sehr gesucht.  Ein Blick zu Discogs (dem Eldorado gebrauchter LPs und CDs zu günstigen Preisen) zeigt eine recht lange Liste an Aufnahmen. Viel von Mahler („Urlicht“ aus der Zweiten ist eine absolute Wucht), Bach unter Redel, Lulu neben der Steingruber und Rehfuss unter Maderna, Martin unter Ansermet, eine abenteuerliche Aufnahme von Scarlattis Trionfo dell´onore bei Cetra (als rahmensprenge, lustige Rosina immerhin unter Giulini aus den tiefen Fünfzigern),  eine Mucke im Onegin 1953 an der Scala auf einer Longanesi-LP ebenfalls am Kiosk,  bei Disques Montaigne Oedipus Rex von Igor Stravinsky unter der Leitung des Komponisten, besagter Boris Godunow unter Isaac Doubrowen neben Christoff und Gedda sowie wirklich jede Menge Lieder von Reichardt, Schubert, Schumann (Frauenliebe und -Leben sind allerdings wirklich nur was für rabiate Fans), Chopin über Mussorsgsky bis zu ukrainischen und polnischen, letztere auch bei youtube zu finden. Wirklich eine enorme Vielfalt von einer Sängerin, die heute kaum jemandem bekannt ist.

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Eugenia Zareska mit ihrem kleinen Sohn in Paris 1957/ Youtube

Sie war zudem – den Fotos nach zu urteilen – eine exotisch-schöne Frau mit dunklen Augen und Haaren (der Damenbart-Typ); ein kurzer Film-Clip bei youtube zeigt sie live mit ihrem Sohn in einem Garten lachend und sehr attraktiv (bei youtube steht dazu: What you are viewing are candid scenes – no sound added at this stage – that were left on the cutting room floor by Orbit Film Corporation of Toronto in 1957. The film is The Red Carousel, a Ukrainian language color movie produced in Canada. This is part of a segment filmed in Paris, France. The scene at the end with Ms. Zareska and the Orbit Film Corp. car is interesting. There are numerous recordings but film of Eugenia Zareska is nearly impossible to find. Julian Roffman had some connection with Orbit Film Corp. as his name and photo appear in an Orbit Film Corp. brochure.)

Ihre Stimme, stets ein wenig gaumig und ungemein individuell, in der Diktion auch nicht immer so wirklich präzise aber voller Empathie und Atmosphäre mit dem Gesungenen, bleibt auf diesen Aufnahmen erhalten – eine merkwürdige, sehr persönliche und für mich im Kopf bleibende. Geerd Heinsen

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Dazu eine kurze Biographie von Bach-Track: Die polnische (eigentlich ukrainische) Mezzosopranistin Eugenia Zareska studierte bei Adam Didur in Lwów und anschließend in Wien, wo sie 1938 einen Gesangswettbewerb gewann. Sie war auch Schülerin von Anna Bahr Mildenburg. Sie begann ihre Bühnenkarriere 1939. Ab 1940 lebte sie in Italien, wo sie ihre Ausbildung in Mailand abschloss, später an den bedeutenden Opernhäusern auftrat und vor allem ab 1941 an der Mailänder Scala wichtige Erfolge feierte (Startrolle: Dorabella). 1942 sang sie an der Oper von Rom, und nach dem Zweiten Weltkrieg gastierte sie häufig in Paris, etwa als Marina in Boris Godunow von Mussorgsky. 1952 verlegte sie ihren Wohnsitz nach London. Dort trat sie zunächst am Cambridge Theatre als Rosina in Il Barbiere di Siviglia auf, dann 1948-1949, 1952-1953 und 1957-1958 an der Covent Garden Opera London, an der sie ihre erste Rolle als Carmen sang. Gleichzeitig gastierte sie an den großen Opernbühnen in Italien, Frankreich, Belgien und Holland.

Eugenia Zareska war auch eine international geschätzte Konzertsängerin, wobei sie sich insbesondere im Liedgesang auszeichnete. Sie nahm an den Festivals von Edinburgh und Siena teil und sang die Dorabella beim Glyndebourne Festival 1948. Beim Festival von Venedig war sie 1949 als Pique-Dame-Gräfin. Sie gastierte auch bei den Festspielen von Aix-en-Provence und beim Maggio Musicale Fiorentino.

Erneuter Rettungsversuch

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Herzens- und Schmerzenskind zugleich war dem deutsch-italienischen Komponisten Ermanno Wolf-Ferrari seine Oper Das Himmelskleid, die zwar bereits während des Ersten Weltkriegs komponiert, aber erst 1927 in München uraufgeführt wurde. Einerseits wollte der Komponist unbedingt der Schablone, Komponist komischer Opern zu sein, entfliehen, andererseits war aber trotz der Stabführung von Hans Knappertsbusch im Münchner Nationaltheater der Erfolg bei Publikum wie Kritik ein nur bescheidener. Wolf-Ferrari blieb für Feuilleton und Publikum der Schöpfer der Vier Grobiane oder der Quattro Rusteghi und von Susannas Geheimnis oder Il Segreto di Susanna, obwohl er immerhin dreizehn Opern komponierte. 1995 führte das experimentierfreudige Hagener Theater das Werk wieder auf, es erschien bei Marco Polo auch als Studioaufnahme, nun wieder bei Naxos mit einem Booklet auf Englisch und Deutsch (Libretto  als download verfügbar).

Das vom Komponisten verfasste Libretto stützt sich auf ein Märchen von Charles  Perrault und erzählt die Geschichte einer Prinzessin, die nur dem gehören will, der ihr die Kleider von Wind, Mond und Sonne beschafft. Nachdem 32 Bewerber bereits abgewiesen wurden, verliert sie ihr Reich, dessen Wohlstand und Gedeihen einem Bettler zu verdanken war, der ihren Vater wegen dessen Güte einst damit belohnt hatte. Nur in die Haut des goldenen Esels, eines Standbilds, gehüllt, irrt sie vertrieben von den Untertanen durch die Welt, während der letzte der Bewerber versucht, ihren Wunsch zu erfüllen. In allen drei Reichen, die er deswegen besucht, wird er zurückgewiesen, doch Prinz und Prinzessin  finden einander wieder und erkennen, dass sie das Himmelskleid durch ihre Liebe eigentlich bereits besitzen. Sie kehren in das wieder prosperierende Königreich zurück- und wenn sie nicht gestorben sind, dann….

Wenn dem Werk in den Zwanzigern der Erfolg versagt blieb, ist das sicherlich mit dem ideologiebefrachteten Text zu erklären, dem sehr langen zweiten Akt in Kinofilmausmaßen, der allein vom Prinzen und wechselnden himmlischen Gewalten in stets gleicher Besetzung bestritten wird. Die Musik ist höchst eingängig spätromantisch, die Instrumentierung raffiniert und ein Hochgenuss besonders in den  rein  instrumentalen, schillernden Passagen, derer es viele gibt. Für die Solisten wechseln sich Gesang und Deklamation miteinander ab,  erst der Schluss erscheint wirklich hochdramatisch.

Anspruchsvoll ist die Partie der Prinzessin, die mit Angelina Ruzzafante, einer Christina-Deutekom-Schülerin,  gut besetzt ist. Der Sopran verfügt über eine gute Diktion, ein leicht kindlich wirkendes Timbre für den ersten Akt, das fein abgedunkelt wird ab „bin nimmer froh“, die liebliche Stimme mit gutem Legato verbreitet viel dolcezza, verfügt über ein farbiges Parlando und kann im anspruchsvollen dritten Akt, in dem auch einiges an Höhensicherheit erwartet wird, mit den  Farben des Orchesters korrespondieren. Der Prinz ist der Tenor Sibrand Basa, dessen Stimme klar konturiert ist, der zunächst etwas larmoyant erscheint, aber im zweiten Akt, der ganz ihm gehört, seine Chance nützt und einen emphatischen Schluss singt. Sanft und warm ist der Mezzosopran von Anna-Maria Dur für die Mondfee, sonor Vertrauen einflößend der Bass von Sergio Gómez für Bettler und Prinz Gudolin, markant der Bariton von Stefan Adam für den Prinzen Korbinian  und präsent auch in der Mittellage der Tenor von Reinhard Leisenhammer für den Kanzler. Quirlig erscheinen die Damen, besonders wenn sie als Sonnenkinder eingesetzt werden. Das Orchester unter Gerhard Markson beweist, dass es nicht mehr Hauptstadt und Provinz, sondern nur gute und weniger gute Orchester gibt, und das aus Hagen gehörte damals zu ersteren (Naxos 8.660518-20, 2 CD). Ingrid Wanja           

Von den Anfängen der Oper

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Das Cover-Foto zeigt eine attraktive junge Frau unserer Zeit, die Beschriftung Arias for Anna Renzithe first Opera Diva meint eine Sängerin längst vergangener Zeiten, und ganz klein und ganz unten steht auch noch, wer tatsächlich auf der CD zu hören ist. Es handelt sich um die als Spezialistin für Alte Musik hoch gehandelte Sopranistin Roberta Invernizzi, die mit dem Ensemble Sezione Aurea Arien eingespielt hat, die einst im fernen 17. Jahrhundert für die erste Primadonna der jungen Kunstgattung komponiert wurden, darunter die bekannte Arie der Ottavia “Disprezzata regina“ aus Monteverdis L’Incoronazione di Poppea. Obwohl höchstwahrscheinlich sich eines ehrbaren Lebenswandels befleißigend, stand auch sie wie ihre Berufsgenossinnen unter dem Generalverdacht einer unsittlichen Lebensführung , wurde nicht nur für eine „cantante“, sondern eine „cortegiana“ gehalten, obwohl ein zeitgenössisches Portrait sie in hochehrbarer Gewandung und mit eher strengem als sich einschmeicheln wollendem Blick zeigt. Den Titel Primadonna und dazu noch die allererste dürfte sie sich gleichermaßen durch die Qualitäten ihrer Stimme, über die es schriftliche Zeugnisse gibt, als auch und vor allem durch die Eindringlichkeit ihrer Darstellung verdient haben.

Von den dreizehn Opern, in denen Renzi nachweislich auftrat, sind nur die Partituren von vier derselben vollständig überliefert. Trotzdem fällt bei ohnehin nur 48 Minuten Gesamtspielzeit der CD die Ausbeute an Gesangsnummern mit ganzen sechs, dazu ein und ein Viertel Minuten Duett etwas mager aus, andererseits sind die Stücke für Orchester oder auch nur Cembalo überaus reizvoll.

Bereits in der ersten Arie, der der Ottavia wird deutlich, dass zumindest Roberta Invernizzi, wie man es Anna Renzi nachsagte, einen hohen Wert  der Expression, weniger  dem gefälligen Fluss der Melodie  beimisst. Die Stimme wird schön instrumental geführt, lässt feine Glockentöne vernehmen, und die  „fulmini“, die „Giove“ nicht hat, lodern zumindest in der Sopranstimme. In Antonio Cestis Arie aus Argia scheint eine gewisse Verwaschenheit der Diktion als Stilmittel eingesetzt zu werden, wird der Charakter der Beiläufigkeit besonders hervorgehoben, erscheint die Stimme als zusätzliches Orchesterinstrument. Filiberto Laurenzi komponierte die Konzertarie „O cara libertà“, in der ein schöner Klageton, eine bemerkenswerte Geläufigkeit und ein melancholischer Touch im Timbre die Liebe als Versklaver an- und beklagen. Im kurzen „Ecco l’alba che ridente“ umschmeicheln die beiden Soprane einander. Ein schillerndes Persönchen tritt dem Hörer mit der Heldin der Laurenzi-Oper La Finta Savia entgegen, die neckisch und schalkhaft souverän mit den Tönen umzugehen versteht.  Der Sopran erscheint hier  zarter und heller zu sein und kehrt stärker als in den anderen Partien das Virtuose heraus.

Die Orchesterstücke stammen von Cesti, Frescobaldi, Rossi, Cima und Ceresini und verbreiten mal Festliches, mal Verspieltes, immer aber Hochprofessionelles (Brillant Classics 96716). Ingrid Wanja

Schmuckstück im Barock-Katalog

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Liebhaber der Barockmusik dürften jubeln über die Veröffentlichung von Porporas Dramma per Musica Calvo il Calvo bei Parnassus (PARARTS002, 3CDs). Denn mit diesem 1738 in Rom uraufgeführten und danach nie wieder gespielten Werk wurde im September 2020 das von Max Emanuel Cencic initiierte Bayreuth Baroque Opera Festival im Markgräflichen Opernhaus der fränkischen Wagner-Metropole eröffnet. Das Werk basiert auf einer Episode aus dem deutschen Mittelalter und behandelt den Streit um ein Familienerbe. Die neue Einspielung entstand im August 2021 in Athen und weist in allen Partien eine identische Besetzung gegenüber der Bayreuther Aufführung auf.

Eine Phalanx der aktuell führenden Countertenöre und Sopranisten ist angetreten, angeführt von Franco Fagioli als Adalgiso. Die Partie war für den Starkastraten Lorenzo Ghirardi geschrieben und ist die anspruchsvollste der Oper. Die Auftrittsarie, „Tornate tranquille“, ist gespickt mit Trillern und Verzierungen, verlangt vom Interpreten sogleich höchste Kunstfertigkeit. Am Ende des 1. Teiles sorgt er mit einer tobenden Sturm-Gleichnisarie, „Saggio Nocchier che vede“, für einen wirkungsvollen Aktschluss. Während das Orchester das wogende Meer suggeriert, muss der Sänger mit endlosen, geradezu gurgelnden Tönen einen Steuermann in auswegloser Situation auf hoher See vorgeben – eine tour de force fast ohne Vergleich im Barockgenre. Von ähnlichem Anspruch ist die Gleichnisarie am Ende des 2. Aktes „Spesso di nubi cinto“ mit ihren schier endlosen Koloraturgirlanden. Fagioli fegt hier wie ein Rasender durch das System und fügt seinen vielen Ausnahme-Interpretationen eine weitere bedeutende hinzu. Auch das letzte Solo des Werkes („Con placido contento“) gehört ihm und in diesem haben sich alle Stürme gelegt, sind Ruhe und Frieden eingekehrt. Fagioli verdeutlicht dies mit zärtlich getupften Tönen und delikaten Trillern. Adalgisos Vater Lottario gibt Max Emanuel Cencic, Gründer des Festivals und Regisseur der Produktion. Ihm fällt die erste Aria des Werkes zu, „Vado nello splendore“, in der er mit dem schmeichelnden Klang seines Counters den wiegenden Rhythmus des Stückes betörend ausbreitet. Im Kontrast dazu ist sein zweites Solo, „Se rea ti vuole iol Cielo“, von furiosem Zuschnitt mit rasenden Läufen und eine Herausforderung an die Bravour des Sängers. Ein musikalisches Juwel ist seine wiegende Aria „Quando s’obscura il Cielo“ im 2. Akt, in welcher Cencic mit geschmeidiger Stimmführung imponiert. Gegen Ende des 3. Akt hat er mit der aufgewühlten Aria „So che tiranno io sono“ noch ein Bravourstück par excellence, mit dem er seinen führenden Status eindrücklich bestätigt. Der Tenor Peter Nekoranec ist sein Vertrauter Asprando. Der Sänger mit gediegen timbrierter Stimme ist eine Entdeckung. Seine erste Aria, das stürmische „Col passaggier talora“, nutzt er, um die Kultur seines Organs und die Bravour in den Koloraturläufen effektvoll zu demonstrieren. Von ähnlichem Charakter ist „Piena di sdegno in fronte“ im letzten Akt, in welchem er noch einmal mit wilder Verve aufwartet. Giuditta, zweite Frau von Kaiser Ludwig, ist die zentrale Sopranpartie des Werkes und mit Suzanne Jerosme besetzt. Im Auftritt, „Pensa, che figlia sei“, kann sie energisch auftrumpfen, aber auch empfindsame Töne hören lassen. Die Solistin, hierzulande noch weniger prominent, hinterlässt den besten Eindruck. Diesen vermag sie in der rasanten Aria „Vorresti a me sul ciglio“ mit vehementen Koloraturrouladen sogar noch zu steigern. Stark in der Wirkung auch die wütende Aria „Tu m’ingannasti“ mit fulminantem Einsatz. Auch Gildippe, ihre Tochter aus erster Ehe, ist eine Sopranrolle und wurde Julia Lezhneva übertragen. Sie muss in ihrem Auftritt, der Aria „Sento, che in sen turbato“, sogleich alle Register ihrer Kunst ziehen, denn die Partie war für Porporas Schüler Porporino komponiert, der mit Ghirardi konkurrieren sollte. Mit ihrer lieblichen, überaus flexiblen Stimme kann Lezhneva hier glanzvoll bestehen. Dies trifft auch auf die ausgedehnte Aria „Se nell’amico nido“ zu, in welcher ein ganzer Katalog von kosendem Zierwerk gefordert wird. Bezaubernd singt sie die Aria „Se veder potessi il core“ im 2. Akt mit ihren gurrenden, zwitschernden Lauten. Hinreißend auch das kokette „Amore è un certo foco“ mit lieblich verspielten Tönen. Im 3. Akt hat sie mit Adalgiso das Duetto „Dimmi, che m’ami“ zu singen, das in seinem innigen Melos und den sich harmonisch verschlingenden Stimmen einen Höhepunkt der Komposition darstellt. Giudittas Vertrauter und vermeintlicher Liebhaber Berardo ist der seit kurzem aufstrebende Sopranist Bruno de Sá. Sein kindliches Timbre mag Geschmackssache sein, doch ist seine Virtuosität über jeden Zweifel erhaben. Die stupende, absolut sichere Extremhöhe kann er schon in seiner ersten Aria, „Sai, che fedel io sono“, zeigen. Mit „Per voi sul Campo armato“ hat er im 2. Akt eine beherzte Aria, die einen kämpferischen Entschluss ausdrückt. Hier fehlt es dem Interpreten weniger an Emphase als an heroischem Stimmklang. Gleiches trifft auf „Su la fatal arena“ im 3. Akt zu, wo die Stimme fast einen heiteren Klang aufweist und kaum an einen „tödlichen Kampfplatz“ denken lässt. Aber man staunt erneut über die Bravour des Sängers und die brillanten Töne in extremer Tessitura. Nian Wang komplettiert die Besetzung als Giudittas Tochter Eduige. Die Stimme der Mezzosopranistin von androgynem Charakter lässt auch an einen Counter denken, auf jeden Fall ist sie von schöner Substanz und hoher Klangqualität.

Dirigent George Petrou ist mit seinem auf historischen Instrumenten musizierenden Orchester Armonia Atenea den Festspielen von Beginn an verbunden. Auch mit dieser Einspielung beweist er seine Kompetenz für die Musik mit ihrer leidenschaftlichen Dramatik und allerhöchsten Virtuosität. Gleich in der einleitenden Sinfonia mit pompösem Trompetengeschmetter im ersten Allegro setzt er ein Achtungszeichen und kann auch die drei festlichen Aktfinali mit gebührendem Glanz ausbreiten.

Nach diesem Carlo, einem Schmuckstück im Barock-Katalog, wartet der Freund Alter Musik nun noch auf Porporas Polifemo, der zuerst bei den Salzburger Pfingstfestspielen zu erleben war und 2021 in Bayreuth erklang. Bernd Hoppe

Lohnend

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Mit Ersteinspielungen, die von einem informationsreichen Booklet in Italienisch und Englisch begleitet werden, tut sich das Genueser Label Dynamic hervor, das sich nun zwei Komponisten aus der Zeit zwischen den Weltkriegen gewidmet hat, als in Rom ein besonders intensives Musikleben blühte. Es handelt sich um das Musikerehepaar Giovanni und Iditta Salviucci, wobei die Gattin nach italienischer Art ihren Mädchennamen Parpagliolo beibehielt. Sie stammt aus dem Umkreis von Ottorino Respighi, dessen Ehefrau Elsa ihre Lehrerin war und der sie die auf der CD veröffentlichten Tre canti d’amore widmete. Nach der Eheschließung mit Giovanni Salviucci bekam sie innerhalb von drei Jahren ebenso viele Kinder, denen sie sich dann neben einer Lehrtätigkeit ausschließlich widmete, auch weil ihr Gatte bereits im Alter von 30 Jahren verstarb. Das erklärt auch, dass die Lieder und die Kammersinfonie Giovannis für 17 Instrumente eigentlich Jugendwerke sind, die aber bereits eine frühe Meisterschaft verraten.

Es beginnt mit Idittas Lied Fides, das von den Träumen eines Kindes handelt, dem eine goldene Zypresse in einem Wald aus goldenen Bäumen vorgegaukelt wird, während in seinem eigenen Garten eine dunkel Zypresse bitterlich weint. Die vor allem als Spezialistin für Kammermusik und im Chor des Zürcher Opernhauses singende Sopranistin Selena Colombera, begleitet von Guido Salvetti,  hat dafür eine quellfrische, kristallklar klingende Stimme, die sie künstlich naiv erscheinen, nur auf „piange alla bufera“ dumpf klingen lässt. Wie Edelsteine funkelt sie, wenn in Canzone popolare eben diese besungen werden, während leichte Schärfen in La buona parola, eine Verkündigung, in die agogikreiche Ansprache des Engels eingebaut werden. Die Regentröpfchen im Märzregen werden fein plätschernd charakterisiert, klingen frisch und silbrig, während sich inDelusione d‘ infinita tristezza“ sich trüb vom Rest der Canzone abhebt. Einen schwebenden Klang , der in einen schmerzlichen Aufschrei  auf „Egli è partito“ übergeht, verleiht die Sängerin La partenza. Ein naives Plappern kennzeichnet schließlich das letzte Lied der Komponistin und die Wiedergabe durch den Sopran.

Wie die seiner Frau sind auch die Tracks, die Giovanni Salviucci zugeschrieben werden, Ersteinspielungen, aber von ihm gibt es auch eine ganze Reihe bereits veröffentlichter Orchesterwerke, von denen allerdings das auf der vorliegenden CD eine Ausnahme bildet. Es handelt sich um eine Kammer-Sinfonie, in der jedes der 17 Instrumente nur einfach, also quasi als Solist, eingesetzt wird. Hier wie bei den Liedern wird deutlich, wie sehr Salviucci gleichzeitig der klassischen italienischen Polyphonie wie zeitgenössischen europäischen Tendenzen zugetan war. Das Orchestra della Svizzera Italiana unter Tito Ceccherini nimmt sich des Werks, das wie eine klassische viersätzige Sinfonie aufgebaut ist, an und lässt ein ausgesprochen frisches, eingängiges Musikstück vernehmen.

Davor singt Selena Colombera Lieder des Komponisten, so den Zyklus Quattro Liriche auf Texte von Floridi, beginnend mit Oh lagrima mit schillernden Soprantönen, einem schönen Jubelton auf „È primavera“, einem zärtlich verklingenden „ultimo fiore“ im gleichnamigen Lied. Ebenfalls vom noch nicht Zwanzigjährigen stammen die Tre liriche mit einem raffinierten chiaro-scuro in Domani vado via, einem „lontana“, in dem sich die Unendlichkeit aufzutun scheint (Tu sei lontana) und einem fein vom Klavier umspielten Ultima Rosa. Es lohnt sich, die beiden Komponisten zu entdecken (Dynamic CDS7966 mit interessanten Infos im Booklet). Ingrid Wanja