Frauen-Oper

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Mit der Präsentation von Opern des frühen 20. Jahrhunderts (Der Schatzgräber, Das Wunder der Heliane, Francesca da Rimini) ist der Deutschen Oper Berlin eine beachtliche Erfolgsserie gelungen. Alle diese Werke hat Christof Loy inszeniert, der zu diesem Genre eine besondere Affinität besitzt. Nun hatte 2024 er sich am Haus in der Bismarckstraße einer absoluten Rarität gewidmet – Ottorino Respighis La fiamma, uraufgeführt 1934 in Rom und seither nur selten gespielt (darunter 1936 an der Berliner Staatsoper als deutsche Erstaufführung).

Im Mittelpunkt der sich um Machtkämpfe und Intrigen rankenden Handlung im Ravenna des 7. Jahrhunderts steht Silvana, unglücklich mit dem Exarchen Basilio in dessen zweiter Ehe verheiratet. Seine Mutter Eudossia lehnt die Schwiegertochter ab, sein Sohn Donello jedoch beginnt mit ihr eine leidenschaftliche Affäre, was am Ende in die Katastrophe führt, wenn Silvana als Hexe angeklagt wird und auf dem Scheiterhaufen endet.

„La Fiamma“ Respighis an der Deutschen Oper Berlin/Szene/Foto Monika Rittershaus

Respighis Musik ist stilistisch vielfältig, von ausladender Üppigkeit und in ihrer Dimension bis an die Schmerzgrenze gehend. Carlo Rizzi am Pult des Orchesters der Deutschen Oper Berlin gelingt es, die Sänger in ihren extrem fordernden Partien sicher zu führen und nie zu gefährden. Auch das Melos in einigen Passagen (so bei der Ankündigung von Donellos Rückkehr oder im Duett zwischen Basilio und Silvana) findet unter seine Hand gebührende Beachtung.

Eine exzellente Besetzung sichert den Erfolg. (Premiere war am 29. 9. 2024). Für die geplante Ausriné Stundyté sang die russische Sopranistin Olesya Golovneva die Silvana, unangefochten in der brennenden Intensität des Vortrags, der metallischen Durchschlagskraft, der nie versiegenden Kraftreserven und einer packenden Darstellung mit totalem körperlichem Einsatz. Barbara Drosihn hat ihr durchgehend ein kleines Schwarzes verordnet, wie ihre Kostüme überhaupt recht. eintönig und einfallslos ausfielen. In Richtung dramatisches Fach hat sich Martina Serafin entwickelt, so dass ihre Eudossia sowohl von einer präsenten tiefen Lage wie charaktervoll strengen Höhe profitierte. Oft wird Respighis Oper als eine der drei Außenseiterinnen bezeichnet. Zu Silvana und Eudossia gesellt sich die alte Agnese di Cervia, die zu Beginn von der aufgebrachten Menge als Hexe verfolgt und auf den Scheiterhaufen geschleppt wird.

„La Fiamma“ Respighis an der Deutschen Oper Berlin/Szene mit Doris Soffel/Foto Monika Rittershaus

Doris Soffel (prime of place auf dem DVD-Cover platziert) hat einen fulminanten Auftritt mit totaler stimmlicher wie darstellerischer Hingabe, vor allem wenn sie Eudossia, Silvana, Basilio und Donello verflucht, bevor sie (bzw. ihr Double) mit entblößter Brust von Flammen umringt aus dem Leben scheidet. Ihre eindringliche, unvergessliche Bühnenpräsenz (viel gerühmt und inzwischen beispielhaft in so manchen Rollen, die sie als eine große Charakterdarstellerin adeln) fügt sich dem schonungslosen stimmlichen Einsatz hinzu, wenn sie sich mit allen ihren vielfältigen Möglichkeiten total in den Dienst der Zauberin Agnese stellt. Doris Soffel ist inzwischen zu einem Synonym für erfüllte Rollenwiedergaben geworden – selten genug in unseren Tagen.

Bemerkenswerte stimmliche Leistungen gibt es auch in kleineren Partien, so von Patrick Guetti als Exorzist mit potentem Bass oder Sua Jo als Magd Monica mit lyrischem Sopranglanz, die sich gleichfalls in Donello verliebt hat und deswegen von Silvana in ein Kloster verbannt wird. Bei den Herren fällt Georgy Vasiliev etwas ab, dessen baritonal getöntem Tenor es für den jugendlichen Liebhaber Donello an Schmelz mangelt. An darstellerischem Engagement lässt er es aber nicht fehlen, so dass das Liebesduett mit Silvana zu Ende des 2. Aktes starke optische Wirkung besitzt. Seine heißblütigen Schwüre an sie im letzten Akt vermittelteln sich dagegen nicht wirklich überzeugend. Erprobt in diesem Repertoire ist der Bariton Ivan Inverardi, dessen Basilio autoritäre Kraft ausstrahlt und im Duett mit Silvana auch zu emotionalem Einsatz  findet.

Respighis „Fiamma“ gab es bereits 1936 an der Berliner Lindenoper in der Inszenierung von Rudolf Hartmann mit einer hochkarätigen Besetzung von Margarete Klose bis zu Marcel Wittrisch; Robert Heger war der Dirigent ; hier Eindrücke aus dem Programmheft/Privatbesitz

Einmal mehr glänzen der Chor und Extrachor des Hauses (Einstudierung: Jeremy Bines) sowie der Kinderchor der Deutschen Oper Berlin (Christian Landhorst), beginnend mit aufgebrachten Gesängen aus dem Off bis zur gewaltigen Hymne an Gott am Ende.

Einen irritierenden und enttäuschenden Kontrast zur musikalischen Vielfalt bildet mehr noch als im Haus selbst die nüchterne Optik der Aufführung. Herbert Murauer hat die Bühne mit braunem Holzfurnier eingefasst, als ob die Holzvertäfelung des Zuschauerraumes sich auf der Bühne fortsetzen würde. In diesem schmucklosen Interieur bietet einzig das Wiesenstück als Naturpanorama beim Öffnen einer hinteren Wand eine Abwechslung, was durch die vielen Großaufnahmen weniger die langweilige Optik unterbricht als im Saal selbst. Bernd Hoppe/S. L.

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