Giacomo Fuga am Konzertflügel und Mario Ancillotti am Cello präsentieren mit reichlich Schwung und klanglicher Süffisanz Werke der oft sperrigen italienischen Avantgarde der 1930er Jahre. Gerade Goffredo Petrassis „Preludio, Aria e Finale“ für Cello und Klavier von 1933 gehen sie mit einer rhythmischen Kraft an, die mit robusten Cellostrichen und klar akzentuierten Klavierakkorden in das von herber Schönheit durchzogene Opus hineinzieht.
Die elegische Aria-Melodie des Mittelsatzes wächst mit seinen cantabile-Passagen für das Cello zum großen Klagegesang an, der von dichter Lyrik und emotionaler Stärke bestimmt wird. Ein energievolles, lebhaftes Presto-Finale beschließt das Werk, das erst bei mehrmaligem Hören seine ganz Substanz offenbart. Dagegen nimmt sich die erste, 1936 veröffentlichte „Sonate für Cello und Klavier“ des Turiner Komponisten Sandro Fuga (1906-1994) geradezu beherrscht aus, mit der eleganten Linie des Klaviers und den ausgeklügelten Umspielungen des Cellos. Selbst das jugendlich-tänzerische Vivace des Schlusssatzes bleibt bei allem con spirito stilistisch anspruchsvoll und harmonisch komplex. Dennoch ist auch dies eine Sonate von großer Tiefe, mit dem dunklen Gesang von Macris körperlichem Cellospiel und der Ernsthaftigkeit eines schicksalhaften Untertons im Mittelsatz. Um einiges leichtgewichtiger ist da die D-Dur Cellosonate von Francesco Cilea, die dramaturgisch klug einen hellen, melodischen Mittelpunkt der CD bildet. Ein Jugendwerk von 1888, voll überschwänglicher Einfälle, rascher Läufe und einer – Dvorak nicht ferne stehenden – lyrischen Romanze im Binnensatz, die das Cello von Massimo Macri mit großem Melodiebogen sehr sanglich vorträgt. (Naxos 8.573141)
Da hat Pianoaltmeister Bruno Canino mit Goffredo Petrassis 1936-1939 entstandenem, halbstündigem und langatmigem Klavierkonzert schon einen anderen Brocken zu knacken. Ein zwitterartiges Werk, zwischen Romantik und gemäßigter Avantgarde stehend, mit virtuosen Akkordfolgen und bei Prokofjew abgelauschten Eskapaden für den Solisten. Das Orchester scheint etwas auf der Stelle zu treten, in düster grummelnden Farben, die freilich von Francesco La Vecchias recht anonymer Zugangsweise am Pult des Orchestra Sinfonica di Roma auch nicht sonderlich belebt werden. Da wären doch einiges mehr an Eigenleben der Bläser (Hörner!) denkbar, die Sechzehntel der Streicher ersehnt man sich ein ums andere Mal akzentuierter und weniger verwischt, auch ein größeres dynamisches Spektrum der Begleitung wäre wünschenswert. So steht – vielleicht auch aufnahmetechnisch bedingt? – das konzertierende Klavier mit seinen vielen Tönen doch sehr im Mittelpunkt, während Streicherlinien im Hintergrund mehr fließen als dialogisch zu kommunizieren. Caninos Virtuosität freilich steht außer Zweifel, doch wirkt sein Interpretationsansatz auch unentschlossen zwischen den weichen Anschlägen romantischer Klangmalerei, die so manch gewagte Harmonik Petrassis geradezu zu überspielen scheinen, und den vorausblickenden Akkordtürmen einer gemäßigten Moderne. Marco Ancillotti ist da in Petrassis Flötenkonzert von 1960 konsequenter, er lässt sich auf die von Einzelstimmen und Schlagwerk akzentuierten Klangflächen bedingungslos ein, sucht keine Romantizismen und gewinnt gerade dadurch über 20 Minuten hinweg an Intensität und Überzeugungskraft. Die CD wird beendet von einer sinfonischen Suite, die Petrassi aus seinem römischen Ballett „La follia di Oralndo“ (1942/43) erstellte. Eine gemäßigte Kriegsmoderne, die in der abermals pauschalen Zugangsweise La Vecchias die rhythmische Prägnanz mehr ahnen als hören lässt. Petrassi steht hier Bartok oder Prokofjews Werken näher als Strawinskys Ballettmusiken, der ungebrochene Kriegston des abschließenden „Danza guerriera“ bleibt dann aber doch sehr zeit(geschichtlich) verhaftet. (Naxos 8.573073)
Die derzeitige Veröffentlichungsreihe mit der Einspielung von Gioacchino Rossinis vollständiger Klaviermusik durch Alessandro Marangoni für Naxos ist inzwischen bei Volume 6 angekommen. Was an Marangonis (auf dem modernen Konzertflügel) gespieltem Rossini gefällt, ist der lockere Pariser Salonton, den er selbstbewusst trifft, Schmunzeln und Augenzwinkern zwischen den Noten inbegriffen. Komponisten wie Flotow und Offenbach, zu Beginn ihrer Karrieren selbst virtuose Stars der Pariser Salons, werden hier anknüpfen. Bei Maragnoni wird nichts ernster oder schwerer genommen als es ist, auch begeht er nicht den Fehler hier Virtuosenstücke zu inszenieren, wie man das auf manch anderer Aufnahme von Rossinis „Péchés de vieillesse“, sehr zum Schaden der Piècen, hören kann. Nein, bei Marangoni klingen Chopin, Schumann oder Liszt nur dann an, wenn das Rossini auch so will. Rossinis Walzer, Polonaisen, Bagatellen, Ritornelle und musikalischen Späße („Etude astmatique“! – ein Titel wie von Satie) zünden gerade mit ihrer fingerflinken Leichtläufigkeit, der unverstellten Frische ihrer Einfälle und bei allem cantablen Gespür auch einem großen Sinn für die jeweilige Form. Das bleibt stets kurzweilig und abwechslungsreich, auch weil Maragnoni es versteht einen charakteristischen Zugang zu jeder einzelnen Nummer zu finden. Ein großes Hörvergnügen! (Naxos 8.573107)
Bestandteil des Musizierens im Salon waren auch Arrangements, Bearbeitung von Opernmelodien für virtuose Musiker. Solche Beispiele aus Italien sind auf einer „Fantasie d’opera“ überschriebenen CD festgehalten, die solche Einrichtungen des Flötisten Pietro Morlacchi (1828-1868) (nicht zu verwechseln mit dem jüngeren, als Opernkomponisten bekannten Francesco Morlacchi) und des Fagottisten Antonio Torriani (1829-1911) präsentieren. Vier zwischen zehn und fünfzehn Minuten lange Melodiefolgen aus Rossinis „Mosè in Egitto“ und „Guglielmo Tell“, aus Donizettis „Lucia di Lammermoor“ und aus Opern Verdis. Die Stücke, Mitte des 19 Jahrhunderts in Italien für ein bürgerliches Publikum entstanden, entpuppen sich beim Hören rasch als recht einfallslose Reihungen der bekannten Nummern aus den Opern. Das Klavier, hier etwas aufdringlich von Steffano Micheletti gespielt, hat kam mehr als stützende Funktion und darf modulierende Überleitungen übernehmen. Flöte und Fagott stellen die Melodien vor, variieren sie auch mal, doch mit wenig künstlerischem Gewinn, virtuose Verzierungen und umspielende Triller stehen ganz im Vordergrund. Das mag zu einer Zeit, als die akustische Reproduzierbarkeit von Musik nicht so einfach war wie heute, seinen Reitz und Sinn gehabt haben. Heute wirkt das ziemlich einfallslos, zumal Carlo Tamponi (Flöte) und Francesco Bossone (Fagott) auf ihren modernen Instrumenten zwar recht artig Läufe, Triller und Geschwindpassagen spielen, doch dabei nur wenig Faszination versprühen. Eine künstlerisch in jeder Hinsicht sehr überschaubare Veröffentlichung. (Tactus TC 820002)
Die italienische Symphonik des 19. Jahrhunderts konnte sich nicht dauerhaft im Repertoire durchsetzen, nur weniges davon kennen wir heute überhaupt noch. So ist es erfreulich, dass die bereits 2000 in Nürnberg entstandene Aufnahme eines Klavierkonzertes des Liszt-Schülers Giovanni Sgambati (1841-1914) nun bei Tactus erschienen ist. (Dort erscheint übrigens auch sein Werk für Soloklavier auf CD). Der Römer Sgambati kann als konsequenter Verfechter einer italienischen Instrumentalmusik angesehen werden, wobei sein prägenden Vorbilder mit Beethoven, Liszt und Wagner klar deutscher Provenienz waren. Bei Naxos erschien vor zwei Jahren bereits eine Einspielung der ersten seiner beiden Sinfonien. Der Pianist Francesco Caramiello hat mit den Nürnberger Philharmonikern unter Fabrizio Ventura Sgambatis, von Brahmschen Dimensionen und Formen geprägtes, dreisätziges Klavierkonzert eingespielt, das in den Jahren vor 1880 entstand. Knapp 45 Minuten kraftvolle Solokonzert-Symphonik mit weiten Motiven, dominanten Bläsersätzen und heftig zugreifendem Klavierpart. Gekonnt gemacht in seiner Abfolge von Stimmungen und Episoden, dabei ganz in der Tradition des großen romantischen Solokonzerts stehend. Die Interpretation bietet das mit gebotener orchestralen Wucht und dem zupackendem Anschlag des Solisten. Dass die Spannung über die gesamte Strecke nur schwer aufrecht zu erhalten ist, ist eher ein Problem der sich dann doch in Einzelheiten verlaufenden Komposition, als seiner Interpreten. Auch wenn die sanglichen, weit gesponnenen Themen des Klavierparts ihren Effekt nicht verfehlen, so bleibt doch wenig haften. Ganz ähnlich übrigens bei der ebenfalls auf der CD befindlichen und für Pietro Cossas Schauspiel geschriebenen sinfonischen Ouvertüre „Cola di Rienzo“ (1866), die eine Abfolge von Charakterbildern ist, ihrem ohrenkundigen Vorbild der einprägsamen und effektvollen Lisztschen Tondichtungen jedoch nicht gerecht wird. (Tactus TC 841908)
Moritz Schön