NEUBURGER KAMMEROPER

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Die Neuburger Kammeroper hat es sich zur Aufgabe gemacht, Opern aufzuführen, die in anderen Häusern der modernen Welt nur sehr selten oder gar nicht zu sehen sind. Diese werden während ihres kurzen Sommerfestivals im kleinen, hübschen Stadttheater in Neuburg an der Donau, einer malerischen bayerischen Stadt am Ufer der Donau, präsentiert. Das Festival findet seit 1969 statt und ist nun in seinem 57. Jahr, doch leider wird es das letzte Jahr für die Kammeroper sein, da die Stadt Neuburg ihre Fördermittel umgeschichtet hat und das Festival nicht mehr finanziert werden kann.

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Die Opern dieses Jahres werden also die letzten dieser unbekannten Werke sein: zwei Einakter des praktisch unbekannten belgischen Komponisten François-Auguste Gevaert (1828-1908), La comédie à la ville (Gent, 1849) und Le diable au moulin (Paris, 1859). Beide Opern wurden, wie es Tradition der Kammeroper ist, in deutscher Sprache gesungen, als

Neuburger Kammeroper zum letzten Mal: Gavaerts heitere Oper „So Eine Komödie!“ 2025/Szene/Foto Neuburger Kammeroper

und Der Teufel von der Mühle.

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Gevaert, geboren in Huysse, Belgien, war von seinem Vater zum Bäcker berufen, doch der Dorfpfarrer überzeugte seine Eltern, ihm seinem musikalischen Talent zu folgen, was er in Belgien tat und mit dem Prix de Rome für seine Kantate Le Roi Lear belohnt wurde. Das zweijährige Reisestipendium wurde jedoch durch die Produktion seiner ersten Oper in Gent unterbrochen, einer der beiden Opern, die in Neuburg angeboten wurden, La comédie à la ville. 1853 ließ er sich in Paris nieder und produzierte mehrere Opern an der Opéra-Comique und am Théâtre-Lyrique, darunter Le diable au moulin im Jahr 1859.

1867 trat Gevaert die Nachfolge von Halévy als Leiter der Musikakademie an und war von da an wahrscheinlich eher als Lehrer denn als Komponist bekannt. 1870 kehrte er nach Belgien zurück und wurde Direktor des Königlichen Konservatoriums in Brüssel; er war Autor zahlreicher Monografien über Musik, von denen einige noch heute konsultiert werden.

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Neuburger Kammeroper: der Prinzipal Horst Vladar/NK

Die erste seiner Opern, die in Neuburg aufgeführt wurde, war Der Teufel von der Mühle mit einem Libretto des bekannten Pariser Librettisten-Duos Eugène Corman und Michel Carré (die unter anderem auch das Libretto zu Bizets Les pêcheurs de perles verfassten). Sie handelt von Antoine, einem Müller, dessen Launenhaftigkeit ihm den Spitznamen „Teufel” eingebracht hat und der beschließt, zu heiraten. Als der Bauer Boniface mit seiner hübschen Nichte Martha zur Mühle kommt, verlieben sich die beiden ineinander. Martha gewinnt Antoine für sich, indem sie ihm ein Spiegelbild ist – wenn er die beiden Diener Toinette und Fargeau beschimpft, tut sie es ihm gleich. Wenn er in Wut gerät, passt sie sich ihm an. Ihr Nachahmen seiner Ausbrüche überzeugt ihn, aber es lehrt ihn auch, sich mit Marthas Hilfe zu beherrschen. Alles endet glücklich.

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Neuburger Kammeroper: die Prinzipali Annette Vladar/NK

So Eine Komödie! handelt vom Pariser Kaufmann Durosier, der zwei Töchter hat, Isabelle und Angéline. Er möchte sie mit den Söhnen seiner Jugendfreunde verheiraten, die er jedoch noch nie gesehen hat, aber die Töchter sind in zwei Schauspieler verliebt, Flavigny und Grandval. Als Durosier die Schauspieler als Freier ablehnt, verkleiden sie sich als die Söhne seiner alten Freunde und benehmen sich so unmöglich, dass Durosier entsetzt ist. Als er entdeckt, dass die Schauspieler ihn so gründlich getäuscht haben, belohnt er ihre Klugheit mit den Händen seiner Töchter.

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Die Musik dieser kurzen Possen ist charmant, ohne besonders einprägsam zu sein. Wie zu erwarten, waren die Ensembles die reizvollsten Teile. Ich muss zugeben, dass mir Gevaerts Durchbruchstück „La comédie à la ville“ am besten gefallen hat; es ist leicht zu verstehen, warum seine ansteckende Fröhlichkeit Gevaerts Karriere erfolgreich ins Rollen gebracht hat. Es war auch ein kleiner Schock, direkt aus München zu kommen, wo wir zwei Tage vor diesen Einakter-Opern Lohengrin gesehen hatten. Lohengrin, mit seinem gewaltigen Chor und Orchester und seinen tiefen Wurzeln in der germanischen Mythologie, ist Welten entfernt von Gevaerts Einakter-Farces, obwohl sie aus derselben Zeit stammen – La comédie à la ville wurde 1849 uraufgeführt und Lohengrin 1850. Lohengrin ist natürlich ein Meisterwerk, das nie aus dem Repertoire verschwunden ist, während Gevaerts Farces uns eine alltägliche Welt der Musikkomödie zeigen, in der der Opernbesuch der Unterhaltung diente, um die Sorgen der realen Welt vergessen zu machen. Als solche sind diese Opern Teil einer langen Tradition der französischen Unterhaltungsmusik in kurzen Dosen.

Neuburger Kammeroper 1979/NK

Die sechs Sänger der Kammeroper übernahmen alle Rollen in beiden Werken. Stephan Hönig war Boniface, der Bauer, in Der Teufel, und Durosier, der Kaufmannsvater, in Eine Komödie; Karol Bettley war der Teufelsmüller und einer der Schauspieler, während Gabriel Goebel den anderen Schauspieler und den Knecht des Müllers spielte. Sarah-Léna Winterberg war Toinette, die Magd und eine von Durosiers Töchtern, während Elisabeth Zeiler die andere Tochter und die clevere Martha spielte, die den Müller imitiert. Horst Vlader, einer der Gründer des Ensembles, spielte in beiden Werken Komprimario-Rollen. Alle Sänger waren den musikalischen Anforderungen mühelos gewachsen, gut einstudiert und witzig. Jede Oper dauerte angenehme 90 Minuten.

Georg Hermansdorfer leitete die Mitglieder des Akademischen Orchesterverbandes München e.V. Der Chor aus lokalen Teilnehmern rundete das Ganze ab. Alle schienen sich gut zu amüsieren. Annette und Horst Vlader lieferten die deutschen Übersetzungen, und Horst Vlader war der Regisseur. Die Inszenierungen der Neuburger Kammeroper sind stets traditionell und kostümiert nach den Vorgaben des Komponisten und des Librettisten.

Neuburger Kammeroper 2020/NK

Die Bühnenbilder sind einfach, aber realistisch. Das ist weit entfernt von den lächerlichen Regie-Inszenierungen von heute, wie beispielsweise Lohengrin in München. Neuburg brauchte kein Video und keine Programmnotizen, um die seltsamen und unmusikalischen Konzepte des Regisseurs zu erklären.

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Das endgültige Programm der Kammeroper listete alle Werke auf, die seit 1969 aufgeführt wurden: 73 Opern von A. Adam bis N. Zingarelli; zwei Barbier von Sevilla, keine davon von Rossini; ein Türke in Italien, aber von Seydelmann. Wer? Einige der Namen der Komponisten sind mir vage bekannt, andere habe ich zumindest noch nie gehört – wie Gevaert. Es ist traurig, dass das Ensemble verschwindet. Seine Aufgabe wird in dieser Form nicht wieder erfüllt werden können. Die Stadt Neuburg hat einen Schatz verloren (Neuburger Kammeroper 1. August, 2025; François-Auguste Gevaert; Le diable au moulin/Der Teufel von der Mühle; La comédie à la ville/So Eine Komödie). Charles Jernigan/DeepL

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Neuburger Kammeroper 1994/NK

Über den Verein: „Seit einem Vierteljahrhundert behauptet die Neuburger Kammeroper ihren unverwechselbaren Platz in der Vielfalt des sommerlichen Festspielbetriebes. Komponisten des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts, die selbst dem Fachmann kaum mehr als namentlich bekannt sind, feierten mit ihren Bühnenwerken vitale Auferstehung aus langem Archivschlaf und bewiesen, daß sie – zuverlässig und liebevoll aufbereitet – auch einem heutigen Publikum durchaus noch etwas zu sagen haben.“ (Opernwelt – Oktober 1993)

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Über die Neuburger Kammeroper und ihre letzte Produktion: Wenn man in Neuburgs historischer Altstadt das hübsche Biedermeiertheater mit seinen zwei Rängen und den zierlichen Säulchen sieht, muß man sich als „Musenjünger“ wünschen, daß darin auch Werke des Musiktheaters ein wohlgestimmtes Publikum erfreuen. Das dachte sich auch der in Neuburg aufgewachsene Opernsänger und Regisseur Horst Vladar, als er 1969 mit Freunden die Neuburger Kammeroper gründete.

Neuburger Kammeroper 2014/NK

Keiner ahnte damals, daß sich das kaum subventionierte Unternehmen über 30 Jahre halten würde. Inzwischen fördern Stadt und Landkreis die Neuburger Kammeroper soweit, daß wenigstens jeden Sommer eine Produktion auf die Bühne kommt.Dies wird nur möglich, weil außer den Gesangssolisten und dem künstlerischen Führungsteam begeisterte Amateure – Orchester, Technik, Verwaltung – mitwirken. Diese Mischung gibt trotz aller Einschränkungen dem Unternehmen seinen besonderen Reiz.

Die Neuburger Kammeroper wurde über die Region hinaus bekannt, weil sie es sich zum Programm gemacht hat, nur Opern aufzuführen, die kaum an anderen Opernhäusern zu hören sind. Wo bringt man schon Opern von Komponisten wie z. B. Salieri, Himmel, Guglielmi, Philidor, della Maria, Fischietti, Logroscino, Mehul, Martin y Soler, Schweitzer, Isouard, Morlacchi, Galuppi, Gretry, Fioravanti, Danzi, Kreutzer, Mayr, Gaßmann? Verein Neuburger Kammeroper