Ausfall der Titelpartie

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Transylvania State Philharmonic Orchestra und ein ebensolcher Chor lassen erst einmal sich gruselnd an Graf Dracula und sein blutiges Geschäft denken, aber rumänische Sänger wecken zugleich positive Erwartungen, selbst an eine Aufnahme von Bellinis Norma, denn rumänische Sänger sind oft für eine positive Überraschung gut, haben sie doch außer der dolcezza eines italienischen Timbres zusätzlich ein gewisses Etwas, das sie besonders interessant macht. So sieht man auch einer Norma-Aufnahme mit entsprechender Besetzung mit positiver Erwartung entgegen, die einen gehörigen Dämpfer erhält, wenn ausgerechnet die Titelpartie von einer amerikanischen Sängerin wahrgenommen wird, womit nichts generell gegen diese gesagt werden soll..

Melody Moore ist ein Vielzweck-Sopran, der sich mit Dorabella und Amneris auch im Mezzofach versucht hat, was sich in der warm klingenden, sicher beherrschten Mittellage bemerkbar macht, die einer Druidenpriesterin gut ansteht. Sie ist keine Norma. Leider zeigt sich bereits bei den Rezitativen, dass es der Stimme für die Partie an corpo fehlt, dass anstelle einer schönen Melancholie eine weniger ansprechende Larmoyanz vorherrscht, es in der Höhe oft klirrt, diese recht dünn und klingt und nicht lustvoll ausgekostet , sondern recht schnell wieder verlassen wird. Zu Beginn des zweiten Akts erfreut immerhin ein schöner canto elegiaco, in der höhenfreien Szene mit Clotilde im ersten Akt kann der Sopran angenehm ausschwingen, aber allzu oft klingt er auch affektiert, so im Duett mit Adalgisa, und immer wieder irritiert die spitze Höhe, auf der sie nicht gern verweilen möchte.

Der Tenor Stefan Pop ist Rumäne, hat eine bedeutende internationale Karriere gemacht und ist auf dem Papier erst einmal eine gute Besetzung. Pollione ist sicherlich kein Elvino, aber auch kein Canio, und Belcanto ist kein Verismo. Sein Gesang ist von Anfang bis Ende kein emphatischer, sondern viel eher martialischer, worüber auch ein gehauchtes „Adalgisa“ nicht hinwegtäuschen kann. Die Stimme klingt hart, viele Töne wirken wie gewaltsam hervorgestoßen,  in seiner Auftrittsarie mit dem Gefährten Flavio findet insbesondere in der Cabaletta ein vokales Gemetzel statt mit Timbreverfärbungen und ohne die Eleganz der Phrasierung, die hier so wichtig ist.  Da wird Belcanto auf der ersten Silbe mit einem Doppelkonsonanten geschrieben.

Ein solider Oroveso ist Adam Lau, nicht weniger, aber auch nicht mehr, denn dazu hat die Stimme zu wenig Autorität, wird sie nicht ebenmäßig genug geführt. Eusebiu Hutan als Flavio und Noemi Modra als Clotilde erfüllen ihre Aufgaben zuverlässig und mit angenehm klingenden Stimmen.

Eine ganz und gar angenehme Überraschung ist die Adalgisa von Roxana Constantinescu, die die Erwartungen, die man an rumänische Sänger hat, nicht enttäuscht. Der geschmeidige Mezzosopran klingt jung, mädchenhaft und unangestrengt und hat dabei noch Charakter und eine schöne Farbe. Die Stimme erscheint wie aus einem Guss, voll angenehmen Ebenmaßes und ohne Registerbrüche. An ihrer Darbietung hat der Hörer seine ungetrübte Freude und ihretwegen lohnt sich das Anhören der CD .

Mächtig ins Zeug legt sich der Chor, besonders die kriegslüsternen Mannen, ein erfahrener Dirigent, Pier Giorgio Morandi, weiß, dass das Orchester sich aufs Begleiten beschränken sollte, kostet aber auch genüsslich das schöne Vorspiel zum zweiten Akt aus (Euroarts 2011163). Ingrid Wanja