Bravourarien

Eine der auf den internationalen Opernbühnen begehrtesten Tenorstimmen für Mozart, den Belcanto, insbesondere aber für Rossini ,hat der Amerikaner Lawrence Brownlee, von dem es jetzt eine CD mit dem Titel Virtuoso Rossini Arias bei Delos gibt. Erwarten würde man die Arien des Almaviva aus dem Barbiere, insbesondere die selten zu hörende Bravourarie am Schluss der Oper, aber der Sänger wählte Stücke aus nicht ganz so oder wenig bekannten Werken des Komponisten aus Pesaro.

Es beginnt mit Gianettos „Vieni fra questa braccia“ aus La gazza ladra, wo bereits das erste Wort, sehnsuchtsvoll und einladend langgezogen, sehr verführerisch klingt, da die Stimme nicht zu hell, wie oft bei Rossini-Tenören, sondern angenehm farbig und gar nicht körperlos klingt. Das Timbre behält sie auch in der mühelosen Extremhöhe, im presto könnte man sich ein wenig mehr Präzision in der Diktion vorstellen. Auch in der Arie des Comte Ory zeigt sich der Sänger als alles andere als ein Schmalspurtenor, lässt schöne lyrische Passagen hören und ist perfekt in den Verzierungen. Die Höhe ist nicht nur mit Leichtigkeit erreicht, sondern erscheint auch als gut angebunden an das Fundament der Stimme. Einen gut passenden leicht melancholischen Ton hat der Tenor für die Arie des Alberto aus L’occasione fa il ladro, angemessen der Situation, in der sich die Figur befindet, die auch ein eher nachdrückliches Singen erfordert und der eine Superfermate auf dem letzten Spitzenton gut ansteht. Eine ungleich bedeutendere Rolle im Vergleich zu Verdi hat der Rodrigo in Rossinis Otello;  hier ist durchaus Heldisches gefordert, dazu viel Virtuosität, die auch darin besteht, dass der Sänger in den Wiederholungen interssante Variationen hören lässt. Nur eine kurze Passage lässt ihn etwas atemlos werden, was aber kaum ins Gewicht fällt. Umso kraftvoller wird „tradito amor“  auf die CD geschleudert, kann die Stimme am Schluss durch ihr Leuchten frappieren.

In der Arie des Idreno aus Semiramide sind besonders interessant die gut gemeisterten Intervallsprünge und der Aufbau der sich in der Intensität des Ausdrucks steigernden langen Arie. Wieder ganz anders zeigt sich der Tenor süß schmachtend in der Arie des Narciso aus  Il Turco in Italia, die er, die Kontraste in der cabaletta auskostend, vorzüglich singt. Sehr nobel  und ohne Zweifel soave gelingt mit schönem Legato die Arie des Uberto aus La donna del lago, während für den Ilo aus Zelmira eine sehr präsente Mittellage, keine gewöhnliche Gabe eines typischen Rossini-Tenors, bereit gestellt wird, ein heldisches „terra amica“ erklingt und die Höhen nicht nur erklettert, sondern auch aus dem Stand heraus sicher ereicht werden. Das Kaunas City Symphony Orchestra unter Constantine Orbelian leistet leider keinen zusätzlichen Beitrag an Rossini-Esprit, sondern beschränkt sich auf eine eher zurückhaltende Begleitung (Delos 3455).

Ingrid Wanja