Solo Strauss

.

Ihre erste CD bei Sony war noch ein wildes Mit- und Durcheinander von italienischer, deutscher, slawischer Musik, und sogar ein bisschen Operette war auch dabei nebst einem Puccini-Duett mit Jonas Kaufmann. Auf der zweiten CD nun gibt es keinen Star-Kollegen als schmückendes Beiwerk dafür aber ein so nachvollziehbares wie sinnvolles Programm mit Richard Strauss‘ Vier letzten Liedern und der Mondscheinmusik plus anschließendem Monolog der Gräfin aus Capriccio. Fast gleichzeitig mit dem Erscheinen der CD sollte eigentlich an der Deutschen Oper Berlin Arabella mit dem Sopran in der Titelpartie Premiere feiern. Diese aber sagte Rachel Willis-Sørensen ab, und peu à peu trat sie auch von allen weiteren Vorstellungen zurück.

Dabei beweist ihre Strauss-CD, dass die amerikanische Sängerin das Rüstzeug für den bajuwarischen Komponisten hat, sie sang bereits mehrfach die Marschallin und  2021 in Paris die Vier letzten Lieder, die sie zudem zur Geburtstagsfeier von damals noch Prince Charles im Buckingham Palace zu Gehör brachte.

Nicht nur die Lieder sind die letzten die Strauss komponierte, auch die Oper Capriccio ist sein letztes Bühnenwerk, 1942, ein Jahr vor  der Bombardierung der Münchner Staatsoper, entstanden, während die Lieder nach Kriegsende in den Jahren 1946 bis 1948 komponiert  und erst posthum von Kirsten Flagstad im Jahre 1950 uraufgeführt wurden. Fassungslos hatte der Komponist vor den Trümmern des Opernhauses gestanden, dessen Verlust er als den erschütterndsten seines Lebens empfand, das Schicksal Dresdens und Weimars beklagte er später, und man kann darüber spekulieren, wie viel von diesen Empfindungen in sein letztes Werk eingeflossen ist.

Es beginnt mit dem fast zwei Oktaven umfassenden Frühling, in dem der Sopran beweisen kann, dass er über die notwendigen Voraussetzungen für eine Beschäftigung mit Strauss verfügt, über eine sichere Höhe, die ein A im Pianissimo nicht scheuen muss, ein reiches Farbspektrum, eine Reife und Fülle, die es mit einem robusten Orchesterklang aufnahmen können, das feine Umspielen von „selige“. Unüberhörbar ist aber leider auch die verwaschene Diktion, die man einem Strauss-Sopran notgedrungen in einer der berüchtigten Opernpartien noch verzeihen muss, nicht aber im Liedgesang, vor allem wenn der Dirigent Andris Nelsons und das Gewandhausorchester Leipzig keinerlei Anlass dafür geben. In September erfreuen die weitgespannten Bögen und Klanggirlanden, das verhangene „trauert“ und das matte „leise“. Eine gute Mittellage und eine aufblühende Höhe werden für Beim Schlafengehen eingesetzt, während das Orchester zwischen der zweiten und dritten Strophe seine hervorragenden Qualitäten unter Beweis stellt. Das getragene Im Abendrot schließlich beeindruckt besonders durch das schöne Legato, den Schwellton auf „Freude“.

Wunderbar wie in Capriccio der Mondschein den Raum zu überfluten scheint, ehe der Haushofmeister mit der schlanken Stimme von Sebastian Pilgrim das Wort ergreift. Willis-Sorensen unterscheidet fein zwischen Sonettvortrag und Reflektion, hat im Konversationston auch immer eine leichte Melancholie und lässt die Stimme in der Höhe aufblühen. Vom beiläufig Plaudernden bis hin zur Emphase werden viele Möglichkeiten der Darstellung klug ausgeschöpft bis hin zum Fahlwerden des Soprans auf „Tod“. Alles in allem lässt die CD bedauern, dass man die Arabella von Rachel Willis-Sørensen (noch) nicht in Berlin erleben durfte (Sony 19439921722). Ingrid Wanja