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Im Gegensatz zu der wegen ihrer politischen Sprengkraft ursprünglich wenig genehmen Halka, die heute als polnische Nationaloper gilt, war Stanislaw Moniuszkos Idyllen, die das Polen des 18. Jahrhunderts auf die Opernbühne zauberten, von Anfang ein großer Erfolg beschieden. Dazu gehört auch der 1861 an dem von ihm seit 1858 geleiteten Teatr Wielki in Warschau uraufgeführte Einakter Verbum nobile (Das Ehrenwort). Bereits die leichtfüßige Allegro vivo-Ouvertüre illustriert auf charmierende Weise den anbrechenden Morgen auf dem Landgut des Pan Serwacy, wo der Diener Bartholomiej die jungen Leute zu Ehren von Serwacys Tochter Zuzia zu einem Huldigungschor aufstellt. Wie ein Sonnenstrahl über einer altpolnischen Ideallandschaft verströmt diese Genreszene eine wohlige Gemütlichkeit, so dass sich die kleinen Turbulenzen während Zuzias Namenstag im Lauf des gut einstündigen Einakters bis zum Frühstück bequem klären lassen und im Polka-Quintett der fünf Protagonisten mit Chor die zunächst aussichtslos scheinende Heirat des jungen Paares gefeiert werden kann. Zuzia hat sich in Stanislaw verliebt, den sie durch einen Kutschunfall kennenlernte. Beide gestehen sich walzerselig ihre Liebe, werden aber vom Serwacy daran erinnert, dass er einst seinem Freund Pan Marcin sein Ehrenwort gegeben habe, dass Zuzia dereinst dessen Sohn heiraten werde. Das Ehrenwort ist heilig. Da hilft keinen Weinen. Stanislaw versteht das. Zuzia jammert. Nun erscheint Pan Marcin und preist in höchsten Tönen die Verzüge seines Sohns Michal, der in einer Woche ankommen werde, worauf sofort die Hochzeit stattfinden könne. Kurz zerstreiten sich Serwacy und Martin, als Serwacy erzählt, seine Tochter habe Gefühle für einen Fremden entwickelt, der ihr bei einem Unfall zu Seite gestanden habe. Rechtzeitig klärt Stanislaw alles auf. Er ist Martins Sohn Michal, der sich nach dem Unfall im Hause des Nachbar Serwacy mit anderem Namen einführte, damit sein Vater nichts von dem Unfall erfahre. Das Libretto stammt von Jan Checinski, der darin eine Rückbesinnung auf nationale Tugenden und Identität beschwört, wie sie später auch im Gespensterschloss eine Rolle spielt, und Landadel und Bauern als große Familie zeigt. Zum Motor werden polnische Traditionen, wie Mazurka und Polonaise, die Moniuszko gekonnt mit westlichen Einflüssen mischte, man denke an Auber, ein wenig auch an südliche Buffolaune, die ihm als versiertem Kapellmeister natürlich vertraut waren.
Alles ist passgenau, keine Nummer zu lang, dazu gehören das nette Terzett der jungen Liebenden mit dem Brautvater, der aufschneiderische Vortrag des Marcin oder das Duett der Väter. Das Werk ist hübsch und würde, wie manche Einakter von Lortzing, Schubert, Mendelssohn-Bartholdy oder Weber, auf Minibühnen Beachtung verdienen.
Es ist ja nicht so, dass dieses hübsche Opernchen unbekannt ist, das sich in einigen nationalen LP-CD-Ausgaben bei Muza und anderen polnischen Labels findet (vergl. ein Blick zu Discogs), das uns zuletzt auf der DUX-Aufnahme aus Szczecin von 2010 begegnete; bereits 1969 spielte Robert Satanowski den Einakter in Posen ein. Kurze internationale Aufmerksamkeit auf CD sichert nun dem Ehrenwort der geradezu bravourös auffahrende Fabio Biondi, dessen Herz seit Jahren für Moniuszko schlägt – zuletzt bei der 2020 im Teatr Wielki entstandenen Hrabina. Im Rahmen des Chopin and his Europe-Festivals setzte Biondi sich im August 2021 für Verbum nobile ein, Mit dabei im Teatr Wielki waren, wie stets, Biondis Orchester Europa Galante und der Podlasie Opera and Philharmonic Choir. Adam Palka, vor allem durch seine Auftritte in Stuttgart (u.a. Leporello, Boris, Mefistofele), bekannt, ist als Bartolomiej das rund plappernde Bass-Faktotum, das seine Buffoarie elegant ausformt. Jan Martiník und Stanislav Kuflyuk sind als Serwacy und Marcin die gemütlich tiefstimmigen Gutsherren Serwacy und Marcin. Mit dunklem Sopran und elegischem Ton verleiht Olga Pasiecznik der Zuzia ein Gesicht, die bei Biondi erstmals ihre Dumka (Track 15) in der Version singen kann, die Moniuszko am Neujahrstag 1861 dirigierte. Mariusz Godlewski, wie Martiník bereits auf der Hrabina zu hören, klingt als Liebhaber Stanislaw/ Michal in seinem Couplet fast italienisch schwungvoll, allerdings nicht mehr so jugendlich, wie man ihn Zuzia wünschen würde. Die Ausstattung ist, wie immer in dieser Reihe, prachtvoll (1 CD NIFCCD09). Ich frage mich nur, wer sich noch so großzügig dimensionierte CD-Ausgaben ins Regal stellen will (07.04.23). Rolf Fath