Zuwachs im Vivaldi-Regal

.

Konsequent bemüht sich das Label naïve um die Komplettierung seines Vivaldi-Kataloges. Die Edition Opere Teatrali hat es in zwischen auf beachtliche 73 Ausgaben gebracht. Neueste Veröffentlichung ist die Serenata von 1725 La Gloria e Imeneo, welche für die Hochzeit von König Ludwig XV. mit der polnischen Prinzessin Maria Leszczynska in Venedig komponiert wurde. Die allegorischen Titelfiguren Gloria, der Ruhm, und Imeneo, Gott der Ehe, wetteifern in mehreren Arien um die Lobpreisung des Königspaares, gipfelnd in einem gemeinsamen Duett am Ende. Das Stück ist eine von drei erhaltenen Serenaden Vivaldis (neben der Serenata a tre, die auf diesen Seiten bereits besprochen wurde, und der Sena festeggiante), allerdings sind das Frontispiz der Partitur mit dem Titel und die eröffnende Sinfonia verloren gegangen. Aus diesem Grund wurden die beiden Protagonisten als Titel und das Concerto RV 138 als Sinfonia eingesetzt.

Die Aufnahme mit dem Abchordis Ensemble unter Leitung von Andrea Buccarella entstand im November 2024 in Basel und wurde auf einer CD mit mehrsprachigem Booklet veröffentlicht (OP8877). Das Orchester sorgt mit dem Allegro des dreisätzigen Concerto für einen rasanten Auftakt, weiß auch wirkungsvoll zu differenzieren mit dem mittleren Adagio, welches träumerisch-schwebend erklingt und dann von einem wirbelnden Allegro abgelöst wird.

Zwei Interpreten von Rang garantieren das vokal hohe Niveau der Einspielung. Die italienische Mezzosopranistin Teresa Iervolino, Salzburg und Pesaro erprobt, singt die für eine Altstimme komponierte Partie der Gloria. Möglicherweise wurde sie bei der Uraufführung von einem Kastraten gesungen, wie auch der für Sopran notierte Imeneo. Ihn nimmt der italienische Countertenor Carlo Vistoli wahr, der kürzlich beim Festival Bayreuth Baroque erfolgreich war. Gloria fällt mit „Alle amene“ die erste Arie zu – ein bedächtiges Stück, in welchem die Mezzosopranistin ihre reizvoll androgyn getönte Stimme effektvoll einsetzt. Es folgt das stampfende „Questo nodo“, in dem die Stimme noch maskulin-harscher klingt. Im feierlich-getragenen „Al seren d´amica calma“ besitzt sie dagegen feminine Anmut.

Imeneos erstes Solo ist „Tenero fanciulletto“ und Vistoli kann in dieser aufgewühlten Nummer nicht nur sein dramatisches Empfinden, sondern auch die Sinnlichkeit und Virtuosität seines Countertenors ausstellen. Reizvoll beschwingt ist „Scherzeran sempre“, wo der Sänger die Stimme geradezu hüpfen und tirilieren lässt. Betörend und zärtlich klingt sie in dem wiegenden „Care pupille“.

Das erste von zwei Duetten, das hurtige „Vedrò sempre la pace“, führt die beiden Stimmen in perfekter Verblendung zusammen, und auch der finale Zwiegesang, „In braccio de´ contenti“, ist in seinem Schwung und dem kunstvollen Vortrag des Duos ein Genuss.

Die Platte ist nicht nur für den Vivaldi-Connaisseur, sondern für jeden Barock-Freund eine nachdrückliche Empfehlung. Bernd Hoppe