Archiv für den Monat: Juli 2025

Feuchter Rausch

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Zu oft sind weibliche Opernfiguren eher strahlende Heldinnen mit einem kleinen Knacks oder schöne Frauen im Bedrängnis. In Rameaus wohl berühmtester Oper Platée ist das ein bisschen anders. Da dreht sich alles um die Hässlichkeit. Ja:  Hässlichkeit! Und auch wer sich nicht mit Rameau auskennt bekommt diesen Eindruck spätestens, wenn er oder sie die neue Aufnahme beim Label Chateau de Versailles zur Hand nimmt. Auf dem Cover ist ein hellgrüner Frosch im weißen Brautkleid mit Diadem und Schleier zu sehen. Also eine Froschdame. So ein schräges Albumcover habe ich noch nie gesehen. Dieses Cover alleine lohnt schon den Kauf, eines der lustigsten Operncover seit langem. Absoluter Hingucker. Bei Rameau ist das eigentlich kein Frosch sondern eine Sumpf-Nymphe. Aber die sieht ja einem Frosch ziemlich ähnlich und gehört jetzt nicht wirklich zu den attraktiven Damen. Götter-Fürst Jupiter möchte in dieser Oper seiner Frau Juno ein für alle Mal beweisen, dass sie nicht eifersüchtig zu sein braucht. Dafür umwirbt er diese hässliche Nymphe. Und inszeniert das Ganze als Riesenhochzeit mit allem Pomp, um dann auf dem Höhepunkt seiner rasenden Gattin zu sagen: „Alles nur ein Joke“. Übrigens besonders abgefahren ist, dass Platée als eine Travestie-Rolle von einem hohen Tenor (einem hôte-contre) gesungen wird, in diesem Fall von Matthias Vidal, der seinen Part auch prachtvoll ausführt (wenngleich er kein echter hôte-contre im alten Sinne wie Michel Sénechal z. B. ist), und man merkt auch mit viel Genuss er seine Rolle auslebt.

Platée ist diese besagte hässliche Nymphe in der Oper und musikalisch auch eindrücklich gestaltet. Eine unattraktive Sumpf-Nympfe, die hier für einen Spaß missbraucht wird. Wir können darüber lachen, aber siehat ja auch was Tragisches. Ist das dem heutigen Publikum in einer Zeit von Mobbing, Scamming, Body-Shaming und so weiter überhaupt noch vermittelbar? Das Interessante ist ja, dass wir immer glauben, wir seien heute besonders sensibel in solchen Sachen, aber die Franzosen waren das damals auch schon. Auch 1745 war der Stoff brisant, zumal das Werk für eine Hochzeit, eine royale, aufgeführt wurde. Anlass der Aufführung war die Vermählung von Louis, Dauphin von Frankreich, Sohn König Ludwigs XV., mit der Infantin Maria Theresia von Spanien. Und die Braut war auch damals nicht so der wirkliche Hingucker. Viele waren nicht begeistert von dieser wenig sensiblen Handlung. Voltaire zum Beispiel regte sich furchtbar auf und fand das den Gipfel der Unanständigkeit. In seinem Totalverriss sagt er, alle Rameau-Opern seien unausgewogen, aber diese sei das abscheulichste Schauspiel, das er je gesehen und gehört habe. Und dann auch noch für eine königliche Hochzeit!

Grausame Streiche sind in der Oper ja keine Seltenheit. Man denke an Donizettis Don Pasquale bis zu Wolf-Ferraris Sly. Aber man kann dem ganzen auch eine tragische Komponente abgewinnen.  Platée lässt sich auch anders lesen, nämlich als eine Studie über Eitelkeit. Denn so ganz Opfer und unschuldig an der Situation ist die Nymphe ja nicht, weil sie total leichtgläubig sich eben für hochattraktiv hält. Sie findet es ganz normal, dass der Göttervater vorbeikommt und sie umwirbt. Das gehört sich so und steht ihr zu. Vielleicht ist dies auch eine Parodie auf dem Versailler Hof und dessen Umtriebe …

Charles-Antoine Coypel: Pierre Jélyotte in der Rolle der Nymphe Platée, um 1745/Wikipedia

Rameau zeigt sich hier als ein Komponist, der grausam und kalt mit der Umgebung spielt, was ich spannend auch vielschichtig finde. Die kommentierenden Chöre haben mitunter eine fast Offenbachsche, grelle Bosheit. Platée gehört ja zu den bekanntesten Opern von Jean-Philippe Rameau, auch zu den besten. Musikalisch ist dies vielleicht nicht die komplexeste davon. Da gibt es Opulenteres. Aber die Schrägheit des Stoffs allein lässt sie ein Publikumsrenner sein. Die relativ schlichte Handlung macht es auch möglich, dem Ganzen leicht zu folgen. Was nicht gerade der Normalzustand im Barocktheater ist. Und ein Tenor in Frauenkleidern macht auch immer was her.

Das Werk gehört tatsächlich zu den erfolgreichsten Bühnenwerken Rameaus überhaupt. Seit den 1950ern, als es (in Aix?) wiederentdeckt wurde, ist es immer wieder inszeniert worden.  Dagegen wurde recht selten eingespielt. Diese hier ist erst die fünfte Gesamtaufnahme. Das klingt paradox: So viele Inszenierungen und dann nur so wenige Gesamtaufnahmen.

Wer´s optisch nacherleben will hat an Marc Minkowskis/Laurent Pellys Pariser  Aufnahme seine ungezügelte Freude bei Arthaus.

Was sicherlich daran liegt, dass das Werk seine Hauptstärken in der Optik besitzt:  eben eine musikalisch illustrierte Ballett-Optik, eine komische Ballettoper.  Mit extrem vielen Tänzen. Die Männerrollen überwiegen massiv. Das ist auf der Bühne natürlich sehr lustig, aber akustisch ist diese von Voltaire bemerkte Unausgewogenheit sehr deutlich. Und auch ermüdend auf die Dauer. Immer dieses Jammern und eitle Gesinge von der Nymphe, und immer der hohe Tenor.  Dem muss man für eine rein akustische Wirkung gegensteuern und versuchen, die musikalische Textur spannend zu machen, um die fehlende Optik zu ersetzen. Ich finde man hat hier sehr erfolgreich sein Möglichstes gegeben. Und mit Valentin Tourné steht ein sehr junger Dirigent am Pult (28 letztes Jahr, als das aufgenommen wurde). Junge Menschen sind ja in der Regel ungeduldiger als ältere. Das ist in diesem Fall eine Tugend, weil Tourné sich nicht langweilen will und dem Ganzen viel Tempo gibt. Die orchestrale Seite ist einfach glänzend. Die Tänze glitzern hier in herrlichen Farben. Rhythmisch ist das Spiel sehr nervös und vorwärtsdrängend, pulsierend. Man wartet nicht während der Ballette darauf, dass endlich wieder gesungen wird. Ein Riesenverdienst, finde ich. Es liegt wirklich daran, dass die Tänze und die Sänger exzellent klingen. Diese Sängerriege überragt um die gefeierte Gesamtaufnahme unter William Christie (bei Erato). Voltaire hat ja nicht ganz unrecht, wenn er sagt, dass die Musik selber den Stimmen (zu) viel abverlangt. Diktion und Technik müssen perfekt sein bei einem so recht spannungslosen Werk, das sich auch mal dahinzieht. Und damit das Ganze für den Hörer witzig bleibt, muss man gute Stimmen haben, wie hier. Matthias Vidal singt die Titelpartie mit Aplomb. Hier ist er in seinem Element, hat diesen Mut zur Hässlichkeit und zur Selbstpersiflage und ringt dieser armen Nymphe sogar schöne Töne ab. Marie Luce in der Rolle des Wahnsinns ist auch persönlich der Wahnsinn, geht mit ihrer Koloraturarie absolut „wahnsinnig“ an ihre Grenzen, wirklich beglückend.

Ich würde diese Aufnahme auch klanglich den Vorzug vor der Christie-Einspielung geben, weil hier ist der Bühnenraum nicht so präsent wie in der Konkurrenzaufnahme ist. Die Mikros sind hier besser aufgestellt. Ich bin insgesamt sehr glücklich damit (mit Mathias Vidal, Marie Lys, Zachary Wilder, Alexandre Duhamel, Juliette Mey, David Witczak, Cecile Achille, Cyril Costanzo;  La Chapelle Harmonique; Leitung Valentin Tournet; Château de Versailles, 2 CD/CYS 153/ 24. 07. 25). M. K./S. L.

 

Béatrice Uria-Monzon

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Die bedeutende französische Mezzospranistin Béatrice Uria-Monzon (28. Dezember 1963) starb am  19. Juli 2025. Dem Berliner Publikum wird sie als Didon in den Troyens an der Deutschen Oper Berlin an der Seite von Roberto Alagna in Erinnerung bleiben, eine Partie, die sie auch in Marseille konzertant gab (auf youtube nachzuerleben).

Als Tochter des spanischen Malers Antonio Uria Monzón studierte Béatrice Uria-Monzon an der Sekundarschule Joseph Chaumié, am Gymnasium Bernard Palissy d’Agen und am katholischen Gymnasium St. Jean de Lectoure (Gers), wo sie im Chor der Schule unter der Leitung von Roland Fornerod zum Gesang kam. Anschließend besuchte sie die Universität Bordeaux. Sie trat in das Conservatoire de Bordeaux ein, dann in das Centre national d’insertion professionnelle des artistes lyriques [fr] in Marseille und in die École d’art lyrique der Pariser Oper.

Béatrice Uria-Monzon und Roberto Alagna in den „Troyens“ an der Deutschen Oper Berlin (Foto von der Premiere, im weiteren Verlauf sah man dann Alagna mit seinen eigenen Haaren – Recht hatte er!)/youtube/privat

Sie begann ihre Karriere als Opernsängerin 1987 als Mezzosopranistin. 1989 sang sie die Rolle des Cherubino in Mozarts Die Hochzeit des Figaro an der Opéra national de Lorraine.

Bekannt ist sie für ihre zahlreichen Darbietungen der Titelrolle in Bizets Carmen, die sie 1993 und 1994 an der Opéra Bastille und anschließend 1997, 1998 und 1999 auf den wichtigsten Bühnen der Welt spielte (1994: Grand Théâtre de Bordeaux und Teatro Colón in Buenos Aires; 1995: Opéra Royal de Wallonie; 1996: Teatro Massimo in Palermo, Teatro Regio; 1997: Théâtre du Capitole in Toulouse; 1998: Chorégies d’Orange, Wiener Staatsoper, Metropolitan Opera in New York).

Sie sang auch französische und italienische Repertoires: Massenet: Charlotte in Werther, Hérodiade (Titelrolle), Dulcinée in Don Quichotte, Chimène in Le Cid (an der Seite von Roberto Alagna), Anita in La Navarraise; Berlioz: in Marseille und Berlin Cassandre und Didon in Les Troyens, Béatrice in Béatrice et Bénédict, Marguerite in la Damnation de Faust; Ambroise Thomas: Gertrude in Hamlet, Mignon (Titelrolle); Poulenc: Mère Marie in Dialogues des Carmélites; Saint-Saëns: Dalila in Samson et Dalila, Offenbach: Giulietta in Les Contes d’Hoffmann; italienisches Repertoire: Bellini: Adalgisa in Norma, Donizetti: Sarah in Roberto Devereux, Eleonore in La Favorite (französische und italienische Fassung); Verdi: Fenena in Nabucco, Amnéris in Aida, Eboli in Don Carlos (französische und italienische Fassung); Mascagni: Santuzza in Cavalleria rusticana sowie Wagner als Venus in Tannhäuser und Judith in Bartóks Blaubarts Burg in ungarischer Sprache. 2012 trat sie in Puccinis Tosca auf.

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Béatrice Uria Monzon hat besonders die Rolle der Carmen tief geprägt, die sie auf allen nationalen und internationalen Bühnen verkörperte: an der Opéra de Paris, Chorégies d’Orange, Toulouse, Bordeaux, Venedig, Verona, Palermo, Turin, die Metropolitan Opera in New York, Houston, Cleveland, Madrid, Barcelona, Buenos Aires, die Staatsoper und die Deutsche Oper in Berlin, Tokio, Osaka und Moskau.

Seit mehreren Jahren entwickelte sich ihre Stimme in Richtung Sopran, und Béatrice Uria Monzon sang ihre erste Tosca in Avignon und übernahm diese Rolle anschließend an der Opéra de Paris, in Berlin und an der Mailänder Scala.

Béatrice Uria-Monzon/Uria-Monzon

Sie etablierte sich sofort in dieser neuen Stimmlage und sang 2016 Lady Macbeth am Théâtre Royal de la Monnaie und am Capitole in Toulouse, die Comtesse de Sérizy in Luca Francesconis Trompe la Mort, einer Weltpremiere an der Opéra de Paris im Jahr 2017, Adriana Lecouvreur in Saint-Etienne, Margherita und Elena in Boitos Mefistofele bei den Chorégies d’Orange, La Gioconda am Théâtre Royal de Monnaie im Jahr 2019 und Madeleine de Coigny in Andréa Chénier.

Sie sang am Ende ihres Lebens die Königin Marguerite in Yvonne, princesse de Bourgogne an der Opéra de Paris und erneut Elena in Mefistofele in Toulouse, Lady Macbeth an der Oper von Triest, dann Gertrude in Hamlet an der Opéra de Liège und Carmen im Stade de France an der Seite von Roberto Alagna. (Wikipedia)

Festspieldokument

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Adina oder Il Califo di Bagdad ( nicht zu verwechseln mit Boieldieus gleichnamiger Oper) heißt eine Farsa von Gioacchino Rossini, die ein heute nicht mehr bekannter Auftraggeber für eine heute ebenfalls nicht mehr identifizierbare Sopranistin bei Rossini und für das Sao Carlo von Lissabon bestellt hatte und die nicht wie vorgesehen 1818, sondern erst 1826 dort uraufgeführt wurde, als sie zusammen mit dem zweiten Akt von Semiramide endlich die Scheinwerfer, vielmehr das Kerzenlicht der Bühne erblickte. 2018, ein Jahr nach dem Tod von Alberto Zedda, der vielleicht noch an der Planung beteiligt gewesen war, fand man sich in Pesaro zur Zusammenarbeit mit dem Festival von Wexford, schon immer eine Adresse für erfolgreiche Ausgrabungen, zu einer Gemeinschaftsproduktion zusammen, die einen schönen Erfolg verbuchen konnte.

De Inhalt isst kurz und vollkommen schmerzlos schnell erzählt: Junges Mädchen glaubt Liebhaber tot und ist deshalb der Heirat mit reichem Alten nicht abgeneigt. Der Exgeliebte kehrt heil und gesund zurück, sie will mit ihm der drohenden Hochzeit entfliehen, beide werden gefasst, der Liebhaber soll sterben, aber rechtzeitig kommt durch ein Schmuckstück heraus, dass die treulose Geliebte eigentlich die Tochter des Alten ist, der verzeiht und glücklich wie alle anderen ist.

Dankenswerterweise hat sich C-Major der Produktion angenommen, so dass man einerseits allerbesten, spritzigsten Rossini voller Einfallsreichtum und andererseits die inzwischen zum Star gewordene Sopranistin Lisette Oropesa bewundern kann. Ein weiterer Glücksfall ist die optische Umsetzung durch die Regisseurin Rosetta Cucchi und ist es besonders die Bühne von Tiziano Santis, die aus einer dreistöckigen Hochzeitstorte, während der Sinfonia noch in Arbeit, besteht, in der unten der zu einer Art Geschäftsmann mutierte Califo zwischen orientalisch inspirierter Kachelwand und im üppigen Schaumbad residiert, in der Mitte Adina mit zwei stummen Gefährtinnen meistens vor dem Spiegel sitzt, darüber eine Gefängniszelle zeitweise ihren Liebhaber beherbergt und darüber noch ein als Dekor ein Zuckergussbrautpaar thront, das sich gern unter die zahlreichen Statisten am Boden mischt. Da gibt es unzählige, aber nie das Stück erschlagende Einfälle wie die unzähligen Koffer, die Adina auf ihrer Flucht mitnehmen will, oder die lustig charakterisierenden Kostüme von Claudia Pernigotti, die teilweise die Farben der Torte aufnehmen. Auch an die Lachmuskeln reizenden Requisiten fehlt es nicht, seien es die durch die Luft fliegenden Erdbeeren oder sogar ein herziger kleiner Hund, obwohl doch vor Tieren auf der Bühne immer gewarnt wird. Orientalisches wird nicht ganz verbannt, beschränkt sich aber auf Mokkakännchen oder Prunkkaftan.     

Nicht nur wegen des Entstehungsanlasses, wohl das Geschenk eines Liebhabers an einen Sopran, oder des Titels,  sondern auch wegen der Besetzung ist das eine ausgesprochene Primadonnenoper. Inzwischen ein Opernstar, ist Lisette Oropesa eine kapriziöse, zauberhafte Adina mit hellem, seidig schimmerndem, in der Höhe aufblühendem Sopran, apart timbriert, fein ausziselierte Verzierungen singend, die am Schluss die einer Primadonna zustehende Bravourarie hat und meistert. Levy Sekgapane aus Südafrika ist ihr Liebhaber Selimo mit hellem, etwas scharfem Tenor, sicher in der Höhe und ausbaufähig in der Mittellage und mit einem empfindsamen „Giusto Ciel“ brillierend. Einen schlanken, dunklen Bass hat Vito Priante für den Califo, präzise auch in den Prestissimi, darstellerisch die Wandlung vom rachsüchtigen Liebhaber zum liebevollen Vater glaubwürdig darstellend. Einen hellen, scharfen Charaktertenor hat Matteo Macchioni für den Ali, Davide Giangregorio erfreut als Mustafá mit weichem, warmem Bariton. Voller Spiel- und Sangesfreude ist der Coro del Teatro della Fortuna M. Agostini einer der Protagonisten, Diego Matheuz dirigiert das spielfreudige Orchestra Sinfonica G.Rossini, und alles in allem ist pures Vergnügen (Foto © Studio Amati Bacciardi (Rossini Opera Festival)/ C-Major 767204). Ingrid Wanja      

 

Schöner Wohnen an der Limmat

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Wie eine feine Buchausgabe des in der gleichen Stadt beheimateten Diogenes Verlags ist die DVD-Ausgabe von Der Ring des Nibelungen, den das Opernhaus Zürich im Mai 2024 aufzeichnete, darin vier schmale Bändchen im markanten Reclam-Gelb für die Opern und ein schwarzes Bändchen mit den technischen Angaben sowie Gesprächen mit den beiden Machern Andreas Homoki und Gianandrea Noseda (Accentus music 7 DVDs ACC70656).

Elegant und gediegen ist alles in diesem Ring, der damit kokettieren kann, dass er „in der Nähe von Wagners ehemaligem Wohnsitz in Zürich, wo ein Großteil des Rings komponiert wurde“ und zwischen Frühjahr 2022 und Spätherbst 2023 entstanden ist. Bereits bei Woglinde, Wellgunde und Floßhilde, die in weiten weißen Walleanzügen eine Pyjama-Party feiern und dabei in der großbürgerlichen Gründerzeitvilla von einem in den anderen der elegant weißen, hohen, klassizistisch anmutenden Räume mit ihren markanten Tür- und Fensterausschnitten tollen, wo jede der Rheintöchter ihr eigenes Bett hat, an dem sie den Eindringling Alberich reizt. Angeführt von Uliana Alexyuks juchzender Woglinde wirken die Rheintöchter (Niamh O’Sullivan und Seana Licht Miller) wie drei ausgelassene Girlies, die irgendwann merken, dass sie zu weit gegangen sind. Die sich drehenden drei- oder mehrfachgeteilte Raumflucht von Christian Schmidt ist so etwas wie das „Schöner Wohnen“ für Ring-Regisseure. Das sieht man gerne, auch wenn man es gefühlt schon mehrfach gesehen hat. In einem der Räume ruht Wotan im Lehnstuhl und blickt auf die neue Burg. In einem anderen häuft sich das schwere Mobiliar der Gründerzeit samt dunklen Ledergruppen, hinter denen sich Donner und Froh verstecken.

Wie von selbst ergibt sich die Handlung zwischen denen da oben und denen da unten: Fafner und Fasolt, die ausgezeichneten amerikanischen und britischen Bässe Brent Michael Smith und David Soar, schleudern Wotan ihre Forderungen entgegen als sie, eher drollige Waldgeister mit Gamsbarthüten als furchterregende Riesen, auf dem goldenen Rahmen hocken, der das Gemälde der Burg ziert. Doch als sie das Gemälde zu zerstören drohen, nehmen die feigen Donner und Froh (sehr unauffällig: Xiaomeng Zhang und Omer Kobiljak) rasch Reißaus. In einem Nebenzimmer kann Wotan derweil mit Loge, mit dem Matthias Klink ein singdarstellerisches Kabinettstück liefert, seine Absprache treffen.

So unaufdringlich, gewitzt und im Detail auch pointiert wie Homoki die Gesellschaftskomödie einfädelt, so theatralisch zupackend und akzentuiert liefert Noseda seinen musikalischen Kommentar. Das funktioniert im kurzweiligen und handlungsreichen Vorabend ausgezeichnet. Schwarze Blende. Schon befinden wir uns in weiteren Räumen dieses an unzähligen Zimmern so reichen Palastes, in denen Mime von Alberich traktiert wird und die Götter Alberich überwältigen, wobei ein großer Schrank als Alberichs Zauberkästchen dient. Zurück von ihrer Mission lassen Wotan und Loge das den Zwergen abgetrotzte Gold in einem separaten Raum anhäufen. Homoki nutzt den Wechsel von einem Raum in den anderen souverän für kleine Umbauten oder Unterredungen im kleinen Kreis. Das führt auch zu einem durchaus spannenden Höhepunkt, als Wotan durch die Raumfluchten irrt und auf Erda (Anna Danik) stößt. Und eigentlich ist es hier so schön, dass die Götter gar nicht umziehen müssten. Höchsten in einen größeren Raum, wo sie schließlich auf goldenen Stühlen am langen goldenen Tisch sitzen.

Auch in der weiteren Folge läuft Homokis und Schmidts Konzept wie von selbst. Vielleicht etwas zu geschmiert und absehbar. Vor Überraschungen sind die Zuschauer jedenfalls gefreit. Homoki, der sich nach dreizehn Jahren von der Zürcher Oper verabschiedet, erzählt den Ring klar und schnörkellos, smart und präzise, macht diese Menschen, Zwerge, Götter und Fabelwesen quasi zu unseren Nachbarn. Zwar brechen in der Walküre wilde, archaisch anmutende Figuren und Gestalten in stupfen und abgerissenen Kleidern in diese helle 19. Jahrhundert-Welt, doch die Inszenierung wechselt weiterhin von Raum zu Raum, wenngleich die Säle nicht mehr so genau aufgefächert sind wie im Rheingold, zeigt uns in einem Raum Christof Fischessers etwas martialisch verzerrten Hunding mit seinen Mannen, in einem anderen die gewaltigen Esche, dann die „Lenz“-Zimmer und sogar einen Wald und lässt zuletzt die possierlichen Nachhemd-Mannen mit ihren Holzschwertern von den Walküren durch die Raumfluchten hetzen, doch insgesamt kann sich vor allem Nosedas Streben nach einem „klaren, transparenten Orchesterklang, in dem alle wichtigen musikalischen Linien klar hörbar sind“ beweisen. Noseda, der als Gergievs zweiter Mann bei den Auslandgastspielen des Mariinski-Theaters während seiner St. Petersburger Jahre 1997-2007 aufgefallen war, hat als Chef in Turin wie andernorts längst starkes Profil entwickelt. In diesem Ring fallen die straffen Tempi, die suggestive theatralische und vielfach lautstark auftrumpfende Kraft sowie die ausgepichte Sängerachtsamkeit seines Musizierens auf.

Noseda gelingt mit dem Orchester der Zürcher Oper ein Ring, dessen Intensität sich bis zur Götterdämmerung stetig steigert. Eric Cutler, der die Partie bei der Premiere der Walküre erstmals gesungen hatte, ist ein ausgezeichneter Siegmund, kraftvoll wie sensibel, mit einem reichen dunkel getönten Tenor, großartigen „Wälse“-Rufen und zarten Farben für den „Siehe der Lenz“, Daniela Köhler, deren Erzählung von der „Männer Sippe“ Homoki passgenau illustriert, ist mit steifen Jubelhöhen, starker Mittellage eine kühl kompetente jugendliche Sieglinde. Claudia Mahnke regiert als mächtige, eindrucksvoll tönende, nicht immer rund klingende Hausherrin Fricka. Gleichfalls eindrucksvoll Tomasz Konieczny, der den innerlich zerklüfteten Wotan mit scharfer, seinen metallischen Bariton fast bis zum Zerspringen herausfordernder Charakterstimme singt, aber auch zu Feinzeichnungen fähig ist und viel textintensiver als in Bayreuth wirkt. Er liefert eine erschütternde Charakterstudie, die sich im Siegfried bewegend verdichtet. Die Brünnhilde ist für die Rollendebütantin Camilla Nylund Gipfel einer klug aufgebauten und gesteigerten Karriere. Mit frischem Überschwang, gestochenen Spitzentönen, warmer Mittellage in der Todesverkündigung – im verschneiten Wald – ebenmäßig entfalteten Bögen und nur stellenweise gestresst scharfer oder unruhiger Stimme ist sie fast eine Idealbesetzung. Den schiefen Mund, den sie dabei macht, sieht man ungern.

Für Siegfried müssen Schmidt und Homoki in einen finsteren Flügel des Palastes ausweichen, in dem alle Räumlichkeiten zwar schwarz, aber nicht übermäßig unelegant sind. Dort geht Wolfgang Ablinger-Sperrhackes Mime mit spitzer Tenor und Geifertenor seiner Aufgabe nach, den jungen Siegfried einigermaßen vernünftig heranzuziehen. Homoki nimmt die ihm von Dramaturg Werner Hintze im Gespräch vorgelegte Definition des Siegfried als Scherzo auf, „Siegfried ist eine Komödie, die gleichermaßen von grotesken Momenten und Situationskomik wie auch von rührenden und die Tragödie streifenden Szenen geprägt ist“. Das ist nicht neu. Es wirkt zunächst unnötig drollig, wenn Mime und Siegfried zwischen übergroßen Möbeln hausen, vor denen sie winzig klein wirken, wobei Mime beim Ratespiel mit Wotan kurzzeitig am goldenen Tisch der Götter sitzen darf. Doch im zweiten Akt, wo Alberich auf dem Mobiliar herumkraxelt und sich irgendwo dazwischen Fafners Höhle befindet, hat man sich daran und an das ereignisarme dunkle Kammerspiel und die sehr verhaltene Situationskomik gewöhnt. Klaus Florian Vogt ist ein leichtfüßiger, sympathischer, bubenhafter Siegfried mit einem leicht wirkenden, aber standfesten und ausdauernden Tenor. Vogt, auch er ein Rollendebütant, singt den Siegfried selbstverständlich, schlank und sportiv, sein farbenreich keusches Timbre passt zum unschuldigen Märchenhelden. Märchenhaft das flatternde Waldvögelein, das mit seinen weiten Schwingen Siegfried fast mütterlich umarmt (Rebeca Olvera) sowie Fafner, der dem riesigen Leib des Drachens entsteigt, und später Mime zum Sterben geleitet. Aufgeräumter, doch weiterhin schwarz und in Franck Evins geheimnisvoll dunkles Licht getaucht zeigen sich die Salons im dritten Akt, wo Wotan letztmals die schöne blinde Erda der hartkantigen Anna Danik befragt, seinem Enkel Siegfried unterliegt und lachend von der Bühne abtritt. Dreiviertelhosenträger Siegfried erklimmt den Walkürenfelsen, auf dem mittlerweile ein Bäumchen wächst und trifft auf die Brünnhilde der strahlend disponierten Camilla Nylund. Bald ziehen sich die beiden im stimmlichen und sinnlichen Überschwang in einen der anderen Räume zurück, wo Tante Brünnhilde den Neffen auf ein Bett wirft. Stimmliche Ekstase.

In der Götterdämmerung durchwandert Homoki nochmals die verwirrende Vielfalt der leicht angestoßenen Räume bis hin zu den Zimmern der Rheintöchter, wo alles begann. Der herrschaftliche Glanz hat merklich gelitten, der Lack splittert ab. Alles sehr vorhersehbar. Trotz aller glatten Routine gelingt es Homoki als Regisseur immer wieder auf Details in den Beziehungen hinzuweisen. Zwischen den Geschwistern Gunther und Gutrune, in der Charakterisierung des Hagen, im frivolen Spiel der Rheintöchter, die Hagen kurzerhand aus dem Fenster werfen, oder durchaus psychologisierend, wenn Brünnhilde den Betrug Siegfrieds durchschaut, als diesem in Gestalt Gunthers der Tarnhelm verrutscht. David Leigh, der bereits der Siegfried-Fafner war, ist ein gewaltiger, vor allem in Hagens Ruf eindrucksvoller, darstellerisch fesselnder Hagen, der seine immense Klangfülle durch ein Nebelhorn zu pressen scheint. Als Vater Alberich agiert nochmals das Kraftpaket Christopher Purves, Daniel Schmutzhard ist ein auffallender Gunther, die australische Sopranistin Lauren Fagan eine achtbare Gutrune, Sarah Ferede eine ebensolche Waltraute. Klaus Florian Vogt lässt in „Brünnhilde, heilige Braut“ nochmals erkennen, weshalb man ihn als Siegfried lieben wird. Camilla Nylund hat in ihrer wohldosierten Interpretation ausreichend Leuchtkraft und Volumen für den Schlussgesang der Brünnhilde. Zum szenisch nicht wirklich überwältigenden Schluss wirft Homoki nochmals die Drehscheibe an. U.a. besieht sich Wotan vom Lehnstuhl aus den Brand Wallhalls. Dann die leere Abfolge der Zimmer und Säle (alle Fotos Oper Zürich/Monika Rittershaus). Rolf Fath 

Katarina Bradić

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In einer gefeierten Berlin-Premiere an der Staatsoper Unter den Linden war die Mezzosopranistin Katarina Bradić wieder in der Titelrolle von Bernard Foccroulles „Cassandra“  zu erleben – eine Partie, in der sie bereits in der Brüsseler Uraufführung auf der Bühne stand. Im Interview mit Beat Schmid spricht sie über die emotionalen und stimmlichen Herausforderungen dieser Rolle, ihre Beziehung zu Berlin und ihren Weg durch unterschiedlichstes Repertoire, von Händel bis hin zur Gegenwart.

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Die Berlin-Premiere von „Cassandra“ liegt hinter Ihnen, und die Kritiken waren durchweg begeistert. Wie war die Rückkehr zu dieser Rolle – emotional, stimmlich und künstlerisch – auf einer neuen Bühne? Diesmal fühlt sich das Singen der Cassandra ganz anders an. Ich glaube, ich trage ihren Schmerz jetzt tiefer in mir, was mir erlaubt, sie mit etwas weniger unmittelbarer Emotion zu singen. Das tut der Stimme gut – besonders bei einer so tragischen und temperamentvollen Figur wie Cassandra.

Es gab viele Details, die für die neue Bühne angepasst werden mussten: Licht, Kameraführung, Positionen auf der Bühne, insbesondere der Pool mit dem Wasser. Für mich war der Umgang mit den Büchern, die aus den Regalen fallen eine besondere Herausforderung. Es ist schwer vorherzusagen, wie sie sich verteilen und ob sie mir genug Raum lassen, um mich zu bewegen und später für den „Bienentanz“. Man muss flexibel und bereit sein, ein wenig zu improvisieren.

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Sie haben die Cassandra in Brüssel uraufgeführt und nun in Berlin neu interpretiert. Was hat der neue Kontext der Rolle hinzugefügt, und wie hat sich Ihre Beziehung zur Figur verändert? Dass ich die Rolle bereits in Brüssel gesungen habe, hat meine Sicht auf die gesamte Oper reifen lassen – besonders auf die Figuren, mit denen ich auf der Bühne in Beziehung stehe. In Brüssel war ich so auf die Musik konzentriert, dass ich erst jetzt merke, wie sehr mir damals der Raum im Kopf fehlte, um die feinsten Nuancen des Librettos wirklich zu begreifen. Diese machen nun dramaturgisch viel mehr Sinn für mich.

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Die Oper behandelt aktuelle und komplexe Themen: Klimakrise, Mythos, Wahrheit und Verleugnung. Wie hat das Berliner Publikum im Vergleich zu Brüssel reagiert? Gab es Überraschungen? Ich habe das Gefühl, dass das Publikum in Brüssel wie in Berlin sehr gut auf die Oper reagiert hat. Da ich in Berlin mehr Menschen kenne, habe ich persönlich auch mehr Rückmeldungen bekommen – und freue mich sehr, dass das Publikum die Musik ebenso geliebt hat wie das Libretto und die Geschichte. Von der Bühne aus konnte ich beobachten, dass der Zuschauerraum mit jeder Vorstellung voller wurde – das spricht für sich.

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Sie haben an allen drei großen Berliner Opernhäusern Hauptrollen gesungen – was selten ist! Wir erinnern uns an Ihre Lucretia und „Negar“ an der Deutschen Oper, Ihre Händel-Rollen und die Sphinx in „Oedipe“ an der Komischen Oper oder „Amor vien dal destino“ an der Staatsoper. Wie erleben Sie Berlin als Stadt für Sänger und Künstler? Was unterscheidet die Häuser Ihrer Erfahrung nach? Berlin ist eine unglaublich reiche Stadt, wenn es um Kultur geht! In Europa kann man das vielleicht nur mit Paris und London vergleichen. Drei Opernhäuser, die fast alle Sparten inklusive Ballett spielen – das ist ein Privileg, für Künstler wie für Publikum.

Als ich als Ensemblemitglied an der Deutschen Oper Berlin begann, stand ich noch am Anfang meiner Karriere. Ich lernte das Handwerk auf der Bühne mit mittleren und kleinen Rollen, mit Ausnahme der Lucretia. Dort sang ich von Mozart bis zur zeitgenössischen Oper, nur nicht das mir so geliebte Barock-Repertoire – das war nicht Teil des Spielplans. Zum Glück kam bald die Komische Oper mit ihrer legendären „Xerxes“-Produktion von Stefan Herheim – damit bekam ich Zugang zum Barock. Seitdem kehre ich regelmäßig als Gast an die KOB zurück, fühle mich dort sehr zuhause und singe Rollen von Barock bis Moderne.

Dank René Jacobs sang ich an der Staatsoper Berlin erstmals die Lavinia in Steffanis „Amor vien dal destino“. Damals war das Haus noch im Umbau, und wir spielten im Schiller-Theater. Dass ich jetzt „Cassandra“ im Stammhaus Unter den Linden singen darf – zur Zeit der Lindenblüte – ist für mich etwas ganz Besonderes.

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Sie haben einige der wichtigsten Frauenrollen der Oper gesungen, darunter Carmen und Dalila. Wie nähern Sie sich Figuren, die das Publikum zu „kennen“ glaubt? Ich trete nie mit den Erwartungen des Publikums an eine Rolle heran. Man weiß ja nie, wer im Saal sitzt und was erwartet wird – und das sollte auch gar keine Rolle spielen, denn es setzt einen nur unter Druck. Wenn man etwas nur tut, um anderen zu gefallen, verleugnet man sein authentisches Selbst, auf der Bühne wie im Leben. Ich versuche, mich mit der Figur zu verbinden, so wie ich sie verstehe. Wenn meine Sichtweise stark von der des Regisseurs abweicht, suche ich trotzdem eine Begründung dafür und versuche, beide Visionen zu vereinen. Am Ende kann ich nur mein Herz und meine Seele auf der Bühne geben – und dem Publikum überlassen, ob es meinen Weg annimmt oder nicht.

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Auch Carmen haben Sie gesungen – eine Rolle, für die es unzählige Interpretationen gibt, die als Referenz gelten. Wie sieht Ihre persönliche Carmen aus, und wie hat sich Ihre Interpretation über die Jahre verändert? Mir ist wichtig, dass meine Carmen nicht banal in ihrer Sexualität und Verführung ist. Ich sehe sie als Frau, die sich ihrer Reize sehr bewusst ist und sie einsetzt, um zu bekommen, was sie will. Aber sie tut das nicht aus Bosheit, sondern auf kapriziöse Weise – das ist ihre authentischste Eigenschaft. Als sie erkennt, dass sie sich in eine Lage manövriert hat, in der sie zur Zielscheibe wird und sogar ihr Leben in Gefahr ist, sucht sie keinen unehrlichen Ausweg. Sie bleibt stur entschlossen, sich und ihre Freiheit zu verteidigen – mutig und souverän bis zuletzt, auch im Angesicht des Todes.

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Anfang des Jahres sangen Sie die Titelrolle in Händels „Orlando“ am Théâtre du Châtelet in Paris. Was war die größte Herausforderung, sich in diesen gequälten Krieger hineinzuversetzen? Die größte Herausforderung war nicht, in seinen Kopf zu schlüpfen – sondern in seine Kehle! Ich habe zwar schon Rollen mit ähnlich tiefer Lage gesungen, aber nie eine mit so vielen Arien – acht Arien und zwei Duette. Das ist ein gewaltiger Kraftakt für eine Frauenstimme, und es hat mich etwa ein Jahr gekostet, bis ich die Partie in meine Stimme „eingepackt“ hatte.

Eine zusätzliche Schwierigkeit: Nicht wirklich zu weinen während Angelicas Arie „Se fedel vuoi, ch’io ti creda“. Wenn ich das tat, war meine Nase völlig verstopft und der weiche Gaumen angeschwollen – was das Singen der folgenden Arie „Fammi combattere“ sehr erschwerte. Aber die Regieanweisung war, tieftraurig zu sein, und mein Kollege sang so berührend, dass ich nicht immer nur „gespielt“ weinen konnte.

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Sie haben eine starke Affinität zu Händel. Was zieht Sie immer wieder zu seiner Musik, und was verlangt sie von einer Sängerin – emotional und technisch? Die Rollen in Händels Opern, die gut zu meiner Stimme passen, sind sowohl männliche als auch weibliche Figuren – was beides eine große Anziehungskraft für mich hat. Es sind meist keine romantischen Charaktere, sondern Rollen mit feurigem Temperament, das sich in Koloraturarien ausdrückt – oft durchsetzt von Eifersucht und Wut. Das kann auf der Bühne sehr anstrengend sein, aber genau das macht für mich den Reiz daran aus.

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Sie bewegen sich mühelos zwischen Barock, Romantik und zeitgenössischer Oper. Wie halten Sie Ihre Stimme flexibel – und gibt es ein Genre, in dem Sie sich besonders zuhause fühlen? Für mich ist der wichtigste Faktor: Zeit. Ich muss mir genug Zeit geben, damit sich meine Stimme langsam und sanft an die Technik anpassen kann, die eine neue Rolle in einem neuen Stil verlangt. Natürlich ist es nicht einfach, vom Barock zur zeitgenössischen Musik zu wechseln oder umgekehrt – die Gesangslinien, Rhythmen und Ausdrucksformen sind extrem unterschiedlich. Jeder Stil, ja jede einzelne Rolle verlangt etwas Eigenes von der Stimme. Dafür muss man sich die nötige Zeit nehmen, um den passenden Ausdruck zu finden, ohne die Stimme zu überfordern.

Noch herausfordernder ist für mich der Wechsel von einer Mezzo- zur Alt-Tessitura – das geht nicht einfach mit einem „Hebel zum Umschalten im Kopf“. Ich muss meinen Körper neu einstellen und Werkzeuge finden, um einen optimalen, klangvollen Ton zu finden.

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Nach einer so intensiven und facettenreichen Rolle wie Cassandra – was steht als Nächstes an? Und gibt es ein Traumprojekt, das noch auf Sie wartet? Mein nächstes Projekt ist wieder „Orlando“ – diesmal in Luxemburg. Wieder springe ich von einer modernen Mezzorolle zurück zu einer barocken Altpartie. Ich bin ehrlich gesagt sehr gespannt, wie meine Stimme auf diese Rückkehr zu Orlando nach Cassandra reagieren wird.

Eines meiner Traumprojekte – von vielen – ist Mahlers 2. Symphonie. Ein Komponist und ein Werk, das jede Zelle meines Körpers anspricht und beimt Hören eine Art transzendentes Erlebnis auslöst (alle Fotos Dragana Branković). Beat Schmid

Frauen-Oper

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Mit der Präsentation von Opern des frühen 20. Jahrhunderts (Der Schatzgräber, Das Wunder der Heliane, Francesca da Rimini) ist der Deutschen Oper Berlin eine beachtliche Erfolgsserie gelungen. Alle diese Werke hat Christof Loy inszeniert, der zu diesem Genre eine besondere Affinität besitzt. Nun hatte 2024 er sich am Haus in der Bismarckstraße einer absoluten Rarität gewidmet – Ottorino Respighis La fiamma, uraufgeführt 1934 in Rom und seither nur selten gespielt (darunter 1936 an der Berliner Staatsoper als deutsche Erstaufführung).

Im Mittelpunkt der sich um Machtkämpfe und Intrigen rankenden Handlung im Ravenna des 7. Jahrhunderts steht Silvana, unglücklich mit dem Exarchen Basilio in dessen zweiter Ehe verheiratet. Seine Mutter Eudossia lehnt die Schwiegertochter ab, sein Sohn Donello jedoch beginnt mit ihr eine leidenschaftliche Affäre, was am Ende in die Katastrophe führt, wenn Silvana als Hexe angeklagt wird und auf dem Scheiterhaufen endet.

„La Fiamma“ Respighis an der Deutschen Oper Berlin/Szene/Foto Monika Rittershaus

Respighis Musik ist stilistisch vielfältig, von ausladender Üppigkeit und in ihrer Dimension bis an die Schmerzgrenze gehend. Carlo Rizzi am Pult des Orchesters der Deutschen Oper Berlin gelingt es, die Sänger in ihren extrem fordernden Partien sicher zu führen und nie zu gefährden. Auch das Melos in einigen Passagen (so bei der Ankündigung von Donellos Rückkehr oder im Duett zwischen Basilio und Silvana) findet unter seine Hand gebührende Beachtung.

Eine exzellente Besetzung sichert den Erfolg. (Premiere war am 29. 9. 2024). Für die geplante Ausriné Stundyté sang die russische Sopranistin Olesya Golovneva die Silvana, unangefochten in der brennenden Intensität des Vortrags, der metallischen Durchschlagskraft, der nie versiegenden Kraftreserven und einer packenden Darstellung mit totalem körperlichem Einsatz. Barbara Drosihn hat ihr durchgehend ein kleines Schwarzes verordnet, wie ihre Kostüme überhaupt recht. eintönig und einfallslos ausfielen. In Richtung dramatisches Fach hat sich Martina Serafin entwickelt, so dass ihre Eudossia sowohl von einer präsenten tiefen Lage wie charaktervoll strengen Höhe profitierte. Oft wird Respighis Oper als eine der drei Außenseiterinnen bezeichnet. Zu Silvana und Eudossia gesellt sich die alte Agnese di Cervia, die zu Beginn von der aufgebrachten Menge als Hexe verfolgt und auf den Scheiterhaufen geschleppt wird.

„La Fiamma“ Respighis an der Deutschen Oper Berlin/Szene mit Doris Soffel/Foto Monika Rittershaus

Doris Soffel (prime of place auf dem DVD-Cover platziert) hat einen fulminanten Auftritt mit totaler stimmlicher wie darstellerischer Hingabe, vor allem wenn sie Eudossia, Silvana, Basilio und Donello verflucht, bevor sie (bzw. ihr Double) mit entblößter Brust von Flammen umringt aus dem Leben scheidet. Ihre eindringliche, unvergessliche Bühnenpräsenz (viel gerühmt und inzwischen beispielhaft in so manchen Rollen, die sie als eine große Charakterdarstellerin adeln) fügt sich dem schonungslosen stimmlichen Einsatz hinzu, wenn sie sich mit allen ihren vielfältigen Möglichkeiten total in den Dienst der Zauberin Agnese stellt. Doris Soffel ist inzwischen zu einem Synonym für erfüllte Rollenwiedergaben geworden – selten genug in unseren Tagen.

Bemerkenswerte stimmliche Leistungen gibt es auch in kleineren Partien, so von Patrick Guetti als Exorzist mit potentem Bass oder Sua Jo als Magd Monica mit lyrischem Sopranglanz, die sich gleichfalls in Donello verliebt hat und deswegen von Silvana in ein Kloster verbannt wird. Bei den Herren fällt Georgy Vasiliev etwas ab, dessen baritonal getöntem Tenor es für den jugendlichen Liebhaber Donello an Schmelz mangelt. An darstellerischem Engagement lässt er es aber nicht fehlen, so dass das Liebesduett mit Silvana zu Ende des 2. Aktes starke optische Wirkung besitzt. Seine heißblütigen Schwüre an sie im letzten Akt vermittelteln sich dagegen nicht wirklich überzeugend. Erprobt in diesem Repertoire ist der Bariton Ivan Inverardi, dessen Basilio autoritäre Kraft ausstrahlt und im Duett mit Silvana auch zu emotionalem Einsatz  findet.

Respighis „Fiamma“ gab es bereits 1936 an der Berliner Lindenoper in der Inszenierung von Rudolf Hartmann mit einer hochkarätigen Besetzung von Margarete Klose bis zu Marcel Wittrisch; Robert Heger war der Dirigent ; hier Eindrücke aus dem Programmheft/Privatbesitz

Einmal mehr glänzen der Chor und Extrachor des Hauses (Einstudierung: Jeremy Bines) sowie der Kinderchor der Deutschen Oper Berlin (Christian Landhorst), beginnend mit aufgebrachten Gesängen aus dem Off bis zur gewaltigen Hymne an Gott am Ende.

Einen irritierenden und enttäuschenden Kontrast zur musikalischen Vielfalt bildet mehr noch als im Haus selbst die nüchterne Optik der Aufführung. Herbert Murauer hat die Bühne mit braunem Holzfurnier eingefasst, als ob die Holzvertäfelung des Zuschauerraumes sich auf der Bühne fortsetzen würde. In diesem schmucklosen Interieur bietet einzig das Wiesenstück als Naturpanorama beim Öffnen einer hinteren Wand eine Abwechslung, was durch die vielen Großaufnahmen weniger die langweilige Optik unterbricht als im Saal selbst. Bernd Hoppe/S. L.

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Singen und reden

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Dietrich Fischer-Dieskau und kein Ende. Selbst nach dem Gedenken an seinen 100. Geburtstag im Mai dieses Jahres kommen Aufnahmen auf den Markt, die es zuvor auf Tonträgern nicht gab. A Centenary Tribute nennt denn SOMM Records ein Album mit Live-Produktionen vornehmlich aus London (Ariadne 5038-2). Vertonte Gedichte Goethes von Anna Amalia, der Herzogin von Sachsen-Weimar und Eisenach, Johann Friedrich Reichardt, Carl Friedrich Zelter, Richard Strauss, Max Reger und Ferruccio Busoni gelangten vom Helsinki Festival 1971 auf die Neuerscheinung. Busoni spielt im Wirken des Sängers eine wichtige Rolle. Die Titelrolle seiner Oper Doktor Faust hatte er schon in den fünfziger Jahren in Berlin auf der Bühne gestaltet und auch bei der Deutschen Grammophon eingespielt. Im neuen Album ist er zudem mit vier weiteren Busoni-Liedern aus der Londoner Festival Hall von 1962 mit Gerald Moore am Klavier vertreten. Sie liegen dem Sänger vorzüglich, weil er darin seine Neigung zur Deklamation wirkungsvoll ausleben kann. Begleitet von Karl Engel folgt eine Gustav-Mahler-Gruppe aus der Royal Festival Hall von 1970 mit drei Gesängen aus der Jugendzeit und ebenfalls drei Titeln aus den Rücker-Liedern: „Ich atmet’ einen linden Duft“, „Blicke mir nicht in die Augen“ und „Um Mitternacht“.

Seinem Höhepunkt strebt das Liedangebot mit dem immer noch selten anzutreffenden Zoltán Kodály zu, der bei dem Konzert mit dem London Symphony Orchestra am 3. Juni 1960 wiederum in der Royal Festival Hall selbst am Pult steht. Bei A közelitö tél (Der nahende Winter) und Sirni, sirni, sirni (Schrei, Schrei, Schrei) handelt es sich um Vertonungen von „Gedichten, die sich mit dem Tod befassen, im ersten indirekt und im zweiten direkt“, vermerkt der Musikjournalist Jon Tolansky im Booklet, wo alle Texte in der Originalsprache mit englischer Übersetzungen abgedruckt sind. Der erste Titel nach Versen von Daniel Berzsenyi, einem Vorreiter der ungarischen Romantik, setzt den Herbstanfang und den kommenden Winter metaphorisch mit dem Verlust von Leben gleich, während Sirni, sirni, sirni auf ein Gedicht von Endre Ady Verzweiflung hervorrufe, indem sich ein Sarg bei einer Mitternachtsbeerdigung nähere. Kádár Kata sei durch Kodalys Transkription des gleichnamigen siebenbürgischen Liedes während seiner zweiten Sammeltour von Volksmusik dieser Region entstanden. Später habe er es zunächst für Gesang und Klavier und dann für Gesang und Orchester arrangiert. Es sei ein stimmungsvolles Stück voller Melancholie, dem Thema Heimatlosigkeit angemessen. „Fischer-Dieskau, der hier in ungarischer Sprache singt, bringt die ganze Bandbreite seiner Stimmfarben … zur Geltung, um die eindringliche Atmosphäre dieser bemerkenswerten Werke zu erzeugen“, so Tolansky. Das erste und das dritte Werk geraten mit fast elf beziehungsweise gut fünfzehn Minuten formal in die Nähe von Zyklen. Fischer-Dieskau ist sehr gut in Form und erfasst das Wesen dieser impressionistisch gehaltenen Musik ganz genau. Er überwindet die Fremdsprachigkeit indem er die musikalischen Stimmungen und Vorgänge genau vermittelt. Auch wer des Ungarischen nicht mächtig ist, wird so in die Lage versetzt, dem Geschehen zumindest emotional zu folgen.

Das Album wird vervollständigt durch zwei Interviews, die Fischer Dieskau gelegentlich seines 75. und seines 80. Geburtstages gab. Gesprächspartner ist der Boooklet-Autor Jon Tolansky, der auch als Produzent in Erscheinung trat und zahlreiche namhaften Sänger und Dirigenten begegnet ist. Er kennt die Szene genau und stellt seine Fragen mit Sachverstand. Die Themen sind allerdings nicht ganz neu für jemanden, der sich in der Biografie des Sängers auskennt. Fischer-Dieskau bemüht sich um kritische Distanz, erzählt von seinen ersten musikalischen Eindrücken im Elternhaus, wo er besonderes Gefallen an Schallplatten mit Lohengrin-Musik fand. Mit Schuberts Winterreise, die ihn sein langes Künstlerleben lang beschäftigte, sei er sehr frühzeitig in Berührung gekommen durch einen Liedervortrag von Emmi Leisner. Man werde nie wirklich zum Kern dieser Liederzyklus vordringen. Aber er versuche es, sich anzunähern über vierundzwanzig Stationen des Leidens und der Leidenschaft. Der Inhalt sei im Wesentlichen derselbe, wird aber auf sehr, sehr, sehr unterschiedliche Weise behandelt. Angesprochen auf sein professionelles Bühnendebüt als Posa in Verdis deutsch gesungenem Don Carlos 1948 räumt Fischer-Dieskau ein, dass es sich um eine für einen Anfänger fast unmögliche Partie handele. Zuerst habe er sehr gezögert, sich dann aber doch darauf eingelassen. Mit der Veröffentlichung des Mitschnitts aus der Städtischen Oper Berlins unter der Leitung von Ferenc Fricsay sei er überhaupt nicht einverstanden. Doch es spiele keine Rolle. Den Dirigenten Wilhelm Furtwängler nennt der Sänger einen väterlichen Freund. Als er ihm vorschlug, Mahler zu singen, war er zunächst schockiert, weil er Mahler sein Leben lang nicht mochte. Aber dann tat er es. Die Lieder eines fahrenden Gesellen von 1952 mit Furtwängler und dem Philharmonia Orchestra haben seither Kultstatus in Sammlerkreisen. Solcherart sind die Themen und Anmerkungen von Dietrich-Fischer Dieskau den Interwies. R.W.

Vorbote großer Ereignisse

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Bunt wie der Einband, der in mindestens sechs unterschiedlichen Farben leuchtet, ist auch der Strauß von Autoren zwischen Musikstar und Musikverächter, die sich zum Thema Haydn äußern, und ebenso vielfältig sind die Themen, die behandelt werden und von der Bewahrung des Komponisten vor der Kastration bis hin zum Abhandenkommen und Wiederauffinden seines Schädels reichen. Auch die literarischen Genres sind sehr unterschiedliche, reichen vom fiktiven Dialog mit dem seit über zweihundert Jahren Verstorbenen über das erste sexuelle Erlebnis eines Fünfzehnjährigen, zu dem im Hintergrund ein Streichquartett erklingt, bis hin zur von Feminismus getragenen Verteidigung der ungeliebten Gattin des Komponisten.

Trotzdem erweist sich das Buch als sinnvoll gegliedert, indem es sechs Themenkomplexe von Die Macht der Musik über Verbindungen bis zum abschließenden Anfang und Ende gibt, jeder von ihnen drei oder vier Artikel beinhaltet, von denen jeweils wieder jedem drei Fragen an den Autor vorangestellt werden, nämlich nach dem vom Betroffenen beliebtesten Musikstück von Haydn, nach der ersten und wichtigsten Frage an den Komponisten bei einem fiktiven Treffen und eine Stellungnahme zu Haydns Meinung, die Musik sei, weil überall gleichermaßen verständlich und deshalb der Sprache überlegen. So unterschiedlich die Antworten ausfallen, zur ersten Frage von alles bis keins reichen oder auch ein ganz bestimmtes Werk nennen, so einheitlich ist der offenkundige Wille, Teil eines großen Projekts zu sein, quasi den Anstoß dazu zu geben: 2032 ist der dreihundertste Geburtstag Joseph Haydns und zwei Orchester, das Kammerorchester Basel  und  der Giardino Armonico, das eine in Basel, der andere auf Schloss Esterhazy, wollen alle 107 Sinfonien unter dem Dirigat von Giovanni Antonini aufführen. Das verkündet am Schluss des Buches der Herausgeber Alain Claude Sulzer. Ein großes Unterfangen, auch wenn die großen Oratorien, die Opern, die Streichquartette, das unermesslich vielseitige Schaffen des Komponisten, der als biederer Papa Haydn immer etwas im Schatten des genialen Wunderkinds Mozart und des tragischen Genies Beethoven stand und dessen einzige Extravaganz, nicht einmal selbstverschuldet, die Tatsache war, dass sein Schädel kurz nach seinem Tod aus dem Sarg verschwand, wahrscheinlich im Auftrag  von Franz Joseph Gall, Vertreter der Kraniometrie, geraubt und erst 1954 wieder dahin zurückkehrte, wo er hingehörte.

Mathias Ènard entwickelt in seinem Beitrag sehr viel Phantasie, allerdings besonders, um sich mit der Frage zu befassen, warum sich Henry Beyle in seinem Essay über Haydn nicht seines zweiten Namens Stendhal bediente. Ähnlich exzentrisch verfährt Lily Brett, die sich als Hasserin klassischer Musik outet und an Haydn nur seine saubere Handschrift zu loben weiß, während Eva Gesine Baur als einzige den Opernkomponisten würdigt (man hat iuhre diskutable Callas-Exegese noch in Erinnerung), wegen ihrer Liebe zum Streichquartett zur Außenseiterin wird und Philippe Claudel Sex, Lindenbaum und Haydnmusik zu einem Gesamthöhepunkt verschmelzen lässt. Seine „unkomplizierte Schlichtheit“ hält Hanns-Josef Ortheil für das hervorstechendste Merkmal Haydns, Zora del Buono beginnt noch mit Ende 50 Klavierspielen zu lernen und der Herausgeber übt sich in Spekulationen à la Was wäre wenn?

Gern hätte Haydn von Alfred Brendel gehört, dass er den berühmten Pianisten glücklich gemacht hat. Aus seinem Beitrag kann man viel Wissen über den Komponisten und eine dezidierte Meinung über dessen Stellung in der Musikgeschichte schöpfen, und er ist sicherlich einer der wertvollsten Fürsprecher für das Projekt2032. Elke Heidenreich setzt sich für die als Xantippe verunglimpfte  Gattin Haydns ein, der wirklich sehr wenig nett diese als „bestia infernale“ in die Geschichte eingehen ließ. Elke Schmitter hat ein Herz für Sängerinnen, denen es schwer fällt, gelichzeitig zu stillen und zu singen. Bei Péter Nádas erfährt man einiges über die Flora der Puszta, Stadtplanung und Sprachwissenschaft, bei Nora Gomringer über die gängigen Methoden der Kastration, der auch Haydn beinahe zum Opfer gefallen wäre, und man freut sich über ihre bilderreiche Sprache. Humorvoll befasst sich Daniel Kehlmann mit der Tatsache, dass Haydns Musik einst allgegenwärtig war, während Bruno Preisendörfer der unverzichtbaren, nur durch einen Zopf ersetzbaren Perücke humorvolle Ausführungen widmet. Je weiter man im Buch voranschreitet, desto lustiger wird es, beginnend mit Albrecht Selges  Wortspielen wie Die Erschöpfung und Lumpenfuge sowie Die sieben vorletzten Worte– allerdings von Haydns Papagei. Auch „Haydngeheymnis“ verursacht Lachfalten. Franz Hohler fährt mit dem Komponisten zum Fußballspiel Deutschland gegen Österreich, irrt sich allerdings, wenn er behauptet, Napoleon sei nicht von Adel gewesen.

Anfang und Ende“ ist der letzte Block überschrieben und veranlasste Eva Menasse zu einer „Variation über Klage, Gelächter, Anfang und Ende“ , die sich gegen eine Unterschätzung des Komponisten bei der heutigen Programmgestaltung von Sinfoniekonzerten wendet. Margriet de Moor verbindet die Rücksichtnahme des gerade Wien erobernden Napoleons auf den sterbenden Haydn mit einem Rückblick auf die Kastrationsgefahr, Thomas Meyer quält in einem fingierten Interview den Vertreter der Wiener Klassik mit elektronischer Musik vom Handy und führt schließlich seinen endgültigen Tod herbei.

Das Buch verbürgt sich für eine  vergnügliche Lektüre, kann sicherlich auch noch nicht an Haydn Interessierte für ihn gewinnen, lässt aber in einigen Beiträgen doch den Willen zur Selbstdarstellung über den, dem Komponisten gerecht zu werden, obsiegen.

Zeittafel, Biographien der Verfasser wie der Übersetzer, Alain Claude Sulzers Viel über Haydn“, Danksagungen und ein Überblick über Das Projekt Haydn2032, dem man nur ein volles Gelingen wünschen kann, beschließen das Buch (Haydn! – Eine literarische Sinfonie; Alain Claude Sulzer (Herausgeber), 312 Seiten, Extradrucke der Anderen Bibliothek Nr.484, Berlin 2025, ISBN 978 3 8477 2064 5/Abbildung oben: Joseph Haydn, Ölgemälde von Thomas Hardy, 1791). Ingrid Wanja

 

 

 

Debut

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So seltsam der Titel seiner ersten CD ist, nämlich Backstage, obwohl das Ziel eines jeden Sängers doch die Bühne sein sollte, so eigenartig sind die Fotos auf Cover und im Booklet: ein halber Kevin Amiel blickt dem Betrachter scheu entgegen, im Innern lassen sich knubbelige nackte Zehen bewundern, aber auch eine halbe Rückseite, als wolle das Bild sagen, so recht seine Welt sei die Bühne für den Tenor noch nicht. Dabei hat es nach eigenem Bekunden 16 Jahre gedauert, Jahre voller travail, sacrifices et rigueur, ehe die CD mit dem Orchestra Sinfonica G.Rossini unter Frédéric Chaslin eingespielt wurde. Das Orchester stammt aus Fano in den Marche unweit der Grenze zur Romanga und damit Pesaro und trägt so seinen Namen zu Recht. Forscht man nach der Karriere des französischen Tenors, so trifft man auf Almavivas, Rodolfos, Alfredos vorwiegend in Frankreich, aber auch auf kleine Partien wie Macolm, Normanno oder Arturo, beide die aus Lucia di Lammermoor, und sogar deutsche Partien wie Jaquino und den Offizier aus Strauss‘ Ariadne auf Naxos sind dabei.

Die CD weist vor allem die eher lyrischen Partien von Verdi (Alfredo, Duca, Macduff) und Puccini (Rinuccio, Rodolfo) dazu Belcanto mit Lucia und Il duca d’Alba sowie Elisir auf, dazu kommt Französisches ( Roméo et Juliette, Lakmé, Werther, Mireille), und um es noch populärer zu gestalten, fehlen auch Rossinis La danza, Cor‘ ‚‘ngrato und eine französisches Dein ist mein ganzes Herz nicht.

Für Verdi hat der Tenor das für diese Partien annehmbare helle Timbre, zeigt sich beweglich, trumpft ab und zu auch heldenhaft auf und hat für die Cabaletta des Alfredo eine Fermate auf dem Spitzenton. Sehr gut ist die Diktion, auch die Mittellage ist präsent, etwas ermüdend ist die fast durchweg einheitliche Lautstärke oder das  abrupte Überwechseln vom Forte ins Piano. Noch öfter als auf der CD hörbar würde man gern eine schöne Melancholie wie kurz in Ella mi fu rapita vernehmen, auch könnte der Tenor häufiger nobel klingen, wie nur ab und zu festzustellen. Der Macduff profitiert von der präsenten Mittellage. La donna è mobile wünscht man mehr Leichtigkeit.

Für die Donizetti-Partien passt das Timbre, allerdings erscheint die große Szene des Edgardo wie ein einheitlicher Kraftakt, darüber können auch eingelegte hohe Töne nicht hinwegtäuschen. Die Arie des Marcello aus dem Duca gefällt besonders in der Wiederholung von Angelo casto e bel. Nemorino erfreut mit einem schönen Schwellton und profitiert vom empfindsamen Einsatz der Stimme, La danza von Leichtigkeit und Präzision.

Puccinis Rodolfo wird etwas eintönig dargeboten, klingt in der Höhe flach, der Schluss allerdings klingt angenehm zärtlich, das Orchester zeigt sich nuancenreicher als die Stimme. Rinuccios Lob Firenzes wünscht man sich in der Höhe etwas gedeckter.

Bleiben die Franzosen, deren Roméo recht robust ist und die Extremhöhe ungefährdet erreicht, bei Géralds Arie gelingt besonders gut das Rezitativ, Werther ist empfindsam und leidenschaftlich zugleich und Vincent profitiert von der Muttersprache des Sängers.

Die Romanze geht eher in Richtung Opernarie als Canzone, die deutsche Operette verliert sicherlich nicht durch die Übersetzung ins Französische. Das Orchester ist im italienischen Fach natürlich zuhause, der Dirigent entlockt ihm auch Französisches.

Der Sänger muss sich nicht im Backstage verstecken, sondern kann selbstbewusst auf die Bühne treten (Alpha AP358). Ingrid Wanja (12.07.25)

LGBT in Bregenz

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Ganz im Zeichen lesbischer Liebe standen im Jahr 2024 die Bregenzer Festspiele, als auf dem See Agathe und Ännchen in Webers Der Freischütz einander nicht nur freundschaftlich, sondern auch sexuell zugeneigt schienen und im Festspielhaus Rossinis Tancredi zur Tancreda wurde, was immerhin mit der weiblichen Stimme für die Partie begründet werden konnte. Da wurde die Tür geöffnet für eine heiße Liebe zwischen einer Romea und einer Giulietta für Bellinis I Capuleti e i Montecchi, und wenn man an das Kastratenwesen auf der Opernbühne denkt, wird es einem schier schwindlig bei der Vorstellung, welche sexuellen Orientierungen noch in die Theater Einzug halten und jede Art von Publikum bedienen können. Ein weit größerer Irrtum ist es jedoch, eine Belcantooper inszenatorisch auf Verismo trimmen zu wollen, zugegeben lange Arien durch Action um jeden Preis „auflockern“ zu wollen, wie geschehen durch den Regisseur Jan Philipp Gloger, der eine bis ins kleinste Detail fein ausgefeilte Inszenierung auf die Bretter gestellt hatte und den eine Riesenangst davor geschüttelt haben muss, das Publikum könnte sich langweilen. Er verlegt die Rittergeschichte um Sarazenen und Christen ins Mafiamilieu heutiger Zeit, heuert zur naturalistischen Kampf-, Abmurks- und Saufgelageszenerie zu den Sängern noch eine Stunt-Men-Truppe mit  Fight Choreographer an und lässt Priester (der ansonsten gestrichene Roggiero) und Drogenhandelsbekämpfer erstechen oder erschießen, letzteren noch mit einem GAY-Schild versehen, während Tancreda vor dem Ferrara-Schluss noch trutzig eine Fahne mit dem doppelten Spiegel ausbreitet.

Ich erinnere mich an eine konzertante Rossini-Aufführung in der Deutschen Oper Berlin mit Caballé, Horne und Ramey- es war und blieb die bisher spannendste überhaupt, weil man aus Bewunderung für das sängerische Können der Stars kaum zu atmen wagte. Mit der detailverliebten Überinszenierung, in der auch noch neben vielem anderem  vom Priester à la Padre Lorenzo ein Giftfläschchen an Amenaide gereicht wird, so handwerklich perfekt sie sein mag, werden musikalische Linien zerrissen, die Aufmerksamkeit von den Sängern abgelenkt und ein trauriges Beweisstück für mangelndes Vertrauen in Musik und Sänger geliefert. Wie gesagt, es ist eine mit Einschränkungen (Italiener trinken nicht Tag und Nacht Rotwein, sondern nur zu den Mahlzeiten.) perfekte Inszenierung, die aber nicht zur Musik passt, so wenn zu einer hochdramatischen Arie Amenaide auf das Hochzeitsbild der Eltern spuckt, es auf die Erde wirft und Argirio es aufhebt und mit dem Saum seines speckigen Bademantels sauber wischt oder sich der Charakter des Orbazzano  in barbarischen Essgewohnheiten manifestiert. Es ist auch keine Lösung, den Text teilweise der Inszenierungsweise anzupassen. Dem Naturalismus der Regiearbeit entspricht die Bühne von Ben Baur, der auf der Drehbühne die Außenmauern eines vernachlässigten Palazzo mit kleinstbürgerlicher Einrichtung kombiniert, obwohl man meinen möchte, der Handel mit in Teddybären verstecktem Kokain sollte einen anspruchsvolleren Lebensstil ermöglichen.

Man weiß nicht recht, ob man es begrüßen oder bedauern soll, dass die Besetzung eine durchaus hochrangige und festspielwürdige, ihre vokalen Gaben leider an die falsche Inszenierung verschwendende ist. Rossini schrieb die Oper als Zwanzigjähriger, so verwundert nicht, dass dem Tenor noch die Vaterrolle, dem Bass die Liebhaberpartie zugeordnet ist. Antonino Siragusas Tenor passt vom Timbre her inzwischen sehr gut die erstere, und mit seiner stupenden Technik führt er allerbesten Rossinigesang mit allen Raffinessen des Ziergesangs und rasanten Cabaletten vor. Andreas Wolf imponiert eher durch die dunkle Fülle des Basses als durch vokale Raffinessen. Isaura ist hier nicht Vertraute sondern Mutter von Amenaide und findet in Laura Polverelli eine zwischen Gatten und Tochter ihre hilflose Zuneigung aufteilende Dartsellung, vokal kann sie einen leichten Wobbel nicht immer kaschieren. Kaum einen vokalen Wunsch offen lassen Mélissa Petit als Amenaide und Anna Goryachova als Tancredi. Der Sopran ist jung, frisch, klar und höchst beweglich, dazu ist die junge Sängerin noch karateerfahren. Der Mezzo ist an Ebenmaß, Geschmeidigkeit und Farbschönheit erstaunlich, das Duett „Quale per me fuesto“ ist einer der vielen akustischen Höhepunkte der DVD, aber auch die große Szene „O patria!“ samt Cabaletta „Di tanti palpiti “ wird sehr achtbar bewältigt. Yi-Chen Lin lässt es am Dirigentenpult etwas an unverzichtbarem Brio mangeln, aber insgesamt merkt man dem Orchester, den Wiener Symphonikern, an, dass sie auch mit dem italienischen Repertoire vertraut sind, genau wie der Prague Philharmonic Choir unter Lukáš Vasilek (C-Major 769208). Ingrid Wanja         

Potsdamer Festspieldokument

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Es ist verdienstvoll, wenn das Label deutsche harmonia mundi bei den Festspielen Potsdam Sanssouci offerierte Opernraritäten live mitschneidet und auf CD veröffentlicht. Jetzt erschien auf drei CDs (19658812322) der im Juni 2024 im Schlosstheater des neuen Palais gezeigte Adriano in Siria von Carl Heinrich Graun, der nach seiner Uraufführung 1746 an der Königlichen Oper zu Berlin in den Archiven verschwand. Die Handlung um den römischen Kaiser Hadrian, der den syrischen König Osroa besiegt und dessen Tochter Emirena entführt hat, basiert auf einem Libretto des berühmten Pietro Metastasio und endet nach zahlreichen Konflikten mit einem lieto fine, in welchem dem Kaiser Adriano gehuldigt wird.

Mit ihrem Ensemble 1700 garantiert Dorothee Oberlinger schon in der dreiteiligen Ouverture mit Schwung und Elan einen lebhaften Einstieg. Die Sänger begleitet sie sorgsam und inspirierend, setzt starke Akzente in den Arien und Duetten mit ihren vielfältigen Stimmungen. Eine hochkarätige Solistenriege ist versammelt, welche der Countertenor Valer Sabadus in der Titelrolle anführt. Die Stimme klingt resonant und ausgeglichen, sorgt mit der furiosen Arie „Barbaro, non comprendo“ im 3. Akt, in der auch die tiefe Lage bemerkenswert präsent klingt, für einen aufregenden Moment. Spektakulär der Auftritt des Sopranisten Bruno de Sá als Partherfürst Farnaspe, der stupende Töne in der Extremhöhe absolviert und das virtuose Zierwerk mit Koloraturen und Trillern souverän beherrscht. Als seine Verlobte Emirena ist die renommierte  italienische Sopranistin Roberta Mameli zu hören, die mit individueller Stimme und expressivem Vortrag die Figur eindrücklich profiliert. Mit de Sá hat sie am Ende des 1. Aktes ein Duett („Passi da me“) von überwältigender Wirkung, in welchem die beiden Sopranstimmen in harmonischem Zusammenklang verschmelzen. Auch Sabina, Verlobte des Kaisers, ist eine hoch notierte Partie und die britische Sopranistin Keri Fuge ist mit exzellenter Technik der Mameli ebenbürtig. Die Riege der hohen Stimmen komplettiert der italienische Sopranist Federico Fiorio als Adrianos Adjutant Aquilio mit knabenhaft leichter Stimme. Seine Arien „Saggio guerriero antico“ und „Più bella al tempo usato“ ordnen den Interpreten in das Buffo-Fach ein. Die tiefste Stimme der Besetzung gehört dem französischen Tenor David Tricou als Partherkönig Osroa. Sein Gesang ist auftrumpfend und autoritär, wie in den Arien „Sprezza il furor del vento“ und „Se mai piagato a morte“ zu hören ist.

Auf die Barberina Suite mit drei Intermezzi. welche der Italiener Massimiliano Toni im Auftrag der Musikfestspiele komponiert hatte, wurde im dhm-Mitschnitt verzichtet, diente diese doch als Klangfolie für die Ballett-Einlagen. Der Musikfreund hofft nun auf ein Tondokument vom diesjährigen (2025)  Orlando generoso Steffanis. Bernd Hoppe

Herbert von Karajan

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Die Berliner Philharmoniker haben sich in der Vergangenheit kaum oder gar nicht um die Herausgabe von Mitschnitten historischer Konzerte auch ihrer Chefdirigenten gekümmert. Die Präsentation solcher Aufnahmen übernahmen allenfalls und eher in geringem Umfang die großen Labels, für die das Orchester Tonträger aufnahm, exemplarisch die Deutsche Grammophon Gesellschaft (DG) und EMI. Noch vor der Gründung des orchestereigenen Labels der Berliner Philharmoniker (Berlin Phil Media) erwarben sich die britischen Testament Records mit der Veröffentlichung von Konzertmitschnitten große Verdienste. Hier wurden Aufnahmen mit den Dirigenten John Barbirolli, Carlo Maria Giulini, George Szell, Klaus Tennstedt und anderen veröffentlicht. Die früheren Chefdirigenten waren ebenfalls vertreten: Wilhelm Furtwängler mit herausragenden Interpretationen der Fünften und Achten Symphonie von Bruckner, Herbert von Karajan mit Werken von Beethoven, Brahms, Schönberg und Strauss. Eine besondere Rarität war die 2015 erschienene CD mit Werken von Wagner, Mendelssohn, Haydn, Grieg, Tschaikowsky u.a., die die Philharmoniker mit ihrem ersten Nachkriegsdirigenten Leo Borchard schon 1933 bis 1935 für Telefunken aufgenommen auf Schellack aufgenommen hatten.

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Es dauerte eine Weile, bis sich das Eigenlabel der Philharmoniker auf historischen Tondokumente besann und 2019 in einem großen Wurf an seinen dritten Chefdirigenten Wilhelm Furtwängler in Mitschnitten von Konzerten der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft (RRG) in den Kriegsjahren, also von 1939 bis 1945, erinnerte. Exemplarisch und auf höchstem Niveau wurde ein Kompendium Furtwänglerschen Schaffens vorgelegt.

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Nun also Herbert von Karajan, Furtwänglers Nachfolger. Karajan lebte und arbeitete zu einer Zeit, in der es große Umwälzungen und Neuerungen der Aufnahmetechnik gab. Die Berliner Philharmoniker waren mit ihrem fünften künstlerischen Leiter von Anfang an in den Medien prominent vertreten und schrieben so (wieder einmal!) ein entscheidendes Kapitel der Tonträgergeschichte (1).

Die Berliner Philharmonie im Bau 1962 in Farbe/ (c) Reinhard Friedrich/Berlin Phil Media

Ganz einsichtig ist die Logik der vorliegenden Edition nicht. Zunächst fragt man sich, warum es ausgerechnet diese 23 Konzerte sind, die nun veröffentlicht wurden. Auch der Zeitraum 1953 bis 1969 erscheint einigermaßen willkürlich. In diesen 16 Jahren gab es deutlich mehr von Karajan dirigierte Konzerte, die von einem der beiden Berliner Sender (RIAS, SFB) mitgeschnitten wurden. Hinter den Konzerten steht meist keine erkennbare Programdramaturgie. So mag die Werkzusammen­stellung für die Konzertbesucher seinerzeit ihren besonderen Wert gehabt haben, doch darüber hinaus wohl kaum. Verwunderlich ist zudem, dass neben symphonischen Werken nur fünf Instrumentalkonzerte vertreten sind; in vieren dominiert das Klavier. Konzerte für Violine oder Violoncello beispielsweise fehlen ganz.

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Ein weiterer Einwand betrifft den aufnahme-technischen Aspekt. Von den 23 Konzerten wurden die meisten, nämlich 18, monaural und nur 5 stereophon aufgezeichnet. Am Beginn stereophoner Rundfunkübertragung und Aufzeichnung stand das Eröffnungskonzert der Berliner Philharmonie am 15. Oktober 1963 mit Beethovens Neunter Symphonie. Der Mitschnitt wurde (zuletzt) in der 2008 erschienenen Edition „Im Takt der Zeit“ der Berliner Philharmoniker als rares Dokument veröffentlicht (BPH 06 06 D, CD 6, Aufnahme des RIAS). In der neuen Edition von 2024 muss man sich mit der Mono-Version zufriedengeben. Dabei war die Frühzeit stereophoner Konzertübertragungen und –Mitschnitte ein überaus spannendes Kapitel wie man im sehr informativen Beitrag „Karajan und der Berliner Rundfunk: Wiederentdeckte Klangschätze“, von Rüdiger Albrecht im Begleitbuch der Edition nachlesen kann.

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Eröffnung der Berliner Philharmonie/ (c) Reinhard Friedrich/ Berlin Phil Media

In Zusammenstellung, Aufmachung, Gestaltung und Präsentation von informativem, teils weniger bekanntem Fotomaterial ist die vorliegende Edition, wie die meisten des Philharmoniker-Eigenlabels, ein Ausnahmeprodukt, das (natürlich) nicht zu einem Discountpreis auf den Markt kommt. Für Karajan-erfahrene Hörerinnen und Hörer, aber vor allem auch jene, die ihn nicht mehr erlebt haben oder überhaupt kennenlernen möchten, ist diese Edition eine Bereicherung. Sie ist technisch up to date. Die Originalaufnahmen von RIAS Berlin und Sender Freies Berlin wurden in den renommierten Emil Berliner Studios in Berlin digitalisiert (192 kHz / 24 bit). Die Konzertmitschnitte sind sorgfältig und ausführlich dokumentiert, die jeweiligen Erstaufführungen der Werke durch die Berliner Philharmoniker nachgewiesen. Die Textbeiträge haben hohes Niveau: James Jolly (früher Chefredakteur des renommierten britischen Magazins „Gramophone“) erörtert „Karajan im Konzertsaal“ und hält am Ende fest: „Die vorliegende Edition bietet eine neue und überraschende Perspektive auf eine ungewöhnlich gut dokumentierte Karriere und zeigt uns eine andere – vielleicht ≫wahrhaftigere≪ – Seite dieses Musikers, den wir so gut zu kennen glaubten.“ – Peter Uehling, Musikkritiker und Autor einer Karajan-Biographie, analysiert Karajans Rundfunkaufnahmen eingehend als „Entwürfe der Aufbauzeit“ und geht dabei auch ein auf die Unterschiede zu Wilhelm Furtwängler ein, ferner auf die Komponisten, Konzertprogramme und die (wenigen) zeitgenössischen Werke, die in Karajans Programmen zu hören waren. Für Uehling sind diese Aufnahmen „vieles zugleich: interpretatorisches Skizzenbuch und Experimentier­feld; Dokumente eines Live-Zauberers, aber auch Bestätigung im Studio gewonnener künstlerischer Überzeugungen; Einblick in die Geschichte der Konzertdramaturgie und Überlieferung zeitgenössischer, aber nicht ewiger Musik und natürlich Dokumentation einer unendlich reichen und unendlich erfolgreichen Aufbauzeit“.

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Herbert von Karajan ca. 1963/ (c) Siegfried Lauterwasser/Berlin Phil Media

Die hier veröffentlichten Zeugnisse von Karajans Arbeit zeigen eine andere Seite des Künstlers, der als ein Prototyp des Dirigenten des 20. Jahrhunderts galt. Karajan – der professionelle Musiker, der nichts dem Zufall oder der Spontaneität überließ, der kühl kalkulierende Interpret, der stets auf Perfektion und geschliffenen Klang setzte – das ist nur eine Seite der Medaille. Die andere war im Live-Konzert zu erleben und ist hier (noch einmal) zu erfahren: eine Unmittelbarkeit des Musizierens, Spontaneität, überraschende Momente und Wendungen.

Man kann anhand der Mitschnitte studieren, wie sich das Orchester in den 1950er- und 1960er-Jahren Zeit entwickelte. Das verdeutlichen exemplarisch die Aufnahmen von Beethovens Symphonie Nr. 3 am Beginn und am Ende dieser Edition. Die „Eroica“ im Konzert vom 8. September 1953 im Titania-Palast verrät noch ein gewisses Fremdeln mit dem künftigen Chefdirigenten Karajan. Die Musiker müssen sich noch an seine Art des Dirigierens gewöhnen, so scheint es. Hier klingt der zum Zeitpunkt des Konzertes noch lebende Furtwängler doch durch bzw. nach, auch dessen ungeahntes Temperament (vgl. das sich fast überschlagende Scherzo und das sehr drängende Finale).

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Die ccc Filmstudios 1967/ (c) Siegfried Lauterwasser/ Berlin Phil Media

Besonders interessante Beispiele der Kunst Karajans und der Berliner Philharmoniker sind Interpretationen von Werken der Komponisten Brahms, Bruckner, Schubert, Schumann, Richard Strauss, Debussy, Bartók – und Ligeti. Brahms‘ Zweites Klavierkonzert ist in kongenialer Aufführung mit dem Solisten Geza Anda nachzuerleben. Der Konzertmitschnitt (schon in Stereo!) ist noch lebendiger und suggestiver, auch freier als die Studioaufnahme. Solist und Orchester musizieren sensibel und subtil miteinander, keiner sticht den anderen aus. Die Vierte Symphonie wird gelassen und nicht mit der unerbittlichen Strenge eines Furtwängler genommen. Schuberts Achte Symphonie (C-Dur D 944) imponiert zwar durch von Anfang an und in allen Sätzen bewegte, zügige Tempi, fließende Bewegung, ein schönes „brio“; der Klang ist transparent und plastisch. Allerdings dürfte eine gewisse Ruppigkeit manchen Hörer verstören. Bruckner ist mit zwei Symphonien vertreten. Die Vierte Symphonie ist detailreich und spannend inszeniert, klanglich aber trotz Stereo-Aufnahme zu flach. Mehr Eindruck macht die Achte mit großen Bögen, langem Atem, dem breit genommenen, aber nicht schleppenden Adagio. In seiner temperamentvollen Interpretation von Schumanns Vierter Symphonie (Konzert 1959) macht Karajan besonders im Finale Furtwängler (vgl. Studioaufnahme DG, 1954) deutlich Konkurrenz, übertreffen kann er den Vorgänger allerdings nicht.

Richard Strauss, dessen Werke Karajan besonders lagen, ist mit mehreren Kompositionen vertreten: Ein Heldenleben, ohne Pathos, auch mit vielen leisen Tönen, akustisch nicht ganz befriedigend. Die Vier letzten Lieder singt Elisabeth Schwarzkopf nicht so eindringlich wie in der legendären Aufnahme mit dem London Symphony Orchestra mit dem Dirigenten George Szell. Preziosen der Strauss-Interpretation bietet der Mitschnitt des Konzerts vom 30. Dezember 1965: Also sprach Zarathustra, musikalisch überaus subtil und farbig, in der Inszenierung kontrastreich, aufregend und tiefgründig, sowie Don Quixote mit den fabelhaften Solisten Pierre Fournier und Giusto Cappone als großes, kontrastreiches Poem, in dem auch eine fantastische Geschichte erzählt wird. – Debussys Prélude à l’après-midi d’un faune und Ravels Zweite Suite aus „Daphnis et Chloé“ waren von Karajan besonders geschätzte Werke. Ihr Klangzauber, den die Philharmoniker wunderbar realisieren konnten, entfaltete sich 1961 bestimmt im Konzertsaal. Das kann die Mono-Aufnahme nur begrenzt wiedergeben. Karajan hat, nicht nur in den in der Box dokumentierten frühen Jahren, der Musik des 20. Jahrhunderts keine große Aufmerksamkeit geschenkt.

Herbert von Karajan ca. 1970 /(c) Siegfried Lauterwasser/Berlin Phil Media

Das Capriccio von Rolf Liebermann in der eigenwilligen Besetzung für Sopran, Violine und Streichorchester oder Richard Rodney Bennets Aubade sind gewiss keine typischen Beispiele für die „zeitgenössische“ Musik. Ein herausragendes Werk der Moderne ist dafür György Ligetis Atmosphères (hier schon stereophon). Und dass diese Komposition mit ihrem einzigartigen Klangzauber dem Dirigenten besonders lag, verwundert nicht. Mindestens ebenso intensiv und perfekt musiziert wird Bartoks Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta – ein Schlüsselwerk des 20. Jahrhunderts und Paradestück für Orchester und Dirigent, das Wilhelm Furtwängler am 30. Januar 1938 mit den Philharmonikern in Erstaufführung vorstellte (davon gibt es leider keine Aufnahme!).

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Karajan, der Perfektionist und Klangtüftler, der Werke wieder und wieder studierte, mit dem Orchester probte und seine Interpretationen verfeinerte, bevor er ins Studio zu Aufnahmen ging, wollte eigentlich keine Live-Aufnahmen, also Mitschnitte von Konzerten. Dass einige nun aber doch veröffentlicht worden sind, ist ein Gewinn. Sie sind wichtige Dokumente, die den besonderen Reiz der Konzerte, die man seinerzeit in Berlin hören konnte, vermitteln. Vor allem sind sie oft lebendiger als die (in der Regel späteren) Studioaufnahmen. Die Berliner Philharmoniker und ihr Chefdirigent präsentieren sich „grandios anders“ (Wolfram Goertz in der „ZEIT“). Man erlebt ein freieres und impulsiveres Musizieren und Herbert von Karajan eben auch als einen „Meister des Augenblicks“ (Foto oben: Herbert von Karajan Siegfried Lauterwasser DG). Peter Heissler

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(1) vgl. dazu Helge Grünewald: Musik und Technik. Ein spannendes Kapitel in der Geschichte der Berliner Philharmoniker, in: Winzen, M. (Hrsg.): Musik! Die Entstehung eines Weltorchesters. Die Berliner Philharmoniker im 19. Jahrhundert, Oberhausen 2015.

Müde Trauer

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Ob Händel, Gluck, J. Chr. Bach oder Meyerbeer, manche deutsche Komponisten hat es nach Italien gezogen und wie Nicolai haben sie  dort auch eine Menge gelernt (letzterer auch in der Liebe). Aber nur wenige sind für immer dageblieben. Johann Simon Mayer war so einer, der nicht wiederkam. Ihm hat das Label Naxos in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Produktionen, namentlich unter dem Mayr-Exegeten und Dirigenten Franz Hauk, gewidmet. Jetzt ist eine Oper von ihm eben dort rausgekommen, deren Titel erstmal nicht so griffig klingt. Amor non ha ritegno. Übersetzt etwa Liebe kennt keine Grenzen oder Liebe kennt keine Hindernisse. Das ist ein schöner Titel, ein bisschen sperrig vielleicht. Amor ist eine opera semiseria, also eine Oper, die so ein bisschen pendelt zwischen einem ernsten Werk und einem komischen. Und man könnte diesen sperrigen Titel auch übersetzen mit Die unlustige Witwe, weil es hier genau darum geht. Es geht um eine Witwe, die anders als die Léharsche doch sehr um ihren verblichenen Gatten trauert. Sie ist aber auch eine Prinzessin und hat – wie Penelope – schon wieder einen Haufen nerviger Freier an der Backe. Die versuchen, sie rumzukriegen, und sie muss sich dieser Freier erwehren. Darum geht es hier drei Stunden lang, und es gibt einen sehr, sehr langen ersten Akt von wagnerischer Länge. Drei Viertelstunden trauert sie vor sich hin. Und dann taut sie ein bisschen auf, im zweiten Akt, der dann auch nochmal so lange dauert, und lässt sich auf einen dieser unsympathischen Freier ein. Das ist natürlich der Tenor, welche Überraschung. Und macht die Sache nicht besse. Und spricht auch nicht unbedingt für ihren Geschmack.

Musikalisch könnte es sich doch ganz lohnt haben, zu erleben, wie eine Frau den Tod ihres Mannes überwindet. Bei einem guten Komponisten. Mayr ist ein guter Komponist, muss man sagen. Und dies ist auch ein wichtiges Werk. Diese semiseria, diese Form, war wichtig für die Musikentwicklung. Die Oper wurde von – nun – Giovanni Simone Mayr für die Mailänder Scala 1804 geschrieben. Und sie fällt in eine extrem spannende Übergangszeit. Mozart ist tot, Cimarosa auch (1801), diese wichtigen Komponisten für die Oper vor Rossini, der dann später die Führung übernimmt. Und genau in diese Leerstelle stößt jetzt Mayr vor. Er war mit Abstand damals der beste Reformopernkomponist in Europa. Er hat den Weg von der Klassik zur Romantik bereitet. Seine Principessa, besagte Witwe, ist eine spannende Figur. So ein bisschen noch Mozart-Heroine, aber auch schon eine Donizetti-Heldin.

Es gibt ja bei Naxos inzwischen eine ganze Menge Musik von Mayr zu entdecken, aber er wird nicht aufgeführt. Ist er dann am Ende doch nur etwas was für einen engen Fan-Kreis? Sagen wir mal für einen mittelgroßen Fan-Kreis. In Italien war er eigentlich wichtiger als hier bei uns in Deutschland, weil er früh als junger Mann nach Italien ging und dann nur dort wirkte. Mayr hat bei allen unwidersprochenen Stärken (vor allem als Lehrer der jungen Komponisten-Generation), auch seine Schwächen, anders als sein späterer Konkurrent Rossini eben nicht. Oder sein Meisterschüler Donizetti.

Mayrs Wurzeln in der Wiener Klassik sind unüberhörbar. Manchmal nervt es, wenn er sehr hemmungslos Mozart-Anleihen macht. Ich rede hier nicht von „so klingt“ oder „so ähnlich“ oder „kleine Hommage“ oder „Anspielung“. Er hat ziemlich unverstellt  „übernommen“, geklaut, weil er wusste, dass Mozart in Italien nicht wirklich  bekannt war. Cosi zum Beispiel oder auch die Zauberflöte hat er gnadenlos für seine eigenen Opern ausgeschlachtet. Und das hört man. Wenn das heutzutage jemand machte, wäre das justiziabel.

Natürlich gibt es auch viel eigenständig Mayrsches. Was schon beeindruckt, ist, abgesehen vom melodischen und harmonischen Ideenklau, die Weiterentwicklung der Formensprache. Bei ihm ist alles opulenter, auch komplexer als bei Mozart. Die finali zum Beispiel nehmen große Ausmaße an, sind fast elefantös. Das wäre selbst für Mozart ungewöhnlich. Wir reden hier über 30 Minuten Blöcke. Und da gibt es auch diesen elegische Ton vor allem in den Arien der Witwe. Das ist schon spannend, auch aufgrund der Längen dieses Werks. Das mag sperrig wirken, aber für die damalige Zeit war das etwas Besonderes.

Simone Mayr in Italien/OBA

Die Frage ist nun, wie das jetzt bei der Aufnahme umgesetzt worden ist. Und ich finde die musikalische Seite unter Franz Haug äußerst problematisch. Wenn wir mal mit den Solisten anfangen sind da Yeree Suh und Markus Schäfer als das aristokratische Paar. Sie sind stilistisch passabel, aber auf eine so erschreckende Weise langweilig, dass das schon wieder fast an eine Kunstform grenzt. Ich habe manches dreimal gehört, weil ich es nicht fassen konnte, wie unendlich unbeteiligt diese Sänger klingen. Markus Schäfer kennt eigentlich nur einen Affekt, nämlich schmachtendes Säuseln. Und Yeree Suh hat gar keinen, klingt oft wie KI. Sie ist ein effektvolles Beispiel dafür, warum ich so gerne in Uni-Aufführungen von Opern gehe, weil da sicher nicht immer den perfekten Ton und die perfekte Technik zu erleben ist, aber man hört Leidenschaft und Enthusiasmus. Beim Rest man muss ein bisschen differenzierter urteilen. Die Sänger der Nebenrollen sind oft gar nicht so unrecht, wie Daniel Ochoa, Niklas Mallmann oder etwa Anna Veith als Kammerzofe Laurina. Das Concerto de Basso ist ein Klangkörper, der auf historischen Instrumenten spielt und das zum Teil sehr delikat und auch die orchestralen Schönheiten herausarbeitet. Der Dirigent Franz Hauck brennt für Mayr. Er ist die Seele dieser Wiederentdeckung im deutschen Raum. Aber er klingt eben auch oft sehr deutsch im nicht so schmeichelnden Wortsinne. Was für mich für mich das eigentliche Problem ist: sehr akademisch, sehr am Notenpult klebend, sehr humorlos. Man hat immer das Gefühl, sein Mayr ist nie aus Bayern rausgekommen. Man glaubt Haug einfach nicht, dass bei Mayr in Mailand Venedig das Publikum ausgeflippte. Bei Hauk und Naxos klingt alles wie Stadttheater in Ingolstadt. Und da wurde ja auch aufgenommen.

Natürlich es gibt es partielle Schönheiten zu entdecken, es gibt liebevolle Detailversessenheit. Aber zu vieles klingt konzertant im schlechten Sinne. Es fehlt dieses Brio, diese Italianità, diese chaotische Leidenschaft, die diese Musik ja auch hat und haben muss. Insofern ist die Aufnahme zweifellos ein wichtiges Dokument, und ich tue mich schwer, sie zu verreißen, weil ich den Komponisten so gerne mag. Und eigentlich ja auch Franz Haug, weil wir sonst Mayrs Werke gar nicht hören könnten. Aber vieles bleibt dann doch über Strecken viel zu langweilig. (Naxos 3 CD 8.660523-25). M. K./G. H.