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Die französischen Komponisten in der Villa Medici im 19. Jahrhundert: Der 1803 ins Leben gerufene Prix de Rome für Musik ermöglichte es der Elite der französischen Komponisten, mehrere Jahre in Italien zu studieren. Der Wettbewerb und der anschließende Aufenthalt des Gewinners waren ebenso umstritten und beneidet wie bewundert und begehrt …
Der Wettbewerb um den Prix de Rome war lange Zeit der begehrteste Weg an die Spitze der französischen Kunstausbildung. Dies lag daran, dass er nicht nur die Elite der Nation auszeichnete, sondern seinen Preisträgern auch finanzielle Unterstützung und – inoffiziell – Karriereförderung bei ihrer Rückkehr aus Italien in Form von Lehrstellen oder staatlichen Aufträgen bot. Obwohl die Episode der Aufnahmeprüfung selbst reichhaltig dokumentiert und ausführlich kommentiert wurde, insbesondere von den Kandidaten selbst (und vor allem von Berlioz und Debussy), vermittelt die Zeit des Aufenthalts in Rom immer noch den Eindruck einer goldenen Legende, über die wenig bekannt ist. Es ist dieses Geheimnis um das „Pensionnat“ in der Villa Medici, das der Palazzetto Bru Zane mit seinem Frühlingsfestival teilweise auflösen möchte.

Die Villa Medici um 1900/Palazzetto Bru Zane
Die dort entstandene Musik – die „envois de Rome“, so genannt, weil die Stücke zur Begutachtung nach Paris geschickt wurden – deckt ein sehr breites Spektrum ab, von Oper und Symphonie bis hin zu Mélodie und Kammermusik. Da die italienische Herkunft der meisten envois, die der Nachwelt erhalten blieben – darunter Debussys Ariettes oubliées, Gounods Le Soir und Berlioz‘ Rob-Roy Overture – oft wenig bekannt ist, haben sich nur wenige Kommentatoren für einen Aufenthalt ausgesprochen, bei dem das Farniente die Oberhand über solide harte Arbeit zu gewinnen schien. Eine solche Einstellung zeugt jedoch von einem geringen Verständnis für den leidenschaftlichen künstlerischen Austausch, die oft überbordende Kompositionsproduktion und die endlosen Polemiken, die das Ergebnis eines Aufenthalts in der Villa Medici waren …
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Von Paris nach Rom: In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts war es keine leichte Aufgabe, die Villa Medici zu erreichen, als Pferdekutschen und die Seefahrt die einzigen Transportmittel waren. Es gab zwei Möglichkeiten: über die Alpen zu fahren und dann Italien von Norden nach Süden zu durchqueren oder im Hafen von Marseille an Bord zu gehen und zu einer Küstenstadt in der Nähe von Rom zu segeln. Obwohl das Mittelmeer selten rau war, war die Überfahrt dennoch chaotisch und anstrengend. Vor allem aber beraubte sie den Reisenden der herrlichen Landschaften und der Möglichkeit, in legendären Städten Halt zu machen. Daher entschieden sich die meisten Gewinner des Prix de Rome für eine Landroute, die sie nacheinander durch Turin, Mailand, Venedig, Bologna und Florenz führte. Um zur ersten dieser Städte zu gelangen, reiste man mit einem Maultierzug über den Mont-Cenis, durch Windböen und Schneestürme. Bei der Ankunft am Gebirgspass, der das Tor zu Italien bildet, eröffneten sich dem Auge neue Landschaften. Der Maler Flandrin schrieb, dass er noch nie etwas so Reichhaltiges gesehen habe: „Die Ebene war von Licht durchflutet, aber von so weichem Licht“. Für den Bildhauer Simart war „die Reise von Lyon nach Rom allein schon den Gewinn des Grand Prix wert“. Diese erste Etappe blieb allen Reisenden lange in Erinnerung.

Hector Berlioz made four attempts at winning the Prix de Rome music prize, finally succeeding in 1830. As part of the competition, he had to write a cantata to a text set by the examiners. Berlioz’s efforts to win the prize are described at length in his Memoirs. He regarded it as the first stage in his struggle against the musical conservatism represented by the judges, who included established composers such as Luigi Cherubini, François-Adrien Boieldieu and Henri-Montan Berton. Berlioz’s stay in Italy as a result of winning the prize also had a great influence on later works such as „Benvenuto Cellini“ and „Harold en Italie“. The composer subsequently destroyed the scores of two cantatas („Orphée“ and „Sardanapale“) almost completely and reused music from all four of them in later works. There was a revival of interest in the cantatas in the late 20th century, particularly „Cléopâtre“, which has become a favourite showcase for the soprano and mezzo-soprano voice./Gemälde 1832, Émile Signol/Wikipedia
Akademismus trifft auf Modernität: In jeder Epoche der Geschichte des Prix de Rome kam es zu Aufständen seitens der Bewohner, von denen einige ihren Anspruch auf völlige kreative Freiheit geltend machten. Während der Wind der Romantik den kreativen Geist beflügelte, kam es unter den Direktoren Vernet und Ingres (1828–41) zu einer „gotischen“ Welle. Diese Rückkehr zur harmonischen Schlichtheit Palestrinas erreichte ihren Höhepunkt dank der Anwesenheit der Komponisten bei den Auftritten der Kastraten der Sixtinischen Kapelle. Androt fand ihren Gesang „großartig“ und Massenet sagte, er sei „beeindruckt“. Dann erfasste der Wagnerismus die Villa: Alle beeilten sich, diese Modernität zu studieren, die das Institut vergeblich auszumerzen versuchte. „Und zu denken, dass es Amateure gibt, die diese Musik bewundern“, schrieb Gabriel Pierné. Im Gegensatz dazu erlebte Gustave Charpentier dank Wagner „unvergessliche Schauer, Tränen, Vibrationen, den Zusammenbruch des Wesens, die Erhebung der Seelen“. In den 1870er Jahren protestierte das Ministère des Beaux-Arts gegen den akademischen Immobilismus in der Villa, die es beschuldigte, „das ursprüngliche Temperament der Studenten einzuschränken und zu ersticken“. Nach und nach entstanden auf dem Pincio Werke, die ihre Wurzeln in der Beschäftigung mit den neuen „Ismen“ hatten: Symbolismus, Naturalismus, Expressionismus … Der Weg schien endlich frei, um sich Gehör zu verschaffen. Zwei Schlüsselkonzepte wurden zur Norm: Anfechtung und Übertretung. Dieser Widerstand gegen die etablierte Ordnung zeugte von der Entschlossenheit erfinderischer, freiheitsliebender junger Menschen. Die Art und Weise, wie sie die Vorschriften umgingen – sei es in der Art der envois oder in ihrem Stil – veranschaulicht perfekt den daraus resultierenden Machtkampf zwischen zwei Generationen, in dem ältere Mentoren und junge Dissidenten jeweils ihre Argumente in eine lebhafte ästhetische Debatte einbrachten. (Palazzetto Bru Zane)
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Es ist das große Verdienst des Palazzetto Bru Zane, einige Preisträger des Prix de Rome in gewohnt luxuriösen CD-Buch-Ausgaben mit ihren Kompositionen für und um diesen Anlass zu präsentieren. Bereits erschienen sind in dieser Ausgabe Charles Gounod, Paul Dukas, Gustave Charpentier, Camille Saint-Saens, Claude Debussy. Mit der Edition No. 4 und No. 5 machen wir auf den heute kaum noch bekannten Max D´Ollone und auf den jungen Georges Bizet aufmerksam, dessen Jugendwerke so gut wie vergessen sind. Rolf Fath wirft einen Blick darauf. Anschließend haben wir Bizets Erinnerungen an seine Zeit beim Prix de Rome ausgeraben. G. H.
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Was auf den ersten Blick wie die Resteverwertung aus vielen Aufnahmesitzungen oder ein willkürliches Sammelsurium aussieht, hat dennoch Sinn und Verstand, wie der künstlerische Leiter Alexandre Dratwicki ausführt, „the Palazzetto Bru Zane presents nearly five hours of unknown or rearly performed music by Bizet, spanning his entire career. All the genres to which he contributed are to be found here: the opera, the cantata, the chorus, the mélodie, orchestrale and piano music. Yes, it is still possible, in 2024, to unveil so impressive an array of unpublished or rare works by so famous an artist“. Alles hat Sinn und Verstand, was Palazzetto Bru Zane veröffentlicht, die 4-CD-Ausgabe Bizet aus der Serie der Portraits und die 2 CDs zu Max d’Ollone aus der, wie die Portraits-Serie auf sechs Nummern angewachsenen Collection Prix de Rome, mit der das Label seinen weitaus umfangreicheren Katalog französischer Opern aus den Jahren 1780 bis 1920 ergänzt. Beide exquisite Buchformate mit den entsprechenden CDs in den Laschen der vorderen und hinteren Innenseiten sehen imposant aus, die Max d’Ollone-Ausgabe ziert sogar eine Goldprägung, auf dass der Band seinen Platz im Wohnzimmerschrank neben dem Meyer-Lexikon finde. Dazu kommen jeweils mehrere schöne Texte (franz./ engl), viele von Dratwicki, die Gesangstexte, Auflistungen und Abbildungen der Mitwirkenden. Ganz hinten, wo man schon nicht mehr zu hoffen wagt, dann endlich die Tracklist mit den ziemlich klein gedruckten jeweiligen Interpreten, was den Eindruck unterstreichen könnte, dass neben der wissenschaftlichen Fleißarbeit der sinnlich-musikalische Aspekt nebensächlich ist.
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Der junge Georges Bizet/Gemälde von Félix Henri Giacomotti/Detail/Wikipedia
Das Bizet-Portrait kommt nicht ohne Bekanntes aus, denn eine der vier CDs nimmt seine 1872 an der Opera-Comique uraufgeführte Djamileh ein. Das geht insofern in Ordnung, da es nicht allzu viele Einspielungen des Einakters für drei Sänger, Chor und Orchester gibt, und schon gar keine Einspielung mit historischen Instrumenten wie Les Siècles unter François-Xavier Roth, die wie bei einem alten Gemälde den originalen Firnis freilegen. Denn wie ein Gemälde mutet Alfred de Mussets Namouna–Dichtung an, nach der Louis Gallet seine schlichte und undramatische Handlung um Djamileh entworfen hat, die sich in Haroun verliebt. Regelmäßig tauscht dieser aber seine Gespielinnen aus, doch mit Hilfe des Dieners Splendiano kommt Djamileh heimlich noch einmal des Nachts verschleiert zu ihm. Haroun verliebt sich natürlich in sie. Die Aufnahme wirkt frisch und direkt, hier weht allerdings weniger der Duft des Orients als die pragmatische Hemdsärmeligkeit der Spieloper, Sahy Ratia ist ein leichtgewichtig tenorzärtlicher Haroun, Isabella Druet eine lodernde Djamileh und Philippe-Nicolas Martin der noble Bariton-Diener.

Zu Bizets „Paul et Virginie“/Illustration von Paul Massé/BNF Gallica
Doch ein Hauptaugenmerk dieser Ausgabe liegt auf Werken, die Georges Bizet am Konservatorium erstellte, in das er kurz vor seinem zehnten Geburtstag 1848 aufgenommen und ab 1853 hauptsächlich von Fromenthal Halévy unterrichtet wurde. Sein Ziel, wie das aller Kommilitonen, war der Prix de Rome, der nicht nur Prestige und Anerkennung versprach, sondern auch einen mehrjährigen Aufenthalt in der Villa Medici in Rom. Als Gegenleistung für den kostenfreien Rom-Aufenthalt hatten die Stipendiaten der Académie jährlich ein Werk einzureichen. Für den Prix de Rome kamen in der entscheidenden zweiten Runde des Wettbewerbs ausschließlich Kantaten-Kompositionen für drei Solisten und Orchester auf einen vorgegebenen Text in Frage. In diesem Zusammenhang erklingt auf der dritten CD als Novität und Ersteinspielung die bislang nie aufgeführte Kantate Le Retour de Virginie, die Bizet um 1855 auf einen Text komponierte, der für den Prix de Rome-Wettbewerb des Jahres 1852 vorgegeben war, den Léonce Cohen gewann. Der Text von Auguste Rollet konzentriert den 1787 erschienen Roman Paul et Virginie von Bernardin de Saint-Pierre auf wenige zentrale Szenen, in denen Bizet durch instrumentale Delikatesse bildhaft die Szenerie auf Mauritius ausmalte. Die späte Uraufführung erfolgte im Mai 2024 im Auditorium de Lyon. Ben Glassberg leitete das Orchestre national de Lyon, es singen Marie-Andrée Bouchard-Lesieur, Cyrille Dubois und Patrick Bolleire, die sich im zentralen Gebet „O roi des cieux“ wirkungsvoll verbinden. Dubois triumphiert in der ausgesprochen umfangreichen und in unbequemer Lage angesiedelten Partie des Paul, das meckernde Vibrato muss man in Kauf nehmen.

Zu Bizets „Clovis et Clotilde“: „Le baptême de Clovis“ von Jean Alaux 1835/Wikipedia
Mit Clovis et Clotilde auf einen Text von Amédée Burion setzte sich Bizet 1857 gegen den von der Musiksektion der Académie favorisierten Charles Colin durch und gewann endlich mit den Stimmen der gesamten Académie des Beaux-Arts den Prix de Rome, was ihm zum erhofften Rom-Aufenthalt verhalf. Auch Clovis et Clotilde geriet völlig in Vergessenheit und wurde erst 1986 durch Jean-Claude Casadesus wiederentdeckt. Den Übertritt des Merowingerkönigs Chlodwig bzw. Clovis zum Christentum gestalten Karina Gauvin als Clotilde, Julien Dran als Clovis und Huw Montague Rendall als auf der vierten CD auf überaus effektvolle und packende Weise; Julien Chauvin dirigierte bei der Aufführung im März 2022 in Soisson. Bizet belebte das steife religiöse Thema durch die bildhafte Darstellung lärmender Schlachten und inniger Gebete und eine sensible Orchestrierung, wie sie Clotildes Romance „Il est si beau, mon doux Sicambre“ umkleidet. Das anschließende Duett „Vers toi monte notre prière“ verwendete Bizet neuerlich in Les pêcheurs de perles.
Hingewiesen werden soll auf einige Männerchöre, die Bizet zwischen 1854-57 und 1869 („La Mort s’avance“) schrieb. David Reiland führte diese im Juli 2023 in Metz mit dem Flemish Radio Choir und dem Orchestre national de Metz Grand Est auf; Mélissa Petit und Cyrill Dubois sangen die Soli. Die gleichen Musiker präsentieren (CD 2) auch die nach dem Vorbild von Félicien Davids Le Désert und Christophe Colomb zwischen weltlichem Oratorium und Oper angesiedelte sehr interessante Ode symphonique Vasco da Gama für Solisten, Chor und Orchester und Erzähler. Es war eines der zahlreichen Werke, die Bizet in den vier Jahren in Rom u.a. neben der Buffa Don Procopio und dem Te Deum schrieb. Von den drei Akten, zu denen ihm Louis-Michel-James Lacour-Delâtre den Text verfasste, stellte er nach dem mediokren Erfolg bei der ersten Aufführung in Paris 1863 nur den ersten Akt mit Vasco da Gama, dem Leutnant Alvar und dem Seemann Leonard fertig. Letzterer ist eine Hosenrolle für einen Koloratursopran, dem der virtuose, später in Ivan IV. wieder verwendete Bolero „La marguerite a fermé sa corolle“ zufällt. Mélissa Petit singt den Léonard, Thomas Dolié spricht den Vasco da Gama, Dubois singt den Bruder Alvar.
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Genau 40 Jahre nach Bizet errang Max d‘Ollone den Prix de Rome. Keiner kennt den 1875 in Besançon geborenen und 1959 in Paris gestorbenen Komponisten. Vielleicht ist in Frankreich sein Enkel, der Komponist Patrice (*1947), eher bekannt, der 1990-2002 als künstlerischer Leiter des Orchestre National de France (ONF) fungierte, Musikwissenschaft an der Sorbonne lehrte und die Festivals in Menton, Béziers und in der Abtei von Valmagne leitete. Großvater Max war, wie Patrice d’Ollone in der schönen Ausgabe schreibt, vor allem ein Komponist von Bühnenwerken und Verfasser von zehn Bühnenwerken, von denen fünf in den 1920er und 30er Jahren an der Opéra bzw. an der Opéra-Comique uraufgeführt wurden. Er sei durch die Bühnenwerke von Wagner und Saint-Saens beeinflusst, er bewunderte Massenet, in dessen Kompositionsklasse er 1894 eintrat. Später unterrichtete Max d’Ollone selbst am Conservatoire, war 1941-44 Direktor der Opéra-Comique sowie Mitglied der Groupe Collaboration, was vielleicht erklärt, weshalb er nahezu in Vergessenheit geriet. Palazzetto Bru Zane beleuchtet das Schaffen von d’Ollone anhand seiner Kantaten und Chorwerke, die im Zusammenhang mit dem Prix de Rome entstanden, seien es die Essais, die Versuche, L’Èté auf den Text von Victor Hugo von 1894, Hymne nach Jean Racine von 1895, Pendant la tempête nach Théophile Gautier von 1896, Sous-bois auf den Text von Philippe Gille von 1897, die Kantate Clarisse Harlowe mit dem auf dem berühmten Richardson-Roman Clarissa (1748) basierenden Text von Edouard Noël, mit der er 1895 den zweiten Preis errang, und die Kantate Mélusine nach Fernand Beissler, die 1896 nicht prämiert wurde. Die lebhaften Auseinandersetzungen, welche die Findungen begleiteten, werden im Buch ausführlich beschrieben. Umsichtig und fleißig haben Hervé Niquet und der Flemish Radio Choir und die Brussels Philharmonic diese Werke zusammengetragen und bereits im März und Juni 2012 in Brüssel aufgenommen.

Der junge Max D´Ollone/Fotografie von Nadar/Palazzetto Bru Zane
Das zentrale Werk, wenngleich nicht das umfangreichste, ist die 1897 mit dem Prix de Rome ausgezeichnete Frédégonde. Im vierten Anlauf errang Max d’Ollone endlich den Preis, der ihn im Winter 1897/98 nach Rom führte, wo er bald von Cavalleria rusticana, La Bohème, Manon Lescaut und Norma schwärmt und alle Italien-Impressionen einen lebenslangen Einfluss auf sein Schaffen haben werden. Im Zusammenhang mit der Siegerkantate denkt man an die 2022 in Dortmund als deutsche Erstaufführung präsentierte Frédégonde von Guiraud, die sein Freund Saint-Saens für die Pariser Uraufführung 1895 vervollständigt hatte. Wie bei Bizets Clovis et Clotilde handelt es sich um einen Stoff aus der Merowingerzeit, den Charles Morel in Rezitative, eine Arie, ein Duett und ein Terzett packte, wobei d’Ollone die beiden Konkurrentinnen, die hochdramatische wütende Frédégonde und die lieblichere Galswintha, scharf charakterisierte. Auf der Aufnahme werden sie von Jennifer Borghi und Chantal Santon übernommen, die sich im melodisch leidenschaftlichen Terzett mit Julien Drans drahtigem Tenor (Chilpéric) verbinden. Rolf Fath
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Und nun Georges Bizets Erinnerungen an den Prix de Rome: 1856 bewarb ich mich um den renommierten Prix de Rome, allerdings ohne Erfolg. In diesem Jahr wurde der Musikpreis an niemanden vergeben, der am Wettbewerb teilgenommen hatte. Stattdessen nahm ich an einem Opernwettbewerb teil, der von Jacques Offenbach organisiert wurde und mit einem Preisgeld von 1.200 Francs dotiert war. Ich gewann zusammen mit Charles Lecocq, der später die schockierende Behauptung aufstellte, ich hätte nur gewonnen, weil Halévy einer der Juroren gewesen sei.
Obwohl diese Behauptungen unnötig waren, wurde ich durch den Gewinn des Wettbewerbs zu einem regelmäßigen Gast bei Offenbachs Dinnerpartys am Freitagabend, wo ich eine Reihe von Musikern mit unterschiedlichem Erfolg traf. Mein Lieblingsbegegnung war jedoch die mit Gioachino Rossini, der mir ein signiertes Foto schenkte. „Rossini ist der Größte von allen, denn wie Mozart hat er alle Tugenden.“
Mit neunzehn Jahren nahm ich 1857 erneut am Prix de Rome teil. Mit Gounods Zustimmung reichte ich die Kantate Clovis at Clotilde von Amédée Burion ein. Ich gewann den ersten Preis und erhielt ein Stipendium für fünf Jahre. Gemäß den Bedingungen des Preises sollte ich zwei Jahre in Rom, ein drittes in Deutschland und die letzten beiden in Paris verbringen. Während dieser Zeit sollte ich jedes Jahr ein Originalwerk bei der Académie einreichen. Vor meiner Abreise wurde meine preisgekrönte Kantate an der Académie mit großem Erfolg aufgeführt.
.Rom: Georges Bizets Inspirationen und Misserfolge. Am 27. Januar 1858 kam ich in der Villa Medici an. Es war ein Paradies, in dem die französische Académie in Rom untergebracht war, und der perfekte Ort für mich und die anderen Preisträger, um unseren künstlerischen Ambitionen nachzugehen. Das Problem war, dass ich mich zu sehr in mein neu gefundenes gesellschaftliches Leben verstrickte, sodass das einzige Stück, das ich in den ersten sechs Monaten meines Aufenthalts in Rom komponierte, ein religiöses Stück namens Te Deum war. Te Deum beeindruckte die Juroren nicht, und ich war so entmutigt, dass ich mir schwor, nie wieder religiöse Musik zu schreiben. Te Deum blieb bis 1971 unveröffentlicht.
Rom: Georges Bizets Inspirationen und Misserfolge. Im Winter 1858/59 arbeitete ich an meinem ersten Gesuch für die Académie. Es sollte eine Messe nach Carlo Cambiaggios Libretto Don Procopio werden, aber nach meinem Schwur beschloss ich, einen anderen Weg zu gehen und die Regeln zu umgehen. Am Ende reichte ich etwas anderes ein, und zu meiner Überraschung gefiel es der Académie. Sie sagten, ich hätte eine „leichte und brillante Note“ und einen „jugendlichen und kühnen Stil“.
Für meinen zweiten Envoi hatte ich beschlossen, ein halbreligiöses Stück einzureichen, um die Toleranz der Académie nicht zu überstrapazieren. Es hieß Carmen Saeculare, eine weltliche Messe auf einen Text von Horaz, und war als ein Lied an Apollo und Diana gedacht.
Leider existiert dieses Stück nicht. Ich habe nie damit angefangen. Während meiner Zeit in Rom wurde es zu einem Teil meines Lebens, ehrgeizige Projekte aufzugeben. Ich habe mindestens fünf Opern verworfen, zwei Versuche einer Symphonie und eine symphonische Ode zum Thema Odysseus und Circe. Ich habe es geschafft, in Rom nur ein Stück fertigzustellen, eine symphonische Dichtung namens Vasco da Gama, die Carmen Saeculare als mein zweites Werk ersetzte. Vasco da Gama wurde von der Académie gut aufgenommen, geriet aber schnell wieder in Vergessenheit.
Georges Bizet Entdecken Italiens. In den wärmeren Monaten des Jahres 1859 begannen meine Begleiter und ich, Orte in der Umgebung von Rom wie Frosinone zu besuchen. Es waren inspirierende Orte, reich an Geschichte. Im August wagte ich mich nach Neapel und Pompeji, wo mich Letzteres so sehr inspirierte, dass ich begann, eine Symphonie zu entwerfen. Daraus sollte später „Roma“ werden, aber zu diesem Zeitpunkt kam ich nur sehr langsam voran und vollendete sie erst 1868.
Nach meiner Reise nach Pompeji kehrte ich nach Rom zurück und erhielt auf meinen Antrag hin die Zusage für ein drittes Jahr in Italien, anstatt nach Deutschland zu gehen. So konnte ich „ein wichtiges Werk vollenden“, das ich, wie ich glaube, nie fertiggestellt habe.
Leider erhielt ich während eines Besuchs in Venedig mit Ernest Guiraud die Nachricht, dass meine Mutter schwer erkrankt war, und kehrte sofort nach Paris zurück. (Leading Musicians)/DeepL/ Foto oben Villa Medici/VillaMedici.it)