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So seltsam der Titel seiner ersten CD ist, nämlich Backstage, obwohl das Ziel eines jeden Sängers doch die Bühne sein sollte, so eigenartig sind die Fotos auf Cover und im Booklet: ein halber Kevin Amiel blickt dem Betrachter scheu entgegen, im Innern lassen sich knubbelige nackte Zehen bewundern, aber auch eine halbe Rückseite, als wolle das Bild sagen, so recht seine Welt sei die Bühne für den Tenor noch nicht. Dabei hat es nach eigenem Bekunden 16 Jahre gedauert, Jahre voller travail, sacrifices et rigueur, ehe die CD mit dem Orchestra Sinfonica G.Rossini unter Frédéric Chaslin eingespielt wurde. Das Orchester stammt aus Fano in den Marche unweit der Grenze zur Romanga und damit Pesaro und trägt so seinen Namen zu Recht. Forscht man nach der Karriere des französischen Tenors, so trifft man auf Almavivas, Rodolfos, Alfredos vorwiegend in Frankreich, aber auch auf kleine Partien wie Macolm, Normanno oder Arturo, beide die aus Lucia di Lammermoor, und sogar deutsche Partien wie Jaquino und den Offizier aus Strauss‘ Ariadne auf Naxos sind dabei.
Die CD weist vor allem die eher lyrischen Partien von Verdi (Alfredo, Duca, Macduff) und Puccini (Rinuccio, Rodolfo) dazu Belcanto mit Lucia und Il duca d’Alba sowie Elisir auf, dazu kommt Französisches ( Roméo et Juliette, Lakmé, Werther, Mireille), und um es noch populärer zu gestalten, fehlen auch Rossinis La danza, Cor‘ ‚‘ngrato und eine französisches Dein ist mein ganzes Herz nicht.
Für Verdi hat der Tenor das für diese Partien annehmbare helle Timbre, zeigt sich beweglich, trumpft ab und zu auch heldenhaft auf und hat für die Cabaletta des Alfredo eine Fermate auf dem Spitzenton. Sehr gut ist die Diktion, auch die Mittellage ist präsent, etwas ermüdend ist die fast durchweg einheitliche Lautstärke oder das abrupte Überwechseln vom Forte ins Piano. Noch öfter als auf der CD hörbar würde man gern eine schöne Melancholie wie kurz in Ella mi fu rapita vernehmen, auch könnte der Tenor häufiger nobel klingen, wie nur ab und zu festzustellen. Der Macduff profitiert von der präsenten Mittellage. La donna è mobile wünscht man mehr Leichtigkeit.
Für die Donizetti-Partien passt das Timbre, allerdings erscheint die große Szene des Edgardo wie ein einheitlicher Kraftakt, darüber können auch eingelegte hohe Töne nicht hinwegtäuschen. Die Arie des Marcello aus dem Duca gefällt besonders in der Wiederholung von Angelo casto e bel. Nemorino erfreut mit einem schönen Schwellton und profitiert vom empfindsamen Einsatz der Stimme, La danza von Leichtigkeit und Präzision.
Puccinis Rodolfo wird etwas eintönig dargeboten, klingt in der Höhe flach, der Schluss allerdings klingt angenehm zärtlich, das Orchester zeigt sich nuancenreicher als die Stimme. Rinuccios Lob Firenzes wünscht man sich in der Höhe etwas gedeckter.
Bleiben die Franzosen, deren Roméo recht robust ist und die Extremhöhe ungefährdet erreicht, bei Géralds Arie gelingt besonders gut das Rezitativ, Werther ist empfindsam und leidenschaftlich zugleich und Vincent profitiert von der Muttersprache des Sängers.
Die Romanze geht eher in Richtung Opernarie als Canzone, die deutsche Operette verliert sicherlich nicht durch die Übersetzung ins Französische. Das Orchester ist im italienischen Fach natürlich zuhause, der Dirigent entlockt ihm auch Französisches.
Der Sänger muss sich nicht im Backstage verstecken, sondern kann selbstbewusst auf die Bühne treten (Alpha AP358). Ingrid Wanja (12.07.25)