Auch ohne die „Wiederentdeckung“ durch Cecilia Bartoli 2012 gibt es immer wieder – wenn auch nur vereinzelt – Aufnahmen von Agostino Steffani (1654-1728), der in München, Hannover (Henrico Leone und andere Opern), Düsseldorf und Rom wirkte. Steffani verwendete Elemente der französischen, aber auch der deutschen Musik und verband sie geschickt mit italienischen Komponier-Gepflogenheiten seiner Zeit. Neben geistlichen Werken („Stabat mater“!) und Opern veröffentlichte der im Vatikan mit diplomatischen Aufgaben betraute Barockkomponist vor allem Kammerduette, die bis weit ins 18. Jahrhundert hinein Beliebtheit genossen. Sieben solcher Duette sind bei Brilliant classics (94969) erschienen. Die Sopranistin Elena Bertuzzi und der Tenor Alessio Tosi präsentieren die meist sieben bis acht-minütigen, koloraturreichen Stücke äußerst schlankstimmig, stilecht von drei versierten Instrumentalisten begleitet (Francesco Baroni – Cembalo, Rebecca Ferri – Violoncello, Michele Pasotti – Theorbe).
Schon aus 2010 stammen die von Romina Basso und dem ausgezeichneten Barock-Ensemble Latinitas Nostra unter Markellos Chryssicos aufgenommenen Klagen verschiedener Barock-Komponisten, die naive (V 5390) unter dem Titel „Lamento“ herausgebracht hat. So hört man neben Monteverdis berühmtem „Lamento d’Arianna“ und zwei Instrumentalstücken von Johannes Hieronymus Kapsberger (1580-1651) und Girolamo Frescobaldi (1583-1643) das „Lamento della Regina di Svezia“ von Luigi Rossi (1598-1653), von Giacomo Carissimi (1605-1674) das „Lamento in morte di Maria Stuarda“, von Barbara Strozzi (1619-1677) „Lagrime mie“ sowie „Squarciato appena avea“ von Francesco Provenzale (1624-1704). Mit volltimbriertem, in allen Lagen abgerundetem Mezzo gestaltet die italienische Sängerin die verschiedenen Totenklagen mit Leidenschaft und dramatischer Attacke.
Etwas irritierend ist der Titel „Lamento“ der bei Brilliant classics (95299) herausgekommenen CD mit sämtlichen „Mélodies“ von Henri Duparc (1848-1933), ist doch das gut drei-minütige „Lamento“ nur eines der insgesamt 16 Lieder des äußerst selbstkritischen französischen Komponisten, die erhalten geblieben sind. Seine „Mélodies“ gelten als Glanzpunkte in der Geschichte des französischen Sololieds, weil die jeweilige Stimmung und der poetische Reiz des Textes in geradezu vollendeter Weise musikalischen Ausdruck finden. Diese Ausdrucksvielfalt bringt der italienische Opernsänger Andrea Mastroni mit seinem weichen, belcantistisch geführten Bass eindrucksvoll
zur Geltung, seien es die ruhige Lyrik in „Sérénade“, „Romance de Mignon“, „Chanson triste“ oder im genannten „Lamento“, seien es die mehr erzählenden Baudelaire-Vertonungen „L‘Invitation au voyage“ und „La Vie antérieure“ oder die mit der nötigen dramatischen Attacke vorgetragene wilde Jagd in „Le Galop“, die wie eine Hommage an Schuberts „Erlkönig“ erscheint. Mit „langem Atem“ erklingen die an „Tristan“ erinnernden Mélodies „Extase“ und „Èlégie“ (wegen mancher „Wagnerismen“ hatte Duparc einige Kritik hinnehmen müssen). Der partnerschaftlich am Klavier mitgestaltende Mattia Ometto trägt nachhaltig zum Gelingen der hörenswerten Einspielung bei. Gerhard Eckels