Guerrinis „Enea“

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Guido Guerrini? Wer? 401Dutchoperas.com füllt die Wissenslücke mit eine Aufnahme des Enea von Guido Guerrini (1890 – 1965), ein Titel, den Fans von Franco Corelli erinnern werden, der darin an der Scala für Aufsehen gesorgt hatte. So ist denn diese RAI-Aufnahme ihm gewidmet und mit seinem Foto geziert. Die vorliegende Einspielung bei 401DutchOperas.com/FrancoCorelli.NL stammt von 1960 und bietet bei etwas gewöhnungsbedürftigem (für mich etwas sehr bearbeitetem, elektrischem) Klang Renato Gavarini in der Titelrolle, dazu Mario Petri, Renata Mattioli, Floriana Cavalli und alles was in Italien Füße hatte in jener Zeit unter der Leitung des bewährten Armando La Rosa Parodi bei der RAI Roma. Auch hier freut man sich über das umfangreiche historische Material wie auch das Libretto. Die Oper kostet 15.- Euro, ist per Paypal zu bezahlen und anschließend zum Downloaden bereit. G. H.

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Herausgeber, Musikwissenschaftler und Corelli-Fan René Seeghers schreibt auf der website der Firma: Zum Gedenken an Franco Corellis Geburtstag am 8. April 2014 haben wir eine äußerst seltene Aufnahme in unser Archiv aufgenommen: die Aufnahme von Guerrinis Enea, in der Franco Corelli einst die Rollen des Turno und des Orfeo verkörperte (daher das sexy Foto für die Fans).

Wir feiern Francos Geburtstag mit dem 2CD langen MP3 Download von Guido Guerrinis Oper Enea, die von Franco Corelli am 11. März 1953 kreiirt wurde. Leider sind keine Aufnahmen der Uraufführung aufgetaucht, aber wie in (meinem Buch) Franco Corelli Prince of Tenors erwähnt, gibt es zumindest eine Chance, die Musik als solche zu hören, und zwar durch eine spätere Radiosendung, die auf 1960 zurückgeht.

Diese Aufnahme zeigt Renato Gavarini in Corellis Rolle des Königs Turno von den Rutuli, den ursprünglichen Bewohnern der Region Lavinium, in der Eneas nach seiner Flucht aus Troja landete. Turno fordert Lavinias Wahl für Enea heraus, was in einem Duell im Stil eines epischen Films gipfelt. Corellis zweite Rollenschöpfung in der Oper, die Stimme des Orfeo, wurde leider aus der Aufführung von 1960 gestrichen, aber wir haben das Duett zwischen Orfeo und Euridice als Bonus auf Disc 1 hinzugefügt, das aus der Aufführung von Tiemin Wang und Vera Ramer bei der Prince of Tenors Buchpräsentation in Amsterdam 2008 stammt.

Guerrini: „Enea“/Armando La Rosa Parodi/youtube

Was die Musik betrifft, so wird die Besetzung von dem wohlklingenden Bass Mario Petri angeführt. In der Hauptrolle des Protagonisten Enea ist er sowohl stimmlich als auch körperlich ein überragender Riese. Um ihn herum spielt das Beste, was Italien außerhalb der international bekannten Top 10 zu bieten hatte. Wichtig aus unserer Sicht war Renato Gavarinis Darstellung des Königs Turno von den Rutuli. Er kommt erst im dritten Akt auf die Bühne, aber es gelingt ihm sehr gut, Turnos Aufregung über den drohenden Verlust von Lavinia an Enea zu vermitteln. Das Duell zwischen Turno und Enea ist in einem epischen Filmstil gehalten, der an solche Spektakel wie Blasettis 1860 (1934) und Carmine Gallones Scipio Africanus: The Defeat of Hannibal (1937) erinnert, um nur die bekanntesten zu nennen. Bei den Damen sticht Floriana Cavalli in der Dreifachrolle der Creùsa, Didone und Lavinia hervor, wenngleich die größte Wirkung von der kämpferischen Mezzosopranistin Dora Minarchi als Sybille von Cuma ausgeht.

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Guerrini: Renato Gavarini singt den Enea/OBA

Die Handlung beginnt mit der Flucht der Trojaner vor den plündernden Griechen in Troja. Der erste Akt endet mit Creusas Prophezeiung „Doce mio sposo“, in der sie ihren Mann Enea auffordert, dorthin zu segeln, wo der Tiber ins Meer fließt; dort wird Enea seine wahre Bestimmung in der Schaffung einer neuen Nation finden! Der zweite Akt mag den Librettisten Adolfo Angeli dazu inspiriert haben, die Oper als „Mito in tre atti“ zu bezeichnen. Der Akt beginnt mit einer Szene, in der Faune und Dryaden Eneas Ankunft in Cuma, in der Nähe von Neapel, willkommen heißen. Als Enea die elysischen Felder betritt, erhält die Musik eine ansprechende, an Tarzanfilme erinnernde Atmosphäre. Nachdem Orfeos „Hymne an Apollo“ bedauerlicherweise unterbrochen wurde, setzt die Aufnahme bei der „Hymne der gefallenen Helden“ ein, nach der Enea auf Didone trifft. Kaum ein paar Minuten nach ihrem Liebesgeflüster beginnt die Königin von Karthago ihre berühmten Komplimente gegen unseren trotzigen Helden, dessen einziger Wunsch es ist, sie nach Italien zu verlassen! Der dritte Akt beginnt mit den Trojanern in der Siedlung, die heute als Lavinium bekannt ist, so benannt nach Lavinia, der lokalen Schönheit, die das Herz von Enea erobert hat. Neben dem trojanischen Anführer wird sie auch vom örtlichen König der Rutuli, Turno, begehrt. Als sie ihn erneut zurückweist, gerät er in einen Streit mit Enea, der schließlich zu einem packenden Duell im Hollywood-Stil führt, bei dem Turno unterliegt. Nachdem die Kröte die Völker unter seiner Regierung vereint hat, singt Enea weise Worte über die blühende Nation, die aus den Böden der neu gegründeten Stadt, die er Lavinium nennt, entstehen wird.

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Guerrini: „Enea“/Mario Petri singt die Titelpartie/youtube

Faszinierend an Angelis Text ist der psychologische Aufbau von Enea, dessen Besetzung mit einer Bassstimme darauf zurückzuführen ist, dass Angli ihn eher als Philosophenkönig denn als Krieger sah. Dies verlangte vom Publikum damals wie heute viel Flexibilität, aber wenn man es akzeptiert, ist es zumindest ein originelles Konzept. Bei der Uraufführung mit der zunächst lyrischen, dann dramatischen (in der Hymne an Apoolo) Tenorpartie des Orfeo herrschte noch ein gewisses Gleichgewicht in der Verteilung. Dieses Gleichgewicht wurde leider durch die Streichung der Rolle des Orfeo bei der Aufführung 1960 gestört. Was bleibt, ist ein faszinierender Versuch, die Oper neu zu erfinden, und zwar nicht auf der avantgardistischen Linie der gleichzeitig komponierten Dallapiccola-Oper Il progioniero, sondern durch die Verbindung klassischer Opernidiome von der Antike bis zu Gluck mit italienischer epischer Filmmusik der späten 1930er und 40er Jahre. Obwohl die Oper in der Presse, beginnend mit dem „statischen Libretto“, verrissen wurde, kamen solche fantasievollen mythischen Ansätze Jahrzehnte später in Mode (man denke an Henzes Bassariden). Wer unvoreingenommen ist und wer einmal Filme wie Tarzan und die Amazonen, Tarzan und die Leopardenfrau oder Tarzan und die Meerjungfrauen genossen hat, wird in Guerrinis Enea viele fantastische Momente erleben!