Als ich Thomas Volles Stimme das erste Mal hörte (in der Berliner Version von Davids Oper Herculanum in den Sophiensäälen 2013), war da was an seinem gutgeführten und interessant timbrierten Tenor, das mich anrührte – was ja für einen Sänger das Ideale ist, sein Gegenüber so zu erreichen. Er hat was in der Stimme, etwas sehr Persönliches, sehr Menschliches, das mich sofort „ansprang“ und mich dazu animierte, den attraktiven wuschelköpfigen jungen Mann um ein Gespräch zu bitten, das wir dann doch in schriftlicher Form machten. Und das Ergebnis zeigt einen sehr bewussten, sehr nachdenklichen jungen Sänger, der über sich, seine Stimme und seine Kunst reflektiert. Es war doch – für mich – eine Begegnung der besonderen Art. G. H.
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Warum singen Sie? Was ist Singen für Sie, welche Gefühle/Reaktionen/Vorgänge werden ausgelöst? Singen und Musik sind mein „Schlüssel“, mein „Schleusenöffner“. Singen erfüllt mich, ist mein vielleicht wichtigstes, präzisestes und direktestes persönliches Ausdrucksmittel und Zugang zu meinen Emotionen, da es alles transportiert, gewollt oder nicht. Und Singen bereitet mir dieses besondere Glücksgefühl, das Gefühl „zu fliegen“, in Musik zu „schwimmen“. Dennoch bedeutet Singen Arbeit mit und an sich selbst, sich mit sich selbst intensiv zu beschäftigen, die richtige Balance zwischen Kopf und Bauch zu finden, sich zu entwickeln, körperlich zu arbeiten.
Was lernt man als junger Sänger? Technik! Wann, wo, wie findet man sie? Wie die eigene Stimme? „Hier bin ich“, wo fühlen Sie sich wohl? Man lernt unglaublich viel über sich selbst! Technik, Theorie, szenischer Unterricht, Partienstudium, etc. – das sind alles sehr wichtige „Werkzeuge“. Der vielleicht entscheidende Lernprozess in meinem Fall war und ist die tägliche Beschäftigung mit mir selbst: mit meiner Stimme, meinem Körper, es geht um ganzkörperliche Fitness, gezieltes Muskeltraining, Muskelstimulanz, Aufwärmen und zielgerichtetes Einsingen, Anspannung und Entspannung. Ohne diese Grundlagen geht es nicht. Dann Beschäftigung mit meiner Psyche: schauen, dass es einem gut geht, dass ich „in Stimmung“ bin, Freude am Singen – auch wenn es einem gerade überhaupt nicht gut geht, Nervosität, Ruhe (bewahren), Selbstvertrauen, Konzentration, Kontrolle und „Loslassen“, genießen, reagieren, Emotionalität. Alles Dinge, die mitspielen. Wie funktioniere ich? Was brauche ich, damit es mir gut geht, damit ich mich gut fühle? Alles, damit ich so singen und „erzählen“ kann, wie ich will und kann. Eine spannende, intensive, gelegentlich echt frustrierende, aber doch so erfüllende Beschäftigung mit mir selbst! Um die eigene Stimme zu finden, bedarf es wohl einer Kombination aus all dem, aus der aufmerksamen Beschäftigung mit sich selbst, aus vielen (Selbst-)Erfahrungen und der für einen individuell passenden Technik, vermittelt durch den oder die passenden Lehrer. Dazu das Ausprobieren, Riskieren, Fehler machen dürfen. Und Geduld haben, sich die nötige Zeit geben! Wohl fühle ich mich, wenn ich spüre, dass „alles passt“, dass die Balance stimmt, dass ich im „flow“ bin, ich loslassen und genießen kann – da spielt es nicht unbedingt eine Rolle, ob Konzertpodium oder Opernbühne, Unterrichtsraum oder im stillen Kämmerlein zuhause. Das ist dann dieser Idealzustand, den man unentwegt sucht, dieser Zustand, der einen glücklich und diesen Beruf so außergewöhnlich macht. Das ist einfach wunderbar und erfüllend – und macht süchtig!!
Umgang mit eigener Stimme? „Freund“? „Last“? Morgens testen? Superempfindlichkeit der Tenöre? Weißer Schal…? Ich glaube, ich bin kein typischer Sänger, wenn die Frage auf die typischen Vorurteile zielt… Ich bin vom Typ her ein ruhiger, eher introvertierter Mensch und habe meine eigene Art, diesen Beruf zu leben. So wie jeder andere das auch auf seine eigene Art macht. Äußerlichkeiten sind nicht unwichtig, aber sicher nicht das Wichtigste. Bestimmte „Erwartungsverhaltensweisen“ zu erfüllen, liegt mir nur bedingt. Jeder schafft sich, glaube ich, eine Art „System“, welches er braucht, um gut zu sein, Schutzmechanismen, Rituale etc.. Für mich gehören da Vorbereitung, Aufwärmen und Einsingen nach einem routinierten Muster dazu. Da weiß ich, das sind „meine“ Übungen, die funktionieren und die bringen mich und meine Stimme in die richtige „Stimmung“.Ich bin kein Übervorsichtiger, was den Umgang mit meiner Stimme angeht. Ich versuche, möglichst normal und unkompliziert damit umzugehen. Selbstverständlich achte ich darauf, dass ich und meine Stimme gesund bleiben! Ich kann aber auch mal gut ein paar Tage nicht singen, andere Dinge tun, das Leben genießen, ohne dass es mich stresst, nicht zu singen oder singen zu können. Klar, der Zeitpunkt kommt dann schon wieder, wo es kribbelt und juckt und ich singen will. Aber solche Pausen haben sich als unglaublich wertvoll erwiesen. Danach geht es dann meist sogar besser als zuvor. Insofern, meine Stimme ist mein „Freund“. Klar bleiben gewisse Einschränkungen nicht aus, aber das ist ok und die nehme ich in Kauf. Ja, das ist schon spannend, was für besonderen Menschen man in diesem Beruf begegnet – und Sänger sind da gerne mal eine besondere „Spezies“. Manchmal sehr anstrengend, oft imponierend und inspirierend, Individualisten, viele tolle Kollegen und Freunde habe ich kennengelernt. Und die Tenöre mit dem „weißen Schal“, die gibt es, wörtlich und im übertragenen Sinne. Und davon lebt das ganze Business ja auch ein gutes Stück weit. Aber wie gesagt, das muss und soll jeder so machen, wie es individuell passt. Authentisch muss es sein, sonst funktioniert es nicht. Tenöre stehen unter einer besonderen Spannung, Sing- und Sprechstimme liegen sehr weit voneinander entfernt, wir singen sozusagen in einer „unnatürlichen“ Lage. Das macht die ganze Angelegenheit im wahrsten Sinne des Wortes spannend. Und das überträgt sich auch so auf den Zuhörer. Diese angesprochenen stereotypen Äußerlichkeiten sind daher bestimmt auch ein gewisser Schutz, vielleicht ein Signal des „Besonderen“, zugleich aber eben auch die Erfüllung einer gewissen Erwartung. Ach so: „Stimme morgens antesten“? Ja! Nicht immer, aber durchaus immer wieder. Es lebt sich entspannter, wenn man weiß, dass sie „da“ ist und funktioniert…!
Sie haben eine lange Liste von Lehrern und Meisterkursen: was bleibt da fürs Eigene? Gerhaher warnt vor Lehrern, die „Eigenes“ eliminieren – wo/wie/wann findet man sich? Diesbezüglich habe ich gelernt, dass jede sängerische Entwicklung eine individuelle ist. Der Idealfall wäre auf den ersten Blick vielleicht, den „einen“ Lehrer zu finden, der zu 100% passt und der einem alles mitgeben und vermitteln kann, was man für das fordernde Sängerleben braucht. Das ist heute aber einfach extrem schwer und vielleicht sogar unrealistisch oder unmöglich. Da muss jeder den eigenen Weg finden. Die Warnung vor der Gefahr, zu viele Lehrer und „Köche“ zu haben, kann ich nachvollziehen. Das muss aber nicht zum Nachteil sein. In meinem Falle lief und läuft die Entwicklung über verschieden Phasen und Impulse. Ich bin jemand, der viel „aufsaugt“, speichert und gewissenhaft arbeitet. Auch wenn ich zum Teil hart lernen und herausfinden musste, was zu mir passt, mich weiterbringt und was nicht oder nur bis zu einem bestimmten Punkt, bin ich für jeden Impuls dankbar. Alle haben beigetragen zu dem Sänger und Menschen, der ich jetzt bin und der sich noch weiter entwickelt. Ich kenne mich besser als noch vor einigen Jahren. Dass „Eigenes“ in diesem Prozess verloren ging, glaube ich nicht. Vielmehr hat es – und tut es immer noch – mir dabei geholfen, das „Eigene“ zu finden, stimmlich, technisch, psychisch, körperlich, Wege zu finden, mich genau und mannigfaltig und mir entsprechend auszudrücken. Wie gesagt, da ist jeder verschieden. Sicherlich stimmt, dass das Schüler-Lehrer-Verhältnis ein sensibles ist. Speziell als junger Sänger ist man formbar, Vertrauen ist die Basis. Da den richtigen Weg zwischen diesem Vertrauen, äußeren Einflüssen und Meinungen sowie gesundem Selbstvertrauen und Selbsteinschätzung zu finden, ist eine große Herausforderung. Zumindest war und ist es das für mich. Wie man sich findet? Zeit ist ein wichtiger Faktor. Erst vor wenigen Wochen im Unterricht hatte ich wieder ein solches „Aha-Erlebnis“. Plötzlich hat man etwas gefunden und verstanden, mit einem Male funktioniert etwas, ist etwas ganz leicht. Etwas, was man über die Jahre immer wieder gehört hat, was verschiedene Leute auf verschiedene Art und Weise, mit verschiedenen Worten und Bildern versucht haben, einem zu vermitteln. Man war aber (noch) nicht so weit, es zu verstehen oder umsetzen zu können. Und jetzt war die Zeit reif, man war bereit – ein Glücksgefühl! Natürlich muss man sich durch kontinuierliche Arbeit sich selbst die Grundlage dafür schaffen, für diese Momente bereit zu sein.
Sie haben eine lange Repertoireliste für einen jungen Sänger. Haben Sie eine gute Agentur? Machen Sie vieles selbst? Ich weiß gar nicht, ob meine Repertoireliste ungewöhnlich lang ist. Ich habe einfach über die Jahre, auch vor dem Studium schon, versucht, „mitzunehmen“ was sinnvoll war. Ich war neugierig und offen und habe so viele Einblicke gewonnen, sehr viel gelernt, tolle und schwierige Erfahrungen gemacht und mir nach und nach das Repertoire erarbeitet. „Lehrjahre“! Trotzdem, selbst wenn ich Stücke oder Partien schon öfter gesungen habe, muss ich sie bei jedem Mal wieder meinem Entwicklungsstand anpassen, manchmal regelrecht neu lernen. Anstrengend, aber wichtig und erfrischend. Ja! Eine gute Agentur ist vor allem für den Opernbereich unerlässlich. Das ist eine Welt, die ihre eigenen Regeln hat, ohne „Zugangshilfe“ und kompetente Unterstützung sowie Kontakte ist es – meiner Erfahrung nach – fast aussichtslos. Im Konzertbereich geht bei mir noch ein guter Teil in Eigenregie. Über bestehende Kontakte, mehr und mehr und in größerem Rahmen, aber auch über „empfohlen werden“. Das ist natürlich optimal. Ein Gedanke ist durchaus, auch speziell für den Konzertbereich eine passende und gute Agentur zu finden, auch um da vielleicht die Möglichkeit zu haben, das oder die nächst höheren Level zu erreichen. Auch für meinen neuen weiteren „Markt“ in Schweden werde ich eine Agentur benötigen, die dort etabliert ist. Ich bin dran!
Rollen – wo sehen Sie sich? Lyrisch, oder doch mehr/größer? Ich sehe mich durchaus noch in der Entwicklung. Es passiert nach wie vor viel, ich entdecke nach wie vor Neues und freue mich über jeden weiteren Schritt. Schön zu sehen und fühlen und hören, dass die Arbeit Früchte trägt und mich weiter bringt. Mozart, Rossini, Händel, Donizetti und hier und da auch schon etwas „größer“, da sehe ich mich im Moment. Dann wird sich zeigen, wo die Stimme hin will, das Potential und die Voraussetzungen für Größeres hat sie. Ich bin gespannt und offen, französisches Fach, deutsches Fach, wir werden sehen. Ein bekannter Sänger meinte nach einer Probe für ein Konzert mit Mahlers Lied von der Erde in Dresden vor zwei Jahren, den „kommenden Lohengrin zu hören…Das wäre natürlich ein Traum – aber das wird die Zeit zeigen, da lasse ich mal noch einige Jahre ins Land ziehen und erstmal weit die Finger davon. Aber träumen darf man ja…!
Moderne Musik: Unterschiede zum konventionellen Repertoire? Ein Wort zu Regisseuren? Eigene Vorstellungen? Konflikte? Ein deutlicher Unterschied ist der Arbeitsaufwand. Meist benötige ich für die Erarbeitung zeitgenössischer Musik einfach mehr Zeit. Die Herausforderungen sind mannigfaltig, ungewohnte, manchmal grenzwertige stimmliche Anforderungen, komplexe Harmonik, komplizierter Rhythmus, gewöhnungsbedürftige Stimmführung, spannende (Zusammen-)Klänge, Töne, Geräusche, Text – alles will und muss verstanden und „trainiert“ werden. Hat man den Punkt erreicht, an dem alles „intus“ ist, sind die Unterschiede zum konventionellen Repertoire nicht mehr so groß. Gute und weniger gute Stücke und Kompositionen hat es immer gegeben, heute haben es zeitgenössische Werke vielleicht schwerer, angenommen zu werden – obwohl es in der Musikgeschichte genügend Beispiele gibt, dass Werke erst lange Zeit nach ihrer Entstehung populär und anerkannt wurden. In den meisten Fällen, in denen ich mit moderner Musik zu tun hatte, beschränkte sich die Arbeit leider auf ein Konzert oder ein Projekt, danach „verschwand“ das Werk wieder. In vielen Fällen sehr schade, nicht zuletzt weil der Aufwand wie gesagt sehr groß war. Und manche Stücke es wirklich verdient hätten, weiter gespielt und gehört und erlebt zu werden. Auch der Faktor „wie verkauft sich das Stück“ ist ein nicht unwesentlicher. Ich muss sagen, dass ich bisher mit Regisseuren fast durchweg gute und bereichernde Erfahrungen gemacht habe. Ich versuche, immer offen zu sein, mich von guten Ideen überzeugen zu lassen und Dinge auszuprobieren, an Grenzen zu gehen. Meine Erfahrung ist einfach, dass ich dadurch auch viel für und über mich gelernt habe. Auch wo meine Grenzen liegen, was ich kann und was ich nicht kann, was ich will und was ich nicht will, was mir hilft und was nicht, sängerisch und auf der Bühne agierend. Eigene Vorstellungen einbringen, eigene Ideen entwickeln, Dinge anbieten, das gehört absolut dazu und ist wichtig. Man steht ja selbst auf der Bühne mit seiner eigenen Persönlichkeit und Eigenheiten, die eine Rolle formen und ausfüllen. Der Regisseur schaut „von außen“, das meiste kommt von einem selbst. Muss es auch, damit es authentisch wird. Klar gibt es dabei gelegentlich Konflikte, Meinungsverschiedenheiten, verschieden Charakter prallen aufeinander. Aber jeder ist in letzter Konsequenz für sich selbst verantwortlich. Das musste ich lernen. Dazu musste ich auch erst ein paar Mal „auf die Schnauze fallen“.
Die Schwedenschiene – das ist interessant, darüber würde ich gerne mehr erfahren! Ja, die Schwedenschiene. Die hat sich so ergeben, das war nicht geplant. 2012 habe ich die Partie des „Guido“ in Donizettis erster offizieller und weitgehend unbekannter Oper Enrico di Borgogna in einer Produktion der Vadstena Akademien in Schweden gesungen. Durch den Dirigenten Olof Boman, mit dem ich davor schon mehrfach zusammengearbeitet hatte, und den Belcanto-Spezialisten Peter Berne hatte ich unabhängig von einander von diesem Projekt erfahren. Dort war man auf der Suche nach einem geeigneten Tenor für die ziemlich anspruchsvolle Partie des Guido. Beide haben mir das zugetraut, ich habe vorgesungen und die Rolle bekommen. Das Projekt war für mich sicher eines der schönsten, aber auch anstrengendsten Opernprojekte bisher. Ein ganzer Sommer in Schweden, in einem Schloss am See, tolle Kollegen, richtig gute Musik. Und ich habe dort meine Freundin kenngelernt, die Schwedin ist. So kam eines zum andern. Mittlerweile verbringe ich sehr viel Zeit in Schweden, meine Familie ist dort und ich bin dabei, einen neuen, zusätzlichen Markt zu entdecken. Ich empfinde es als tolle Chance, mich dort „neu“ präsentieren zu können, neue Kollegen, andere Traditionen, neue Eindrücke und Impulse – sehr bereichernd. Im Konzertbereich geht es schon ganz gut voran und ich freue mich über und auf richtig schöne Aufgaben, etwa als Solist in Konzerten mit dem Eric Ericson Kammarkör oder Konzerte an der Seite von großen Sängerinnen wie Nina Stemme oder Hillevi Martinpelto. Ich hoffe sehr, dass es in naher Zukunft auch klappt auf dem schwedischen Opernmarkt und ich auch dort „einen Fuß in die Tür“ bekomme.
Brauchen Sänger einen Lebensmittelpunkt? Sie haben eine kleine Tochter, wie wird das? Weniger reisen? Ich bin überzeugt davon, dass sich jeder „Sänger“ erst einmal als „Mensch“ wohl fühlen muss, um gut in seinem Beruf zu sein. Ob dazu ein fester Lebensmittelpunkt gehört, muss jeder für sich selbst entscheiden. Das muss ja auch nicht immer und unbedingt ein fester Ort sein. Ich fühle mich auf jeden Fall sehr wohl, so wie es jetzt gerade ist! Meine Familie und meine Freunde, die sind mein Lebensmittelpunkt. Eine eigene Familie, Vater einer kleinen Tochter zu sein, das empfinde ich als großes Glück, das ist ein Geschenk, das ist Leben. Und Verantwortung. Das erfüllt mich, macht mich glücklich, das ist auch die Grundlage für meinen Beruf. Wie sich das im einzelnen auswirkt, werden wir sehen und als Familie entscheiden. Natürlich will ich so viel Zeit als irgend möglich mit meiner Familie verbringen und für sie da sein, das hat Priorität. Durch meine freischaffende Tätigkeit konnten wir das bislang gut organisieren und arrangieren.
Oper – Konzert, Unterschiede? Lied: Gestaltung und Kontrolle über alles im Gegensatz zu Oper/Konzert? Lied: eigener Ausdruck und Gestaltungschancen? Winterreise etc. Lieblingskomponisten? Reifen und neu gestalten? Unterschiede gibt es natürlich wesentliche, keine Frage! Trotzdem empfinde ich keine große Diskrepanz zwischen Oper und Konzert oder Lied, zumindest was das Singen angeht. Auch wenn ich das erst lernen musste: alles erfordert „richtiges“ Singen. Sprich, alles will und muss mit der „eigenen“ Stimme gesungen werden, unabhängig von eigenen und äußeren Erwartungen, wie es zu klingen hat. Die gestalterische Freiheit und Individualität, die ich beim Liedgesang empfinde, haben eine besonderen Reiz für mich. Das macht schon sehr viel Spaß, als „alleiniger“ Sänger die „eigene Geschichte“ zu erzählen, die ganz eigene Interpretation darzubieten, in den eigenen Emotionen zu schwelgen. Wenn man dazu den richtigen Klavierpartner hat, dann ist das einfach wunderbar. Irgendwie wie Oper, nur individueller und freier, und nicht minder dramatisch! Konzerte machen einen großen und wichtigen Teil meiner Tätigkeit aus. Als Konzertsänger habe ich meine ersten Erfahrungen als Solist gemacht, das begleitet mich schon lange Zeit. Und soll es auch weiterhin. Das Repertoire ist so unglaublich reich und bunt, über alle Epochen, oft Neues, neu Entdecktes, aber auch die Werke, die immer wiederkehren – das Bach’sche Weihnachtsoratorium oder die Passionen zu Ostern, das gehört einfach dazu und ist schön und spannend, immer wieder auf´s Neue. Das Agieren auf der Opernbühne, darstellerisch und sängerisch, mit Orchester, mit Kostüm und Kulissen, interagieren, sich „austoben“, sich ganz hineinbegeben, eine ganze Partie erarbeiten, all das ist unglaublich intensiv und erfüllend, macht süchtig. Ich will und kann das eine dem andern nicht vorziehen, dazu mache ich alles einfach zu gerne und empfinde die Vielfalt als absolut bereichernd. Demnächst steht wieder einmal Schuberts Die schöne Müllerin auf dem Programm, worauf ich mich sehr freue. Das ist eine extreme Herausforderung, knapp eine Stunde Musik, in der man in einen ganz eigenen Kosmos eintaucht und eine berührende, tiefgründige Geschichte erzählt – aber eben auch fast eine Stunde am Stück singt, mit allen „Höhen und Tiefen“, unterschiedlichsten sängerischen Herausforderungen, Konzentration und Ausdauer sind gefragt, außerordentlich fordernd. Aber großartig! Und macht viel Lust auf mehr: die Winterreise steht als nächstes an, ich bin sehr gespannt darauf und freue mich aufs Einstudieren und „Eintauchen“. Die letzten Wochen habe ich viel Zeit damit verbracht, verschiedenste Aufnahmen anzuhören, das ist schon wahnsinnig spannend, interessant und inspirierend. Ich habe keinen Lieblingskomponisten, keinen, den ich über alle anderen stellen würde. Das ändert sich interessanterweise auch immer ein wenig, je nachdem womit man sich gerade beschäftigt oder wen man (neu) entdeckt. Bach spielt schon eine große Rolle in meinem Tun, mit seiner Musik bin ich ein Stück weit aufgewachsen und sie begleitet mich stets. Brahms’ Musik berührt mich sehr, Puccinis Klangwelt fasziniert mich, Wagners Opern interessieren mich mehr und mehr. Insofern, große Bandbreite und offen für Neues – ich kann mich für Musik aller Epochen und Stile begeistern. (Die Fragen stellte Geerd Heinsen)
www.thomasvolle.de https://www.youtube.com/watch?v=pKT73-6TUUU https://www.youtube.com/watch?v=yj97A0Y9QdQ
Und hier noch eine umfangreiche und beeindruckende Biographie des Tenors: Thomas Volle, in Nürtingen geboren, erhielt seinen ersten Gesangsunterricht bei den Aurelius Sängerknaben Calw, wo er als Knabe in Mozarts Zauberflöte schon früh Bühnenerfahrung sammeln konnte. 2002 begann er sein Gesangsstudium bei Thomas Quasthoff, zunächst an der Hochschule für Musik Detmold, ab 2004 an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin, wo er u.a. auch Mitglied der Liedklasse von Wolfram Rieger war. Anschließend absolvierte er ein Aufbaustudium (Konzertexamen) bei Berthold Schmid an der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig. Der junge Tenor ist Preisträger des „Frankfurter Mendelssohn-Preis 2008“ und war mehrfach erfolgreich beim Wettbewerb „Jugend musiziert“, 2001 war er auf Einladung des Deutschen Musikrates Teilnehmer der „European Summer Academy for Chamber Music“ in Blonay (Schweiz). Er absolvierte verschiedene Meisterkurse bei Charlotte Lehmann, 2007 nahm er an der Masterclass „The Art of Song“ in der Carnegie Hall in New York teil. Bereits mehrere Male war er Gast bei der Biennale Alter Musik in Berlin und beim Bachfest Leipzig und sang bei den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern, den Telemann-Tagen Magdeburg, dem Zermatt Festival, dem Internasjonale Kirkemusikkfestival Oslo sowie dem Christmas Sibirian Festival Novosibirsk oder den „Niedersächsischen Musiktagen“. Thomas Volle wirkte in zahlreichen Opernproduktionen mit, die ihn beispielsweise an das Théâtre des Champs-Elysées Paris, die Opéra de Lille, La Monnaie Brüssel, das Landestheater Detmold, das Landestheater Coburg, die Städtischen Bühnen Bielefeld oder das Schlosstheater Rheinsberg führten, und war Mitglied der Jungen Kammeroper NRW und Niedersachsen. In Berlin war er unter anderem als Oebalus in Mozarts Apollo und Hyazinth zur Wiedereröffung des Bodemuseums und in Produktionen der Hochschule für Musik Hanns Eisler als Xerxes in der gleichnamigen Oper von Händel, in Puccinis Gianni Schicchi in der Partie des Rinuccio oder als Nerone in Monteverdis L’incoronazione di Poppea zu erleben. Er war als Ferrando in Mozarts in der Jahresproduktion der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig zu hören, eine Produktion der Sasha Waltz&Guests Dance Company und des ensemble modern führte ihn mit der Uraufführung von P. Dusapins Passio nach Paris ans Théâtre des Champs-Elysées. In den letzten Jahr war Thomas Volle etwa als Tamino in Mozarts Zauberflöte beim Festival „Schärdinger Sommeroper“ (Österreich) oder bei der Uraufführung von T. Jennefelts Paulus in Berlin zu erleben, es folgten u.a. weitere Vorstellungen von Dusapins Passio in La Monnaie Brüssel sowie die Partie des Pastore in Monteverdis Orfeo im HAU1 Berlin oder die Partie des Guido in Donizettis Enrico di Borgogna in einer Produktion der „Vadstena Akademien“ (Schweden).
Zuletzt debütierte Thomas Volle u.a. als Don Ottavio in Mozarts Don Giovanni sowie in der Partie des Nureddin in P. Cornelius’ Der Barbier von Bagdad am Landestheater Coburg. Sein umfangreiches Repertoire als Konzert- und Oratoriensänger umfasst u.a. Monteverdis Marienvesper, Bachs Passionen, Oratorien und die Messe in h-Moll sowie zahlreiche Kantaten, Händels Messias, Haydns Schöpfung, Mozarts Messen und Requiem, Mendelssohns Paulus und Elias oder Honeggers Le Roi David. Er konzertierte mit Orchestern wie der Akademie für Alte Musik Berlin, der Lautten Compagney Berlin, dem Elbipolis Barockorchester, Drottningholms Barockensemble, Helsinki Baroque Orchestra, dem Leipziger Barockorchester, dem Scharoun-Ensemble, dem Solistenensemble Kaleidoskop, dem Konzerthausorchester Berlin, den Deutschen Philharmonikern, der Staatskapelle Halle, dem Akademisches Symphonieorchester Novosibirsk oder etwa dem Orquesta Filarmónica De Cámara Madrid sowie mit Chören und Ensembles wie dem Eric Ericsons Kammarkör, Dresdner Kammerchor, „I Fagiolini“, dem Philharmonischen Chor Köln, der Berliner Singakademie, der State Russian A. Yurlov Choir Capella, den Aurelius Sängerknaben Calw, dem Cäcilien-Chor Frankfurt oder der „Singakademie zu Berlin“. Seine rege Tätigkeit im Konzertbereich führt ihn regelmäßig ins Ausland und er sang in Konzerthäusern wie der Novosibirsk Philharmonia, Stockholms Konserthus, der Berliner Philharmonie, der Kölner Philharmonie, dem Konzerthaus Berlin oder der Rudolf-Oetker-Halle Bielefeld. Dabei arbeitete Thomas Volle mit Dirigenten wie Marcus Creed, Peter Schreier, Robert Hollingworth, Franck Ollu, Gintaras Rinkevičius, Olof Boman, Roland Kluttig, Wolfgang Katschner, Fredrik Malmberg, Florian Heyerick, Ralf Popken oder Wolfgang Helbich. Intensiv widmet sich Thomas Volle auch dem Liedgesang und kann dabei auf ein breit gefächertes Repertoire zurückgreifen. Zuletzt präsentierte er mit der Pianistin Katharina Landl Schuberts Die schöne Müllerin in Rattenberg (Österreich), ebenso war er in Dresden mit Mahlers Das Lied von der Erde zu hören oder gab als „Artist in Residence“ der „Vadstena Akademien“ in Vadstena (Schweden) mit dem Pianisten Magnus Svensson einen Liederabend mit einem rein schwedischen Programm. Zudem arbeitet Thomas Volle immer wieder mit verschiedenen Ensembles wie etwa dem Athesinus Consort, dem Vocalconsort Berlin oder Cappella Amsterdam; und nun im März 20016 gibt es einen Auftritt in der Alten Oper Frankfurt. (Quelle www.thomasvolle.de; Foto oben Thomas Volle als Nerone in Monteverdis „L’incoronazione di Poppea“; HfM Hanns Eisler, Berlin/ © Bella Lieberberg)