Franz Danzi (1763-1826) ist mehr durch seine instrumentalen Kompositionen, vor allem im kammermusikalischen Bereich bekannt geblieben. Weitgehend vergessen ist dagegen, dass er auch mehrere Opern geschrieben hat und so die „Romantische Oper“ mit vorbereitete, wovon besonders sein Freund Carl Maria von Weber profitierte, den er als Dirigent in München und später in Stuttgart und Karlsruhe förderte. Die am 19. April 1813 am Karlsruher Opernhaus uraufgeführte Oper Der Berggeist ist von Danzi ausdrücklich mit der bis dahin ungebräuchlichen Bezeichnung „Romantische Oper“ versehen worden. Hier ist wie später bei der Weiterentwicklung dieses Opernkonzepts unverzichtbar, dass sich Wesen aus verschiedenen Welten begegnen, wodurch sich dramatische Verwicklungen der Menschen mit Gnomen, Elfen sowie anderen Märchen- und Fabelwesen ergeben. Der titelgebende Berggeist ist niemand anders als Rübezahl, dessen Legenden Anfang des 19.Jahrhunderts auch durch die Aufnahme in die Märchensammlung der Gebrüder Grimm weitere Verbreitung gefunden haben.
Frieder Bernius ist es zu verdanken, dass er mit „seinem“ Kammerchor Stuttgart und der
Hofkapelle Stuttgart den musikhistorisch interessanten „Berggeist“ der Vergessenheit entrissen hat. In Zusammenarbeit des SWR und dem Carus-Verlag ist als Weltersteinspielung ein Mitschnitt von konzertanten Aufführungen im April 2012 erschienen. In der rundum gelungenen Aufnahme sind die biedermeierlichen Dialog-Texte zwar ganz gestrichen, die Musiknummern dagegen nur unwesentlich gekürzt worden, so dass sich die märchenhafte Handlung gut nachvollziehbar dramatisch verdichtet:
Rübezahl, ein zynischer Verächter des Menschengeschlechts, wird dadurch bestraft, dass seine von ihm stets belächelte, mildtätige Gefährtin, die Nixenkönigin Erli, in einen hundertjährigen Schlaf versetzt und er seiner überirdischen Kräfte beraubt wird. Zu Beginn der Oper beklagt er dieses Schicksal; ein Geist sagt ihm die Wiederkehr seiner Kräfte und die Erlösung seiner Gattin durch eine „reine, heldenmüt’ge Jungfrau“ voraus. Diese ist in Anne, der Tochter des habgierigen Jacob Landenhag, schnell gefunden. Rübezahl steckt der Familie anonym einen Beutel mit 5000 Talern in Gold zu, was den Vater veranlasst, Anne zu bewegen, ihrem Verlobten Heinrich zu entsagen und auf die Rückkehr des edlen Geldgebers zu warten. Inzwischen lässt Jacob ein prächtiges Haus bauen und jagt den armen Heinrich fort; Anne aber will Jungfrau bleiben, bis sie ihn im Jenseits wiedersehen wird. Rübezahl sorgt mit seinen Dienern und Gnomen nun dafür, dass die schlafende Nixenkönigin durch Anne erlöst wird, das Haus Jacobs auf sein Geheiß in Flammen aufgeht, ohne dass Menschen verletzt werden, und die beiden Liebenden zusammenfinden, was schließlich zum Happyend mit der Schlussmoral führt: „Von des Glückes Schein betrogen, irrt der Mensch in seiner Nacht.“
Frieder Bernius sorgt mit stringenter, vorwärtsdrängender Leitung dafür, dass Danzis noch sehr der Klassik in der späten Mannheimer Tradition verhaftete, wirkungsvolle Musik mehr als nur angemessen erklingt. Dazu steht ihm ein Solisten-Ensemble mit durchweg hoher Gesangskultur zur Verfügung. So hört man in der Titelrolle Colin Balzer mit gut durchgebildetem, wandlungsfähigem Tenor; der feine, intonationsrein geführte Sopran von Sarah Wegener passt bestens zur Partie der Anne. Mit dramatischer Attacke versieht der Bariton Daniel Ochoa den geldgierigen Vater Jacob, während Tilman Lichdi klarstimmig den Verlobten Heinrich singt. Ausgewogenen Chorklang entwickelt der ausgezeichnete Kammerchor Stuttgart, und die Hofkapelle Stuttgart wird den vielfältigen instrumentalen Anforderungen der Partitur mehr als nur gerecht (Carus 83 206). Gerhard Eckels