Akustische Freude

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Bereits 2012 gab es aus der Donizetti-Stadt Bergamo eine DVD und CD von des berühmten Sohnes Frühwerk Akustische Freude,  L’aio nell‘ imbarazzo, Der Erzieher in Nöten, allerdings die zweite Fassung mit gesprochenen Rezitativen und hinzugefügten Arien und unter dem Titel Don Gregorio, 1826 für Neapel. Die Urfassung existiert seit 1984 als CD und wurde in Turin unter Bruno Campanella aufgenommen, und bereits damals gehörte zur Besetzung Alessandro Corbelli, der großartige Buffo, der auch noch in der jüngsten Aufnahme aus Bergamo vertreten ist, wieder als leidgeprüfter Vater zweier liebesdurstiger Söhne, die von ihrem Erzieher vom weiblichen Geschlecht ferngehalten werden sollen, wobei der Ältere bereits heimlich verheiratet und Vater eines Sohnes ist, während der Jüngere wohl eine Beute der Haushälterin werden wird. 1959 tauchte das Werk zum ersten Mal in Bergamo nach Aufführungen im entdeckungsfreudigen Wexford auf. In Turin waren nicht nur die beiden älteren Herren mit gestandenen Sängern, darunter Enzo Dara, besetzt, sondern auch das jugendliche Personal mit Luciana Serra und Paolo Barbacini, Bruder des gleichnamigen Dirigenten. In Bergamo hingegen pflegt man die schöne Tradition, die mittleren und kleineren Partien mit Masterclass-Studenten der Bottega Donizetti zu besetzen und so jungen Sängern zu wertvoller Bühnenerfahrung zu verhelfen.

Auf den Buffo-Spuren von Alessandro Corbelli bewegte sich lange Zeit auch der Bass-Barion Alex Esposito, der inzwischen zum basso profondo mit Partien wie Filippo und Fiesco herangereift ist. 2022 vernimmt man in seiner Stimme, die er dem Gregorio verleiht, bereits ein reiches Farbspektrum, Lust an Irrsinnstempi, in denen er seinem Affen so richtig und vergnüglich Zucker geben kann, man hört der Stimme an, dass der Sänger mit großem Spaß bei der Sache ist. Etwas matter klingt naturgemäß Alessandro Corbelli, jedoch mit allen Buffo-Wassern gewaschen und seine anspruchsvolle Arie zu Beginn zwar altersmilde, aber  um alle Finessen des Donizetti-Gesangs wissend und sie auch anwendend.

Eine sehr anspruchsvolle Arie am Schluss des Zweiakters hat die Gilda, Ehegattin des älteren Bruders, mit „No, caro padre, che tal ti chiamerò“, in der Marilena Ruta im Unterschied zum vorangegangenen eher schüchternen Einsatz,  mit raffinierten Verzierungen und flinken Koloraturen noch überzeugender wirkt als bereits zuvor mit zart-zärtlichem Gesang ihres mädchenhaften Soprans. Der Mezzosopran, der für die als ältlich bezeichnete Leonarda von Caterina Dellaere eingesetzt wird, ist einfach zu jugendlich und frisch, als dass er dies beglaubigen könnte.  Mit einem Tenor  besetzt ist der Enrico, dem Francesco Lucii ein herb-frisches Timbre, eine sinnvolle Phrasierung, aber wenig dolcezza verleiht, so dass am Ziel tenore di grazia noch etwas gearbeitet werden müsst.  Lorenzo Martelli ist mit erstklassiger Diktion und entsprechendem Timbre auf dem richtigen Weg zum Charaktertenor. Einen anständigen Simone singt Lorenzo Liberali. Graziös und kapriziös und damit sehr angemessen mit hörbaren Anklängen auch an Rossini dirigiert Vincenzo Milletari das Orchestra Donizetti Opera, versucht nie, dem Orchester eine gewichtigere Rolle zuzuteilen, als es sie als Sängerbegleitung hat. Das Klavier erklingt unter den flinken Händen  von Hana Lee, Chormeister ist Claudio Fenoglio.

Dem Werk kann man nach Anhören dieser Aufnahme durchaus einen Einstieg ins Repertoire der Opernhäuser zutrauen und wünschen, allerdings nicht in der auf dem Cover enthüllten Optik, in der Müllmänneranzüge in Orange dominieren (Naxos 8.660565-66). Ingrid Wanja