Abschied und Neubeginn

 

Gegen den Untertitel ihrer Tänzerbiografie im Verlag Theater der Zeit  Die letzte deutsche Primaballerina hat sich Beatrice Knop lange gewehrt, weil sie noch immer hofft, dass es irgendwann wieder eine deutsche Tänzerin von internationalem Spitzenformat geben wird – auch wenn sie im Moment keine mit dem künstlerischen Potential für diese Position sieht. Sie selbst hat die Berliner Ballettszene 25 Jahre mit zahlreichen Auftritten in klassischen und zeitgenössischen Partien bereichert und sich eine große Verehrergemeinde geschaffen. Ihr Bühnenabschied am 24. Februar als Königin in einer Schwanensee-Aufführung in der Deutschen Oper Berlin war dann auch ein ungemein emotionaler Abend, an dessen Ende der Tänzerin noch einmal der Dank, die Annerkennung und die Liebe des Publikums für ihr künstlerisches Lebenswerk entgegen gebracht wurden. Freilich war es kein totaler Abschied vom Staatsballett, denn nach der aktiven Karriere wird sie ihre Erfahrungen in die künstlerische Produktionsleitung der Compagnie einbringen.

Rechtzeitig zu ihrem Farewell erschien bei Theater der Zeit eine Künstlerbiografie von Jan Stanislaw Witkiewicz, die am Tag der Abschiedsvorstellung im Foyer de la danse in Anwesenheit der Künstlerin und des Autors der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Das Buch ist in Interviewform gehalten und zweisprachig (Deutsch/Englisch) verfasst. Ein Vorwort von Dr. Christiane Theobald würdigt die Verdienste der Ballerina und umreißt kurz ihre Persönlichkeit. Beatrice Knop antwortet auf die Fragen sehr offen und ohne Eitelkeit, verschweigt nicht Probleme, Schwierigkeiten und verpasste Chancen, wie sie im Leben einer jeden Tänzerin auf dem Weg nach oben auftreten. Auch vermeintliche körperliche Unzulänglichkeiten und die heftige Nervosität vor den Auftritten werden freimütig angesprochen.

Beatrice Knop. Die letzte deutsche Primaballerina Theater der zEITVon den Anfängen in einer Kinderballettgruppe in Berlin-Mitte über die achtjährige Ausbildung in der Staatlichen Ballettschule Berlin bis zum Engagement an die Lindenoper wird der Weg gezeichnet, den zahlreiche Fotos (darunter seltene aus den Anfängerjahren) illustrieren. 1991 begann sie als Gruppentänzerin, wurde 1993 Solistin und 1998 nach einer Schwanensee-Aufführung mit ihrem Rollendebüt als Odette/Odile zur Ersten Solistin ernannt. Knop hat in Berlin in mehreren Balletten beide weibliche Hauptrollen getanzt – so in Giselle zuerst die Myrtha und ab 2000 die Titelrolle, in Schwanensee die Königin und später die Doppelrolle des Weißen und Schwarzen Schwans mit ihren ganz speziellen Herausforderungen, in der Bajadere die Hamsatti und Nikia, in Dornröschen die Fée de Lilas und Aurora. Voller Bewunderung spricht sie über die Arbeit mit Maurice Béjart, in dessen Choreografien Verklärte Nacht (1993), Apropos Scheherazade (1996), Le Concours (1997) und vor allem Ring um den Ring (2004) sie mitwirkte. In letzterem Werk tanzte sie sogar drei Rollen – Freia, Fricka, Sieglinde. Eine von Knops Sehnsuchtsfiguren war die Tatjana in Crankos Onegin, die sie erstmals 1995 beim  Ballett des Aalto Theater Essen interpretierte, wo sie von 1995 bis 96 als Solistin engagiert war – die einzige Station außerhalb Berlins in ihrer langen Laufbahn. Nach nur einem Jahr kehrte sie in die Hauptstadt zurück, wo sie 2003 die Gelegenheit bekam, diese zentrale Partie nun ganz in ihr Repertoire aufzunehmen – inzwischen (nach eigener Einschätzung) mit der nötigen Reife und Erfahrung für diesen diffizilen und vielschichtigen Charakter. Im Interview fragt Witkiewicz mehrfach, warum sie sich für das Staatsballett Berlin entschieden hat und keine internationale Karriere einschlagen wollte, was ein wenig insistierend wirkt. Noch befremdlicher ist seine Behauptung, dass Beatrice Knop „in jeder Vorstellung mehr als perfekt“ gewesen sei, was natürlich eine maßlose Übertreibung ist und vor allem von der grenzenlosen Bewunderung des Autors für die Tänzerin zeugt. Sie hat (wie jede andere Startänzerin auch) Vorstellungen abgeliefert, die alles andere als vollkommen waren. Besonders die 32 Fouettés der Odile, die sie selbst als die technisch schwierigste Stelle dieser Rolle bezeichnet, haben sie mehrfach vor Probleme gestellt. Aber ihr Ehrgeiz und der hohe künstlerische Anspruch an sich selbst ließen sie immer wieder noch intensiver trainieren, noch härter arbeiten, um ihre Auftritte zu perfektionieren. Und so war es nur konsequent, als mit Mitte dreißig körperliche Schmerzen einsetzten und sich verstärkten, an das Ende der aktiven Laufbahn zu denken. Das Interview, das von einer ausführlichen Chronik ergänzt wird, erinnert an eine glanzvolle Tänzerkarriere und sei jedem Ballettfreund empfohlen. Bernd Hoppe

(Jan Stanislaw Witkiewicz – Beatrice Knop. Die letzte deutsche Primaballerina. Theater der Zeit/2016. 224 Seiten, zahlreiche Fotos. ISBN 978.3. 95749.0667; das Foto oben ist dem Cover des Buches entnommen.)