Archiv für den Monat: September 2014

Guerrinis „Enea“

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Guido Guerrini? Wer? 401Dutchoperas.com füllt die Wissenslücke mit eine Aufnahme des Enea von Guido Guerrini (1890 – 1965), ein Titel, den Fans von Franco Corelli erinnern werden, der darin an der Scala für Aufsehen gesorgt hatte. So ist denn diese RAI-Aufnahme ihm gewidmet und mit seinem Foto geziert. Die vorliegende Einspielung bei 401DutchOperas.com/FrancoCorelli.NL stammt von 1960 und bietet bei etwas gewöhnungsbedürftigem (für mich etwas sehr bearbeitetem, elektrischem) Klang Renato Gavarini in der Titelrolle, dazu Mario Petri, Renata Mattioli, Floriana Cavalli und alles was in Italien Füße hatte in jener Zeit unter der Leitung des bewährten Armando La Rosa Parodi bei der RAI Roma. Auch hier freut man sich über das umfangreiche historische Material wie auch das Libretto. Die Oper kostet 15.- Euro, ist per Paypal zu bezahlen und anschließend zum Downloaden bereit. G. H.

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Herausgeber, Musikwissenschaftler und Corelli-Fan René Seeghers schreibt auf der website der Firma: Zum Gedenken an Franco Corellis Geburtstag am 8. April 2014 haben wir eine äußerst seltene Aufnahme in unser Archiv aufgenommen: die Aufnahme von Guerrinis Enea, in der Franco Corelli einst die Rollen des Turno und des Orfeo verkörperte (daher das sexy Foto für die Fans).

Wir feiern Francos Geburtstag mit dem 2CD langen MP3 Download von Guido Guerrinis Oper Enea, die von Franco Corelli am 11. März 1953 kreiirt wurde. Leider sind keine Aufnahmen der Uraufführung aufgetaucht, aber wie in (meinem Buch) Franco Corelli Prince of Tenors erwähnt, gibt es zumindest eine Chance, die Musik als solche zu hören, und zwar durch eine spätere Radiosendung, die auf 1960 zurückgeht.

Diese Aufnahme zeigt Renato Gavarini in Corellis Rolle des Königs Turno von den Rutuli, den ursprünglichen Bewohnern der Region Lavinium, in der Eneas nach seiner Flucht aus Troja landete. Turno fordert Lavinias Wahl für Enea heraus, was in einem Duell im Stil eines epischen Films gipfelt. Corellis zweite Rollenschöpfung in der Oper, die Stimme des Orfeo, wurde leider aus der Aufführung von 1960 gestrichen, aber wir haben das Duett zwischen Orfeo und Euridice als Bonus auf Disc 1 hinzugefügt, das aus der Aufführung von Tiemin Wang und Vera Ramer bei der Prince of Tenors Buchpräsentation in Amsterdam 2008 stammt.

Guerrini: „Enea“/Armando La Rosa Parodi/youtube

Was die Musik betrifft, so wird die Besetzung von dem wohlklingenden Bass Mario Petri angeführt. In der Hauptrolle des Protagonisten Enea ist er sowohl stimmlich als auch körperlich ein überragender Riese. Um ihn herum spielt das Beste, was Italien außerhalb der international bekannten Top 10 zu bieten hatte. Wichtig aus unserer Sicht war Renato Gavarinis Darstellung des Königs Turno von den Rutuli. Er kommt erst im dritten Akt auf die Bühne, aber es gelingt ihm sehr gut, Turnos Aufregung über den drohenden Verlust von Lavinia an Enea zu vermitteln. Das Duell zwischen Turno und Enea ist in einem epischen Filmstil gehalten, der an solche Spektakel wie Blasettis 1860 (1934) und Carmine Gallones Scipio Africanus: The Defeat of Hannibal (1937) erinnert, um nur die bekanntesten zu nennen. Bei den Damen sticht Floriana Cavalli in der Dreifachrolle der Creùsa, Didone und Lavinia hervor, wenngleich die größte Wirkung von der kämpferischen Mezzosopranistin Dora Minarchi als Sybille von Cuma ausgeht.

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Guerrini: Renato Gavarini singt den Enea/OBA

Die Handlung beginnt mit der Flucht der Trojaner vor den plündernden Griechen in Troja. Der erste Akt endet mit Creusas Prophezeiung „Doce mio sposo“, in der sie ihren Mann Enea auffordert, dorthin zu segeln, wo der Tiber ins Meer fließt; dort wird Enea seine wahre Bestimmung in der Schaffung einer neuen Nation finden! Der zweite Akt mag den Librettisten Adolfo Angeli dazu inspiriert haben, die Oper als „Mito in tre atti“ zu bezeichnen. Der Akt beginnt mit einer Szene, in der Faune und Dryaden Eneas Ankunft in Cuma, in der Nähe von Neapel, willkommen heißen. Als Enea die elysischen Felder betritt, erhält die Musik eine ansprechende, an Tarzanfilme erinnernde Atmosphäre. Nachdem Orfeos „Hymne an Apollo“ bedauerlicherweise unterbrochen wurde, setzt die Aufnahme bei der „Hymne der gefallenen Helden“ ein, nach der Enea auf Didone trifft. Kaum ein paar Minuten nach ihrem Liebesgeflüster beginnt die Königin von Karthago ihre berühmten Komplimente gegen unseren trotzigen Helden, dessen einziger Wunsch es ist, sie nach Italien zu verlassen! Der dritte Akt beginnt mit den Trojanern in der Siedlung, die heute als Lavinium bekannt ist, so benannt nach Lavinia, der lokalen Schönheit, die das Herz von Enea erobert hat. Neben dem trojanischen Anführer wird sie auch vom örtlichen König der Rutuli, Turno, begehrt. Als sie ihn erneut zurückweist, gerät er in einen Streit mit Enea, der schließlich zu einem packenden Duell im Hollywood-Stil führt, bei dem Turno unterliegt. Nachdem die Kröte die Völker unter seiner Regierung vereint hat, singt Enea weise Worte über die blühende Nation, die aus den Böden der neu gegründeten Stadt, die er Lavinium nennt, entstehen wird.

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Guerrini: „Enea“/Mario Petri singt die Titelpartie/youtube

Faszinierend an Angelis Text ist der psychologische Aufbau von Enea, dessen Besetzung mit einer Bassstimme darauf zurückzuführen ist, dass Angli ihn eher als Philosophenkönig denn als Krieger sah. Dies verlangte vom Publikum damals wie heute viel Flexibilität, aber wenn man es akzeptiert, ist es zumindest ein originelles Konzept. Bei der Uraufführung mit der zunächst lyrischen, dann dramatischen (in der Hymne an Apoolo) Tenorpartie des Orfeo herrschte noch ein gewisses Gleichgewicht in der Verteilung. Dieses Gleichgewicht wurde leider durch die Streichung der Rolle des Orfeo bei der Aufführung 1960 gestört. Was bleibt, ist ein faszinierender Versuch, die Oper neu zu erfinden, und zwar nicht auf der avantgardistischen Linie der gleichzeitig komponierten Dallapiccola-Oper Il progioniero, sondern durch die Verbindung klassischer Opernidiome von der Antike bis zu Gluck mit italienischer epischer Filmmusik der späten 1930er und 40er Jahre. Obwohl die Oper in der Presse, beginnend mit dem „statischen Libretto“, verrissen wurde, kamen solche fantasievollen mythischen Ansätze Jahrzehnte später in Mode (man denke an Henzes Bassariden). Wer unvoreingenommen ist und wer einmal Filme wie Tarzan und die Amazonen, Tarzan und die Leopardenfrau oder Tarzan und die Meerjungfrauen genossen hat, wird in Guerrinis Enea viele fantastische Momente erleben!

Ein Tenor des höchsten Standards

Rockwell Blake ist und war einer der ganz großen Sänger für Rossini und den Belcanto. Ohne ihn wäre die Rossini-Renaissance ab Mitte der 1980er-Jahre nicht in Gang gekommen. Sein Beitrag zu diesem Repertoire ist unschätzbar. Im  Tandem mit dem Tenor-Kollegen Chris Merritt schuf er die wunderbaren Rossini-Opern für die beiden legendären Tenöre David (Blake) und Nozzari (Merritt) nach und hinterließ ebensolche legendäre Spuren.

Rockwell Blake und seine Frau Deborah Bourlier Blake/Foto OBA

Rockwell Blake und seine Frau Deborah Bourlier Blake/Foto OBA

Ich muss gestehen, dass ich ihm nachgereist bin, um ihn in der Donna del Lago, Zelmira oder Ermione zu hören – in Parma, Rom oder Pesaro.  Einen Sänger wie ihn gab´s nicht vorher und nicht wieder, Flórez  hin oder her. Blakes Timbre mag Geschmackssache sein (ich hatte damit nie ein Problem, und jeder hört anders), aber wie bei der Callas vergaß man nach wenigen Minuten die Farben und dass er überhaupt sang und war hingerissen von der Kunst: von seiner Bombentechnik, von der interpretorischen Sicherheit und der soliden Schauspielkunst des amerikanischen Tenors. Alles schien bei ihm selbstversändlich und leicht zu sein, wenngleich ich ihn mal in Santiago de Chile vor dem zweiten Akt der Sonnambula hin und her tigern sah und seine charmante Frau Debbie (what a great woman und ex-Sopran) leise zu mir sagte: Er hat Bammel wegen des Concertato-Ensembles „Lisa ….“ am Schluss. Rockwell Blake nervös zu sehen war die Reise wert, das kannte ich nicht von ihm, der stets so souverän und gelassen wirkte.

Rockwell Blake: "Donna del Lago" mit Iano Tamar in Liege/OBA

Rockwell Blake: „Donna del Lago“ mit Iano Tamar in Liege/OBA

Ich habe Rocky Blake viele wunderbare Abende zu verdanken, in so vielen Städten der Welt, meist mit Rossini, wo ich ihn am liebsten hörte. Auch im Französischen (sein Pariser Robert le Diable ließ vor Beifall die ehrwürdige Salle Garnier erbeben)  und in anderen Belcanto-Partien, mit wunderbaren Partnern wie der Cecilia Gasdia, Samuel Ramey, Lucia Valentini Terrani, Kathleen Kuhlmann, Lella Cuberli (June Anderson lasse ich jetzt einfach aus), Roberto Servile und viele, viele mehr. Er war und ist für mich der Inbegriff eines hochflexiblen Künstlers, der sein Medium ideal beherrschte, der nie über seinem Vermögen sang, der mit Humor Nähe schaffte, der mit seiner Frau zusammen ein bezauberndes, gastfreundliches und ebenso professionell freundliches wie liebenswürdiges Paar war. Es gibt und gab keinen wie ihn.

Rocvkwell Blake: "Il Barbiere di Siviglia/OBA

Rockwell Blake: „Il Barbiere di Siviglia/OBA

Ich nahm eher durch Zufall den Kontakt mit ihm wieder auf, weil wir uns aus den Augen verloren hatten.  Als sich per mail unsere Wege kreuzten, las ich, dass er nicht nur immer noch an Autos rumbastelt (er hat eine geniale Hand für Technik), sondern dass er unterrichtet und sein Wissen weitergibt. Im Folgenden also das Interview zwischen Berlin und Turin mit dem Helden meines Rossini-Coming-Outs der Achtziger. Danke Rocky. Geerd Heinsen

 

Rockwell Blake: "Revenant" in Madrid/Blake

Rockwell Blake: „Revenant“ in Madrid/Blake

Nun also Rockwell Blake direkt (eine kurze Bio gibt’s am Ende): Singing takes intelligence (well sometimes) – has an intelligent singer an advantage over a dumb one. You repudiated the image of the dumb tenor and have excelled in knowing your voice, your technique and your ambience. does that help? Being able to think clearly is the best advantage a brain can offer a singer.  If a singer is confused he or she will get lost.  Dumb singers who are successful are not dumb.  They just put up the dumb front and hide behind it.

What I did with my voice, mind and heart in the music world was to make the best performance I could under every circumstance.  It was because of this desire to always do my best that I learned how much I didn’t know when I started out.  So I decided I would never stop learning.  I am still learning about singing by learning how to teach others to do their best.

Rockwell Blake: "Mosé in Egitto" in der berühmten De-Ahna-Produktion in Neapel und Pesaro/ROF/Blake

Rockwell Blake: „Mosé in Egitto“ in der berühmten De-Ahna-Produktion in Neapel und Pesaro/ROF/Blake

Smart singers who take advantage of dumb singers are only diminishing the overall quality of the performance in which they are performing.  I would call it a form of theft.  The smart fool is steeling value from the ticket buying public, when he should be helping the dummy be as successful as possible.

Rockwell Blake: Almaviba (wie oben) in Chicago/Blake

Rockwell Blake: Almaviva (wie oben) in Chicago/Blake

You sang mainly (but of course not exclusively) Rossini: what does it take to be a good Rossini tenor? What kind of voice is require (Davide and Nozzari and all that)? How important is technique (maybe a word about a sound technique at all)? Maybe a word about Rossini in contrast to – say – other (later/ belcanto) composers? How long can a singer sing this acrobatic repertoire? A good Rossini tenor is one who can make his performance of this composer’s music satisfy his audience and stand as a unique interpretation.  Then at the next performance do the same for a new audience and make enough variations from the previous performance to satisfy those audience members who also attended the previous performance.   If he can do that, then he is a good Rossini tenor.

Rockwell Blake: der Konzertsänger/OBA

Rockwell Blake: der Konzertsänger/OBA

The category of voice is not at issue.  Rossini wrote music for as many different kinds of tenors as we have today.  David was lyric. Nozzari was dramatic.  There were others of similar and differing categories who were to be Rossini’s first love interests or heroes or villains in his scores.  The technique necessary was well understood in Rossini’s day.  How to teach it was a bit controversial, but the son of Rossini’s first Almaviva wrote down most everything we need to know about the technique Rossini’s favorite singers used.  The same technique supported the full run of the Bel Canto composers.

The ability to sing fast notes is no less perishable than the ability to run fast 1000 meter races.  The singer doesn’t have to be the fastest to win.  He just has to be effective enough to win his audience.  Time will always sneak up on you.  As long as you can sell Rossini’s music to an appreciative audience, who is going to kick you out?

Rockwell Blake: Auf dem Sofa zu Hause mit Teddy & Suzie/Blake

Rockwell Blake: Auf dem Sofa zu Hause mit Teddy & Suzie/Blake

Technique and diction/recitaves?  I remember you pacing up and down in Santiago before the last act of Sonnambula  and „fearing“ the finale with the ton up and up – again how important is technique? I wish I could place my pacing.  I’m at a loss to understand where that  groove in the floor might be that my pacing created. I do admit to nerves concerning my memory, and naming recitatives as a preamble inspires me to think it was my memory that threatened to make my life on the stage difficult enough to cause me to pace.  Anyway, technique and diction are things that should be settled issues.  Remembering the words in endless recitatives in Opera Seria can be a huge problem.  I always suffered from a very lazy memory.  My technique was well organized by the time we began to enjoy your company in the theatre.  My diction won compliments from most quarters, but if I couldn’t remember the words, who cares if I could pronounce them like a native.

Rockwell Blake: Unterricht am Klavier/OBA

Rockwell Blake: Unterricht am Klavier/OBA

As we are talking about Rossini – a word (if you dare) about the present state of affairs? Voices too light? I like Spyres (of the many he seems for me the only one apropriate for a Rossini tenor, and Flórez not really for the heroic repertoire). Is there a difference to theatres and audiences nowadays as against your time (not so long ago I know, but i think the Rossini Renaissance is over more or less…). The Rossini Renaissance had to give way in the face of the trends that were visible even when I was on top of my game.  There is a problem, and it is systemic.  I see an industry in crisis and it seems to want to blame the audience.  The product that the industry is presenting is the problem, and the singers who walk out onto the stage in the productions the industry sees fit to offer the audience are just not ready for prime time.  The industry and the system by which singers are prepared are at fault.  The audience is just making their choices according to what they like.

Rockwell Blake: Comte Ory in Chicago/Blake

Rockwell Blake: Comte Ory in Chicago/Blake

Your other love was French opera – the difference in singing between the italians and the french? Again diction, different sounds/nasals/consonants? more on French opera? In the past two weeks I have been talking about this dichotomy a lot.  The French style is like night to the sunny Italian style.  Technically they are different challenges, and I like to call the French style easy to understand if you know what Italian style is.  All you really have to do is turn Italian style on its head and you have French style.

Good diction is necessary, but the crispness of movement from one pure vowel to another in Italian gives way to elisions and smoother and slower vowel transitions in the French. The French style of expressing love in song is more sophisticated than the Italian style.  Just today I was struggling to explain to a tenor, well acquainted with Italian style, how differently he should sing a French phrase.  I ended up creating an argument between two groups of singers.  One group from the French school and another from the Italian school.  The Italians would insult the French for the mannerisms that they would employ while singing the phrases written for them by French composers, and the French group would laugh at the Italians extreme hard work to even sing the notes while making a mess of the delicate French phraseology.  I spoke for both groups and demonstrated the vocal differences which included the wrong headed manner of attack that the normal Italian school devotee’ would make on the poor French composer’s music.  All of this was a little pathetic in light of the fact that both of these schools seem to have disappeared.

Rockwell Blake: "Ermione" in Pesaro/Blake

Rockwell Blake: „Ermione“ in Pesaro/Blake

What does an intelligent opera singer do after not singing any more? Repairing oldtimers? Teaching? How gratifying is teaching? How can one convey the sense of theatre? Acting? You were a very sound and commited actor – how does one get that across? How is the state of things in preparation of the kids? Teaching is a small part of what I do and it is like eating candy.  The more you eat the more you want.  I have a wonderful time pushing students to be theatrical.  There is nothing like the look on the face of a singer who breaks through personal inhibitions and manages to express the emotions of the character for whom the aria in question was written.  It is almost like discovering a new world, landing on the Moon or finding a diamond wedged in a crack in the sidewalk under his/her feet.

The state of affairs is what I could see coming a long time ago.  Manuel Garcia saw it coming near the end of his long life.  I think of myself as a small voice of reminder that the old ways are good.  What is new is not bad because it is new.  It is bad because it is not enough.

Pesaro - Napoli-004

 

Und dazu der Beitrag des verdienstvollen Wikipedia-Eintrags: Rockwell Blake (born January 10, 1951) is an American operatic tenor, particularly known for his roles in Rossini operas. He was the first winner of the Richard Tucker Award. Born and raised in Plattsburgh, New York, Blake was the son of a mink farmer.[1] After graduating from high school in the nearby town of Peru, he studied music first at the State University of New York at Fredonia and then at The Catholic University of America. On leaving Catholic University, he served for three years in the United States Navy as a member of the Sea Chanters male chorus and later as a soloist with the US Navy Band.

Rockwell Blake: Rossini Arien/Arabesque

Rockwell Blake: Rossini Arien/Arabesque

During that time, he continued his voice training with Renata Carisio Booth, who had been his teacher since his school days. He made his solo opera debut in 1976 at the Kennedy Center in Washington D.C. as Lindoro in Rossini’s L’italiana in Algeri, and made his debut at the New York Metropolitan Opera House in 1981 in the same role, with Marilyn Horne as his Isabella. He went on to become one of the leading Rossini singers of his generation, singing regularly at the Rossini Opera Festival in Pesaro since his debut there in 1983. He made his La Scala debut in 1992 as Giacomo in La donna del lago. It was La Scala’s first production of the opera in 150 years and was staged to mark the bicentenary of Rossini’s birth.

Rockwell Blake: The Mozart Album/Arabesque

Rockwell Blake: The Mozart Album/Arabesque

His two-and-a-half octave range and mastery of florid vocal technique and coloratura, have made him a successful interpreter not only of Rossini’s tenore contraltino roles (in whose recent revival he has been a chief protagonist), but also of operas by Mozart, Donizetti, Bellini and Handel. Within that repertoire, Blake has sung in over 40 operas, including relative rarities such as Rossini’s Zelmira, Mozart’s‘ Zaide, Donizetti’s  Il Furioso all’Isola di San Domingo, Haydn’s L’Infedelta Delusa and Boieldieu’s La Dame blanche. Blake has also been active in the orchestral and oratorio tenor repertoire, performing in works by Bach, Beethoven, Berlioz, Britten, Handel, Haydn, Mendelssohn, Mozart, Rossini, Saint-Saëns, and Stravinsky.

Rockwell Balke: Airs d´opéra francais/EMI

Rockwell Balke: Airs d´opéra francais/EMI

Since 2001 he has increasingly devoted himself to teaching and has given master classes at the Associazione Lirica Concertistica Italiana in Milan, the Conservatoire Nationale de Paris, the Accademia Nazionale di Santa Cecilia in Rome, Duke University in North Carolina, the State University of New York, the Hamburg Staatsoper, and the Chicago Lyric Opera young artists program. His last appearances on the opera stage were as Uberto in Rossini’s La donna del lago (Lisbon, 2005) and as Libenskoff in Rossini’s Il viaggio a Reims (Monte-Carlo, 2005)

Prizes and distinctions[edit]: Richard Tucker Award 1978/ Cavaliere Ufficiale, Ordine al/ Merito della Repubblica Italiana 1994/ Diapason d’Or de l’Anné 1994/ Honorary Degree – Doctor of Music, State University of New York/ Victoire de la Musique 1997/ Chevalier de l’Ordre des Arts et Lettres de la République Française 2000/ Grand Prix du Palmares des Palmares 2004

Rockwell Blake: "Rossini-Melodies"/EMI

Rockwell Blake: „Rossini-Melodies“/EMI

Discography/ Boieldieu – La Dame blanche, Conductor Marc Minkowski (CD Angel/EMI)/ Donizetti – Alina, Regina di Golconda, Conductor Antonello Allemandi (CD Nuova Era)/ Donizetti – Marin Faliero, Conductor Ottavio Dantone (DVD Hardy Classic)/ Mozart – Mitridate Re di Ponto, Conductor Theodor Guschlbauer (DVD Euro Arts)/ Rossini – Il barbiere di Siviglia, Conductor: Bruno Campanella (CD Nuova Era)/ Rossini – La Donna del Lago, Conductor: Riccardo Muti (CD Philips)/ Rossini – La Donna del Lago, Conductor: Riccardo Muti (DVD La Scala Collection)/ Rossini – La Donna del Lago, Conductor: Claudio Scimone (CD Ponto)/ Rossini – Elisabetta Regina d’Inghilterra, Conductor Gabriele Ferro (DVD Hardy Classic)/ Meyerbeer – Robert le Diable, Conductor Thomas Fulton (DVD Encore)/ Airs d’Opéras Français (CD EMI)/ The Rossini Tenor (CD Arabesque Records)/ Encore Rossini (CD Arabesque Records)/ The Mozart Tenor (CD Arabesque Records)/ Rossini Melodies (CD EMI)

Interessantes und Lässliches

Der Name Alphons Diepenbrock fiel mir, wenn ich mich erinnere, erstmals im Zusammenhang mit Mahlers Siebter auf, die Riccardo Chailly bei seiner Einspielung mit dem Royal Concertgebouw Orchestra mit Diepenbrocks Im großen Schweigen gekoppelt hatte. Was Sinn macht, da der Niederländer Diepenbrock (1862-1921) mit Willem Mengelberg, dem langjährigen Dirigenten des Orchesters, und mit Mahler selbst befreundet war. Auf der Einspielung von Diepenbrocks Orchestral Songs bei cpo finden sich neben diesem 1905 entstandenen, rund zwanzigminütigen Orchesterlied auf einen Text von Friedrich Nietzsche (aus dem Buch der Morgenröthe – Gedanken über die moralischen Vorurteile) drei weitere kurze Orchesterlieder nach Goethe (Es war einst ein König von Thule), Heine (Es war ein alter König) und Verlaine (En sordine als Referenz vor Claude Debussy,) sowie die ebenfalls umfangreiche Hymne an die Nacht  nach Novalis. Eingeleitet werden die fünf Lieder durch die Hymne voor orkest, der Urfassung der Hymne für Klavier und Orchester von 1898, mit der sich Diepenbrock erfolgreich an Modelle von Bruch, Saint-Saens oder Elgar anlehnte. Es ist ein großbogig melodisches, spätromantisch funkelndes Stück. Auch die Lieder zeigen den promovierten Geisteswissenschaftler, der als Privatlehrer für Griechisch und Latein wirkte, aber nie eine professionelle Ausbildung als Musiker erhielt, als versierten, ernsthaften Komponisten, der der Singstimme einen harmonisch reichen und schwelgerischen, oftmals verblüffend mahlerischen Orchesterpart unterlegte. Im vorbildlichen Beiheft, das neben einer fundierten englisch-deutschen Einführung auch, was längst keine Selbstverständlichkeit mehr ist, die Liedtexte bringt, wird richtigerweise darauf hingewiesen, dass es sich um „symphonische Dichtungen mit obligater Singstimme“ handelt. Als solche behandelt auch Hans Christoph Begemann die Stücke, der seinen charaktervollen Bariton leicht und beweglich über das von Otto Tausk behutsam gesteuerte Sinfonieorchester St. Gallen schmiegt und den Text mit der kernigen Nachdrücklichkeit des erfahrenen Lied-Interpeten gestaltet (cpo 777 836-2).

viardot brilliantNeben den vernebelten, tiefsinnig verschleierten Orchesterliedern Diepenbrocks nehmen sich die Lieder der Pauline Viardot (1821-1910) wie aus einer anderen Welt aus. Sind sie auch, nahm die Viardot bei ihren Kompositionen doch gerne Bezug auf die spanische Herkunft ihrer Familie. Und das nicht nur im Lied Madrid auf einen Text ihres einstigen Verehrers Alfred de Musset. Die Tochter des Rossini-Tenors Manuel Garcia und Schwester der Malibran war als Sängerin, Pädagogin und Gastgeberin, als Muse und Geliebte in Paris und später Baden-Baden Mittelpunkt eines prominent bestückten kulturellen Circles. Sie kannte offenbar Gott und die Welt. Die Alleskönnerin begann bereits in den 1840er Jahren mit eigenen Werken und Arrangements, darunter der Adaption von zwölf Mazurken von Chopin, welche die Hälfte der Einspielung mit Liedern der Viardot bei Brilliant Classics einnehmen. Dass Viardot seit ca. 1847 als Einlagen für die Gesangsstunde der Rosina in Il barbiere di Siviglia Chopin-Mazurken wählte, lernen wird aus Christin Heitmanns Systematisch-bibliographischen Verzeichnis der Werke Viardots. Gleich das erste Lied, Seize ans, spricht durch seinen prickelnd Gestus, das feinnervige Temperament und die geschmeidige Eleganz der Linien an, das sind exquisite Salon-Schmankerl für Virtuosinnen. Hinzu kommen das 10-teilige Neujahrsgebinde Album de Chant pour 1850, mit etlichen Ersteinspielungen darunter, sowie der besagte Hymnus auf Madrid  aus einem Album von 1887 und die nette Canzonetta de Concert von 1880 nach einem Streichquartett, das lange Haydn zugeschrieben worden war. Die Texte muss man sich bei www.brilliantclassics.com suchen.

Pauline Viardot im Alter/Foto Nadar/OBA

Pauline Viardot im Alter/Foto Nadar/OBA

Martina Comparato serviert vor allem die Mazurken, nach denen sich jede Rossini-Virtuosin verzehren müsste, etwas zu brav und anständig, zu schulmäßig und artig. Sie singt leicht und tändelnd, sie gurrt und schnurrt, verfügt über Geschmack und Stil, gelegentlich klingt die Stimme in der Tiefe trocken und müde, in der Höhe beherzt. Die Melancholie mancher originaler Viardot-Kompositionen aus dem Album de Chant pour 1850 scheint ihr besser zu liegen. Man ahnt aber geradezu, was eine DiDonato daraus machen könnte. Den Klavierpart meistert Elisa Triulzi sehr präsent, in zwei Duetten steht Comparato die Sopranistin Serena Rubini zur Seite(Brillant Classics 94615).

voix du cielKeine Repertoirelücke schließt die wundersame CD La voix du ciel, auf der die Sopranistin Fabienne Conrad und die Mezzosopranistin Marie Kalinine, begleitet von den Solistes Français, Häppchen von Vivaldi, Bach, Händel, Pergolesi singen (Édition Loreleyi  LY055).

Rolf Fath

 

 

“Qui la voce sua suave…”

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Eigentlich bricht es mir das Herz, die Ikone des Opern-Gesangs, Maria Callas, nicht mehr bei ihrer alten Stammfirma EMI zu sehen. Die Unbill der globalen Wirtschaft hatte vor rund 4 Jahren auch die Ehrwürdige erreicht. Die EMI war in den letzten 20 Jahren vielfach in Bedrängnis, wurde immer wieder verkauft. Aber sie behielt stets ihren Namen und damit ihre Identität (sowie ihren unglaublichen Back-Katalog, der stets ihr großes Asset war). Die Künstlernamen bei der EMI (ehemals  der Sammelname für die Tochterfirmen wie Electrola, Voce del Padrone, Fonotipia, Voix de son Mâitre und viele mehr, schließlich auch Virgin assoziiert) sind Legion und Musikgeschichte, sind Lebensgeschichte für uns viele Ältere, die ihr erstes Geld in Aufnahmen wie den legendären Furtwängler-Tristan oder die erste Schwarzkopf-Ackermann-LP oder Gieseking mit Mendelssohn investiert hatten. Und natürlich in Maria Callas.

Maria Callas - ein ganz enrührender Moment der Unschuld und Überraschung am Schreibtishc/ca. 192/Tosi

Maria Callas – ein ganz anrührender Moment der Unschuld und Überraschung am Schreibtisch/ca. 1952/Bruno Tosi – siehe auch dessen website.

Meine Callas-Karriere begann mit einem Norma-1-LP-Querschnitt, noch kiloschwer mit der Scala zweifarbig vorne drauf, die ein Freund von mir besaß und die wir morgens, mittags und nachts spielten. Dann fiel mir ein Salzstreuer drauf, die Platte bekam einen dicken Kratzer, was instrumental zum Ende der Freundschaft führte. Ich kaufte ihm eine neue (25.- DM, unglaublich für mich als armer Student) und behielt die LP mit Kratzer, die den Grundstock für meine Callas-Sammlung ausmachte. Und 20 Jahre lang bekam ich die Stimme nicht mehr aus dem Ohr. Erst kaufte ich die italienischen, dann die englischen Callas-Platten, die anfangs nur als mörderisch teure Importe erhältlich waren. Dann berappelte sich der Vertrieb der Electrola in Köln (ASD) und übernahm mehr und mehr ins deutsche Programm.

Maria Callas: Norma in Rom 1950/Tosi

Maria Callas: Norma in Rom 1950/Fabbri Editore

Da hatte ich die Diva noch als Tosca in London erleben können, die letzte Norma in Paris ließ ich aus, ebenso die schreckliche Abschiedstournee, für die ich meine Karte wieder verkaufte – ich wollte sie so nicht mehr sehen bzw. hören. Zumal man inzwischen auch die Live-Aufnahmen hatte, die in allen Fällen an Intensität die Studioaufnahmen übertreffen, nur eben im Klang nicht.

Maria Callas: Gioconda in Verona 1947/Tosi

Maria Callas: Gioconda in Verona 1947/Cetra

Klang war bei den Callas-Studio-Aufnahmen immer das Problem. Die ersten stammen von 1949 von der Cetra (Tristan, Norma 2x, Puritani 3x,, und die Cetra hatte schlechtes Plattenmaterial) unter Arturo Basile am Orchester der RAI Turin. Und es war mit diesen Arien, dass eine junge und ziemlich füllige, kompakte Graeco-Amerikanerin namentlich in den USA (wo die Firma Soria für den Vertrieb der Cetra sorgte) über Nacht bekannt wurde. Über die fulminante Gioconda aus der Arena di Verona zur gleichen Zeit wusste die Welt eher weniger, die war auf Vermittlung des Kollegen Rossi Lemeni zustande gekommen. Dies alles ist bekannt und x-mal erzählt worden. Auch dass die Callas als erste Gesamtaufnahme besagte Gioconda 1952 und dann die Traviata 1953 aufnahm, die ihr den Weg zur Voce-del-Padrone-Einspielung der Oper versprerrte, weil sie eine Klausel mit der Cetra hatte. Die Callas, sagt man, habe getobt, als sie hörte, dass die Stella die Violetta bei der Voce del Padrone (später EMI) sang, aber so war´s eben.

Maria Callas: die berühmten Einspringer-"Puritani" in Venedig 1949/L´Opera

Maria Callas: die berühmten Einspringer-„Puritani“ in Venedig 1949/L´Opera

Dann trat Walter Legge auf den Plan, Gatte Menighini regelte das Geschäft. Die EMI-Gesamt-Aufnahmen begannen 1953 mit der Cavalleria (1954 angekoppelt an die Pagliacci), der legendären und absolut unerreichten De-Sabata-Tosca, gefolgt von den Puritani und der ersten Lucia di Lammermoor 1953, Il Turco in Italia 1954 und natürlich der ersten Norma 1954. 1955 folgten die Butterfly, Aida, Rigoletto, 1956 die Bohème, der beispielhafte Trovatore und der Ballo in Maschera, 1957 die wunderbare Turandot, der köstliche Barbiere (als erste Stereoaufnahme), die herzerreißende Sonnambula. Es ist, als ob Legge ahnte, wie wenig Zeit die Callas noch Stimme hattte. Sie sang ja auch bereits seit Beginn der Vierziger, was man gerne vergisst – die Athener Karriere.

Für mich ist mit den Callas-Aufnahmen Mitte der Fünfziger Schluss (die Medea von 1957 gehörte wie die Traviata und Gioconda nicht in den Kanon der EMI und wurde später hinzugekauft – es ist eine Einspielung der Mercury, die durch viele Hände ging, von Philips über Cetra bis sogar zur Deutschen Grammophon).

Maria Callas: Rossinis Armida in Florenz 1952/L´Opera

Maria Callas: Rossinis Armida in Florenz 1952/L´Opera

Sicher, die zweite Norma von 1960 hat ihre großen Momente und natürlich Franco Corelli (aber auch die sich drängelnde Christa Ludwig), die zweite Gioconda von 1959 hat an gestalterischer Tiefe deutlich gewonnen, aber sie sind eher dem Stereozwang der Zeit geschuldet (und wer will bei dem Schinken viel Charakter, wenn´s die Stimme nicht mehr wirklich hergibt). Ebenso auch die zweite Tosca, und wie  auch die ziemlich gewöhnungsbedürftige Carmen leiden die späteren unter dem schnellen Stimmverfall sowie dem akuten Wobble und erreichen nicht das Spontane, das Überspringende der ersten Aufnahmen – auch wenn mich manche jetzt für überkritisch halten. Ähnlich wie die späteren Recitals mit französischen Arien und Verdi etc. sind die Einspielungen nach 1957 mir schmerzhaft im Ohr, und ich höre zu sehr die Anstremgung, mit Kunst das stimmliche Un-Vermögen zu überdecken. Die frühen Recitals sind es ebenfalls, die mich immer wieder zur Callas bringen – die Puccini Arien von 1954, die „Lyric and Coloratura Arias“ von ebenfalls 1954, „Maria Callas alla Scala“ und die wunderbaren „Operatic Arias“ mit der Adriana und Wally (dto.).

Maria Callas: Turandot in Venedig 1949/L´Opera

Maria Callas: Turandot in Venedig 1949/L´Opera

Klang ist das kritische Wort. Die ersten EMI-Aufnahmen (wenn man die italienische Voce del Padrone mal als solche zuordnet, der Barbiere di Siviglia war eine originale EMI-Aufnahme aus London und damit die erste Stereoaufnahme in der Serie) waren natürlich in mono, erst 1956 begann die EMI mit ihren Stereo-Versuchen, für das Ausland schneller als fürs heimische englische Publikum (der Rosenkavalier der Schwarzkopf existiert in Mono und Stereo und das aus unterschiedlichen Aufnahmesitzungen vormittags und nachmittags…). Diese Unterschiede verwischten sich bei der EMI in späteren CD-Ausgaben, die eine  fragwürdige  Restaurierung des Klanges aufwiesen. Künstliches Stereo war die Regel (bereits bei den späteren LP-Remakes schon), und die beiden letzten Remake-Serien in Blau und Schwarz klangen besonders technisch, als die Techniker die Aufnahmen fast wie mit einer Einheitsformel durch den Equalizer schoben, nicht nett und weit vom originalen Klangbild entfernt. Abhilfe kam zu einem gewissen Grad von Naxos, die die rechtefreien Aufnahmen aus den alten LPs rekonstrierten und einen wirklich warmen, runden Klang nach-schufen, der den originalen LPs wesentlich näher kam als alles, was man nach den alten Platten gehört hatte. Jetzt rumpelte bei den Puritani sogar die Straßenbahn wieder um die Scala herum, was die Tonmeister späterer EMI-Ausgaben wegretouschiert hatten.

Callas Box New PhotoUnd nun gibt es eine große Maria-Callas-Studio-Edition bei Warner (0825646339914)! Als die alte EMI in Konkurs ging, schnappte sich die große Universal den Riesenbrocken, wurde aber vom Kartellamt gezwungen, zumindest den Klassikbereich (weitgehend) abzugeben, eben an die Warner – wenngleich das alles ein bisschen im Nebel des globalen Business bleibt. Man spricht nicht gerne darüber, denn der Name EMI liegt bei der Universal und einige Aufnahmen der Klassik wohl auch, welche – ist nicht herauszubekommen. Der Löwenanteil jedenfalls liegt nun bei Warner, die bereits mit ihrer Karajan-ex-EMI-Edition ein Zeichen gesetzt und viele ehemalige Virgin-Stars auf dem alten und nun wieder neubelebten Warner-Label Erato untergebracht hat, wo der alte Virgin-Chef Alain Lanceron nun Boss geworden ist: Man fällt auf die Füße. Und natürlich will Warner mit solchen Ausgaben wie Karajans oder nun der Callas auch die Früchte ihrer Millioneninvestition sehen will. Speriamo.

callas abbey road warnerDer große De-Luxe-Brocken ist das dicke Booklet, das der Callas-Ausgabe bei Warner beiliegt. Hier sind nicht nur wirklich seltene und hochklassig aufgelöste Photos versammelt, sondern es gibt „Rechenschaftsberichte“ der originalen und späteren Remastering-Crew, die sich einträchtig auf den Stufen zum berühmten Abbey-Road-Studio ablichten ließen(Foto nebenstehend/Warner). Zum Teil werden die alten Aufnahme-Protokolle vorgelegt, auch die Protokolle der späteren Remastering-Vorgänge und Frequenzgänge abgebildet – allerdings nur für die späteren Stereo-Aufnahmen (soweit mir ersichtlich). Tony Locantro steuert einen intelligenten Artikel bei (gabs den nicht schon?) und die mehrsprachigen Übersetzungen sorgen für 111 Seiten. Das ist wirklich seriös und macht ganz sicher einen großen Anreiz, die dicke Box zu kaufen, während man auf die ebenfalls bei EMI herausgegebene Live-Box der Callas wartet (wo ich mit Spannung hoffe, dass der Fehler beim Macbeth berichtigt wird – da wurde das Finale Akt 1 mit der Gencer aufgefüllt und eben nicht korrigiert, während im Original der Ton absackte und die italienischen Nachrichten sich durchdrängten). Wirklich, das dicke Buch als Beilage zur Studio-Box ist ein Gewinn. und das gibt´s nicht einzeln, sondern nur im Verbund mit der Studio-Box.

Maria Callas: Violetta in Südamerika 1948-1948/Tosi

Maria Callas: Violetta in Südamerika 1948-1948/Cetra

Aber Maria Callas bei Warner remastered – des Kaisers neue Kleider? 69 CDs, 39 Studio-Aufnahmen von 1949 bis 1969 in einer luxurlösen Box mit besagtem üppigem Booklet und einer Extra-CD-Rom für die Libretti (gab´s aber auch bei der EMI zuletzt): „Warner Classics unveils the most ambitious and extensive project ever undertaken in the name of the Maria Callas catalogue: a pioneering remastered edition of her complete recordings.For the first time this century, a team of world-class sound engineers at London’s Abbey Road Studios — where Callas herself recorded Verdi arias in 1958 — returned to her original master tapes to bring previously unimaginable clarity and depth to the legacy of the most iconic opera star of all time. They worked painstakingly for more than a year to bring the project to fruition, and the results will enable listeners to experience the voice of Callas as never before. The authoritative Maria Callas Edition will comprise a lavish boxed set of her 39 newly remastered studio recordings (totalling 69 discs) from 1949 to 1969 — each with the original sleeve art preserved“.

callas pucciniSchreibt die Firma selbstbewusst. Die originalen Covers wurden nachgedruckt als etwas fragiler Slim-Papp-Schuber, bei dem der 3-CD-Inhalt etwas geklemmt drin steckt und die Einzel-Beilage sich im Rudimentären hält: Tracks/Aufnahmedatum, ein kurzer Artikel zur Einspielung und den Umständen – sehr verdienstvoll, Autoren sind Fachkräfte wie Ira Siff (the famous one, but what a name!) oder Michel Roubinet sowie ein nettes bekanntes historisches Rollenfoto.

Remastered. Was ist nun dran am neuen Klang aus Abbey Road, dem legendären Aufnahme-/Produktionszentrum der EMI in alten Tagen, nun mitgekauft von Warner? Newly remastered from the original tapes at Abbey Road Studios, lese ich in den Booklets von 2014, (das hieß es aber auch noch bei den verschiedenen EMI-Ausgaben).

callas coloraturaNun denn – ans Werk. Ich lege die erste Norma von 1954 auf, die Ouvertüre klingt sehr/zu hell/grell, die Streicherhöhen mir zu metallisch, das Klangbild sehr durchhörbar, sehr weitgestreckt (dies ist eine originale Mono-Aufnahme), sehr plastisch. Der erste Chor ein wenig zu scharf auf der Höhe, Polliones Auftritt gut gestaffelt – aber über allem liegt eine gewisser technischer Aspekt. So hat das damals sicher nicht geklungen! Und mich stört auch sehr, dass an den Trackübergängen absolut nichts zu hören ist. Nach dem letzten Ton tut sich ein großes digitales Nichts auf, besonders beim Kopfhörer bemerkbar. Die Aufnahme wird tot, kein Atmen, keine Nebengeräusche, an denen die originalen doch so reich war – da hörte man Atmen, das Heben der Arme bei den Streichern, sogar den alten Serafin schnaufen. Das eben machte diese Einspielungen so lebendig und unterscheidet sie von den sterilen digitalen neuen. Zur Korrektur höre ich die von mir ohnehin favorisierte Naxos-Überspielung. Und siehe da: Das Dunkle, Geheimnisvolle der alten LPs ist wieder da, dieser sonore Klang des Scala-Orchesters unter Tullio Serafin (der hier eben auch mal schnauft). Die Streicher haben Tiefe und mystische Farbe, die Chöre sind vielleicht nicht so präsent, aber doch machtvoll und eben nicht technisch aufgehellt. Und La Divina behält mehr von ihrem Majestätischen, ihrem Unvergleichlichen. Man hört sie atmen! Damals. Wie auch auf der absolut oberaffengeilen (pardon) Gioconda 1!

Maria Callas mit Max Lorenz 1955 (Berlin oder München?)/Tosi

Maria Callas mit Max Lorenz 1955 (Wien?)/Lorenz

Es ist vielleicht ganz grundsätzlich eine Frage der Ästhetik. Will man eine „moderne“ Akustik des hellen, obertonigen Klangs, oder will man die warme, runde und eher geheimnisvolle der alten LP-Aufnahmen? Man weiß ja, wie die originalen Bänder dieser Zeit klingen, wenn man sich die sensationellen Überspielungen der Testament-Aufnahmen anhört, die mit ihren diskreten Remakes etwa von Bayreuth-Aufnahmen Maßstäbe gesetzt haben. Auch der Karajan-Tristan bei orfeo ist ein Beweis für eine solche vorsichtige Bearbeitung. Warners Abbey Road, will mir scheinen, geht diesen Weg nicht, und ich habe den ganz leisen (und sicher total unbegründeten) Verdacht, dass man vielleicht eher den bewährten Methoden der älteren EMI-Remakes gefolgt ist. Vielleicht waren es sogar dieselben Tontechniker? Oder sogar dieselben Überspielungen? Sicher nicht….

callas giocondaDas ist nicht bei allen CDs so – „Callas at la Scala“ zeigt die Solostimme gedämpfter, weniger nach vorn gestellt als bei der schwarzen EMI-Serie. Das ist bei den Puccini-Arien ebenso, die Stimme ist gegenüber der Naxos-CD weniger präsent-nach vorne geschoben, aber dort wärmer, klangschöner. Die Adriana Lecouvreur auf den „Operatic Arias“ ist der interessanteste Fall, weil alle drei Ausgaben (Warner, Emi-Schwarz, Naxos) ein eigenes Klangbild haben. Ich liebe das dunkle von Naxos immer noch, aber Warner scheint mir durchsichtiger, durchhörbarer, unmittelbarer (und damit der EMI sehr, sehr, sehr ähnlich – auch hier breitet sich ein digitales Loch aus, wenn es keine Musik mehr gibt).

callas gioconda naxosUnd so geht es fort. Im ganzen scheint mir, dass die Studio-Recitals der Warner die Nase vorn haben, auch weil sie per Aufnahme intimer sind und natürlich keine Chöre haben. Die Gesamtaufnahmen sind mir in einigen Fällen vor allem in den tutti und finali zu technisch-digital-aufgehellt (Norma 1, auch Gioconda 1Puritani oder La Sonnambula): Im Vergleich zur Naxos-Überspielung, die runder, dunkler und irgendwie authentischer klingt, sind die aufgefrischten Bänder der Warner heller, bei den Streichern metallischer, die Stimmen wie ein Quentchen mit dem Regler hochgeschoben, dto. heller, weniger persönlich. Es ist wie bereits gesagt eine Frage des Anspruches, der Ästhetik. Ich habe mir die Mühe gemacht und bin in den Laden vom Horenstein Café in der Fechnerstraße in Wilmersdorf gegangen, die Adresse für LPs und Vinyl-Klassik in Berlin. Und dort haben wir nochmal die originalen ersten englischen EMI-LPs eben der Puccini-Arien gehört, und mein Eindruck bestätigte sich. Mit einer hervorragenden Anlage wiederholte sich der Eindruck von den Naxos-Aufnahmen und damit von den originalen LPs. Zumindest damals hatten sich die Tontechniker und Produzent Walter Legge das so gedacht.

Maria Callas: Fiorilla im "Turco in Italia" an der Scala 1955/Piccagliani/Tosi/EMI

Maria Callas: Fiorilla im „Turco in Italia“ an der Scala 1955/Piccagliani/EMI

Das alles ist für neue und jüngere und Erst-Käufer total irrelevant. Der musikalische und interpretatorische Wert der Aufnahmen der Callas umgeben von illustren Kollegen (Barbieri, Di Stefano, Monti, Panerai, die hinreißende Amadini und viele mehr)  unter ersten Dirigenten wie von Karajan, De Sabata oder Serafin ist unerreicht und bietet noch heute Lektionen in Gesang und Interpretation.

Deshalb hab ich mir für diese Besprechung die früheren Aufnahmen der Sängerin herausgesucht, weil sich hier das Wunder der Callas, aber eben auch das Wunder eines wunderbaren Ensembles und der genialen Produktionsstrategie Walter Legges entfaltet. Die Norma 1 ist mit der Callas ungeheuer dicht und vor allem dem Wort verpflichtend besetzt. Keine wie sie singt „In mia man tu sei alfine so wie sie, keine singt Non posso“ wie sie, wenn sie ihre Kinder nicht umbringen kann, und keine kann die Stimme so sanft machen wie in ihrer Cavatine an den Mond oder wie als Amina/Sonnambula oder Elvira in den Puritani „Qui la vove sua suave…“ ist eine Übung in Legato, in Keuschheit, in Erwartung, in Mädchenhaftigkeit – unerreicht, haben müssend. Adriana Lecouvreurs Arie „Io son l`umile ancella hat es so nie wieder gegeben, und die Arie der Wally von derselben CD verfolgt einen/mich über Tage. Überhaupt sind die elegischen Arien die nachhaltigeren, wenngleich die freche Rosina (in der Originaltonart!) aus dem Barbiere oder die dto. kesse Fiorilla (Turco) ihre köstlichen Momente haben und eine andere, weniger gewohnte Seite der Callas zeigen. Sie schafft es auch, der ewig langen Arie der Giulia in der Vestale Struktur und Spannung zu geben (kein leichtes). Ah, sie ist eine Meisterin der Gestaltung, und gibt jeder Frauen-Figur ein eigenes Gesicht – kein Recital lässt einen unberührt, und ihre Figuren in den Gesamtaufnahmen sind plastisch-haptisch.

Maria Callas: Bühnendebüt als Santuzza/"Cavalleria rusticana" am 2. April 1939 im Athener Theatewr Olympia/Foto in  Petsalis-Diomidis "The unknown Callas"

Maria Callas: Bühnendebüt als Santuzza/“Cavalleria rusticana“ am 2. April 1939 im Athener Theater Olympia/Foto in Petsalis-Diomidis „The unknown Callas“

Über die Callas und ihre Interpretationen ist alles gesagt, einfach alles, und ich geniere mich wirklich, nun meine hochpersönliche Meinung  auch noch denen der Millionen anderen hinzuzufügen. Ich denke, Callas muss man – wie wirklich wahre Künstler und ihre Kunst – ganz alleine für sich erleben, sich nicht von dem Hype erdrücken lassen, sich ihr mit offenem Ohr und Herzen nähern. Wie in einem anderen Artikel zu ihrem Geburtstag hier in operalounge.de geschrieben, sind es für mich die Aufnahmen aus der ersten Häfte ihrer Karriere, die für mich das „Wunder Callas“ ausmachen. Defintiv ist da die erste Gioconda mit ihrer brutalen Kraft des Schlusses und der hier eher instinktiven Zartheit desEnzo, come t´amo oder Oh madre mia, quanto mi costi...“. Da ist die erste Traviata der Cetra, die auch ein Muss für ihre Wertschätzung darstellt, auch wenn die Callas später viel subtiler und raffinierter gesungen hat. Hier ist sie unverstellt, pumperl-rund und noch am gestalterischen Tasten. Das macht das Hören so spannend, wenn man ja weiß, was kommen wird. Wie auch ihre ersten RAI-Arien. Man hört, was sein wird, noch etwas unklar-unkonturiert und voller ungebändigter Kraft, aber deutlich, in nuce sozusagen. Die beiden Bellinis, La Sonnambula und I Puritani, zählen für mich zu den großen, wunderbaren (weil voller Wunder) Aufnahmen der Diva, auch weil einfach alle hier toll sind und sie ihre doch noch so riesige Stimme einer kürzlichen Isolde und Kundry (und Brünnhilde!) so zart und keusch klingen lassen kann – zudem ist das schmissig dirigiert und bei dem guten Klang einfach eine Wucht.

NMaria Callas: Norma an der Scala 1952/Piccagliani/Tosi

NMaria Callas: Norma an der Scala 1952/Piccagliani/Segalini

Jede ihrer Norma-s ist eine der gültigen Interpretationen für alle Zeit. Trotz Mario Filippeschi (huh) ist die erste Studioaufnahme schon sensationell, weil hier die Priesterin Norma ersteht, robust und kriegerisch, weniger fraulich als später, weniger differenziert vielleicht, aber mit einer so intakten Stimme wie kaum später wieder (aber da schwärme ich für die Live-Norma von der RAI 1955 als die ultimative). Und Ebe Stignani ist als Adalgisa richtig, sopranig, erfahren. Verdi, Puccini und Mascagni zeigen ganz unterschiedliche Frauen in der Callas-Interpretation. Gilda ist mädchenhaft und keusch, Leonora/Trovatore entschlossen, kämpferisch, eine Schwester der Norma. Aida ist mein Ding nicht, da passe ich, und auch die Forza nicht, aber zweifelsfrei ist die Callas hier hochindividuell und von ihrer Bühnenerfahrung in diesen oder ähnlichen Rollen profitierend.

Maria Callas mit Mentor Tullio Serafin ca. 1952/Tosi

Maria Callas mit Mentor Tullio Serafin ca. 1952/Tosi

Manon Lescaut, Santuzza/Cavalleria (die sie ein einziges Mal als Studentin 1939 in Athen gab) und Nedda/Pagliacci (die sie nie auf der Bühne sang, Nedda ist auch eigentlich keine Partie für sie) leben in einer eigenen Welt, mal kokett und mal depressiv, mal verführerisch und mal todessüchtig, ebenso erstaunlich wie die unglaubliche De-Sabata-Tosca, die ihr viel Einsatz und Geduld abverlangte, weil De Sabata mit ihrem Italienisch nicht zufrieden zu stellen war. Auch dies die gültige Aufnahme für alle Zeiten. Es ist die Turandot, die meine ganze Liebe hat: eine gar nicht kalte Prinzessin, eher ein verwirrtes Kind, keine frigide, sondern nicht wachgeküsste junge Frau (wie Callas-autobiographisch!!!). Zumal Eugenio Ferrandi der sexy Calaf par excellence ist (wäre da nicht die zickige Schwarzkopf als Liù…). Nachstehend folgt meine Liste der Begehrlichkeiten, die jeder, der die Callas erneut oder erstmals hören möchte, haben sollte. Die große Chance, die unerreichte Sängerin heute wieder und noch einmal in modernem Sound zu hören ist jetzt da. Die Box für knapp 200.- enthält alle Studioaufnahmen, wie sie die EMI bereits im eigenen lustlosen Schuber zuletzt veröffentlicht hatte.

Maria Callas: Fidelio in Athen 1944/Tosi

Maria Callas: Fidelio in Athen 1944/Petsalis-Diomides

Die erneute Beschäftigung mit den neuen Warner-Überspielungen brachte mir die immense Freude und Bereicherung, mich noch einmal mit der Callas zu beschäftigen, die ich ein wenig in meinem Hinterkopf abgelegt hatte – gehört, geschätzt, präsent war sie mir immer gegenwärtig. Aber es ist ein Unterschied, an sie zu denken als Maßstab aller Dinge oder sie erneut zu beurteilen, zu staunen, zu vergleichen auch mit anderen (Anita Cerquetti zum Beispiel), sie wieder in Besitz zu nehmen, sich zu eigen machen. Egal in welcher Edition: Was sind wir doch reich an ihr, immer noch. Geerd Heinsen

Das Foto oben zeigt die Callas auf einem alternativen Publicity-Foto der EMI/Piccagliani für ihre LP „Callas alla Scala“, Maria Callas im Kostüm der Vestalin. Lesehinweis: Besonders zu empfehlen für die frühen Jahre der Callas ist The unknown Callas – the Greek years von Nicholas Petsalis-Diomidis im Verlag Amadeus Press Portland 2001; ISBN 1-57467-059-X

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Die besprochenen Einzel-Aufnahmen bei Warner (ab Ende September bzw. Ende Oktober im Handel): 0825646341146 Bellini: La Sonnambula; 0825646341184 Bellini: I Puritani; 00825646341115 Bellini: Norma (1); 825646340835 Cherubini: Medea; 0825646340903 Mascagni: Cavalleria rusticana; 0825646341085 Ponchielli: La Gioconda; 0825646341009 Puccini: Turandot; 0825646340989 Puccini: Manon Lescaut ; 0825646341030 Puccini: Tosca (1); 0825646340897  Rossini: Il Barbiere di Siviglia; 00825646340880 Rossini: Il Turco in Italia; 0825646340859 Verdi: La Traviata; 0825646340941 Verdi: Il Trovatore; 0825646340132 Lyric & Coloratura Arias; 0825646340125 Callas at La Scala; 0825646340170 Puccini Recital

Bravourarien

Eine der auf den internationalen Opernbühnen begehrtesten Tenorstimmen für Mozart, den Belcanto, insbesondere aber für Rossini ,hat der Amerikaner Lawrence Brownlee, von dem es jetzt eine CD mit dem Titel Virtuoso Rossini Arias bei Delos gibt. Erwarten würde man die Arien des Almaviva aus dem Barbiere, insbesondere die selten zu hörende Bravourarie am Schluss der Oper, aber der Sänger wählte Stücke aus nicht ganz so oder wenig bekannten Werken des Komponisten aus Pesaro.

Es beginnt mit Gianettos „Vieni fra questa braccia“ aus La gazza ladra, wo bereits das erste Wort, sehnsuchtsvoll und einladend langgezogen, sehr verführerisch klingt, da die Stimme nicht zu hell, wie oft bei Rossini-Tenören, sondern angenehm farbig und gar nicht körperlos klingt. Das Timbre behält sie auch in der mühelosen Extremhöhe, im presto könnte man sich ein wenig mehr Präzision in der Diktion vorstellen. Auch in der Arie des Comte Ory zeigt sich der Sänger als alles andere als ein Schmalspurtenor, lässt schöne lyrische Passagen hören und ist perfekt in den Verzierungen. Die Höhe ist nicht nur mit Leichtigkeit erreicht, sondern erscheint auch als gut angebunden an das Fundament der Stimme. Einen gut passenden leicht melancholischen Ton hat der Tenor für die Arie des Alberto aus L’occasione fa il ladro, angemessen der Situation, in der sich die Figur befindet, die auch ein eher nachdrückliches Singen erfordert und der eine Superfermate auf dem letzten Spitzenton gut ansteht. Eine ungleich bedeutendere Rolle im Vergleich zu Verdi hat der Rodrigo in Rossinis Otello;  hier ist durchaus Heldisches gefordert, dazu viel Virtuosität, die auch darin besteht, dass der Sänger in den Wiederholungen interssante Variationen hören lässt. Nur eine kurze Passage lässt ihn etwas atemlos werden, was aber kaum ins Gewicht fällt. Umso kraftvoller wird „tradito amor“  auf die CD geschleudert, kann die Stimme am Schluss durch ihr Leuchten frappieren.

In der Arie des Idreno aus Semiramide sind besonders interessant die gut gemeisterten Intervallsprünge und der Aufbau der sich in der Intensität des Ausdrucks steigernden langen Arie. Wieder ganz anders zeigt sich der Tenor süß schmachtend in der Arie des Narciso aus  Il Turco in Italia, die er, die Kontraste in der cabaletta auskostend, vorzüglich singt. Sehr nobel  und ohne Zweifel soave gelingt mit schönem Legato die Arie des Uberto aus La donna del lago, während für den Ilo aus Zelmira eine sehr präsente Mittellage, keine gewöhnliche Gabe eines typischen Rossini-Tenors, bereit gestellt wird, ein heldisches „terra amica“ erklingt und die Höhen nicht nur erklettert, sondern auch aus dem Stand heraus sicher ereicht werden. Das Kaunas City Symphony Orchestra unter Constantine Orbelian leistet leider keinen zusätzlichen Beitrag an Rossini-Esprit, sondern beschränkt sich auf eine eher zurückhaltende Begleitung (Delos 3455).

Ingrid Wanja 

Italienische Instrumentalmusik

Giacomo Fuga am Konzertflügel und Mario Ancillotti am Cello präsentieren mit reichlich Schwung und klanglicher Süffisanz Werke der oft sperrigen italienischen Avantgarde der 1930er Jahre. Gerade Goffredo Petrassis „Preludio, Aria e Finale“ für Cello und Klavier von 1933 gehen sie mit einer rhythmischen Kraft an, die mit robusten Cellostrichen und klar akzentuierten Klavierakkorden in das von herber Schönheit durchzogene Opus hineinzieht.

petrassiDie elegische Aria-Melodie des Mittelsatzes wächst mit seinen cantabile-Passagen für das Cello zum großen Klagegesang an, der von dichter Lyrik und emotionaler Stärke bestimmt wird. Ein energievolles, lebhaftes Presto-Finale beschließt das Werk, das erst bei mehrmaligem Hören seine ganz Substanz offenbart. Dagegen nimmt sich die erste, 1936 veröffentlichte „Sonate für Cello und Klavier“ des Turiner Komponisten Sandro Fuga (1906-1994) geradezu beherrscht aus, mit der eleganten Linie des Klaviers und den ausgeklügelten Umspielungen des Cellos. Selbst das jugendlich-tänzerische Vivace des Schlusssatzes bleibt bei allem con spirito stilistisch anspruchsvoll und harmonisch komplex. Dennoch ist auch dies eine Sonate von großer Tiefe, mit dem dunklen Gesang von Macris körperlichem Cellospiel und der Ernsthaftigkeit  eines schicksalhaften Untertons im Mittelsatz. Um einiges leichtgewichtiger ist da die D-Dur Cellosonate von Francesco Cilea, die dramaturgisch klug einen hellen, melodischen Mittelpunkt der CD bildet. Ein Jugendwerk von 1888, voll überschwänglicher Einfälle, rascher Läufe und einer – Dvorak nicht ferne stehenden – lyrischen Romanze im Binnensatz, die das Cello von Massimo Macri mit großem Melodiebogen sehr sanglich vorträgt. (Naxos 8.573141)

petrassi 2Da hat Pianoaltmeister Bruno Canino mit Goffredo Petrassis 1936-1939 entstandenem, halbstündigem und langatmigem Klavierkonzert schon einen anderen Brocken zu knacken. Ein zwitterartiges Werk, zwischen Romantik und gemäßigter Avantgarde stehend, mit virtuosen Akkordfolgen und bei Prokofjew abgelauschten Eskapaden für den Solisten. Das Orchester scheint etwas auf der Stelle zu treten, in düster grummelnden Farben, die freilich von Francesco La Vecchias recht anonymer Zugangsweise am Pult des Orchestra Sinfonica di Roma auch nicht sonderlich belebt werden. Da wären doch einiges mehr an Eigenleben der Bläser (Hörner!) denkbar, die Sechzehntel der Streicher ersehnt man sich ein ums andere Mal akzentuierter und weniger verwischt, auch ein größeres dynamisches Spektrum der Begleitung wäre wünschenswert. So steht – vielleicht auch aufnahmetechnisch bedingt? – das konzertierende Klavier mit seinen vielen Tönen doch sehr im Mittelpunkt, während Streicherlinien im Hintergrund mehr fließen als dialogisch zu kommunizieren. Caninos Virtuosität freilich steht außer Zweifel, doch wirkt sein Interpretationsansatz auch unentschlossen zwischen den weichen Anschlägen romantischer Klangmalerei, die so manch gewagte Harmonik Petrassis geradezu zu überspielen scheinen, und den vorausblickenden Akkordtürmen einer gemäßigten Moderne. Marco Ancillotti ist da in Petrassis Flötenkonzert von 1960 konsequenter, er lässt sich auf die von Einzelstimmen und Schlagwerk akzentuierten Klangflächen bedingungslos ein, sucht keine Romantizismen und gewinnt gerade dadurch über 20 Minuten hinweg an Intensität und Überzeugungskraft. Die CD wird beendet von einer sinfonischen Suite, die Petrassi aus seinem römischen Ballett „La follia di Oralndo“ (1942/43) erstellte. Eine gemäßigte Kriegsmoderne, die in der abermals pauschalen Zugangsweise La Vecchias die rhythmische Prägnanz mehr ahnen als hören lässt. Petrassi steht hier Bartok oder Prokofjews Werken näher als Strawinskys Ballettmusiken, der ungebrochene Kriegston des abschließenden „Danza guerriera“ bleibt dann aber doch sehr zeit(geschichtlich) verhaftet. (Naxos 8.573073)

rossini klavierDie derzeitige Veröffentlichungsreihe mit der Einspielung von Gioacchino Rossinis vollständiger Klaviermusik durch Alessandro Marangoni für Naxos ist inzwischen bei Volume 6 angekommen. Was an Marangonis (auf dem modernen Konzertflügel) gespieltem Rossini gefällt, ist der lockere Pariser Salonton, den er selbstbewusst trifft, Schmunzeln und Augenzwinkern zwischen den Noten inbegriffen. Komponisten wie Flotow und Offenbach, zu Beginn ihrer Karrieren selbst virtuose Stars der Pariser Salons, werden hier anknüpfen. Bei Maragnoni wird nichts ernster oder schwerer genommen als es ist, auch begeht er nicht den Fehler hier Virtuosenstücke zu inszenieren, wie man das auf manch anderer Aufnahme von Rossinis „Péchés de vieillesse“, sehr zum Schaden der Piècen, hören kann. Nein, bei Marangoni klingen Chopin, Schumann oder Liszt nur dann an, wenn das Rossini auch so will. Rossinis Walzer, Polonaisen, Bagatellen, Ritornelle und musikalischen Späße („Etude astmatique“! – ein Titel wie von Satie) zünden gerade mit ihrer fingerflinken Leichtläufigkeit, der unverstellten Frische ihrer Einfälle und bei allem cantablen Gespür auch einem großen Sinn für die jeweilige Form. Das bleibt stets kurzweilig und abwechslungsreich, auch weil Maragnoni es versteht einen charakteristischen Zugang zu jeder einzelnen Nummer zu finden. Ein großes Hörvergnügen! (Naxos 8.573107)

morlacchiBestandteil des Musizierens im Salon waren auch Arrangements, Bearbeitung von Opernmelodien für virtuose Musiker. Solche Beispiele aus Italien sind auf einer „Fantasie d’opera“ überschriebenen CD festgehalten, die solche Einrichtungen des Flötisten Pietro Morlacchi (1828-1868) (nicht zu verwechseln mit dem jüngeren, als Opernkomponisten bekannten Francesco Morlacchi) und des Fagottisten Antonio Torriani (1829-1911) präsentieren. Vier zwischen zehn und fünfzehn Minuten lange Melodiefolgen aus Rossinis „Mosè in Egitto“ und „Guglielmo Tell“, aus Donizettis „Lucia di Lammermoor“ und aus Opern Verdis.  Die Stücke, Mitte des 19 Jahrhunderts in Italien für ein bürgerliches Publikum entstanden, entpuppen sich beim Hören rasch als recht einfallslose Reihungen der bekannten Nummern aus den Opern. Das Klavier, hier etwas aufdringlich von Steffano Micheletti gespielt, hat kam mehr als stützende Funktion und darf modulierende Überleitungen übernehmen. Flöte und Fagott stellen die Melodien vor, variieren sie auch mal, doch mit wenig künstlerischem Gewinn, virtuose Verzierungen und umspielende Triller stehen ganz im Vordergrund. Das mag zu einer Zeit, als die akustische Reproduzierbarkeit von Musik nicht so einfach war wie heute, seinen Reitz und Sinn gehabt haben. Heute wirkt das ziemlich einfallslos, zumal Carlo Tamponi (Flöte) und Francesco Bossone (Fagott) auf ihren modernen Instrumenten zwar recht artig Läufe, Triller und Geschwindpassagen spielen, doch dabei nur wenig Faszination versprühen. Eine künstlerisch in jeder Hinsicht sehr überschaubare Veröffentlichung. (Tactus TC 820002)

Die italienische Symphonik des 19. Jahrhunderts konnte sich nicht dauerhaft im Repertoire durchsetzen, nur weniges davon kennen wir heute überhaupt noch. So ist es erfreulich, dass die bereits 2000 in Nürnberg entstandene Aufnahme eines Klavierkonzertes des Liszt-Schülers Giovanni Sgambati (1841-1914) nun bei Tactus erschienen ist. (Dort erscheint übrigens auch sein Werk für Soloklavier auf CD). Der Römer Sgambati kann als konsequenter Verfechter einer italienischen Instrumentalmusik angesehen werden, wobei sein prägenden Vorbilder mit Beethoven, Liszt und Wagner  klar deutscher Provenienz waren. Bei Naxos erschien vor zwei Jahren bereits eine Einspielung der ersten seiner beiden Sinfonien. Der Pianist Francesco Caramiello hat mit den Nürnberger Philharmonikern unter Fabrizio Ventura Sgambatis, von Brahmschen Dimensionen und Formen geprägtes, dreisätziges Klavierkonzert eingespielt, das in den Jahren vor 1880 entstand. Knapp 45 Minuten kraftvolle Solokonzert-Symphonik mit weiten Motiven, dominanten Bläsersätzen und heftig zugreifendem Klavierpart. Gekonnt gemacht in seiner Abfolge von Stimmungen und Episoden, dabei ganz in der Tradition des großen romantischen Solokonzerts stehend. Die Interpretation bietet das mit gebotener orchestralen Wucht und dem zupackendem Anschlag des Solisten. Dass die Spannung über die gesamte Strecke nur schwer aufrecht zu erhalten ist, ist eher ein Problem der sich dann doch in Einzelheiten verlaufenden Komposition, als seiner Interpreten. Auch wenn die sanglichen, weit gesponnenen Themen des Klavierparts ihren Effekt nicht verfehlen, so bleibt doch wenig haften. Ganz ähnlich übrigens bei der ebenfalls auf der CD befindlichen und für Pietro Cossas Schauspiel geschriebenen sinfonischen Ouvertüre „Cola di Rienzo“ (1866), die eine Abfolge von Charakterbildern ist, ihrem ohrenkundigen Vorbild der einprägsamen und effektvollen Lisztschen Tondichtungen jedoch nicht gerecht wird.  (Tactus TC 841908)

 Moritz Schön

Eine Offenbarung in Stereo

Es rast im Orchester. Zu wilder Hatz werden die Streicher angefacht. Ich kenne keine andere Musik, die die Flucht eines Menschen vor seinen Häschern so glaubhaft ausdrückt wie das Vorspiel zu Richard Wagners Walküre. Natürlich stellt sich diese Wirkung nicht von selbst ein. Es braucht den richtigen Dirigenten. Einen vom Schlage Georg Soltis. Der hat das Zeug dazu. Er holt aus den Musikern heraus, was möglich ist, legt im richtigen Moment lieber noch nach, als dass er zurück nimmt oder dämpft. Zurückhaltung ist seine Sache nicht in dieser Sturmmusik. Er haut drauf. Ich bekenne freimütig, dass mir das im Moment gefällt. Etwas anderes kommt gar nicht in Frage. So und nicht anders. Solti ist ein Verführer. Und er ist einer von den Männern am Pult, die mich live mehr ansprechen und überzeugen als im Studio, wo das Feuer, das er entfacht, nicht ganz so heiß ist wie bei einer Aufführung, für die er brennt.

Der Testament-Mitschnitt, um den es hier geht, stammt vom 2. Oktober 1961 aus dem Royal Opera House, Covent Gaden, London. Im gleichen Jahr hatte er sein Amt als Chef dieses Hauses angetreten, das er zehn Jahre lang innehatte. Was für ein fulminanter Auftakt, der seinen internationalen Ruf als Wagner-Dirigent entscheidend mitbestimmen sollte. Seine Einspielung des bis heute unerreichten Ring des Nibelungen mit den Wiener Philharmonikern hatte zwar bereits 1958 mit dem Rheingold begonnen. Erst 1965 – also vier Jahre nach Soltis Einstand in London – wurde sie mit der Walküre fortgesetzt. Bis auf Hans Hotter als Wotan gibt es zum Glück keine Überschneidungen mit der Studioproduktion. Selbstverständlich ist das nicht. Die Wagnersche Sängerelite reiste seinerzeit ständig um die Welt. An allen großen Häusern gab es deshalb ähnliche Besetzungen. Dank London ist die sängerische Vielfalt größer.

Hotter kommt ans Ende seiner Möglichkeiten, je weiter die Aufführung voran schreitet. Er klingt ziemlich hohl und fahl. Was er aber gestalterisch herausholt, gleicht manches stimmliche Manko aus. Seine Monologe sind wie Krimis. Er zwingt einen, dabei zu bleiben. Hotter ist weit davon entfernt, zum Problem des Mitschnitts zu werden. Er hat erstaunliche Reserven. Mit unerbittlicher Schärfe fährt Rita Gorr als Fricka auf und fällt etwas aus dem Rahmen – und ihrem Wotan hörbar auf die Nerven.

Anita Välkki/OBA

Anita Välkki/OBA

Anita Välkki, die ihre finnische Herkunft auch im Namen trägt, ist die Brünnhilde. Es war ihr erster Auftritt außerhalb Skandinaviens. Ihr leuchtender Sopran ließ aufhorchen. Sie verkörperte im Vergleich zu Mödl, Varnay und Nilsson einen neuen, jugendlichen Typ. Das kam an und gefiel. Sie blieb einige Jahre in London und wurde an viele Häuser weltweit engagiert. 1963 und im Folgejahr wurde sie zu den Bayreuther Festspielen eingeladen, wo sie aber nur die Walküren-Brünnhilde und die 3. Norn in der Götterdämmerung sang. Als Norn wirkte sie auch in der bereits erwähnten Studioaufnahme Soltis mit. Viel mehr Dokumente gibt es nicht. Was ihre weitere künstlerische Entwicklung anbelangt, ist die Nachwelt auf Mutmaßungen und persönliche Erinnerungen von Zeitzeugen angewiesen. Sie lässt sich nicht genau belegen. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie schon 1961 über ihre Verhältnisse gesungen hat. Spitzentöne sind oft nicht kontinuierlich erzeugt. Sie reißt die Stimme nach oben, muss Kraft und Energie nachschießen. Ihr Deutsch ist für die damaligen Verhältnisse nicht gut genug. Im Ausdruck bleibt sie hinter den anderen Mitwirkenden um Längen zurück.

Den Ton der gesamten Produktion geben Jon Vickers und Claire Watson als Wälsungenpaar Siegmund und Sieglinde an. Bei beiden ist nicht nur jedes Wort zu verstehen, einschließlich der Konsonanten. Die Partien gehen ihnen wie von selbst über die Lippen. Nichts ist ertrotzt oder erzwungen, sie schöpfen aus dem Vollen. Es gibt nicht die geringsten Schwächen. Sie liefern absolut glaubhafte Rollenporträts ab. Wie Vickers mit seinen an sich ziemlich schweren Tenor Lyrik vom Feinsten erzeugt, macht Staunen. Er legt die gesamte Partie sehr verhalten an, weshalb die Todesverkündigung wie ein Nachtgesang schwebt. Dieses eine Mal hätte ich mir gewünscht, dass Siegmund überlebt. Es ist ein bisschen wie auf einer Partie, wenn der interessanteste Gast zu früh geht. Es wird langweiliger im dritten Aufzug. Michael Langdon, ein in London gefeierter Ochs auf Lerchenau kann als Hunding ziemlich finster und böse werden. Exklusiv ist das Walküren-Ensemble besetzt, darunter Marie Collier, Margareta Elkins und Josephine Veasey. Solti entfacht nicht nur hochdramatische Ausbrüche, er ist an den richtigen Stellen auch ein sehr diskreter Begleiter, der seine Sänger sicher durch den langen Abend trägt.

Der Mitschnitt ist bei Testament in Stereo erschien (SBT4 1495), obwohl auf der Hülle der Box von Mono die Rede ist. Wie bei diesem Label üblich, wird auch diesmal auf die Originalbänder zurückgegriffen, die bei der BBC liegen. In Sammlerkreisen ist die Aufnahme seit längerem, aber in weniger gutem Sound, in Umlauf. Sofort entsorgen! Was jetzt vorliegt, kommt einer Offenbarung gleich.

Rüdiger Winter

 

 

 

Gino Penno & Kollegen

 

Gino Penno? Das ist doch der Manrico im Trovatore mit der Callas an der Scala 1953 (Foto oben/Cetra)! Das war vor allem einer der flexibelsten Tenöre der italienischen Nachkriegszeit und einer der bestausehenden dazu (nach Corelli natürlich). Er war in der Nachriegsszene Italiens nicht wegzudenken, war namentlich ein Sänger von zeitgenössischen Erstaufführungen und des Standardrepertoires wie Trovatore, Pagliacci, Aida, Ernani, Attila, und er sang mit allen Landes-Diven der Zeit, von der Callas bis zur Tebaldi und Mancini.

0028948081417Dennoch ist es bezeichnend, dass er auf der 4-Tenöre-CD der neuen (3.) Decca-Most-Wanted-Staffel nicht einmal auf der Vorderseite erwähnt wird, die Giuseppe Campora  und (erneut und unnötig) Gianni Poggi gewidmet ist – da muss Herr Poggi noch späte Bewunderer beim Remake-Department der Decca haben.

Giono Penno in "La Forza del Destino"/Gross

Giono Penno in „La Forza del Destino“/Gross

Erst beim Umdrehen findet man die wirklichen Goodies (nicht dass Campora sich schämen müsste): Gino Pennos 25-cm-LP und auszugsweise die von Giacinto Prandelli, beide wirklich goldene  Säulen des italienischen Opernbetriebes der 50er und 60er und im Schatten Bergonzis, Del Monacos und natürlich Corellis, die mit ihrer internationalen Karriere alle überstrahlten und die von der gigantischen internationalen  Verbreitung des Mediums Schallplatte mit ihren Exklusivverträgen profitierten. Die zu Hause hatten das Nachsehen. Und Penno hat mit Abstand die interessanteste und schönste Stimme von den hier genannten Vieren.

Gino Penno: Manrico/OBA

Gino Penno: Manrico/OBA

Er wurde 1920 in Felizziano geboren und studierte bei dem renommierten Sänger Ettore Campogagliano. Er gewann Gesangswettbewerbe und besuchte anschließend die Scuola di Canta an der Mailänder Scala, wo er als Student manche Comprimario-Partien in laufenden Aufführungen singen durfte. Sein eigentliches Debüt gab er als Floreski in Cherubinis Lodoiska 1950. Man vergisst gerne, wie sehr das Wagner-Fach im Italien der 50er vertreten war, in der Landessprache (auch die Callas hatte damals einen Namen in diesem Repertoire). Penno erlangte bald seine Berühmtheit mit Heldentenor-Partien wie Siegfried in der Arena di Verona und Lohengrin mit der Tebaldi in Neapel (bei Hardy als Dokument unter Santini).

Gino Penno als Cavaradossi/Gross

Gino Penno als Cavaradossi/Gross

Aber auch die zeitgenössischen Komponisten hatten in ihm einen geeigneten Interpreten. Natürlich ebenfalls die gängigen Rollen des tenore eroico waren seine: Pollione neben der Callas, Macduff (dto), Manrico und Giasone (dto., Foto oben mit Maria Callas bei der Aufnahme an der Scala/Savio/Mercury) 1951 ging er erstmals an die Pariser Oper, dann folgten Barcelona, Monte-Carlo, die Met und Covent Garden. Bis zum Ende der 50er war er einer der gesuchtesten Tenöre Italiens mit internationalem Renommée. Dann beendete er seine Karriere – darüber wird gerätselt, es gibt viele Theorien über sein Privatleben und seine beruflichen Ambitionen (er verlor auf der Bühne der Met 1956 im Trovatore die Stimme und sagte die folgende Forza ab, was das Ende seiner Karriere in Amerika und an großen Häusern Europas war, aber er trat doch gelegentlich an kleineren noch auf). Immerhin lebte er bis 1998, als er mit 78 Jahren am 8. Februar in Mailand starb.

113928563Seine Dokumente sind vielfältiger als man denken sollte. Neben den Callas-Aufnahmen (Macbeth, Medea, Norma u. a.) gibt’s viele Livemitschnitte. So die Forza mit der Milanov aus New York 1954, den Lohengrin und Tannhäuser mit der Tebaldi 1950/1954, den Fernando Cortez mit der Tebaldi 1953, Ernani mit der Mancini 1951, Aroldo mit der Stella 1953 und viele mehr. Ein Blick zu jpc oder Amazon zeigt, was alles auf dem Markt ist.

Die 25-cm-LP im Umschnitt erstmals auf CD bei Decca stammt aus Mailand 1954 und zeigt Penno von seiner gängigen Tenorseite: strahlend (hier im Tonhöhen-korrigierten „Di quella pira“), als Pollione mit dem etwas undankbaren Eingangs-Solo und dem folgenden Meco all´altar di venere“ (deutlicher Hinweis auf seinen grandiosen Bellini-Helden neben der Callas und bei weitem der sensibelste von allen ihren Partnern darin; sodann mit dem verzweifelten Adorno („Oh inferno!“ und Sento avvampar nell´anima“ – also fast die ganze Szene) und schließlich mit dem Manrico. Antonio Narducci dirigiert. Toll. (Nicht vergessen soll die tüchtige Firma Bongiovanni mit ihrer Solo-CD für Gino Penno!)

Giuseppe Campora/OBA

Giuseppe Campora/OBA

Schon im Original gab die Decca eine aus zweien aufgefüllte LP mit Giuseppe Campora und Gianni Poggi heraus, letzterer sogar mit einen günstigen Manrico-Foto abgebildet. Campora (1923 – 2004) war ein mehr als solider italienischer Tenor der Fünfziger und trat mit dem Pinkerton hervor, dem er für den Sänger-Schauspieler Nicola Filarcuridi in der RAI-Verfilmung der Oper seine Stimme lieh. Auch er betritt im Wesentlichen dasselbe Fach wie Penno, hatte eine etwas internationalere Karriere und machte mehr offizielle Aufnahmen als dieser. Er sang an der Met, der City Opera (Debüt als Des Grieux in Manon) und anderen kleineren Häusern Amerikas, sang noch neben Sutherland und Sills, aber auch neben der Olivero in der berühmten Adriana Lecouvreur an der Scala 1958. Seine Dokumente umfassen die oben genannten, aber auch eine Forza von 1952, Gioconda 1952, Butterfly mit Tebaldi 1952, Simon Boccanegra mit Gobbi 1957, Tosca mit Tebaldi 1952 und eine Traviata aus dem demselben Jahr. Ganz sicher gibt’s noch viel mehr. Bei Decca nun ist er erstmals auf CD mit Puccini, Verdi, Giordano, Boito, Ciléa und Mascagnis Tenorsolo aus Lodoletta zu hören, was seinen Wirkungsbereich sehr gültig umreißt. Die Aufnahmen stammen von 1954 und werden von Alberto Ereda (Deccas Mann fürs Italienische jener Jahre) dirigiert.

Gianni Poggi: Cavaradossi in Bari/OBA

Gianni Poggi: Cavaradossi in Bari/OBA

Der – wie bereits auf seiner ersten CD bei der Decca-Remake-Reihe ersichtlich – mir nicht sonderlich sympatische Ganni Poggi bemächtigt sich als Teilhaber der auf dem Cover abgebildeten LP erwartungsgemäß Puccini, Verdi und Giordano – laut und unsubtil, und das „Amor ti quieta aus der Fedora belegt, was ich meine. Ach Corelli (oder auch Prandelli)….

Giacinto Prandelli/OBA

Giacinto Prandelli/OBA

Interessant ist die Hinzufügung einer weiteren 25-cm-LP in drei Ausschnitten mit Dokumenten des absolut unterrepräsentierten Tenors Giacinto Prandelli (1914 – 2010), den Fans vielleicht noch als Loris in der Fedora (apropos) mit der Caniglia kennen, die es mal bei der Cetra (und Folgefirmen) gab. Auch er war ein schöner Mann, sehr sexy und mit seinen glattgegeelten Haaren ein Matinée-Idol jener jahre. Er wurde in Luzzamane geboren und sang bereits als Junge im Kirchenchor, studierte in Rom mit Fornarini und in Brescia mit Grandini und debütterte als Rodolfo in Bergamo 1942. Rom folgte 1943 mit dem Alfredo, dann kamen die Bühnen Italiens. 1946 war der der Solotenor in Toscaninis Neunter an der neugeöffneten Scala. Prandelli hatte eine gutgehende internationale Karriere mit den üblichen Stationen in Monte-Carlo, Barcelona, Lissabon, Buenos Aires usw. An die Met kam er 1951, San Francisco 1954, Chicago 1956. Sein Repertoire war das italienische und französische Zwischenfach: Edgardo, Duca, Rodolfo, Des Grieux, aber auch Cavaradossi oder Paolo (Francesca da Rimini, den er mit der Caniglia für die RAI/Cetra einspielte). Neben Clara Petrella sang er im TV-Film der RAI in Manon Lescaut 1956. Bei Azzali Editori gibt’s eine sehr schön und sehr reichlich bebilderte Biographie von Cornelia Peletta. Dokumente sind reichlich, namentlich bei der Cetra.

Giacinto Prandelli als Enzo/"La Gioconda"/OBA

Giacinto Prandelli als Enzo/“La Gioconda“/OBA

Die Decca-Arien Ausschnitte aus einer größeren Sammlung umfassen – gut gewählt – die lyrischeren Momente unter seinen Aufnahmen und zeigen die Süße seiner gutgeführten Tenorstimme: Donizettis milde Helden wie Nemorino, Ernesto und Edgardo (der ja bei den Tenören ein gefürchtetes Finale besitzt). Wieder dirigiert Alberto Erede, 1951.

Im Ganzen ist dies also eine fabelhafte und wirklich gut konzipierte Zusammenstellung von vier wichtigen italienischen Nachkriegstenören, vergessen unter dem Hype der Gegenwart,  und sie belegt, wie reich Italien einmal an Stimmen war. Pirandelli und namentlich Penno finden bei mir einen Ehrenplatz in meiner Sammlung – che gioia.

Geerd Heinsen

 

Decca´s Most Wanted, Staffel 3: Giuseppe Campora, Gianni Poggi, Gino Penno und Giacinto Prandelli mit italienischen Arien von Donizetti, Verdi, Ciléa, Giordano, Puccni u. a.; diverse Dirigenten; Decca 480 8141

 

Sternenglanz aus Neapel

Die Anhänger von Joyce DiDonato warten auf jede CD ihres Idols mit Ungeduld. Die neue bei Erato/Warner Classics (8256 463656 23) dürfte auf ganz besonderen Zuspruch stoßen, denn die amerikanische Mezzosopranistin präsentiert unter dem Titel Stella di Napoli neapolitanische Opernarien des Belcanto, darunter drei Weltersteinspielungen. Gleich die erste Nummer des Programms, „Stelle Ove t’aggiri“, aus Pacinis Oper, die der CD den Titel gab, ist eine solche. Und ein fulminanter Auftakt dazu, wirft sich die Sängerin doch mit einer Atem beraubenden Verve in diese Musik, die wie ein Sturmwind einsetzt, dann aber in Melodienseligkeit und munteren Koloraturen schwelgt. DiDonato kann hier virtuoses Zierwerk vom Feinsten servieren, die Skalen mühelos auf und ab wandern, staccati tupfen, mit sinnlicher Tiefe prunken. Aus der zweiten Fassung von Bellinis Adelson e Salvini erklingt danach die Arie der Nelly, „Dopo l’oscuro nembo“ – eine der typisch elegischen Kantilenen des Komponisten, welche die Solistin mit schmerzlicher Melancholie ausbreitet. Bei der Arie der Lucia, „L’amica ancor non torna/Oh, di sorte crudel“, aus Michele Carafas Le nozze di Lammermoor handelt es sich um eine weitere CD-Premiere. Das Werk basiert auf derselben Grundlage wie Donizettis berühmte Oper. Harfe, Klarinette und Streicher geben in dieser Szene den Teppich für die Solostimme, die sich in sehnsuchtsvollem, seufzendem Gesang aufschwingt. Im Kreis der Komponisten, die für das Opernleben in Neapel von Bedeutung waren und die in dieser Auswahl vertreten sind, darf Rossini natürlich nicht fehlen. Aus seiner Zelmira singt DiDonato die Arie der Titelheldin „Riedi al soglio“, überzeugend differenziert zwischen heroischem Aplomb, empfindsamer Gestaltung und bravourösem Auftrumpfen. Von klassizistischer Größe geprägt ist die Arie der Giunia aus Mercadantes La vestale, „Se fino al cielo ascendere“. Mit dem von banger Ahnung umflorten Ton gibt die Sängerin hier ein exemplarisches Beispiel für ihr Singen voller Würde und grandeur. Die Arie der Amelia, „Par che mi dica ancora“, aus Donizettis Elisabetta al castello di Kenilworth wirkt in ihrer Stimmung und der Glasharmonika-Begleitung wie ein Vorläufer für die Lucia, welche sechs Jahre später entstand. Auch die aberwitzigen Koloraturen stehen für die dem Wahnsinn nahe Verzweiflung der Protagonistin. Ein Beispiel für die reife, ergreifende Gestaltung der Sängerin ist die große Szene des Romeo, „Deh! tu, bell’anima“ aus Bellinis I Capuleti e i Montecchi – eine für Giuditta Grisi komponierte Rolle, doch erweist sich  die Amerikanerin diesem hohen Maßstab als durchaus würdig und dürfte gerade im Belcanto-Repertoire noch für manche Überraschung taugen. Die Interpretation der Titelrolle von Donizettis Maria Stuarda, mit der sie sich an der Met und an Londons Covent Garden Triumphe ersang, gehörte zu den herausragendsten vokalen Leistungen der letzten Saison. Hier ist das ergreifende Gebet Marias vor ihrer Hinrichtung zu hören, angelegt als große dramatische Szene unter Beteiligung des Chores der Opéra National de Lyon.

Gänzlich unbekannt ist Carlo Valentinis Il sonnambulo, aus dem die Arie der Adele „Se il mar sommesso mormora“ als dritte Ersteinspielung der Auswahl erklingt. Der Schüler Pacinis malt in melancholischer Stimmung den Seelenzustand der Figur aus, die einen ungeliebten Mann heiraten soll. Pacini selbst markiert mit seiner Saffo den Schlusspunkt des Programms. Die Gran scena finale ist eine mehrteilige Komposition, die mit dem Selbstmord der Titelheldin endet und noch einmal DiDonatos immense Gestaltungsmöglichkeiten zeigt. Der Dirigent Riccardo Minasi hat die Sängerin bei der Auswahl der Gesangsstücke beraten und begleitet sie mit dem Orchestre de l’Opéra de Lyon inspirierend und engagiert. Eine Empfehlung für alle Freunde des Belcanto und großer Gesangskunst!

Bernd Hoppe

 

Rodgers & Hart’s „Dearest Enemy“

Auf den Spuren von Victor Herberts “irischer” Oper/Operette Eileen (dazu den Artikel zum Werk ebenhier in operalounge.de) kommt von New World Records ein Jahr später Rodgers & Harts “American Musical Comedy” Dearest Enemy von 1925 in der Serie “The Foundation of the American Musical Theater”. Wie bereits in Eileen steht der irische Dirigent David Brophy am Pult des Orchestra of Ireland, und unter den Sängern finden sich bekannte aus der vorherigen Aufnahme, dazu einige vielversprechende neue. Mit Dank übernehmen wir vom ORCA (Operetta Research Center Amsterdam) dessen Artikel zu dieser bemerkenswerten Operette des Erfolgsteams Rodgers & Hart, das mit seinen Broadway-Melodien und „Erfindungen“ die Erbfolge der Vorgängergeneration der amerikanischen Operettenkomponisten angetreten hatte: Friml, Herbert, Romberg und andere mehr. Dem Sujet angemessen gibt´s den Artikel von Kevin Clarke im originalen Englisch, viel Spaß. G. H.

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"Dearest Enemy": Times-Cover von 1938

„Dearest Enemy“: Times-Cover von 1938

Aye, you might very well ask: why is a recording of Rodgers & Hart’s “American Musical Comedy” Dearest Enemycoming straight from the Emerald Isle, with the Orchestra of Ireland playing under conductor David Brophy, and with a cast mostly composed of promising Irish talent? Surely, it’s not because Mrs. Murray’s husband, in this tale of the American Revolution set in Manhattan 1776, is originally from County Armagh; or because Mrs. Murray’s niece Betsy, the youthful heroine of this patriotic romp, is Irish. Or is it?

Whatever the reasons – cheaper talent, cheaper recording facilities etc. – it’s a relief to hear a ‘classic’ Broadway show from 1925 performed not by the usual suspects of such revival enterprises, but with a fresh group of mostly unknown artists. So, instead of the eternal Rebecca Luker, for example, here there’s the dashing young Annalene Beechey as Betsy Burke, sounding gorgeous and winning in each and every song she is given. And here, too, is the equally dashing James Cleverton as her love interest, Captain John Copeland.

"Dearest enemy": Charles Purcell als Captain Sir John Copland ca 1925/NYPL

„Dearest Enemy“: Charles Purcell als Captain Sir John Copland ca 1925/NYPL

For those who don’t know Dearest Enemy: it’s “a native operetta that went so far as to suggest that proper colonial women were interested in sex”, as Gary Marmorstein writes in his brand new biography of Lorenz Hart. It’s also the first hit show written by the new team of Rodgers & Hart. In a theatre climate dominated by old world type operettas, such as Romberg’s The Student Prince and imports from Europe (Emmerich Kalman et al), Rodgers & Hart wanted to offer something decidedly “American”. And what could have been more American that the story of the famed Mrs. Murray, holding up British soldiers with a tea party given at her house in Manhattan, just long enough so that General Putnam’s soldiers down at the Battery had time to march up north to unite with General George Washington’s forces, without being attacked by the bad British? Using some of the standard musical formats of operetta – dashing soldiers singing marching songs, maiden’s choruses à la The Pirates of Penzance, grotesque war heroes that could also have come straight out of a Gilbert & Sullivan operetta, sentimental love duets sung in the moonlight – the new team tried to come up with something novel; a definite emphasis on “sex” (see above) being one of the novelties in this revisited “operetta land”. The mix of elements is fascinating, marking the important transition of American Operetta to modern musical comedy, a transition that was simultaneously and successfully also tried by the likes of Jerome Kern and others. It’s not that Dearest Enemy hadn’t been put on record before (it has!). But this version tries to reconstruct the original version, as far as that’s possible, given that much of the original orchestral material has been lost and needed to be reconstructed.

"Dearest enemy": Poster mit Helen Ford, die damit ihre Karriere begann/Musical Cyberspace

„Dearest Enemy“: Poster mit Helen Ford, die damit ihre Karriere begann/Musical Cyberspace

If the following criticism sounds harsh, it doesn’t want to devalue the recording as such, but point towards the frustrating bits that keep it from being an all-time great recording – which it should be, could be, and which Dearest Enemy absolutely deserves to get! The main problem, in my opinion, is the producer of the recording, who obviously has no idea what a “native operetta about Colonial women interested in sex” might sound like. Certainly not like a Lieder recital of Schubert. Instead, a show such as Dearest Enemy needs contrast, slapstick, character. And: fun, fun, fun.

As lovely as Annalene Beechey sounds with her light soprano voice, and as catchy as many of the tunes in the score are – conductor David Brophy has a hard time getting the vaudevillian style even remotely right. All numbers sound more or less the same under his baton. Also, his chorus of ladies sounds surprisingly uninvolved in the opening number, when they are threatened to be “compromised” by the invading British (“Hooray, hooray, we’re going to be compromised! A soldier can’t be satisfied, he always looks for more! A modest maid can make the mildest young mister simply wild! Wild! Wild!”). And they are far too unfunny when they show up in front of the British all made “ugly” so that the soldiers won’t find them desirable (“Your beauty is your surety, Security for purity”). It’s a romp, for goodness sake, you should perform it as such.

The same is true for the comic duo Harry/Jane. When they sing the obvious comedy duet “Sweet Peter” – about Peter Stuyvesant – and his wooden leg (“Naughty Peter, he would greet her [i.e. his wife] with his Boom! Boom! Boom!”) that shouldn’t be performed in the same romantic fashion as the Betsy/John numbers, right?

Well, sadly that’s exactly what Rachel Kelly and Hal Cazalet do. They have great voices, but they’re totally unsuited for this material. The one star performer on this new recording is Kim Criswell as the famed Mrs. Murray. Criswell is a superb artist with an equally superb voice, heard on my classic musical theater recordings. But, her voice sounds far too youthful and fresh to pass – on disc – as the maternal Mrs. Murray. You can hardly tell her apart from the other girls, and that makes the story … well, not work. As delightful as Criswell often is with the lyrics, especially with the song “The Hermits”, she’s not the stand-out performance needed here.

hartWith all of this said: this new version is in no way (!) inferior to the various reconstructions of 1920s shows available on CD elsewhere. But that’s no reason to not expect a little bit more. Certainly, when you consider the Irish and their renowned sense of humor. I’m sure they have it in them to come up with a rousing Rodgers & Hart performance, also on disc.

Aye, I certainly hope to hear more of Annalene Beechey. She’s a dreamy operetta heroine, that should grace more operetta recordings in the future. And, aye, get a new conductor and producer, and start over again with more shows like this. Kevin Clarke/ Operetta Research Center Amsterdam (27 October, 20013)

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Richard Rogers/Lorenz Hart: Dearest Enemy, “An American Musical Comedy” mit Annalene Beechey, Kim Criswell, James Cleverton, Philip O´Reilley, Hal Calzalet, Joe Corbett, Rachel Kelly, John Mollow, Stephen Ria; 2 CD New World Records 80749-2

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Richard Rodgers & Lorenz Hart/Columbia College

Inhalt: Dearest Enemy – An American musical comedy in 3 acts. Book by Herbert Fields: Music by Richard Rodgers: Lyrics by Lorenz Hart. Knickerbocker Theatre, New York – 18 September, 1925 (286 perfs): September, 1776: New York/ Mrs Murray (of the Murray Hill Murrays) and her young ladies are sewing uniforms for General Washington and his officers, while lamenting the absence of their gallants. Mrs Murray warns her charges to beware the British soldier but the girls are not too terribly terrified. Jane Murray is the first to encounter one of the British, Capt. Harry Tryon, who is seeking lodgings for General Sir William Howe and his staff. The British officers arrive; homesick but cheered by the thought of some female companionship. Mrs Murray seeks to discourage them by instructing the girls to dress frumpily.

General Washington sends word to Mrs Murray that she must try to detain Howe and his officers overnight so that General Putnam can lead the American troops bottled up on the southern tip of Manhattan to join him on the heights of Harlem. Mrs Murray hastily instructs the girls to change their tactics; all are happy to do so except her niece, Betsy, who has no time for the British and even less for Sir John Copeland, who’s responsible for providing her with the barrel in which she comes home after a dog steals her clothes while she’s swimming. Mrs Murray tells the British generals about the strange men who live in the far-off Bronx while Betsy, let in on the secret by Mrs Murray, tries to be nice to Sir John. She soon discovers she is falling in love with him. Charmed, the British officers decide to remain at ‚The Grange‘ overnight. That night, Mrs Murray gives a Ball for the British officers and Betsy confides to Jane her love for Sir John. Mrs Murray promises to show the Generals some of the beauties of the local countryside. Betsy and Sir John dream of being together when the war is over. General Tryon tells the girls that youth isn’t everything.

When Mrs Murray’s messenger is captured, Betsy volunteers to go to General Washington in his place. She leaves the party while the girls and officers relate the sad tale of Peter Stuyvesant. She is told to return to ‚The Grange‘ and when the coast is clear for Putnam to move, to light a lantern for the count of ten, then put it out. Sir John is waiting for her; they confess their love for each other. As soon as Sir John is asleep, Betsy lights the signal. Putnam’s men march to safety. Sir John is taken prisoner and it seems Betsy will never see him again. All ends happily in the post-war epilogue in which General Washington reunites the lovers. New World Records

Durcheinander an der Front

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Bis Ende November 2014 gibt´s im Berliner Schwulen Museum – im praktischen Neubau an der Lützow Strasse – eine spannende Ausstellung: „Mein Kamerad – die Diva: Theater an der Front und in Gefangenenlagern des Ersten Weltkriegs“, wovon der Katalog (Hg:Julia B. Köhne, Britta Lange und Anke Vetter; edition text + kritik; ISBN 978-3-86916-366-6 für ca. 20.- Euros) einen hochinformationen Nachhall bietet. Der staunende Besucher erfährt, dass in den Front- und Gefangenenlagern, die ja meistens reine Männerlager waren, vielfältiges Kulturleben herrschte, in dem Männer die Partien der Frauenrollen bei Theateraufführungen und Unterhaltungsprogrammen  übernahmen. Was ich nicht erwartete war das weite Ausmaß dieses Kulturlebens. Die Vielfalt der Theater- und Operettenaufführungen, die entzückende Naivität der Bemühungen, die ebenso rührenden wie gelungenen, täuschend „echten“ Kostümierungen.

"Mein Kamerad - die Diva"/Exponat/Schwules Museum

„Mein Kamerad – die Diva“/Exponat/Schwules Museum

Nun möchte man bei einem Besuch im Schwulen Museum voraussetzen, dass sich bei diesem Thema eher Homosexuelle in ihrem (angeblich) ureigenen Präsentationsfeld betätigt hätten, aber dem war durchaus nicht durchgehend so – eher im Gegenteil. Ganz sicher war die Männer-Zwangsgesellschaft des Ersten Weltkrieges durchweg homophob (der Moral der Zeit entsprechend), zumindest das Militär, und heimliche  quasi-homosexuelle Beziehungen sicher nicht die Regel, wenngleich wie in allen Männer-Gesellschaften möglich und sicher vorhanden. Aber die Darsteller-Innen waren – wie Ausstellung und Katalog betonen – durchaus nicht (oder nicht offen) schwul, sondern geachtete Mitglieder ihrer eingesperrten Gruppe. Viele hatten sich schon vorher und auch danach weiterhin im bürgerlichen Nicht-Kriegsleben als Frauendarsteller profiliert, wie Fotos und Programmzettel zeigen.

"Mein Kamerad - die Diva"/Exponat/Schwules Museum

„Mein Kamerad – die Diva“/Exponat/Schwules Museum

Immerhin gab es einige ganz wunderbare Flimclips aus der Stummfilmzeit, wirklich ebenso lustige wie bestürzende Fotos von Einzeldarstellern. Und eben in den abfotografierten Gesichtern der Zuschauer wie der Darsteller diese Mischung aus Stolz, Vergnügen und Genanz zu sehen, diese Mischung aus Unschuld und Scham nachzuerleben – das hat mich sehr angerührt. Überhaupt wirkten die vielen Bild-Zeugen durchaus nicht exhibitionistisch, sondern eher eben unschuldig, eben sub-erotisch. Denn die Erotik spielte natürlich eine ganz große Rolle, eine uneingestandene, (weitgehend) heimliche, lustvolle – nicht platt zur Schau gestellte, sondern eher zu erahnende.

"Mein Kamerad - die Diva"/Exponat Internbierte Russen in Cottbus/Schwules/Museum/Stadtarchiv Cottbus

„Mein Kamerad – die Diva“/Exponat Internierte Russen in Cottbus/Schwules/Museum/Stadtarchiv Cottbus

Der bemerkenswerte Katalog vertieft viele Aspekte dieses Themas. Julia B. Köhne und Britta Lange schreiben über die „Illusionsmaschiene Damenimitatoren“, Jason Crouthamel über Cross-Dressing, Kameradschaft und Homosexualität im deutschen Heer während des Ersten Weltkriegs (dem ich so nicht folgen kann), Sascha Förster und Peter W. Marx über Spannungserhältnisse des Kölner Kriegstheaterarchivs (absolut ein Thema heute, wie geht man mit diesem Wissen  um – was nicht sein darf, das nicht sein kann); Christoph Jahr steuert einen Artikel zum „Engländerlager Berlin-Ruhleben“ bei (und man liest staunend, wo es alles Ausländer-Internierungslager im Ersten Weltkrieg in Deutschland gegeben hat, auch in Cottbus, woher einige ganz aufregende Fotos kommen); Eva Krivanec schreibt über Travestie an der Front, und Iris Rachaminov schließlich betrachtet Geschlechteraggressionen in Kriegsgefangenenlagern des Ersten Weltkriegs (auch dies ein spannender Aspekt mit überzeitlicher Bedeutung) – dazu natürlich die hochinformative Einführung von Anke Vetter.

"Mein Kamerad - die Diva"/Volll integriert: Singspieltrupp der 1. Bayerischen Reservistendivision - in der Mitte/2. Reihe Damendarsteller Neuschmid (auch Neuschmied)/Münchner Stadtarchiv/Schwules Museum

„Mein Kamerad – die Diva“/Volll integriert: Singspieltrupp der 1. Bayerischen Reservistendivision – in der Mitte/2. Reihe Damendarsteller Neuschmid (auch Neuschmied)/Münchner Stadtarchiv/Schwules Museum

Würde ich eine grundsätzliche Kritik anbringen sollte, würde ich sagen, mir sind die Artikel und die Ausstellung zu frauenlastig konzipiert/koordiniert/gestaltet/kommentiert, weil es sich durchweg um Männer-Probleme/Darstellungen durch die Macherinnen handelt und mir das Ganze zu sauber, klinisch, sachlich, unerotisch vorkommt. Ob (schwule?) Männer das anders präsentiert hätten? Frauen gehen das anders an. Vielleicht cleaner? Rationaler? Analytischer? Sauberer? Diese Einschränkung beruht natürlich nur auf meiner eigenen Wahrnehmung und Projektion/Erwartung. Aber ich vermisse eben in beiden Medien, Ausstellung und Katalog, die Lust, die (männliche!) Erotik (nicht zu verwechseln mit ausgelebter Männer-Sexualität), das Unterschwellige, Heimliche, auch etwas Klebrige des Verbotenen, das auf den männlichen Unterleib Gerichtete, die heimlichen Wünsche des Undenkbaren. Zumindest die Ausstellung als eigentlicher Träger dieses Themas bedient mein Kopfkino nicht so sehr. Der Katalog arbeitet soziologisch nach, klar.

"Mein Kamerad - die Diva"/Exponat/Schwules Museum

„Mein Kamerad – die Diva“/Exponat/Schwules Museum

Dennoch – was für eine Aufarbeitung. Endlich. Ähnlich wie über Sexualleben/Bordelle in Nazi-Lagern wusste man/ich über Damenimitatoren im Front-Kulturleben nicht wirklich viel. Und diese absolut empfehlenswerte Ausstellung ist wie der nachdrückliche Katalog eine wichtige Anstrengung zum Verständnis dieses Komplexes und ist in diesem Sinne auch und vor allem ein Stück Sozialgeschichte, die bis zu uns herüberreicht. Eben Umgang mit Minderheiten, wie es ja auch das Anliegen des Berliner Schwulen Musems ist. Bravo!

Geerd Heinsen 

"Mein Kamerad - die Diva"/Die Operette "Im weißen Rössl" in einem sowjetischen Gefangenenlager 1946/Foto nicht aus der Ausstellung/edition text + kritik/Musik-Konzepte, "Rössl"

„Mein Kamerad – die Diva“/Die Operette „Im weißen Rössl“ in einem sowjetischen Gefangenenlager 1946/Foto nicht aus der Ausstellung/edition text + kritik/Musik-Konzepte, „Rössl“

Dazu ein Sach-Nachtrag: Die Ausstellung wurde von Hauptstadtkulturfonds zum WW1 Gedenkjahr mit 75.000 Euro gefördert. Darum gibt’s den Katalog (sonst nicht üblich beim SchwuMu), darum gibt’s die Website, darum gibt’s die vielen Filme (die sehr teuer waren), darum gibt’s auch das Symposium. Lauter Dinge, die das ehrenamtliche Museum mit durchschnittlich 5.000 Euro Budget pro Ausstellung nicht stemmen kann, im Normalfall.   Die schummrige Beleuchtung ist zum Schutz der Originalfotos, die sehr lichtempfindlich sind. Da sie aus Museen und Universitätssammlungen kommen, steht im Leihvertrag, dass das Licht entsprechend reduziert sein MUSS.   Viele Fotos sind deshalb so klein, weil es Originale sind, und entsprechend nicht neu und größer ausgedruckt wurden (hätte man auch machen können…..). Dank an Kevin Clarke für Hinweis, Anregung und Fotohilfe.

"Mein Kamerasd - die Diva": "The Gondoliers", Ruhleben, Weihnachten 1917, Quelle: Historical & Special Collections, Harvard Law School Library/Schwules museum

„Mein Kamerad – die Diva“: „The Gondoliers“, Ruhleben, Weihnachten 1917, Quelle: Historical & Special Collections, Harvard Law School Library/Schwules Museum

Traumland Operette

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An der Komischen Oper Berlin erprobte Barrie Kosky erfolgreich die Operette neu, obwohl als Genre eigentlich nur noch ein Museumsvehikel und vom Musical längst überflügelt. Doch offensichtlich steckt immer noch Power in ihr, sofern sie angemessen präsentiert wird. In dem Wie liegt halt meist der ganze Unterschied. Die Operette ist ohne Bühne gleichwohl meist ergiebiger. Da kann man sich – vergilbte Texte gnädig überhörend – ganz auf die Musik konzentrieren und im Kopf eine eigene „Inszenierung“ entstehen lassen. Diese Möglichkeit hat die Schallplatte nachhaltig genutzt, wobei EMI seit den 50er Jahren (Otto Ackermann) stets besonders aktiv war. In jüngster Zeit legt cpo nach, häufig mit Münchner Konzertaufführungen. Besonderes Lob gilt dem Label Documents, welches eine ganze Operetten-Anthologie mit originalen Rundfunk-Produktionen aus den fünfziger Jahren veröffentlichte. Namentlich die Archive des WDR (Franz Marszalek), NDR (Wilhelm Stephan, Paul Burkhard), RIAS (Kurt Gaebel) und BR (Werner Schmidt-Boelcke) wurden genutzt. Man entdeckte in der dickleibigen Kassette so manch unverdient Vergessenes mit nachhaltigen Ohrwürmern. Über einen individuellen Bestand (mit einigen Documents-Doubletten) verfügt das Hamburger Archiv für Gesangskunst, wobei auch Quellen in Österreich und der ehemaligen DDR genutzt wurden.

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künnecvke reiseVom Mitteldeutschen Rundfunk beispielsweise stammt eine Gesamtaufnahme von Glückliche Reise aus dem Jahr 1950. Beim WDR hatte der Eduard-KünnekeFreund Marszalek kurz zuvor eine Gesamtaufnahme produziert, von der aber nur noch wenige Bruchstücke existieren. Die Namen der Sänger, über welche er MDR verfügte, dürften namentlich ehemals Westdeutschen kaum bekannt sein, teilweise zu Recht. In Jörg Frenz und Hermann Schalk erlebt man ein Duo älterer Herren, die auf jung machen. Auch mit den Damen (Erna Bergener, Melitta  Wittenbecher) ist es nicht sonderlich weit her. Der Dialog freilich ist äußerst lebendig und angemessen ironisch. Etwas hergeholt wirkt dennoch die Handlung von argentinischen Auswanderen, die von Sehnsucht nach der Heimat aufgezehrt werden. Per Post lernen sie deutsche Mädchen kennen und besuchen sie. Gott Amor verschließt seine Pfeile und es kommt, trotz massiver Missverständnisse, zum Happy Ende. Hamburger Slang (Kapitän Brangersen) und Berliner Schnauze (Reisebüroleiter Homann) sorgen in der Aufnahme für witzige Wortgefechte, bei den auftretenden „Eingeborenen“ erlebt man sprachlich allerdings fürchterliche Rollenklischees.

Eduard Künnecke/OBA

Eduard Künnecke/OBA

In einem Duett fällt das Wort “Tanztee“. Den gibt es heute ja nicht mehr, auch sonst wirkt das Vokabular manchmal etwas angegilbt. Man macht Konversation mit der Anrede „gnädiges Fräulein“ und ähnlich altmodischem Wortkram und flirtet per „Sie“. Musikalisch von höchster Güte freilich ist fast jede Künneke-Nummer, mal melodisch (z.B. das Lied „Drüben in der Heimat“), mal rhythmisch kess (Duett „Warum, weshalb, wieso?“). Künneke ließ in seiner Musik dem Jazz freie Bahn. Die MDR-Aufnahme von 1950 klingt leider ziemlich mulmig. Wer weiß, welche Quelle zur Verfügung stand; sicher nicht das Originalband. Und es gibt viele Vorechos. Immerhin kann man sich von der flotten Operette ein Komplettbild machen.

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Das gilt auch fürTraumland, 1941 in Dresden uraufgeführt. Trotz der nach dem Krieg noch folgenden Hochzeit mit Erika signalisiert dieses Werk mit seinem nostalgischen Titel so etwas wie einen Abschied Künnekes vom Operettengenre. Die Handlung (Filmdreh) ist mit den Herz-Schmerz-Ergüssen des Librettos (Eduard Rhein) schon eine echte Geduldsprobe und dürfte nur mit viel Ironie inszenatorisch zu bewältigen sein. Aber die Musik ist mal wieder bester Künneke. So enthält das Duett „Vielleicht bist du die große Liebe“ verschwenderische Melodien für die Sängerprotagonisten (Diva Ellinor, Komponist Irving). Der Soubrette (Peggy) ist ein mit viel Chor angereichertes Finale im 1. Akt gegönnt, wo sich die Nachwuchs-Tänzerin  in eine große Karriere hineinträumt. Eine kompositorisch tolle Szene. Anneliese Rothenberger, 1950 noch ganz jung, war auch bei späteren Aufnahmen des NDR unentbehrlich. Sie singt zauberhaft und spricht ihre Dialoge gekonnt. In Otto Albrecht verfügte der Hamburger Sender über einen guten Buffo. Käthe Maas gibt die Ellinor elegant damenhaft, Richard Holm (vokal nicht gerade erotisch) den sie umwerbenden Komponisten Irving. Wenn der Eindruck nicht trügt, ist der Dialogsprecher Erwin Linder, was aber nicht mitgeteilt wird (bei den anderen Partien auch nicht). Joseph Offenbach als Regieassistent Fipps bringt einen ständig zum Lachen; grausam komisch hingegen wirken die beiden Südsee-Eingeborenen. Als Fill-up ist das Polydor-Potpourri des Vetter aus Dingsda unter Marszalek zu hören. Nach der Glücklichen Reise gibt es zunächst eine Hommage an die Künneke-Tochter Evelyn, deren leicht krähige Stimme das vorgerückte Alter nicht verbergen kann. Anschließend Suppés Boccaccio mit Renate Holm und Rudolf Schock (Dirigent: Frank Fox) und Lehárs Paganini, wieder mit Schock, aber jetzt mit Melitta Muszely als Partnerin. Karl Ernst Mercker steht nicht im Booklet.

granich orlow

Der Weg von Glückliche Reise zu Traumland besitzt auch Aspekte des Sozialen. Einfache Menschen hier, dort zwar auch einiges „Fußvolk“, aber bereits vornehme VIP-Atmosphäre. Noch ein paar Sprossen höher geht es bei Bruno Granichstaedten. Im Orlow tummeln sich fürstliche Exilrussen, bei Auf Befehl der Kaiserin ist das Milieu dann auf wirklich höchster Ebene angesiedelt. Die einfache Schicht bleibt als Kontrast freilich erhalten, schon aus dramaturgischen Gründen. Lintschi, ein Bürgermädchen, kommt den hohen Herrschaften in Sachen Liebe gehörig in die Quere. Die Kaiserin (Wien, 18. Jahrhundert) kümmert sich nicht nur um Sittlichkeit im Allgemeinen, sondern auch und besonders um die in ihrer Ehe. Denn der Gatte flirtet gerne. In Lintschi glaubt sie eine Rivalin zu haben, was sich dann aber als falsch herausstellt. Als „Entschuldigung“ für diese Verdächtigung führt ihr die Kaiserin den Offizier Konrad zu, so dass ihr der linkische Toni erspart bleibt, den ihre Mutter und dessen Vater als Heiratskandidaten vorgesehen hatten. Eine ganz nette Geschichte, ambitioniert in Musik gesetzt, auch wenn es nur wenige echte Hits wie „Wenn die Musik spielt“ gibt. Die ORF-Aufnahme unter dem vielseitigen Max Schönherr bietet mit Gerda Scheyrer als Kaiserin eine angesehene Opernsängerin auf, den anderen Künstlern (Hertha Freund, Leonhard Päckl u.a.) ist freundlich zu applaudieren. Für Weaner Schmäh sorgen singend und sprechend vor allem Ernst Arnold und Franz Böheim.

Bruno Granichsteadten mit Betty Fischer und Dirigent Ernst Marischka/HafG

Bruno Granichsteadten mit Betty Fischer und Dirigent Ernst Marischka/HafG

Auch die im selben Jahr in Linz unter Fritz Zwerenz entstandene flotte Aufnahme des Orlow lebt stark von witzigen Dialogen, welche vor allem Mario Heindorf in die Kehle gelegt sind, welcher den amerikanischen Autofabrikanten John Walsh gibt. Bei diesem arbeitet Alex Doroschinsky, einst russischer Großfürst, nach der Revolution nur noch einfacher Maschinist. Das verdrießt ihn aber nicht, und ständig trägt er ein Lied auf den Lippen (etwa das von der Zigarette, einst ein Favoritsong von Johannes Heesters). Seine Landsmännin, die Tänzerin Nadja Nadjakowska, interessiert sich für ihn, sehr sogar. Aus Gesprächen über die alte Heimat wird sehr bald Liebe, die jedoch – wie könnte es anders sein – erst nach Irrungen und Wirrungen zu einem glücklichen Ende findet. Der berühmte Diamant „Orlow“ spielt bei alledem eine wichtige Rolle. Die Musik der Operette nimmt amerikanische Einflüsse auf (z.B. beim Duett „Spiel my Jazzband“), während Auf Befehl der Kaiserin noch weitgehend dem Wiener Tonfall verhaftet ist. Vokale Entdeckungen bietet die Einspielung nicht. Margarethe Kallhammer singt die Nadja aber nicht unattraktiv, und an die zunächst wenig charismatisch wirkende Tenorstimme von Klaus Nöske (Doroschinsky) hört man sich mehr und mehr hinein.

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Bruno Granichsteadten mit seiner Frau Rosalie/HafG

Bruno Granichsteadten mit seiner Frau Rosalie/HafG

Die dem Orlow angehängte Einspielung von Emmanuel Chabries Bildungslücke (Une éducation manqué) lässt einen gänzlich anderen Musikstil erkennen. Da wird nirgends schwülstig gewalzert, nirgends auf Herz und Scherz gereimt. Der Titel des charmanten Einakters (1879) spielt darauf an, dass Gontran und Hélène vor ihrer Hochzeitsnacht stehen und von nichts eine Ahnung haben. Auch Gontrans Erzieher Pausanias erweist sich bei diesem delikaten Thema als überfordert. Aber zuletzt läuft alles von alleine. Eine WDR-Produktion von 1965 hat die Bildungslücke erstmals in Deutschland vorgestellt, die Einspielung des Südwestfunks unter dem in nahezu allen Stilen versierten Emmerich Smola dürfte um 1980 entstanden sein, denn zur Besetzung gehört neben Charlotte Lehmann und Jörn W. Wilsing (köstlich) auch Waltraud Meier, die 1976 ein erstes Solisten-Engagement in ihrer Heimatstadt Würzburg bekam. Ihr leuchtender Mezzo fällt sofort ins Ohr. Im Booklet wird ihr die Partie der Hélène zugeschrieben, was aber mit Sicherheit nicht stimmt.

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Bruno Granichsteadten mit seiner Frau Rosalie/HafG

Die Bonus-Titel nach „Auf Befehl der Kaiserin“ sind ausschließlich Granichstaedten gewidmet und reichen von der Ouvertüre zu seiner 1. Operette Bub oder Mädel bis zum Jahrhundert-Marsch aus Lolotte. Besonders attraktiv sind die Orlow-Titel mit Erika Köth und Rudolf Schock, 1957 unter Marszalek beim Kölner Rundfunk aufgenommen.

Bruno Granichstaedten, von dem heute wahrscheinlich viele nur noch das Einlagelied „Zuschau‘n kann’i net“ zu Ralph Benatzkys „Weißem Rößl“ kennen, durchlebte ein trauriges Schicksal. Wie auch sein Komponisten-Kollege Paul Abraham musste er aus Nazi-Deutschland fliehen, konnte an einstige Erfolge nicht mehr anknüpfen. Christoph Zimmermann

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Der Wiener Regisseur/Autor und Granichstaedten-Neffe Ernst Kaufmann/ORCA

Der Wiener Regisseur/Autor und Granichstaedten-Neffe Ernst Kaufmann/ORCA

Und als Anmerkung: Beim Operetta Research Center Amsterdam gibt es einen ausführlichen Artikel zu Granichstaedten (Werk und Vita) und dazu ein Interview mit dem attraktiven Neffen des Komponisten, dem Regisseur und Schriftsteller Ernst Kaufmann,  der gerade seine Biografie seines Onkels vorgestellt hat: Wiener Herz am Sternenbanner im Verlag Edition AV,
(i
SBN 978-3-86841-096-9) die später auch in operalounge.de besprochen wird. G. H.  2013

Eduard Künneke: Glückliche Reise, Traumland – Bruno Granichstaedten: Auf Befehl der Kaiserin, Der Orlow. Gesamtaufnahmen (Hamburger Archiv für Gesangskunst 30226, 30167,3921, 30132)

Werbewirksam

 „E la solita storia del pastore“: Jeder Opernfreund kennt das Lamento des Federico aus dem Opern-Drama L’Arlesiana von Francesco Cilea, das bei der Uraufführung 1897 von Enrico Caruso gesungen wurde. Aber es gibt noch eine weitere Tenorarie, die bei der Premiere erklang, die Romanze „Una mattina“. Sie fiel den zahlreichen Umarbeitungen, die Cilea vornehmen musste, zum Opfer und galt bisher als verschollen. Doch 2011 entdeckte Giuseppe Filianoti die Klaviernoten im Cilea-Museum in dessen Heimatstadt Palmi. Der Komponist und Pianist Mario Guido Scappucci orchestrierte und fügte sie, wie ursprünglich vorgesehen, in das Duett im dritten Akt ein. In dieser Form erklang die Romanze erstmals bei einer konzertanten Aufführung im Juli 2012 in Freiburg, die von cpo mitgeschnitten wurde. Der Fund und seine Ersteinspielung ist die werbewirksame Attraktion der Neuaufnahme (wobei es die Arie in der Klavierversion unter dem Titel „Alba novella“ bereits in einer Zusammenstellung von Cilea-Liedern bei Bongiovanni auf CD gibt, auch ist der CD-Markt an Arlesiana-Aufnahmen durchaus voll, nicht zu vergessen die schöne alte bei Cetra mit Tagliavini und die EMI/Hungaroton-Einspielung mit der fabelhaften Spacagna). Doch die Vertonung von Alphonse Daudets gleichnamigem Schauspiel über einen jungen Dörfler, der an der Liebe zu einer leichtlebigen (nie selbst auftretenden) Frau aus der Stadt Arles zerbricht, bietet musikalisch weit mehr als jene beiden Tenorarien. Cilea hat die schwermütige Geschichte, die bereits Bizet zu einer Bühnenmusik inspirierte, in eine gefühlvolle, von einer elegischen Grundstimmung durchzogene Tonsprache übertragen, bei der sich impressionistische Farben, naturalistisches, insbesondere pastorales Kolorit und stürmische Emotionen verbinden.

Der Dirigent Fabrice Bollon erweist sich als starker Anwalt für dieses Stilkonglomerat. Souverän gelingt ihm die Gratwanderung zwischen atmosphärischer Klangmalerei und zupackender Leidenschaft. Die Partie des Federico kommt dem lyrischen Tenor Giuseppe Filianotis sehr entgegen. Er gibt ihr Schmelz und einen melancholischen Unterton und überzeugt auch durch subtile Phrasierung. Die georgische Sopranistin Iano Tamar, die man als starke Singschauspielerin kennt, hat die Rolle der sorgenvollen Mutter Rosa Mamai übernommen. Sie setzt nicht auf plakative Effekte, sondern geht die Figur ganz verinnerlicht, dabei aber gleichwohl gefühlsintensiv an, zumal in der berühmten Soloszene „Esser madre“. Die Entdeckung der Aufnahme aber ist Mirela Bunoaica als Vivetta. Die Rumänin besitzt einen frischen Sopran mit ganz wunderbaren, zart aufblühenden Höhen, die große Leuchtkraft entfalten – eine absolut stimmige Besetzung für die an ihrer vergeblichen Liebe leidenden jungen Frau. Auch Francesco Landolfi macht vokal einen besonders guten Eindruck, weil er den alten Hirten Baldassare nicht nur mit einem warmen, substanzreichen Bariton, sondern auch mit vielen schönen dynamischen Nuancen ausstattet. Mit Juano Orozco und Jin Seok Lee bürgen zwei weitere tiefe Männerstimmen für die Qualität des Freiburger Ensembles, zu dem sich der um die Camerata Vocale verstärkte Freiburger Opernchor klangschön gesellt.

Karin Coper

 

Francesco Cilea: L‘Arlesiana mit Giuseppe Filianoti (Federico), Iano Tamar (Rosa Mamai), Mirela Bunoaica (Vivetta), Kyoung-Eun Lee (L‘Innocente),  Jin Seok Lee (Marco), Francesco Landolfi (Baldassare), Juano Orozco (Metifio); Opern- und Kinderchor des Theater Freiburg, Camerata Vocale Freiburg, Philharmonisches Orchester Freiburg; Leitung: Fabrice Bollonn; cpo 777 805-2, 2 CD

Victor Herberts „Eileen“

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Ostersonntag, der 24. April, 1916, markiert in der irischen Geschichte einen der blutigsten Tage, denn der Aufstand gegen die britischen Dauer-Besatzer wurde nach kurzem Sieg von der englischen Staatsmacht brutal und mit enormen  Todesopfern niedergeschlagen, und es dauerte bis in die Neuzeit, bis es nach einem kurzen Intermezzo 1919 bis 1922 (Irische Republik/IRA etc.) zu einem tragfähigen Waffenstillstand und danach zu einer Gründung der Republik Irland 1949 mit Ausschluss der katholischen Gebiete um Belfast kam. Man hat im restlichen Europa vergessen, wie blutig sich über die Jahrhunderte der Versuch der Iren nach Selbstbestimmung und Befreiung vom Joch der Engländer hinzog. Nur die letzten Jahrzehnte der immer wieder aufflackernden erbitterten Kämpfe der IRA im britischen Teil Irlands sind noch in Erinnerung.

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Victor Herbert: Eileen" - signiertes Foto des Komponisten/OBA

Victor Herbert: Eileen“ – signiertes Foto des Komponisten/OBA

Der amerikanische Komponist Victor Herbert (über dessen Oper Natoma in operalounge.de bereits berichtet wurde, dort auch Details zu seiner Biographie), selber irischer Herkunft und stolz darauf, brachte 1916 seine Oper Eileen (zuerst als The Sons of Erin) heraus, die vor dem Hintergrund des irischen Aufstandes von 1798 spielt (nur wenige Jahre nach der französischen Revolution), in dem die rebellischen Iren von den Engländern mit hohen Verlusten besiegt und niedergeworfen wurden. Die versprochene französische Hilfe unter General Hoche kam nicht, und die Rache der Engländer löschte ganze Dörfer aus.

Victor Herbert: Eileen" - Rory O´Moore, dem Herberts Großvater einen sentimentalen Roman widmete, war einer der bekanntesten romantischen Helden Irlands, der in vielen Liedern besungen wurde/OBA

Victor Herbert: „Eileen“ – Rory O´Moore, dem Herberts Großvater einen sentimentalen Roman widmete, war einer der bekanntesten romantischen Helden Irlands, der in vielen Liedern besungen wurde, auch in den USA/OBA

Es ist schon merkwürdig, dass Herbert, der sich als herausragender Cellospieler und vor allem als Komponist der leichten Unterhaltung und Shows in den USA bereits einen bedeutenden Namen gemacht hatte, sich im reifen Alter diesem für ihn brennenden Thema in einer solchen Behandlung einer Komischen Romantischen Oper zuwandte: eine Oper mit atmosphärisch-heiteren Charakteren und Dialogen, aber eben auch mit Mord und Gewalt auf offener Bühne, dazu auch noch ein recht kitschiges Happy-End – schon merkwürdig.

Herbert war glühender irischer Nationalist, trotz seiner erworbenen amerikanischen Staatsbürgerschaft, die er noch mit großen Worten 1915 als Präsident der Society of the friendly Sons of Saint Patrick beteuerte. Dann kam der Dubliner Oster-Aufstand von 1916 und mit ihm sein Plan für eine Oper zu diesen, ihm zutiefst naheliegenden Ereignissen. Außerdem bewegten ihn die Schicksale seiner Familie und Freunde in Irland  und Deutschland angesichts des anhaltenden 1. Weltkriegs.

Sein Librettist Henry Blossom griff auf die  Romanvorlage Rory O´Moore (1835) von Herberts Großvater zurück, Samuel Lover, in dem recht sentimental die Ereignisse von 1778 behandelt werden – eine Parallele zu den Kämpfen 1916. Drei Wochen nach dem Osteraufstand wurde in New York ein neues Stück von Herbert angekündigt. Am nächsten Abend gab es eine Benefizvorstellung zu Ehren der beim Aufstand gefallen und ermordeten Iren, bei dem Herbert das Publikum bat, sich zu Ehren der Toten zu erheben und für einen Fond zu Gunsten der Hinterbliebenen zu spenden.

Victor Herbert: Eileen" - "The irish have a great time today"/Deckblatt des Klavierauszugs/OBA

Victor Herbert: Eileen“ – „The Irish have a great day tonight“/Deckblatt des Klavierauszugs/Wikipedia

In der Folgezeit war dann in der Presse immer wieder von einer „Irish Opera“ die Rede, auch von einer „Shamrock opera“ (das Kleeblatt als Symbol Irlands). Der Artikel aus dem informativen Booklet der 2012 erschienenen Aufnahme bei New World Records breitet im Einzelnen aus, wie Genesis und Schicksal der Oper Eileen verliefen, die unter anderem auch den Titel Sons of Erin bekam (Erin erneut der Name für Irland), bis im Laufe der Tournee durch die Provinz (üblich für Broadway-Stücke bis heute) sich der endgültige Name herauskristallisierte: Eileen, nach der weiblichen Hautrolle der irischen Gutsbesitzerstochter.

bf901642fe507fcb489b3f73b989a2a596979eeeHerberts Oper ging unter dem Titel Hearts of Erin (also: Das Herz Irlands) am 1. Januar 1917 in Chicago an den Start und war nicht sofort ein Erfolg. Über Cleveland kam das Stück nach Boston und als Eileen in das Shubert Theatre an den Broadway im März desselben Jahres. Herbert adressierte sein Premierenpublikum zwischen dem 2. und 3. Akt und sprach von seiner Liebe zu Irland und seiner Bekümmernis über die Geschehnisse „zu Hause“. Die Kritik in New York war wohlwollend. Die Zeitungen sprachen von erfrischenden irischen Melodien, von dem Reichtum an musikalischen Einfälle und dass dies Herberts beste Komposition sei – wenngleich vielleicht ein wenig zu humoristisch und „reminiscent“ (i. e. altmodisch).  Das Libretto von Blossom mit seinen Genreszenen und dem kitschigen Happy-End kam nicht gut weg: definitiv im Stile des vergangenen Jahrhunderts und angestaubt (was stimmt). Eine Zeitung schrieb – bezeichnend –, dass der eigentliche Stern der Aufführungen eigentlich der Komponist und nicht Eileen sei.

200px-EileenVH2Die Serie lief die ganze Saison. Zahlreiche Künstler – so auch John McCormack – nahmen die Dauerbrenner wie „Ireland, my sireland für Columbia und andere Firmen auf. Nachdem das Theater im Mai 1917 schloss, ging die Oper wieder auf Tournee. In Dayton/Ohio brannte das Theater ab, die gesamten Kostüme und Kulissen wurden vernichtet. 1921 zahlte Herbert eine neue Produktion der Oper in Cleveland, dann verliert sich die Spur. Das Orchestermaterial ist schwierig zu lokalisieren, die Rechtefrage kompliziert. Einen ausführlichen Bericht der Aufführung von 1982 (!), erstmals seit 1917, gibt es in der New York Times zu lesen. Und 2012 gab es noch einmal eine Aufführung in New York, wie die Website ORCA (Operetta Center Amsterdam) berichtet.

Für New World Records erstellten Larry Moore und Sean O´Donoghue eine neue Fassung, nahmen einige gestrichene Nummern wieder mit hinein, orchestrierten ein paar Takte hier und da neu, um die Übergänge zu glätten und hängten gestrichene Nummern ans Ende der Aufnahme orchestral an – dies alles liest sich im Aufsatz der beiden zu Werk und Rekonstruktion wie ein Krimi.

Die Hits aus dieser amerikanischen Opéra Comique sind bedeutend und schmissig. „The Irish have a great day tonight“ zählt noch heute in den USA, namentlich in der enorm großen irischen Gemeinde, zu dem „musts“, die jedes US-irische Kind kennt. „Ireland, my sireland“ habe ich sogar in Wexfords „Bohemean Girl“, der Traditionskneipe ebendort, aus voller Männerkehle schmettern gehört. „Free trade and a Misty Moon gibt’s auf zahlreichen Schellacks.

Victor Herbert: "Eileen" - Walter Scanlan war der Barry der ersten Stunde und ein ungemein populärer Sänger irischer Melodien/OBA

Victor Herbert: „Eileen“ – Walter Scanlan war der Barry der ersten Stunde und ein ungemein populärer Sänger irischer Melodien/OBA

Überhaupt ist der musikalische Eindruck der Oper eher der einer Nummern-Oper(-ette) mit stimmungsvollen Chören, Romanzen, Aus-dem-Stand-Canzonen, oft etwas unvermittelt und sehr folkloristisch ins Ohr gehend. Die Finali sind „absolutely rousing“, gerade zu zum Mitsingen auffordernd, wenngleich auch oft eher monochrom als vielschichtig orchestriert. Dass die genannten Autoren von Nähe zu Cantelubes Chants d´Auvergne reden, verwundert und scheint mir hochgegriffen. In der Tat erstellt Herbert „a rich tapestry of irish country life“, bleibt aber für meinen Geschmack eben im Folkloristischen, Kalkulierten, auch Wiederholten stecken. Dennoch – hier ist irisches Bühnenleben prall und reich dargestellt, purzeln die Melodien nur so vor sich hin, sind die Highlights effektvoll und eingängig komponiert. Dauerbrenner wie „The Irish have a great day tonight“, „My little Irish Rose“, „Ireland“, „Thine alone“ oder „Stars and Rosebuds“ sind einfach Ohrwürmer – vielleicht nicht im Sinne der Opernkompositionen der Zeit (man denke an Mascagni oder Puccini), aber eben showorientiert, Broadway-nah, fußwippen-machend, eher nahe an Gilbert & Sullivan.

Victor Herbert: "Eileen" - Victor Martindal war Sir Reginald Stribling der Uraufführung/OBA

Victor Herbert: „Eileen“ – Victor Martindal war Colonel Leicester der Uraufführung/OBA

Herbert kreiert in Eileen ein romantisches Kunst-Irland, das sich gut verkauft, authentisch scheint und nicht nur den Exil-Iren in Amerika die Tränen der Nostalgie in die Augen trieb. Man mag kritisieren, dass im Zuge des verharmlosenden Librettos zu sehr das Genre in einer mit komischen Momenten/Personen durchsetzten Oper ein Sujet tiefer Tragik verharmlost wird und als banaler Hintergrund dient für eine romantische Liebesgeschichte, in der der Freiheitsdrang eines Volkes nur Staffage ist. Das muss 1916 doch auch aufgefallen sein, wenngleich sich keine Kritiker-Stellungnahme dazu im sonst so detaillierten Aufsatz des Booklets findet.

Die Handlung ist schnell erzählt. Der Sohn eines verbannten Widerstandskämpfers kehrt nach 1798 Irland zurück, wird von den  Briten gesucht, findet Unterschlupf bei einer reichen englischen, adligen Gutsbesitzerin, in deren irische Nichte (die junge  Eileen frisch aus dem Kloster in England) er sich verliebt. Er betreibt die Sache der irischen Rebellen, versucht einen wichtigen Brief an den französischen General Hoche zu überbringen (den Oberbefehlshaber der die Revolution unterstützenden Franzosen), was nicht gelingt. Er wird verhaftet und in letzter Minute nach dem Massaker von 1798 von King George begnadigt. Er kann seine Eileen heiraten, die im Ganzen eher blass und niedlich bleibt und hübsche Melodien zu singen hat. Die eigentlichen Freiheitsträger sind die Nebenfiguren Dinny Doyle, Biddy Flynn und der Schmuggler Shaun Dhu, die mit idiomatischen Sprüchen und Musik ausgestattet sind. „Ireland, my sireland“ eben.

eileen cover new world recDie neue Aufnahme bei New World Records wird dankenswerter Weise von rein irischen Kräften bestritten und wurde 2012 in Dublin aufgenommen. David Brophy befehligt das Orchestra of Ireland, was ein wenig nach ad-hoc klingt. Er favorisiert zu Recht das Genre und die stürmischen Chöre, an denen das Stück reich ist. Barry, der freiheitsliebende irische Held, hat in Eamonn Mulhall einen jugendlichen und vor allem jungklingenden Vertreter mit gebührenden r-s und rollender Diktion, dazu kommt dieser schnell-vibratoreiche Ton, der britisch-irische Tenöre auszeichnet (Brecknock et al). Vor allem seine schönen Soli sind dankbar zu singen, wie denn überhaupt die Solopartien eher auf der schlichten, eingängigen Seite sind und nicht wirklich hohe Belcanto-Virtuosität verlangen. Seine geliebte Eileen ist mit Mary O´Sullivan etwas dünn und höhenscharf besetzt, aber es ist auch eine reichlich anämische Rolle. Die Partie der großzügigen Adligen Lady Maud ist mit Lynda Lee charaktervoll bedient (die vorhandenen Engländer teilen sich in drei Kategorien: in gütig-menschliche, in arrogante und in fiese Charaktere). Rachel Kellie gibt die Irish Rose, die sich gleich zu beginn als Rosie vorstellt und auch davon singt: ein auf eine lange Tradition zurückgreifender Topos, den auch Flotow in seiner Martha verwendet.

Victor Herbert: Eileen" - die ältere Aufnahme von der Ohio Light Opera ist kein Match für die neue/OBA

Victor Herbert: Eileen“ – die ältere Aufnahme von der Ohio Light Opera ist kein Match für die neue bei New World Records.

Die Herren sind im Ganzen kraftvoller vertreten. Andrew Ashwin macht als Oberschmuggler Shaun Dhu einen schönen, freiheitsdräuenden Bariton-Job. Nebenheld Dinny Doyle, der eigentliche irische Revoluzzer aus dem Volke, ist mit Dean Power bestens vertreten. Biddy Flynn als Stimme der unterdrückten Iren und Kneipenbesitzer hat in Aine Mulvey einen charaktervollen Vertreter. Joe Corbett gibt den blasierten englischen Adligen Sir Reginald, type-cast. Die Übrigen füllen mehr als anständig die übrigen Partien. Was mir noch fehlt ist so etwas wie eine überspringende Atmosphäre. Die Aufnahme wirkt, trotz kurzer und nicht gerade engagierter Sprechpassagen, doch sehr konzertant, eher informativ als mitreißend. Sprechopern sind schwer aufzunehmen, gewiss, und man vernimmt dankbar Meeresrauschen und Nebengeräusche in Hörspieltradition, aber irgendwie fehlt der Schwung, der die originalen Zuschauer begeisterte – alles bleibt ein wenig zu akademisch.

Victor Herbert: "Eileen" - John McCormack, begeisterter Ire, war einer der wichtigsten trnöre für Herberts Melodien/OBA

Victor Herbert: „Eileen“ – John McCormack, begeisterter Ire, war einer der wichtigsten Tenöre für Herberts Melodien/OBA

Sei´s drum: Wie schön, eine neue und absolut unbekannte Oper (keine Operette, cher ORCA, wo sich ein interessanter Artikel über diese Aufnahme findet) eines nach Amerika „abgewanderten“ Komponisten vom Beginn des 20. Jahrhunderts vor sich zu haben, der sonst eher im Showsektor seine Erfolge feierte und der beispielhaft den Übergang zwischen den klassischen Spielopern Europas zu den fetzigen Operetten von Rodgers & Hart, Rodgers & Hammerstein oder Porter verkörpert. Herbert,  Romberg (von ihm in operalounge.de später mehr, wenn sein Desert Song als DVD von Warner eintrifft) und Kollegen sind diese Zwischengeneration auf dem Weg zum Musical und Promotoren einer spannenden sozialen und musikalischen Entwicklung. Geerd Heinsen

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Victor Herbert: Eileen mit Andrew Aswin, Dean Power, Aine Mulvey, Rachel Kelly, Eamonn Mulhall, Karl Harpur, Lynda Lee, Mary O´Sullivan, Joe Corbett, Philip O´Reilly; Orchestra of Ireland, Dirigent – David Brophy; 2 CD New World Records  80733-2

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Bisherige Beiträge in unserer Serie Die vergessene Oper finden Sie hier

Mit der Geige überlebt

Immer wieder hört man von Musikkapellen in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten. Inzwischen existiert auch Literatur darüber, wobei das hier zu würdigende Buch Musik in Auschwitz die wohl älteste Publikation ist. Der Text des Geigers und Komponisten Simon Laks ist schon in mehreren Sprachen und Auflagen verbreitet gewesen. Laks, der 1983 starb, hatte sowohl vor, als auch nach seiner Internierung in Auschwitz komponiert. Auszüge seiner Werke sind auf einer dem Buch beiliegenden CD zu hören und geben einen guten Eindruck seiner originellen Tonsprache, die sich nicht selten jüdischer Volksmusik bedient. Der früh nach Frankreich ausgewanderte Pole setzte nach seiner Befreiung aus dem Konzentrationslager seine musikalische Tätigkeit fort.

Bemerkenswert ist der Ansatz dieses Buches: Der Autor vermeidet soweit möglich die Schilderung grausamer Details des Lagerlebens, überwölbt seine Erzählung vielmehr mit einer ironischen Distanz, die ihm wohl das Schreiben, und dem Leser die Lektüre erst möglich und erträglich machen. Auch in dieser Form verliert das, was Laks zu sagen hat, keineswegs an Schrecken. Was ihm gelingt, ist eine plausible Erklärung für die Existenz der Musikkapellen in den Lagern. Sie waren natürlich keineswegs zur Erbauung der Häftlinge gedacht, vielmehr dienten sie der Motivation des Personals, bis hinauf zu den höheren Chargen der SS. Laks räumt auf mit der sentimentalen Mähr, die Schönheit der Musik hätte auch den Geschundenen Trost gespendet. Nüchtern stellt er fest, dass die Musik größtenteils wohl schauderhaft schlecht geklungen hat, nur ein Teil der Kapellen waren jeweils Berufsmusiker, zudem fehlte es an Notenmaterial. Der Segen für die Musizierenden bestand in dem zumindest temporären Schutz vor Schwerstarbeit oder dem Weg ins Gas. Sie waren nicht so leicht zu ersetzen, und ihre Hände mussten für das Spiel geschont werden. Der Autor gehört zu den wenigen Glücklichen, denen durch die Musik in Auschwitz das Überleben gelang. Seine Schilderung ist ein bedeutendes Dokument, dem Musikverlag Boosey & Hawkes, der auch Laks‘ Musik verlegt, ist für diese Neuausgabe zu danken. (2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, 176 Seiten, ISBN 3793140822).

Peter Sommeregger