Aafhe Heynis

 

„Wer war doch noch …?“:   In unserer Serie über weitgehend vergessene Sänger erinnern wir an uns wichtige Personen, die oft nur wenige oder keine Spuren hinterlassen haben, die aber für ihre Zeit und für den Fortbestand von Oper und Konzert so immens wichtig gewesen sind. Es waren und sind ja nicht allein die Stars, die die Oper am Laufen halten, sondern die Sänger der Nebenrollen und Komparsen, auch die Provinzsänger, die Diven und Heroen aus den kleineren Orten, wo Musik eine ganz andere Rolle spielte als hochgehypt in den großen Städten. Vor allem vor dem Krieg, aber auch in den Fünfzigern und Sechzigern hatte allein in Deutschland jedes der 36 und mehr Theater seine eigene Primadonna, seinen Haustenor und  langlebigen Bariton, die von der Operette bis zu Mozart und Wagner alles sangen. Das macht Oper aus. Nicht (oder nicht nur) die Auftritte der umjubelten Stars.

 

Bereits im Dezember 2015 starb die große holländische Altistin Aafje Heynis, und es ist bezeichnend für diese bescheidene und zutiefst „normale“ Künstlerin, dass wenig Aufhebens von ihrem Tode gemacht wurde – in Deutschland gab es kaum eine Meldung, auch nicht sonderlich viele im internationalen Ausland. Im eigenen Land brachte die wichtige website der Dutch Divas einen bewegenden Nachruf. Aber eigentlich ging Afje Heynis aus der Welt der Musik, wie sie gekommen war: unauffällig.

Afje Heynis in einer ihrer wenigen Bühnen rollen als Cornelia in Händels "Giulio Cesare"/ theaterencyclopedie.nl

Aafje Heynis in einer ihrer wenigen Bühnenrollen als Cornelia in Händels „Giulio Cesare“/ theaterencyclopedie.nl

Dabei gehörte sie zu den bedeutendsten Konzertsängerinnen ihrer Zeit. Ihre dunkle, volle und absolut strömende Altstimme ist auf unendlich vielen Aufnahmen bei Philips (und einigen wenigen EMI-Einspielungen) zu hören. Sie sang alles, was ihr Repertoire hergab, von Vivaldi und Monteverdi bis zu Mahler und der Moderne. Viele ihrer wunderbaren Aufnahmen bleiben im Gedächtnis, so das „Urlicht“ oder ihr „Buß´und Reu“, aber auch ihr Orfeo (von dem es bei EMI große Ausschnitte gibt) oder „Du bist die Ruh“ ebenso wie Schuberts „Ave Maria“. Der Zuhörer ist erfüllt von diesem beglückenden, satten und versichernden Klang, von diesem zutiefst protestantischen Gefühl der Hingabe an ihren Gott, von der Ernsthaftigkeit und Seriosität ohne jeden billigen oder extramusikalischen Effekt. 1983 gab sie ihren letzten Auftritt, bevor die tückische Alzheimer-Krankheit sich ihrer bemächtigte. Auf ihren vielen Aufnahmen lebt sie fort in unserem Gedächtnis. Danke dafür! G. H.

 

Afje Heynis im Konzert/ youtube

Aafje Heynis im Konzert/ youtube

Eine Biographie  findet sich in dem unverzichtbaren Kutsch/Riemens Opernlexikon: Heynis, Aafje, Alt, geb.  2.5.1924 Krommenie – gest. 17. Dezember 2015 in Blaricum/Huizen) ; Ausbildung seit 1946 durch Aaltje Noordewier-Reddingius in Hilversum, später durch Laurens Bogtman. Nachdem sie zuerst in Kirchenkonzerten aufgetreten war, sang sie 1958 zusammen mit dem Amsterdamer Concertgebouw Orchester die Alt-Rhapsodie von Brahms. Seitdem sehr große Erfolge als Konzert und Oratorien-Altistin in Holland, aber auch in Deutschland, Belgien, Frankreich und in der Schweiz. Auf der Bühne ist die Künstlerin nur einmal aufgetreten, und zwar 1956 in Amsterdam im »Wildschütz« von Lortzing. Sie setzte ihre Karriere bis 1984 fort. – Die üppige Altstimme der Sängerin wurde durch eine stilvolle Beseelung des Vortrages ausgezeichnet.

aafje-heynis-4861438Schallplatten: Philips (2. und 3. Sinfonie von Gustav Mahler), HMV (Querschnitt durch Glucks »Orpheus«), Telefunken (Madrigale und Concerti von Monteverdi), CRA-Rivo Alto (»Sulla Passione di Cristo« von Vivaldi) und viele, viele mehr.

[Nachtrag] Heynis, Aafje; sie war auch Schülerin von Roy Henderson. Sie trat als Konzertsolistin in Österreich, in England und Irland sowie in einer großen Asien-Tournee auf. 1969 erschien sie ein weiteres Mal auf der Bühne, und zwar in Amsterdam in »Giulio Cesare« von Händel. Sie lebte dann in Blaricum in Holland und betätigte sich im pädagogischen Bereich am Konservatorium von Arnheim; hier war die bekannte Sopranistin Charlotte Margiono eine ihrer Schülerinnen. Nachdem sie einen französischen Musikologen geheiratet hatte, verlegte sie ihren Wohnsitz nach Limoges. – Schallplatten: Philips (Liedaufnahmen und Ausschnitte aus Oratorien).

[Lexikon: Heynis, Aafje. Großes Sängerlexikon, S. 10806/ (vgl. Sängerlex. Bd. 6, S. 374) (c) Verlag K.G. Saur], Aafje. Großes Sängerlexikon, S. 10805 (vgl. Sängerlex. Bd. 2, S. 1586; Sängerlex. Bd. 6, S. 374) (c) Verlag K.G. Saur] Foto oben Aafje Heynis/ twitter/ NPO Radio 4 @NPORadio4