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Die Veröffentlichungen des französischen Labels CVS sind stets hochwertig und informativ ausgestattet, doch die Neuaufnahme von Jean-Baptiste Lullys Atys ist eine besonders aufwändige Ausgabe mit zwei CDs, einer DVD und einer Blu-Ray (CVS113). Das Cover verzeichnet Leonardo García-Alarcón als Dirigenten und Angelin Preljocaj als Regisseur und Choreografen – eine Zusammenarbeit auf exzeptionellem Niveau. Der argentinische Dirigent leitet die von ihm 2005 gegründete Cappella Mediterranea, der französische Choreograf gründete 1984 seine eigene Compagnie, arbeitet hier aber mit dem Ballet du Grand Théâtre de Genève zusammen.
Lullys Tragédie lirique wurde 1676 in Paris uraufgeführt und sogleich als „die Oper des Königs“ eingestuft – so hoch schätzte der Monarch das Werk. Es erzählt von der Liebe der Göttin Cybele zum Jüngling Atys, der die Nymphe Sangaride liebt. Deren Hochzeit mit dem phrygischen König Célénus, einem Freund von Atys, steht bevor. Atys unterbricht die Hochzeitsfeier und flieht mit Sangaride. Cybele ruft aus Rache die Furie Alecton herbei, die Atys verhext. In Wahn hält er Sangaride für ein Ungeheuer und tötet sie. Wieder bei Sinnen, nimmt er sich das Leben und wird von Cybele in eine Pinie verwandelt.
Preljocaj inszeniert die Handlung im März 2022 in der Opéra Royal de Versailles in einer monochromen Optik. Die Bühne von Prune Nourry wird dominiert von einer hellgrauen archaischen Mauer im Hintergrund. Auch die Kostüme von Jeanne Vicérial werden von grauen Farben beherrscht, ergänzt um dunkelblaue und schwarze Töne.
Der amerikanische Tenor Matthew Newlin, dem Berliner Publikum als Tenor in der Winterreise beim Staatsballett erinnerlich, profiliert im mausgrauen Jogging-Anzug mit Kapuze die Titelrolle eindrucksvoll mit expressiver Stimme und hohem darstellerischem Engagement. Wie auch die anderen Sänger hat ihn der Regisseur/Choreograf zu erstaunlichen körperlichen Aktionen befähigt. Eine furiose Cybèle gibt Giuseppina Bridelli mit strengem Sopran, auch sie bewunderungswürdig im tänzerischen Gestus. Ein lyrischeres Naturell ist Ana Quintans eigen, die der Sangaride einen weichen Umriss verleiht. Der Bassbariton Andreas Wolf ist der sonor tönende König Célénus. Von starker Wirkung sind Preljocajs choreografierte Gruppenszenen, welche die Tänzer aus Genf mit Passion und suggestiver Körpersprache umsetzen. Nicht zuletzt trägt die Capella Mediterranea mit ihrem farbigen Spiel und dem tänzerischen Duktus, der besonders in den orchestralen Nummern (Préludes, Entrées, Ritournelles) zu faszinierender Wirkung kommt, zum Erfolg der Produktion bei. Bernd Hoppe (11.08.25)