Immer wieder hört man von Musikkapellen in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten. Inzwischen existiert auch Literatur darüber, wobei das hier zu würdigende Buch Musik in Auschwitz die wohl älteste Publikation ist. Der Text des Geigers und Komponisten Simon Laks ist schon in mehreren Sprachen und Auflagen verbreitet gewesen. Laks, der 1983 starb, hatte sowohl vor, als auch nach seiner Internierung in Auschwitz komponiert. Auszüge seiner Werke sind auf einer dem Buch beiliegenden CD zu hören und geben einen guten Eindruck seiner originellen Tonsprache, die sich nicht selten jüdischer Volksmusik bedient. Der früh nach Frankreich ausgewanderte Pole setzte nach seiner Befreiung aus dem Konzentrationslager seine musikalische Tätigkeit fort.
Bemerkenswert ist der Ansatz dieses Buches: Der Autor vermeidet soweit möglich die Schilderung grausamer Details des Lagerlebens, überwölbt seine Erzählung vielmehr mit einer ironischen Distanz, die ihm wohl das Schreiben, und dem Leser die Lektüre erst möglich und erträglich machen. Auch in dieser Form verliert das, was Laks zu sagen hat, keineswegs an Schrecken. Was ihm gelingt, ist eine plausible Erklärung für die Existenz der Musikkapellen in den Lagern. Sie waren natürlich keineswegs zur Erbauung der Häftlinge gedacht, vielmehr dienten sie der Motivation des Personals, bis hinauf zu den höheren Chargen der SS. Laks räumt auf mit der sentimentalen Mähr, die Schönheit der Musik hätte auch den Geschundenen Trost gespendet. Nüchtern stellt er fest, dass die Musik größtenteils wohl schauderhaft schlecht geklungen hat, nur ein Teil der Kapellen waren jeweils Berufsmusiker, zudem fehlte es an Notenmaterial. Der Segen für die Musizierenden bestand in dem zumindest temporären Schutz vor Schwerstarbeit oder dem Weg ins Gas. Sie waren nicht so leicht zu ersetzen, und ihre Hände mussten für das Spiel geschont werden. Der Autor gehört zu den wenigen Glücklichen, denen durch die Musik in Auschwitz das Überleben gelang. Seine Schilderung ist ein bedeutendes Dokument, dem Musikverlag Boosey & Hawkes, der auch Laks‘ Musik verlegt, ist für diese Neuausgabe zu danken. (2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, 176 Seiten, ISBN 3793140822).
Peter Sommeregger