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Raymond Walker, der unermüdliche Chef der Victorian Opera Northwest in Manchester, ist Liebhabern der englischsprachigen Oper nicht unbekannt. Ist er doch für die Neu-Aufnahmen mancher britischer Titel verantwortlich: Balfes The Maid of Artois (auf Cameo), Wallace´s Lurline (Naxos), MacFarrens Robin Hood (Naxos) – letztere beide enthusiastisch von Kurt Gänzl in operalounge.de besprochen. Und andere Projekte mehr – so wie jetzt Balfes Satanella, von der es bislang nur eine ziemlich gewöhnungsbedürftige und kaum zu hörende alte BBC-Aufnahme von 1977 gibt (Michael Thomas Records/Brian Galloway/Balfe Society London), der sich aber nun Richard Bonynge auf der neuen Aufnahme bei Naxos (8.660378-79) angenommen hat.
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Die Aufnahme selbst hat viele Meriten, vor allem gegenüber dem alten Live-Mitschnit unter Brian Holloway bei Michael Thomas (und der auf der CD der Balfe-Society sooo schlecht nun auch nicht wieder klingt). Aber letztere besitzt einen ganz entscheidenden Vorteil: Sie hat eigentlich Dialoge. Wieder einmal legt Richard Bonynge eine Balfe-Einspielung ohne die für dieses Operngenre typischen, unbedingt nötigen Sprechtexte vor. Das hat er bereits mit der eher mittelmäßig-langweiligen Aufnahme des Bohemian Girl bei Decca gemacht. Und so sehr ich um die finanziellen Engpässe und Funding-Probleme einer solchen, mit Liebe und privater Energie, erstellten Einspielung weiß (und die versammelten Anstrengungen außerordentlich würdige und unterstütze), so sehr ärgere ich mich über diese Ausgabe. Das ist wie Fidelio, Zauberflöte, Fra Diavolo oder Oberon ohne Dialoge. Das ist wie alte Opern-Querschnitte der Fünfziger. Das nützt dem Werk gar nicht. Man hat letzten Endes dann nur eine musikalische Revue vor sich. Raymond Walker beeilt sich auf meinen Protest hin auf die Vollständigkeit der musikalischen Nummern hinzuweisen und dass sich durchaus auch ausgiebige Rezitative in manchen Nummern fänden (für deren Italianità ja Balfe berühmt war). Und sicher: Es gibt das Libretto als Download bei Naxos und gegen einen Aufpreis von 2 Pfund auch de Luxe bei der Victorian Opera Northwest zu kaufen. Aber das ist ja nicht dasselbe. Man hört´s ja nicht und verliert beim suchenden Mitlesen auch den Faden und das Interesse. Ich hatte gehofft, die Zeiten von reinen Musiknummern seien vorbei, weil man so eben keine Handlungs-Oper hört, sondern einen bunten Abend.
Wie auch immer – wie Freund Kevin Clarke von ORCA gerne sagt: Ist wie ist. Denn der Rest ist wirklich mehr als ordentlich, Bonynge und das sehr klangvolle Orchester allemal, die Solisten ebenfalls (der Tenor „meckert“ ein wenig, der Sopran dagegen ist superb). Sie machen alle einen guten Job. Und Balfe macht Spaß! Alles in allem ist dies ein gelungenes Werk der Liebe – auch ohne Dialoge. Aber damit eben auch etwas unbestimmt als Genre. Ist wie ist. G. H.
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Hier nun Matthias Käther mit seinen Eindrücken von der neuen Aufnahme: Denkt man an englische Oper, dann fallen einem vielleicht Purcell und Britten ein, aber was ist eigentlich in den 200 Jahren dazwischen passiert? Das Label Naxos bemüht sich seit einigen Jahren, die großen britischen Erfolgsschlager des 19. Jahrhunderts neu aufzunehmen. Jetzt brandneu erschienen: Satanella von Michael William Balfe (1808-70). Man könnte Balfe ohne große Übertreibung als wichtigsten britischen Opernkomponisten zwischen Purcell und Britten bezeichnen – aber dann wären die Iren sauer. Balfe hat unendlich viel für die Londoner Opernszene getan, stammt aber aus Dublin, irischer geht’s kaum. Als er begann, englische Opern zu schreiben, hatte er schon eine abenteuerliche Karriere hinter sich: italienische Jahre als Violinist, Bariton und Komponist, mit der Malibran auf Tour, bei Rossini zum Tee. Er schenkte Großbritannien einen eigenwilligen, aber süffigen Opernstil, der an generic cialis online Facettenreichtum weit über das hinausreicht, was Sullivan komponiert hat. Er verband nämlich seine italienischen Belcanto-Erfahrungen originell und bruchlos mit einem melancholischen irischen Hang zur verträumten Ballade. Beides war für die Briten wie Fett und Zucker, sie liebten seine Musik, die vielleicht für unseren Geschmack heute zuweilen ein bisschen zu sentimental klingt, (Summchöre 50 Jahre vor Puccini!), aber das irische und britische Herz aufblühen ließ. Und vermutlich immer noch lässt.
Seit einigen Jahren präsentiert Naxos in Kooperation mit der Victorian Opera Northwest alte Superhits der britischen Opernbühne. Viele davon waren auch mir völlig unbekannt. Zum Beispiel gibt’s in der Reihe eine Robin-Hood-Oper von George MacFarren und eine Loreley von William Wallace. Handelt es sich bei solchen Ausgrabungen eher um lokale Blüten, die – ähnlich wie manche spanische Zarzuela – ihren Reiz einbüßen, wenn sie über die Landesgrenze in fremde Gefilde und fremde Ohren gerät? Nicht unbedingt. Dass hier eine spannende internationale Tradition abgerissen ist, hat auch mit der zutiefst humorlosen post-wagnerianischen Epoche zu tun, in der sich unser heutiger Repertoirespielplan (leider!) herausgebildet hat. Denn diese romantischen Opern der Briten waren nie ganz bierernst gemeint, hatten immer jede Menge komische Elemente und waren große Entertainment-Abenteuer, man könnte sagen: Musicals des 19. Jahrhunderts. Kaum denkbar, dass sich das ein Möchtegern-Sarastro anhören würde, der glaubt, Oper wäre nur für elitäre Ohren da und nur höheren Eingeweihten vorbehalten.
Nicht, dass man da in jedem Fall viel verpasst hätte. Hand aufs Herz – ich kann mir auch ein Leben ohne MacFarrens Robin Hood vorstellen. Aber ob ich nach dem Anhören von Satanella weiter auf Balfe verzichten möchte – ich weiß nicht recht. Der Mann ist wirklich gut! Bezeichnenderweise war Balfe als der talentierteste dieser Londoner Komponistenriege immer populär in Wien, und wurde vermutlich sehr beäugt von späteren Operettenkomponisten wie Johann Strauß und Franz von Suppé. Gerade in der Satanella hören wir viel Wiener Operette durch, so dass man durchaus sagen kann, Balfe war mit Offenbach zusammen ein Vater der Operette. Natürlich auch mit großem Einfluss auf seinen Landsmann Arthur Sullivan, den bekanntesten englischen Operettenkomponisten.
Satanella war einer der größten Erfolge Balfes – auch international, und ist deshalb sehr zu Recht hier in dieser spannenden Naxos-Reihe zu hören. Ein sehr inspiriertes, wirklich schönes Werk zum Mitsummen und Fußwippen aus den 1850er Jahren, das sich hinter keiner Suppé-Operette verstecken muss, und vielleicht auch eins der pfiffigsten, was das Libretto angeht. Die Handlung hat durchaus Ähnlichkeit mit heutigen Hollywood-Blockbustern. Rupert, ein spielsüchtiger Adliger, versucht in seiner Verzweiflung, den Teufel zu beschwören, um seine Schulden loswerden zu können, aber irgendetwas läuft schief. Statt des Höllenfürsten erscheint eine süße Dämonin Satanella, die eine Menge Schaden anrichtet, weil sie sich in Rupert verliebt, der seinerseits aber längst vergeben ist und Lelia heiraten will.- Diese Konstellation plus einer Menge eifersüchtiger Männer und Frauen lassen den Helden viele Abenteuer erleben. So wird etwa seine Lelia von Piraten entführt und auf einem orientalischen Markt als Sklavin verkauft, ein Markt übrigens, der verdächtige Ähnlichkeit mit dem aus Flotows Martha hat – zumindest musikalisch.
Fast perfekte Umsetzung – doch ohne Dialoge! Den Dirigenten Richard Bonynge muss man einem Opernpublikum kaum noch vorstellen. Dies ist quasi schon der 3. musikalische Frühling von Richard Bonynge. Nach dem Rückzug seiner Frau aus der Opernwelt hat er sich vor allem dem französischen Repertoire und der Operette gewidmet – und nun als 85-Jähriger kümmert er sich anscheinend vorrangig um britische Opern. Und das macht er wie eh und je ganz hervorragend. Altersschwäche kann man da nicht feststellen. Typisch für ihn ist nach wie vor die Fähigkeit, auch Unsolides elegant klingen zu lassen. Wenn er hier auch keine Sutherland an seiner Seite hat, so überstrahlt Sally Silver in der Titelpartie doch alle anderen Sänger, ein wunderbarer lyrischer Sopran mit enormer Leuchtkraft und ohne jede Herbheit. Den Tenor Kang Wang als Rupert finde ich persönlich ein wenig grau, ein wenig mehr Noblesse beim Vorsingen der Balladen hätte dem Werk gutgetan – aber insgesamt ist dies hier eine wirklich beglückend umgesetzte Entdeckung. Mit einer Einschränkung – wir hören nur die Nummern, nicht die Dialoge, was den Reiz des Werkes mindert. Man muss es ja nicht ausufern lassen, knappe einminütige Überleitungen hätten gereicht. Aber so ganz ohne verbindende Handlungselemente geht eben doch viel von der Story und damit auch vom bizarren Zauber dieses alten Opernhits verloren. Matthias Käther
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Und der definitive Kenner des Genres, Kurt Gaenzel, schreibt dazu (auf seinem hochindividuellen Blog und bei ORCA): Satanella was one of the dozen or so most popular and successful English operas of the Victorian era, of which a disproportionate number were launched by the Louisa Pyne/William Harrison company over a period of just a seven years (The Rose of Castille, Lurline, The Lily of Killarney) from 1857 onwards. A disproportionate number, too, were the work of Irish composer William Balfe (The Bohemian Girl etc), and Satanella shows him at his best, the traditional English opera strains (and dialogue) tempered just enough by his Italian training and experience to produce a score which is one of the most effective, lush and beautiful of the era.
Victorian Opera Northwest have already given us complete modern recording of Balfe’s previously unrecorded The Maid of Artois and a very fine new Lurline as well as Macfarren’s Robin Hood (another of the top twelve): now, happily, they have turned to Satanella and have, in my opinion, and not just because I like this opera – music and book — the best, topped cialis incontinence all their previous efforts in practically every department: recording values, the orchestra under Richard Bonynge, chorus and soloists are all quite superb. I will bet that Balfe never heard his opera sound as rich, flowing and just plain huge as this, even with the superb Miss Pyne and Messrs Harrison (in well-tailored parts) and Weiss singing the leads, in 1858-9, on the stage of the Theatre Royal, Covent Garden.
The extremely hit song of the hit show was ‘The Power of Love’ sung by the demoness Satanella to close the first act. No bravura, this, as in The Maid of Artois, but a beauteous, emotional air which went on to be a hugely popular concert item. Don’t worry, the traditional bravura comes in the second act instead, there is a cabaletta to end the third, and a stunning 4th act curtain: quite simply everything any prima donna could ask for. ‘The Power of Love’, and Miss Pyne’s role, are here absolutely splendidly sung by Sally Silver/ Satanella, who we have heard already as Lurline, and she is teamed with a first-rate tenor/ Rupert, Kang Wang, whose sweet and soaring voice is perfect for the demanding sentimental music of the piece’s hero, and whose dramatic passages ring out vigorously and excitingly, in the shining performance of this recording.
The expansive bass role of the fiend, Arimanes, created by the then top bass in Britain, Liverpudlian Willoughby Weiss, is here efficiently sung by a bass-baritone (Trevor Bowes), and the pretty songs belonging to the considerable role of the ingénue Leila, originally played by Britain’s most versatile soprano, Rebecca Isaacs, are delightfully treated by Catherine Carby.
British writers – unlike most Italians of the time, with their inexorably tragic tales – were not afraid to put comic and lighter moments into their texts, and Satanella has its share of these. The comedian/tenor Alfie St Albyn had a sighing swain number which best place buy cialis online forum Anthony Gregory delivers in spot-on fashion, and a jolly Pirate, half Enchantress and half Pirates of Penzance, from ‘merry Tunis’,written for another comic player, Henri Corri, here get suitable service from Frank Church. The pure comedy went to singing actor, George Honey (here Quentin Hayes) as a useful tutor who strengthened the bass line when Arimanes was off-stage. The seven principals (Arimanes is off, here) join in a rousingly sung septet with chorus, in the 3rd act, which show Balfe and the forces of Victorian Opera Northwest at their very finest.
And that home-made material stood on an equal footing in a repertoire with Lucrezia Borgia, Der Freischütz and Il Trovatore. So why have Satanella and its fellows been allowed to drop from the repertoire? Inverted snobbery? Hopefully, this first-class recording will open the eyes and ears of those who produce English opera. Now that there is a brand new performing text and score available, there’s no excuse for its not finding itself back to the stages of the world in double quick time.
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Inhalt/Synopsis/ CD 1 [1] Preludio/ Act I: Scene 1: The Palace and Gardens of Count Rupert/ [2] A garden fête opens the scene. Count Rupert’s tutor, Hortensius, arrives [3] with Rupert’s half sister, Lelia. She sings a love song [4] in her happiness to see him again. Rupert gives her a ring in memory of their happy childhood. [5]A furious Stella, jealous of Rupert’s transfer of affection, threatens until calmed by Hortensius. In a game, Rupert gambles 1000 crowns and loses. He continues and loses both his property and lands. Stella is glad, yet Lelia offers her promise of support./ Scene 2: A Gothic library in the Demon’s tower/ [6] Karl, servant to Rupert, sings of his love for Lelia. Rupert and Hortensius enter the Tower to escape a threatening storm. He tells of a legend shown in the hanging tapestry of how an ancestor made a pact with the devil to sell his soul for money. He reads how to summon Arimanes, King of the Demons, with a spell. [7] Arimanes appears with Satanella whom he changes into a page to watch over Rupert. She conjures up a banquet and full of joy Rupert sings a drinking song [8], during which Hortensius falls asleep and the page disappears. [9] A wooden panel now opens to reveal Satanella who admires the sleeping Rupert. After her aria [10] she kisses him and he awakes thinking it must be a dream, but hears the singing again before the curtain falls.
Act II: Scene 1: A magnificent hall/ [11] Satanella soliloquises about how her service to Arimanes has filled her with hate and misery. Rupert realises that she needs recompense for restoring his wealth. With mysterious emotion, [12] Rupert sings about how in his sleep a vision of beauty had appeared./ Scene 2: A sea coast / [13] Pirates come ashore, led by Bracaccio, [14] in search of pretty girls to kidnap. Karl confesses to them his jealousy of Rupert’s affection to Lelia. They invite him to join the crew, who can kill Rupert and carry off Lelia./ Scene 3: Lelia’s cottage by the coast/ [15] Satanella sings of her difficult love for Rupert, and notes his goodness. She tells Stella of his love for Lelia, and their preparation for marriage. A jealous Stella gives gold for the pirates to carry off Leila. Satanella takes Lelia’s place under the bridal veil. Peasants enter [16] and a bridal procession arrives [17]. [18] Rupert comes with Hortensius to escort his bride to the church: a thunderbolt strikes Satanella, who falls into Rupert’s arms. Horrified, Rupert realizes the trick played, and [19] leads the peasants to follow the pirates to find Lelia.
CD 2/ Act III: Scene 1: A Cavern/ [1] Spirits summon Satanella to their King. [2] Arimanes is furious: she has disobeyed and must swear to bring Rupert’s soul to him within 30 days. Satanella agrees./ Scene 2: The bazaar and slave market/ [3] A cheerful market scene darkens when Lelia is brought to be sold as a slave. [4] Rupert enters to bid 2000 coins for her, but a wealthy Vizier doubles the bid. Bidding goes up to 30,000 and the Vizier still won’t give way. [5] Karl and Hortensius share Rupert’s worry: he wants to die and Lelia’s thinks her love for him is lost. [6] Satanella appears as a Sultana of Tunisia to weave her charm, so Rupert decides to sell her his soul to save Lelia. [7] She sings happily that Rupert is now her slave. Lelia is released, and rushes into Rupert’s arms. [8] Satanella considers that true mortal love is never bought or sold.
Act IV: The Demon’s tower/ [9] Nearby, serenaders sing of lovers’ blissful dreams. Rupert is to marry Lelia in an hour at midnight and [10] sings of his love for her. As the clock strikes midnight the scene darkens. [11] An eerie light reveals Satanella who reminds Rupert of their contract. Lelia enters with Hortensius and she sings that Heaven will show him and Satanella mercy. Lelia threatens to kill herself in order to be free of this love. [12] Satanella softens through the power of love and wishes to change from a demon into an angel. She burns the contract and falls to her knees in prayer. Lelia gives Satanella her rosary. A furious Arimanes appears with his demons, yet the rosary shields Satanella from harm and a church organ plays as she rises to Heaven on a cloud. The scene transforms to reveal Lelia’s wedding ceremony taking place./ Raymond J Walker (aus dem Booklet zur Aufname)
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