Archiv des Autors: Geerd Heinsen

Claude Heater

 

Der amerikanische Tenor Claude Heater, der am 28.  Mai  2020 im Alter von 92 Jahren starb, gehörte während meines Opernerlebens zu den schönsten Männern auf der Bühne. Er toppte für mich (und viele andere) sogar noch Siegfried Jerusalem (als Lohengrin zum Beispiel) oder Peter Seiffert oder Jonas Kaufmann. Claude Heaters Tristan damals in Hannover  (und in der Rolle 1969 auch auf Melodram nachzuhören)  ist eine der unvergesslichen Erinnerungen für mich, später auch in Berlin als Siegmund. Als Tristan ist er in einem abendfüllenden Film neben Jacqueline van Quaille aus Brüssel dokumentiert (youtube hat Ausschnitte davon) und ebenfalls in (nur erhaltenen) Ausschnitten beim französischen Fernsehen neben Hannelore Kuhse konzertant (ORTF). Er bedient(e) das Auge in hocherotischer Weise, und das in einem Fach, das sich sonst nicht gerade durch die optische Attraktivität der Tenöre auszeichnet (de gustibus). Berlins DOB profitierten wie andere Häuser von der physischen Anziehungskraft dieses stupenden jungen Mannes, dessen Karriere leider nicht seinen optischen Qualitäten standhielt. Denn nach einem internationalen Strohfeuer verglomm sein Ruhm rasch. Die Stimme hielt nicht. Aus Tristan wurde Melot (so auf Böhms Bayreuther Tristan bei DG), aber ganz sicher stahl er auch in dieser kleinen Partie seinem berühmten Protagonisten die Schau. G. H.

 

 Dazu ein Auszug aus dem unersetzlichen Kutsch-Riemens Großem Sängerlexikon: Heater, Claude, Tenor, * 1930 Oakland (Kalifornien); nach seinem Militärdienst wurde er Platzanweiser in einem Theater in Los Angeles, ließ jedoch während dieser Zeit seine Stimme ausbilden. 1954 debütierte er in den USA als Bariton im Konzertsaal und trat bereits am New Yorker Broadway in Musicals, außerdem im amerikanischen Rundfunk wie im Fernsehen, auf. Mitte der fünfziger Jahre kam er nach Europa und sang als Bariton 1956-57 am Stadttheater von Basel, 1957-59 an der Städtischen Oper Berlin und 1959-61 an der Wiener Staatsoper. Nachdem er erkannt hatte, daß er eigentlich eine Tenorstimme besaß, studierte er nochmals bei zwei berühmten Tenören, in Mailand bei Mario del Monaco und in München bei Max Lorenz. 1964-68 war er dann als Heldentenor Mitglied der Staatsoper München. Er hatte dort ein sehr erfolgreiches Debüt in der zeitgenössischen Oper »König Hirsch« von H.W. Henze. Er kam dann vor allem als Wagner-Sänger zu großen Erfolgen. Er trat als Gast in Amsterdam und Brüssel, an den Staatsopern von Hamburg und Stuttgart, an der Deutschen Oper Berlin und an der Mailänder Scala auf. Er gastierte auch an der Staatsoper Dresden (1968), beim Festival von Spoleto (1968 als Tristan), am Teatro Liceo Barcelona (1968-69), an der Oper von Bordeaux (1969-70), am Grand Théâtre Genf (1969), an der Nationaloper  Budapest (1970) und am Teatro Fenice Venedig (1970). 1966 hörte man ihn bei den Festspielen von Bayreuth als Siegmund in der »Walküre« und als Melot im »Tristan«. Neben seinen Wagner-Heroen standen Partien wie der Othello von Verdi, der Samson in »Samson et Dalila« von Saint-Saëns, und der Florestan im »Fidelio« an erster Stelle in seinem Bühnenrepertoire. Aus seinem Bariton-Repertoire für die Bühne vom Anfang seiner Karriere sind noch Partien wie der Escamillo in »Carmen«, der Germont-père in »La Traviata«, der Sharpless in »Madame Butterfly« und der Silvio im »Bajazzo« anzumerken. Der Künstler lebte in München und ging von dort aus seiner Gastspiel- und Konzerttätigkeit nach, die ihm in Europa, in Nord- und Südamerika wie auch in Afrika anhaltende Erfolge eintrug.

Schallplatten: Frühe Aufnahmen als Bariton auf HMV (Conte Cornaro im »Zigeunerbaron«). Als Tenor singt er auf Melodram den Melot im »Tristan« (Bayreuth, 1966).

[Nachtrag] Heater, Claude; an der Oper von Frankfurt a.M. sang er u.a. 1961 den Enrico in »Lucia di Lammermoor« als Partner von Joan Sutherland. An der Deutschen Oper Berlin hörte man ihn 1957 als Melot im »Tristan«. Anscheinend war seine Karriere früh beendet, nach 1971 finden sich keine Auftritte. mehr an größeren Opernhäusern. – Schallplatten: DGG (»Mord in der Kathedrale« von I. Pizzetti). [Lexikon: Heater, Claude. Großes Sängerlexikon, S. 10408; (vgl. Sängerlex. Bd. 6, S. 364-365) (c) Verlag K.G. Saur] (Foto: Claude Heater/ www.claudeheater.com)

Zum 450. Geburtstag

 

Die große Geburtstagsfeier, falls eine solche vorgesehen war, dürfte ausgefallen sein, ein schönes Geburtstagsgeschenk zum 450. hat  die Staatskapelle Berlin nicht nur sich selbst, sondern auch ihren vielen Freunden gemacht mit einer CD-Kassette mit nicht weniger als 15 CDs, Aufnahmen von 1916, der ersten Aufzeichnung, bis zum heutigen Tage enthaltend. Einige von ihnen wurden bisher noch nie veröffentlicht. Aus dem Jahre 1570 stammt der erste Beleg für das Bestehen des Orchesters,  eine Kapellordung, die einige für das Ansehen des Orchesters wichtig erscheinende „Benimmregeln“ enthielt. Chronologisch geordnet, sind die Generalmusikdirektoren der Staatskapelle vertreten, beginnend mit Richard Strauss, gefolgt von Leo Blech, Otto Klemperer, Erich Kleiber, Herbert von Karajan, Wilhelm Furtwängler, Joseph Keilberth, Franz Konwitschny, Otmar Suitner und schließlich Daniel Barenboim. Dazu kommen dem Orchester besonders verbundene Dirigenten wie Sergiu Celibidache, Pierre Boulez, Michael Gielen, Zubin Mehta und auf der Bonus-CD vor allem Komponisten, die ihre Werke an der Staatsoper dirigierten, nämlich  Mascagni mit der Sinfonia zu Le Maschere und Pfitzner mit Palestrina, außerdem Max von Schillings, Karl Muck, Selmar Meyrowitz, Robert Heger, Johannes Schüler Paul van Kempen.

Obwohl die Staatskapelle das Orchester der Lindenoper ist, sind Opernaufnahmen eher wenig vertreten, ja eher die Ausnahme. Dazu gehören Auszüge aus dem Ring, dirigiert von Leo Blech mit Friedrich Schorr als Wotan. Kurt Weills Dreigroschenoper hingegen ist nur in Form einer Suite vertreten. Karajan dirigiert zwar Oper, aber nur die Ouvertüren zu Die  Zauberflöte und La Forza del Destino. Von Furtwängler ist der zweite Akt von Tristan auf CD Nr. 6 mit Erna Schlüter, Ludwig Suthaus, Gottlob Frick, Margarete Klose und Jaro Prohaska zu hören, kurz nach dem Entnazifizierungsprozess, durch Intrigen besonders nervenaufreibend gestaltet, entstanden. Man meint die lange zwangsweise aufgestaute Energie sich in dieser Aufnahme entladen zu hören. Leider noch auf Deutsch, aber doch nicht minder eindringlich gestaltet ist Verdis Macbeth unter Keilberth mit Martha Mödl und Josef Metternich. Mit Franz Konwitschny sind Auszüge aus den Meistersingern überliefert. Den ersten Akt singen Josef Herrmann , Theo Adam, Erich Witte, Gerhard Unger, Ruth Keplinger und Anneliese Müller.

Das umfangreiche und informationsreiche Booklet wurde vom Dramaturgen des Hauses, Detlef Giese, zweisprachig, in Deutsch und Englisch, gestaltet. In 450 Jahre Staatskapelle Berlin- Eine Chronik werden alle wichtigen und auch überlieferten Ereignisse, die das Orchester betreffen, berücksichtigt, beginnend mit 1570 und endend mit 2020, als noch nicht abzusehen war, dass die zu Ostern stattfindenden Festtage wegen der Corona-Krise nicht das vorgesehene und hier noch erwähnte Programm bieten konnten. Auch Daniel Barenboim konnte in seinem Grußwort noch nicht ahnen, dass einmal nicht ein Musiker, sondern eine Epidemie Staatskapellen-Geschichte schreiben sollte.

Ebenso wertvoll für den Leser ist der Aufsatz Die Staatskapelle Berlin und ihre großen Dirigenten, ebenfalls von Detlef Giese verfasst. Er verweist auf die Musiker, die in ihrer Eigenschaft als Dirigenten keine Zeugnisse ihres Schaffens hinterlassen konnten wie Gaspare Spontini, Felix Mendelssohn-Bartoldy, Giacomo Meyerbeer, Otto Nicolai, Joseph Sucher u.a., auf die mehrere Tausend Aufzeichnungen ab 1916 und widmet sich den auf den CDs vertretenen Aufnahmen. So erfährt man, dass der in Till Eulenspiegels lustige Streiche mitwirkende Enrico Mainardi Strauss‘ Lieblingscellist war,  Leo Blech mehr als 2500 Aufführungen bzw. Konzerte leitete, 700  Mal bei Carmen am Dirigentenpult stand. Die von ihm dirigierte Sinfonia zu Figaros Hochzeit stammt von 1916 und dürfte zu den ältesten Aufnahmen überhaupt für Schallplatte zählen. Eng mit der gegenüber dem Reichstag stehenden Krolloper, die nach dem Brand des Parlaments dieses ersetzen musste, ist die Karriere von Otto Klemperer verbunden, hier brachte er die Kleine Dreigroschenmusik zur Uraufführung. Erich Kleiber ist die Uraufführung von Bergs Wozzeck zu verdanken und eine aufrechte Haltung, die ihn auf den Posten des Generalmusikdirektors verzichten ließ, weil die wieder aufgebaute Staatsoper in der DDR nicht die Inschrift „Fridericus Rex Apollini et Musis“ tragen sollte. Von ihm sind Beethoven, Smetana und Dvorak zu hören. Das viel diskutierte „Wunder Karajan“ nahm seinen Anfang mit Tristan und Isolde, Beethoven und Bruckner sind nebst den beiden bereits erwähnten Ouvertüren zu hören. Von Furtwängler war bereits die Rede, Joseph Keilberth hat den Macbeth mit Mödl und Metternich zu verantworten, Franz Konwitschny, trotz oder vielleicht wegen Nazibelastung zum Einspringen für Kleiber bereit, ist der erste Akt der Meistersinger zu verdanken, Celibidache hat nur drei Konzerte mit der Staatskapelle bestritten, Dvorak, Hindemith und Brahms standen auf dem Programm, das aufgezeichnet wurde, mehr als ein Vierteljahrhundert lang stand Otmar Suitner im Orchestergraben, Dessau, Reger und Schubert beweisen, dass er nicht nur Operndirigent war.

Seit 1991 steht Daniel Barenboim der Staatskapelle vor, seit 2000 als Chefdirigent auf Lebenszeit. Aus dem Bruckner-Zyklus von 2010 stammt die Aufnahme der 5. Sinfonie.

Gerade in Corona-Zeiten, in denen der Genuss von Opernaufführungen und Konzerten in den großen Häusern unmöglich geworden ist, bietet dieses Geburtstagsgeschenk der Staatskapelle die Möglichkeit, in Erinnerungen zu schwelgen und Vorfreude auf zukünftige Musikfreuden aufflackern zu lassen (Deutsche Grammophon 15 CD   483 7887). Ingrid Wanja      

Verschachtelte Gefühle

 

Populär sind die alljährlich stattfindenden Aufführungen bekannter Opern auf der Seebühne von Bregenz, verdienstvoll die Wiederentdeckungen oder Uraufführungen an Land, im Jahre 2018 die der Kammeroper Das Jagdgewehr von Thomas Larcher nach einer Novelle des Japaners Yasushi Inoui. Es ist dies seine erste Opernkomposition und zugleich die erste Opernregie von Karl Markovics. So wie die Novelle eine Rahmenhandlung hat, so findet das Bühnengeschehen innerhalb eines weißen Rahmens statt, aus dem sich die Personen in Richtung Publikum und Orchester hinausbewegen oder in dem sie sich immer weiter in den Hintergrund hinein verlieren können (Bühnenbild und Kostüme Katharina Wöppermann). Ein breites weißes Band kann mal schneeverwehte Straße, mal Wasserfall oder Fluss darstellen. Den Video-Hintergrund kann abwechselnd Schneelandschaft, Meer oder in Bewegung befindliches Baumgeflecht sein.

Die Rahmenhandlung besteht darin, dass ein Schriftsteller, der ein Gedicht über einen Jäger und sein Jagdgewehr geschrieben und veröffentlicht hat, von einem solchen, der sich darin zu erkennen glaubte, drei Briefe empfängt, je einen von des Jägers Frau, seiner Geliebten und deren Tochter, die zugleich des Jägers  Nichte ist.  Der Dichter tritt zu Beginn in einem Prolog, zu Beginn des ersten Akts und zum Schluss auf, Robin Tritschler verleiht ihm mit guter Diktion und einem höhensicheren  Tenor viel Präsenz, seine Musik erinnert teilweise an romantisches Liedgut, das von den Schlagzeugern des kleinen Orchesters eher harsch konterkariert wird.

Nachdem der Dichter die drei Briefe von dem Jäger Josuke Misugi empfangen hat, beginnt die Handlung an ihrem eigentlichen Schluss, nachdem Misugis Geliebte Saiko Selbstmord nach einer langen, dreizehn Jahre gedauert habenden Beziehung mit ihm begangen hat, seltsamerweise, nachdem sie erfahren hat, dass ihr ehemaliger, geschiedener Mann sich wieder verheiratet hat. Davon erfahrt man allerdings erst im dritten Akt, der zeitlich vor dem ersten liegt, der zweite wiederum spielt sowohl vor dem ersten wie vor dem dritten Akt,  Jahre nachdem sich Saiko und Misugi angesichts eines brennenden Schiffes, auf der Bühne ein kleines gefaltetes Boot aus Papier, der Hoffnungslosigkeit ihrer Liebe bewusst wurden, wohl bei einer Schlangenausstellung, treffen sich die Liebenden noch einmal, ordnen die verschiedenen Ausstellungsexemplare ihren Persönlichkeiten zu. Als dritte Frau spielt Misugis Frau Midori eine tragende Rolle. Sie schweigt zu dem Ehebruch ihres Mannes, teilt ihrer Nebenbuhlerin erst im dritten Akt ihr Wissen mit und verzeiht ihr gleichzeitig. Sowohl das Nichteinhalten einer Chronologie wie die seltsamen Motive für das Handeln der Personen machen es dem Zuschauer nicht leicht, Zugang zu dem Werk zu finden, obwohl die Musik trotz der übermäßig auch bei simplen Wendungen wie „eine Krawatte dazu“ angewandten Intervallsprünge und der Extremhöhen für die Soprane eine eingängige ist, was besonders auch der Verdoppelung der Solisten durch einen kleinen Chor, der klangschönen Schola Heidelberg unter Walter Nussbaum, zu verdanken ist. Für die Solisten wechseln Zeitlupenhaftes, Abgehacktes, Pausen zwischen den einzelnen Silben und damit Tönen einander ab. Das Werk ist eher ein Meditieren über Gefühle, als dass es eine Handlung sich vollziehen lässt. Ohne hilfreiches Booklet wäre der Zuschauer ziemlich ratlos.

Nicht beschweren kann sich der Bariton André Schuen über seine Partie, die des Jägers, die ihm einige Möglichkeiten gibt, das schöne, geschmeidige Material auszustellen. Ensemblemitglied der Staatsoper Berlin ist Sarah Aristidou, deren Sopran auch noch in erstaunlicher Höhe erstaunlich gut klingt und die den wohl höchsten Schmerzensschrei aller Opernzeiten auszustoßen hat. Das ihr auch dreizehn Jahre nach ihrem ersten Auftritt verordnete Kinder-Hängerkleidchen samt Netzstrümpfen übersieht man da gern. Ebenfalls sehr hoch notiert ist die Partie der Gattin namens Midori, der Giulia Peri auch viel szenische Präsenz verleiht, gerade wenn sie ihre Gefühle hinter einer Sonnenbrille zu verstecken scheint. Schöne Verzierungen mit einer höchst angenehmen Mezzostimme auch in der Höhe singt   Olivia Vermeulen als Geliebte Saiko. Michael Boder setzt seine reiche Erfahrung auch mit moderner Musik ein und macht aus den scheinbaren Gegensätzen von harmonisch Tonalem und scharf damit konkurrierenden Schlagzeugschlägen ein stimmiges Ganzes (C-Major 754208/ Weitere Information zu den CDs/DVDs  im Fachhandel, bei allen relevanten Versendern und bei www.naxosdirekt.de.). Ingrid Wanja 

 

 

auf dem Weg zum Melodramma romantico

 

Franz Hauk ist ein Pionier in der Pflege des musikalischen Erbes von Johann Simon Mayr. Immer wieder überrascht er mit Neuentdeckungen und Ausgrabungen aus der Feder des deutschen Komponisten, die dann von NAXOS als CD veröffentlicht werden. Jüngste Tat ist die Opera semiseria Le due duchesse ossia La caccia dei lupi, aufgenommen im September 2017 im bayerischen Neuburg an der Donau (8.660422-23, 2 CD). Das Libretto stammt von Felice Romani, dem berühmtesten Textdichter der Zeit, dessen Vorlagen von Rossini, Donizetti, Bellini, Verdi und anderen renommierten Komponisten vertont wurden. Schon Mayrs vorangegangene Oper Medea in Corinto, die als sein Hauptwerk gilt, stammte aus Romanis Feder.

Die Handlung führt ins mittelalterliche England im 10. Jahrhundert in das Reich von König Edgar. Der Herrscher beauftragt Herzog Enrico, in seinem Auftrag um die Hand der Gräfin Malvina anzuhalten. Diese gefällt dem Herzog allerdings selbst so sehr, dass er sie heiratet und dem König weismacht, sie sei zu hässlich für ihn. Statt Malvina wird deren Kammerzofe Laura Edgar angedient, die ihrerseits mit dem Jägerhauptmann Berto verlobt ist. Seine Ehefrau hält Enrico zunächst geheim, was freilich nicht lange funktioniert, womit die tragikomischen Verwicklungen beginnen. Denn bei dem 1814 an der Mailänder Scala uraufgeführten Werk handelt es sich um eine semiseria – also eine Oper mit ernsten und heiteren Elementen. Dem entspricht Mayrs Musik mit ihren Arien und Ensembles, mit Ritterchören und Troubadour-Gesängen. Mit dem Concerto de Bassus, das sich aus Professoren und Absolventen der Hochschule für Musik und Theater München zusammensetzt und auf historischen Instrumenten musiziert, verhilft Hauk der Komposition zu sprühendem Leben, wird ihrem hybriden Charakter zwischen buffoneskem Duktus und lyrisch-ernster Stimmung jederzeit gerecht.

Der vom Dirigenten 2003 gegründete Simon Mayr Chorus kommt in mehreren Nummern als Donzelle, Cacciatori und Vassalli zum Einsatz, wirkt oft auch mit Gewinn bei den Arien der Protagonisten mit.

Die Besetzung wird angeführt von der südkoreanischen Sopranistin Eun-Hye Choi als Malvina mit klarer, obertonreicher Stimme. In der von Harfenklängen zauberisch umspielten Sortita vermag sie Malvinas melancholische Stimmung berührend wiederzugeben. Dagegen irritiert bei ihrem letzten Solo, „Deh! Per quel dolce oggetto“, der säuerliche Ton, der sich erst im emphatischen Schluss der Nummer verliert. Ihr erstes Duett hat Malvina mit Enrico, dem Markus Schäfer seinen nicht mehr ganz jugendlich klingenden Tenor leiht. Auch König Edgar ist ein Tenor, bei der Uraufführung immerhin vom Startenor Giovanni David kreiert. Young-Jun Ahn, gleichfalls aus Süd-Korea, wartet mit noblem Timbre fern jeder buffonesken Anmutung auf, klingt in der exponierten Lage allerdings angestrengt, wie es der Schlussteil seiner Arie hören lässt. Malvina hat auch ein Duett mit ihrem Vater Loredano („Morte!“), den der Bass Jaegyeong Jo souverän wahrnimmt. Sein Diener Guglielmo ist gleichfalls ein Bass (Niklas Mallmann).

Das zweite Paar bringt die munteren buffa-Elemente ein. Laura übt sich im ersten Auftritt („Passò quel tempo“) in ihrer neuen Rolle als Gattin des Königs in spe und weist ihren Verlobten Berto scheinbar zurück, was diesen verständlicherweise eifersüchtig macht. Die Sopranistin Tina Marie Herbert gefällt mit liebenswürdigem Ton und erweist sich auch als souverän in den virtuosen Verzierungen dieser Nummer. Samuel Hasselhorn mit seinem geschmeidigen und höhenstarken Spielbariton passt zu ihr ideal, wie man auch in beider Duett „Un marito cacciatore“, welches am Ende zu ausgelassenem Koloraturjubel führt, vernehmen kann. In heiterer Munterkeit endet das Werk, dessen lohnende Wiederentdeckung Franz Hauk und seinem Team zu danken ist. Und mehr als lesenswert ist der kluge Einführungstext von Thomas Lindner. Bernd Hoppe

 

(Weitere Information zu den CDs/DVDs  im Fachhandel, bei allen relevanten Versendern und bei www.naxosdirekt.de.)

Sich um Nuancen und Farben bemühen

 

Die renommierte Sängerin Margarita Gritskova und ihre Pianistin Maria Prinz, die auch als Solistin auf sehr erfolgreiche Auftritte verweisen kann,  haben gerade ihr Naxos-Album „Songs and Romances“ mit Liedern von Sergej Prokofiew heraus gebracht – Anlass zu einem Doppel-Gespräch mit René Brinkmann.

 

Frau Gritskova und Frau Prinz: Sergej Prokofjew ist einer der bekanntesten russischen Komponisten des 20. Jahrhunderts. Als Komponist von Liedern ist er aber zumindest in Mitteleuropa kaum bekannt. Ist denn auch in Russland eine Vernachlässigung der Prokofjew-Lieder feststellbar oder ist das vor allem ein außerrussisches Phänomen und dann vielleicht vor allem der Sprachbarriere geschuldet? Das Lied hat im Schaffen Prokofjews keine zentrale Rolle, obwohl gerade in diesem Genre manch fantastische Juwelen zu finden sind und Prokofjew durch die Arbeit an dieser Gattung an den lyrischen Qualitäten seiner Kompositionstechnik feilen konnte. Auch in Russland werden die Lieder nicht so oft aufgeführt, wie Klavier- oder Orchesterwerke von Prokofjew oder Lieder der russischen „Klassiker“ – Tschaikowski und Rachmaninow. Fast unbekannt sind diese Lieder außerhalb Russlands, sicher auch wegen der Sprachbarriere. Aber die Musik gibt so genau den Sinn der Poesie wieder, emotional und inhaltlich, dass man sehr wohl spürt und versteht, worum es sich dreht, wenn man sich offenen Herzens auf diese Lieder einlässt. Es hilft natürlich, dass Naxos dankenswerterweise die Texte in englischer und deutscher Übersetzung im Booklet und Online zur Verfügung stellt.

 

Margarita Gritskova & Maria Prinz/ Foto Michael Poehn

Frau Gritskova: Sie sind auch als Opernsängerin tätig. Haben Sie „Ihren“ von den Opern gewohnten Prokofjew in seinen Liedern gleich wiedererkannt oder mussten Sie sich erst einmal eingewöhnen? Und wie ist es auf Ihrer Seite überhaupt zu dem Plan gekommen, diese eher selten eingespielten Lieder für Naxos aufzunehmen? Die musikalische Sprache Prokofjews ist in allen seiner Werke unverwechselbar und sofort wiedererkennbar, aber bei den Liedern malt sein Pinsel noch feiner und genauer, und man muss sich als Interpret um die Nuance und Farbe jeder auch noch so kurzen Phrase bemühen.

Die Idee mit Naxos zusammenzuarbeiten, kam von der Pianistin Maria Prinz, die schon mit dem Flötisten Patrick Gallois und mit der wunderbaren Sängerin Krassimira Stoyanova für Naxos aufgenommen hatte und von der Arbeit mit diesem Label begeistert war. Unsere erste Produktion begann mit eher traditionellem Repertoire – Tschaikowsky, Rimsky-Korsakow und Rachmaninow (Russian Songs, Naxos 8.573908). Wir sind dem Label sehr dankbar, dass wir jetzt die Chance bekommen haben, selten gespieltes Repertoire, eben Prokofjew und als Nächstes Schostakowitsch (Veröffentlichung geplant für Oktober 2020) aufzunehmen. Dieses Repertoire liegt uns besonders am Herzen und eröffnet uns noch mehr die Möglichkeit, interpretatorisch eigene Wege zu gehen.

 

Frau Prinz, es fällt auf, dass Prokofjew viele der Lieder auf dem Album komponierte, nachdem er große, opulente Opernprojekte vollendet hatte. In diesem Zusammenhang verblüffte zumindest mich die anscheinend häufig auf das allerwesentlichste reduzierte Klavierbegleitung der ausgewählten Lieder, die aber gerade dadurch eine sehr eindringliche Wirkung entfalten. Welche Herausforderungen ergeben sich daraus für Sie als Pianistin? Die Klavierbegleitung ist zwar in vielen Fällen lakonisch, dafür aber harmonisch sehr kompliziert und, wie allgemein beim Klaviersatz bei Prokofjew grifftechnisch weit angelegt und alles andere als bequem. Der Komponist war selber ein fantastischer Pianist mit großen Händen.

Eine ganz wichtige Rolle spielt die Klavierbegleitung beim Kreieren der Atmosphäre und beim Kommentieren des Unausgesprochenen im Text. Wie immer beim Musizieren mit Sängern sehe ich meine Aufgabe auch darin, mich von der Klangfarbe der Stimme inspirieren zu lassen und dann mit eigenen Farben und Akzenten die erzählte Geschichte abzurunden, zu kommentieren, weiterzuerzählen oder sogar zu hinterfragen. Es kommt mir dabei zugute, dass ich Russisch spreche, weil ich den Text im Original wirklich in allen Nuancen verstehen kann.

 

Margarita Gritskova & Maria Prinz/ Foto Michael Poehn

Frau Prinz: Nun ist gerade der frühe Prokofjew insbesondere durch seine ersten drei Klavierkonzerte beim breiten Publikum als ein sehr brillanter, virtuoser Klavierkomponist bekannt. Nun lernt man ihn in diesen Liedern von einer ganz anderen Seite kennen. Ist dieser betont lyrische Blickwinkel denn repräsentativ für den Liedkomponisten Prokofjew oder gibt es auch im Liedfach den brillanten, virtuosen Prokofjew, den wir auf diesem Album wegen der gewählten Themenstellung nur nicht zu hören bekommen? Wie Frau Gritskova bereits erwähnt hat, und wie Wilhelm Sinkovicz in seinem Beitrag im Booklet betont, lernt man durch die Lieder den Melodiker Prokofjew kennen. Das ist durchaus für sein gesamtes Liedschaffen charakteristisch. Wobei immer wieder sehr virtuose Passagen (wie z.B im „Hässlichen Entlein“ oder in „Grüß Dich“, das vierte von den fünf Liedern nach Texten von Achmatova op.27, „Das graue Kleidchen“ op.23 oder „Denke an mich“ op.36 Nr.4) vorkommen und an die Brillanz und Urkraft seiner Klavierwerke denken lassen.

 

Als ich mir das Album angehört habe, hatte ich den Eindruck, dass Prokofjew schon sehr früh einen individuellen Lied-Stil verfolgt hat, der sich kaum in Reverenzen auf z.B. die sehr einflussreiche deutsche Liedtradition bemerkbar macht. Doch vermeint man bereits Anklänge an die französische Liedtradition zu vernehmen – Liegt darin etwa schon eine gedankliche Annäherung des Komponisten an das wenig später angetretene Exil in Paris? Einen französischen Einfluss kann man sehr wohl orten, z.B. im impressionistisch anmutenden Lied „Vertraue mir“ op.23 Nr.3, in manchen der Lieder nach Texten von Achmatova oder in „Denke an mich!“. Das mag nicht nur an der Tatsache liegen, dass es ihn nach Paris gezogen hat, sondern vielleicht auch im Charakter des Komponisten, dem Eleganz, Leichtigkeit und eine gewisse Distanziertheit immer wichtig waren.

 

Margarita Gritskova & Maria Prinz/ Foto Michael Poehn

Der späte Prokofjew wird auf dem Album mit Liedern für Kinder, Volkslied-Bearbeitungen und Liedversionen von Arien aus Oratorien gewürdigt. Das erscheint zum Teil etwas brav im Vergleich zu den emotional aufgeladenen frühen Liedern. Hat es das Liedfach mit seiner Verknüpfung von Text und Musik dem Komponisten zunehmend schwergemacht in einer Zeit, in der Stalins „Kulturpolitik“ eine ideelle Gleichschaltung im Sinn hatte? Genauso ist es! Wie wir wissen, ist Prokofjew freiwillig und vermutlich etwas blauäugig im Jahr 1936 in die Sowjetunion zurückgekehrt und starb am 5.3.1953, am selben Tag wie Stalin.

Einen Einschnitt im Verhältnis der Macht dem kompositorischen Schaffen, nicht nur von Prokofjew, sondern auch von Schostakowitsch gegenüber, bildet die Resolution des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei vom 10.2.1948 gegen „bürgerliche Dekadenz und Modernismus“, der jahrelange Angriffe gegen Formalisten, Reaktionäre (unter ihnen auch Anna Achmatova) vorausgegangen waren und die alles, was nicht volksnah, einfach gestrickt und ideologisch konform war, gebrandmarkt hat und die Komponisten zu „Volksfeinden“ ernannt hat. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Prokofjew, der sich übrigens nie durch Exponieren als Widersacher der Macht ausgezeichnet hat, sich diesem Trend – zumindest in einem Genre, das nicht zu den repräsentativsten seines Schaffens gehört – wohl gebeugt hat.

Trotzdem ist der Inhalt mancher Lieder durchaus scharf ironisierend zu verstehen, wie z.B. in „Anjutka“. Im Text heißt es, dass jede Putzfrau, wenn sie sich nur bildet und genug Bücher liest, auch das Land regieren könnte. Diese Ironie findet ihren Ausdruck auch in der Musik dieses Liedes.

 

Ihr beider nächstes Projekt wird ein Schostakowitsch-Liedalbum werden. Wenn Sie die Liedkompositionen der beiden vergleichen, Prokofjew und Schostakowitsch: Wo sehen Sie Gemeinsamkeiten, wo Unterschiede? Wie wir wissen sind Schostakowitsch und Prokofjew Zeitgenossen, obwohl Schostakowitsch Prokofjew um mehr als 20 Jahre überlebt hat und dadurch in seiner letzten Schaffensperiode einer ganz anderen Wirklichkeit gegenüberstand. Trotzdem könnten beide vom Wesen, von ihrer Einstellung zum Leben und zur Kunst her, nicht unterschiedlicher sein. Ohne Zweifel ist Schostakowitsch der „russischere“, der introvertiertere, der verletzlichere von beiden gewesen. Und das hat sich auch in seinem Liedschaffen manifestiert. Wie in allen Belangen, hat sich Schostakowitsch mit einer missionarischen Ernsthaftigkeit und Hingabe auch mit der Gattung Lied beschäftigt und sich ganz bewusst von verschiedenen Kulturkreisen inspirieren lassen. Davon zeugen seine Zyklen „Griechische Lieder“, „Spanische Lieder“ und „Jüdische Lieder“. Der Stil ist bei beiden Komponisten unverwechselbar individuell, originell und zeitgemäß auf unterschiedliche Art und Weise. Beide verbindet die Auswahl wertvoller avantgardistischer Poesie (bei Prokofjew z.B. von Anna Achmatova, bei Schostakowitsch von Marina Tswetajewa) und auch ein gewisser Hang zu Ironie und Satire, die sich aber bei beiden in verschiedener Gestalt offenbaren.

 

Abschließend noch ein Wort zur aktuellen Lage des Kulturbetriebs: Sie, Frau Gritskova, haben vor wenigen Wochen an der Operngala der deutschen AIDS-Stiftung teilgenommen, die aufgrund der Coronabeschränkungen zum digitalen Event umgeformt wurde und zu der die beteiligten Künstlerinnen und Künstler Beiträge in Form kleiner Heim-Konzerte sozusagen aus dem heimischen Wohnzimmer beigetragen haben. Wie haben Sie diese ungewöhnliche Situation erlebt? Es ist natürlich für mich genauso schwer und traurig, wie für alle Kolleginnen und Kollegen. Der Lockdown ist kurz vor der Wiederaufnahme von „Tri sestri“ von Peter Eötvös an der Wiener Staatsoper gekommen, auf die ich mich so gefreut hatte. Das Gala-Konzert des jungen Ensembles der Wiener Staatsoper zum Abschied der Ära von Dominique Meyer und auch mein Rollendebut als Preziosilla in „Macht des Schicksals“ beim Opernfestival in Klosterneuburg sind Corona zum Opfer gefallen.

Größere Veranstaltungen zur Präsentation unserer Prokofjew CD sind nun nicht möglich, umso mehr freuen wir uns, dass die österreichische Opernzeitschrift „Der neue Merker“ uns die Gelegenheit bietet, das Album im kleinen Rahmen der „Merker-Galerie“ mit wenigstens einem kleinen Live-Konzert vorzustellen.

Jetzt sind alle Hoffnungen auf den Herbst gerichtet und darauf, wie die Operntheater und die Konzertveranstalter mit kreativen Lösungen einen beinahe normalen Betrieb ermöglichen.

Wir brauchen die Bühne, wir brauchen unser Publikum und können es kaum erwarten unseren Beruf wieder ausüben zu dürfen und unsere Berufung im Dienst der Kunst auszuleben!  René Brinkmann

 

(Margarita Gritskova & Maria Prinz/ alle FotoS Michael Poehn. Weitere Information zu den CDs  im Fachhandel, bei allen relevanten Versendern und bei www.naxosdirekt.de.)

Opernparaphrasen

 

Die Herzogin benutzt Patou, genauer den 1929 von Jean Patou kreierten Duft „Joy“, mit dem der Pariser Modeschöpfer der durch den Börsencrash ausgelösten Depression ein Zeichen der Freude in Form einer Duftwolke entgegensetzen wollte. Der als teuerstes Parfum der Welt aus Blütenessenzen gemischte Duft war das Lieblingsparfum der Duchess of Argyll, deren skandalöser Lebenswandel die britische Boulevardpresse bis zu aufsehenerregenden Scheidungsprozess in den 1960er Jahren, nachdem sie die feine Gesellschaft verstoßen hatte, und ihrem Tod in Armut 1993 beschäftigte. Die 1995 uraufgeführte, bis heute mehrfach gespielte Kammeroper Powder Her Face über das Leben der Dirty Duchess machte den 24jährigen Komponisten, Dirigenten und Pianisten Thomas Adès auf einen Schlag berühmt. Den Erfolg wiederholte er in dem umjubelten The Tempest nach Shakespeare 2004 an Covent Garden und dem noch nicht ganz so vielgereisten Würgeengel (The Exterminating Angel nach Bunuel) 2016 in Salzburg. Zwei dieser Opern stehen auf dem Programm der im Juli 2018 in Tanglewood und im März 2019 in Boston eingespielten Werke für zwei Klaviere, Soloklavier und Orchester und Klavier (CD MYR027) mit dem Tanglewood Music Center Orchestra, Adès als Dirigent und Pianist und dem Pianisten Kirill Gerstein.

Mit den vier Sätzen der Concert Paraphrase on Powder Her Face kehrt Adès quasi zu seinen Anfängen zurück. Zusammen mit Gerstein spitzt er die grotesken, ironischen und skurrilen Szenen, laut Adès die Schilderung einer nicht mehr ganz taufrischen Herzogin am Ende des 20. Jahrhunderts und am Ende der Einflussnahe des britischen Adels zu virtuosen Momentaufnahmen zu, in deren Überhitztheit auch Momente der Verzweiflung aufscheinen und mit denen er die Kunst der Opernparaphrase vom 19. ins 21. Jahrhundert rettet. Zuerst kommt, so Adès, meine Ode an die Freude (Ode to Joy), womit das Parfum der Herzogin gemeint ist, Joy von Patou. Dann folgt die fünfte Szene: „Is Daddy Squiffy?“ Die dritte Szene ist die vierte Szene der Oper, die Arie „Fancy Being Rich!“. Die Paraphrase endet mit der achten und letzten Szene der Oper und der Arie „It Is Too Late“, in der der tote Herzog als Hotelmanager wiederkehrt, um die Herzogin aus dem Zimmer zu werfen, in dem sie lebt, und dem abschließenden Tango, mit dem das Zimmer für den nächsten Gast vorbereitet wird.

Ebenfalls als Weltersteinspielung spielt Gerstein die im engen Zusammenwirken mit Adès entstandene Berceuse aus The Exterminating Angel, mit der der gemeinsame Selbstmord und Liebestod des Liebespaars Eduardo und Beatriz beschrieben wird: leise, langsam und von unerbittlicher Kraft. Heller, strahlender, leichter und doch von profilierter Schärfe dann die drei Moderato, Prestissimo und Grave überschriebenen und von Gerstein mit kristalliner Witzigkeit gespielten Chopin-Reminiszenzen von 2010.

Das gewichtigste Stück ist das knapp halbstündige Werk für Klavier und Orchester In Seven Days, eine musikalische Schöpfungsgeschichte in Gestalt einer Klavier-Sinfonie. Adès erklärt seinen Schöpfungsbericht: Das Stück ist eine siebenteilige Entwicklung von Ideen, die wiederkehren und sich wandeln, die sich ausbreiten und explodieren, als würde der genetische Code des Universums in eine Musik ausbrechen, die sowohl organisch als auch geometrisch ist: von den Fugen, mit denen die Lebewesen auf der Erde beschrieben werden, zu dem kristallinen Bild des Chaos am Beginn der Zeiten, mit dem das Stück öffnet und schließt – als wäre das Universum ziemlich zufrieden mit seinem bescheidenen statischen Zustand, bevor ein Schöpfer auf den Plan tritt und alles für immer verändert – zu den langsamen, kaleidoskopischen Spiralen galaktischer Energie, die im Land-Gras-Erde-Satz erklingen. Auch ohne dem ständig wechselnden Perspektiven und den Atomen des Chaos als Hörer auf die Spur zu kommen, kann man sich von dieser gut gemachten, eminent wirkungsvollen Musik und dem Zusammenspiel des Orchesters mit dem kraftvollen, wiederum stupend virtuosen und von Gerstein mit filigraner sphärischer Schärfe und souveränem Klanggespür gespielten Klavierpart beeindrucken lassen. Rolf Fath

Gütiges Publikum in Parma

 

Es ist die allertraurigste unter Verdis Opern, des Komponisten, dem es erst am Lebensende gelang, eine Komödie mit Erfolg zu vertonen, denn selbst Otello darf zu Beginn der gleichnamigen Oper „Venere splende“ schmachten, Violetta erlebt glückliche Wochen mit Alfredo auf dem Lande und Gilda träumt vom „Caro Nome“ und erlebt so ein kurzes Glück. In I due Foscari hingegen herrscht Trübsinn von Anfang an, sind alle drei Personen in einer aussichtslosen Lage, der Intrige des herrsch- und rachsüchtigen Loredano hilflos ausgeliefert. Kein Wunder, dass Venedig nicht daran interessiert war, ein Werk uraufzuführen, das die Stadt in so düsterem Licht erscheinen ließ. So wurde Rom zur Geburtsstätte der Oper, die vielleicht auch wegen der traurigen, von keinem Hoffnungsschimmer erleuchteten Handlung nie so recht Fuß fassen konnte auf den Opernbühnen. Dabei hat sie drei ganz wunderbare, von Leitmotiven begleitete Partien für Sänger, und die drei großen Baritone der jüngsten Vergangenheit, Piero Cappuccilli, Renato Bruson und Leo Nucci wussten sich das zunutze zu machen, schufen eindringliche Rollenportraits vorzugsweise in der Inszenierung von Pier Luigi Pizzi.

Das Genueser Label Dynamic, das dem Opernfreund schon Zugang zu so mancher interessanten italienischen Aufführung verschafft hat, hat nun auch eine DVD von den Verdi-Festspielen 2019 in Parma, der Verdi-Stadt par excellence, auf den Markt gebracht, allerdings wird auch Parma nicht mehr seinem Ruf gerecht, sei es der des kritischsten und buh- und pfeiffreudigsten Publikums der Opernszene, sei es der der Erwartung, in dieser Stadt bekäme man noch italienische Sänger zu hören.

Regisseur Leo Muscato hat das Stück in der Verdizeit angesiedelt, was die Kostüme von Silvia Aymonino bezeugen und was nicht weiter stört, wenn man nicht weiß, dass es zu dieser Zeit längst keinen Dogen von Venedig mehr gab, der letzte bereits 1802 gestorben war. Andererseits stört die Gewandung des Chors in Gehrock und Zylinder auch nicht besonders, und der Rundhorizont mit Portraits verstorbener Dogen im ersten Akt, die Scheibe als Ort der Handlung, die von Bühnenbildner Andrea Belli entworfen wurden, sind so stimmungsträchtig wie zweckmäßig.

Am Pult der Filarmonica Arturo Toscanini, verstärkt durch das Orchestra Giovanile della Via Emilia steht Altmeister Paolo Arrivabeni, ein Kapellmeister im besten Sinn des Wortes, der die Kontraste in Tempi und Lautstärke auskostet, Straffheit und Brio gleichermaßen walten lässt. Der Coro del Teatro Regio di Parma, einstudiert von Martino Faggiani, weiß natürlich auch, wie man Verdi zu singen hat, und lässt den Zuhörer daran teilnehmen.

Wie bereits erwähnt, gibt es keine italienischen Sänger für die drei Hauptpartien, nur der mit wenig Musik bedachte Jacopo Loredano wird von Giacomo Prestia mit machtvoller Röhre gesungen, lässt dessen unversöhnlichen Rachedurst in schwarzen Tönen hörbar werden. Vor allem in der Emilia Romagna und ihren Theatern, auch im Veneto ist Vladimir Stoyanov ein gern gesehener Gast. Der Kontrast zwischen körperlicher Hinfälligkeit, deren Darstellung extrem ausgekostet wird, und stimmlicher beachtlicher Potenz für den alten Dogen ist bemerkenswert, die Baritonstimme besticht durch ihre warme Farbe, und im „Questa è dunque“ des letzten Akts wächst der Sänger, was vokale und darstellerische Eindringlichkeit betrifft, über sich selbst hinaus. Ganz zum Schluss wünscht man sich mehr Verinnerlichung, als er aufzubringen im Stande oder willens ist. Für den Schmerzensmann Jacopo ist der Tenor Stefan Pop, den man sich gut in Donizetti-Rollen vorstellen kann, etwas zu hell, die Stimme klingt in der Höhe weinerlich, was bei dieser Partie penetrant wirken kann, die Phrasierung ist nicht die großzügigste. Die Cabaletta im ersten Akt liegt ihm besser als die Arie im ersten Akt, für „Perpetua notte“ opfert er einer erzwungen wirkenden Dramatik die musikalische Linie, verliert er die musikalische Contenance. Gefallen kann der Tenor in einem ausdrucksvollen „Da voi lontano la morte“. Die struppige Perücke wirkt optisch geradezu entstellend. Aus Mexiko stammt Maria Katzarava, einst Gewinnerin von Domingos Operalia, inzwischen zwischen den hübschen Chordamen durch enorme Körperfülle wie ein Fremdkörper wirkend. Vokal kann sie gefallen durch einen kristallklaren Sopran, gut gestützte Piani, schön ausgeformte Töne. Wird es allerdings dramatisch, dann entgleist die Stimme schon einmal, wird sie im Terzett scharf wie auch im letzten verzweifelten Ausbruch.

Auf die teilweise nicht höchsten Ansprüchen genügenden Sängerleistungen reagiert das Publikum für ein italienisches untypisch mit mattem Applaus für die Arien und stürmischem Beifall am Schluss (Dynamic 37865). Ingrid Wanja           

Mitreißend

 

Nicht gerade mit einem reichen Liedschaffen bringt man den Namen Sergey Prokofiev in Verbindung und doch hat jetzt die russische Mezzosopranistin Margarita Gritskova eine interessante CD mit Songs und Romanzen des Komponisten, der lange in Frankreich lebte, aber 1936 freiwillig in die Sowjetunion zurückkehrte, aufgenommen. Diese seine seltsame Entscheidung erklärt auch die bunte Vielfalt, die die 16 Tracks auszeichnet, die teilweise vom französischen Impressionismus, teilweise von den Anforderungen, die das stalinistische Russland an seine Künstler stellte, geprägt, in jeder Hinsicht jedoch hoch interessant sind.

Natürlich dürfte es eine solche CD auf dem westeuropäischen Markt nicht leicht haben, hätte Naxos nicht vorgesorgt und ein hilfreiches Booklet mit einer kompetenten Einführung in das Liedprogramm und mit Übersetzungen oder zumindest Inhaltsangaben der Musikstücke es dem Hörer ermöglicht, sich an der CD nicht nur zu erfreuen, sondern die einzelnen Lieder auch zu verstehen.

Es beginnt mit einem fast schon kleinen Operneinakter, dem ältesten, aus dem Jahr 1914 stammenden Stück, der Geschichte vom hässlichen Entlein, das sich zum  stolzen Schwan entwickelt, und es ist erstaunlich, dass der Hörer, obwohl der Text nicht übersetzt wurde, die Geschichte nachvollziehen kann, so deutlich kann die Sängerin Gefühlszustände, Handlungsabläufe nachvollziehbar machen, weiß sie Groteskes wie Gefühlvolles zu vermitteln mit einer angenehm timbrierten Stimme perfekt angebundener Höhe, die die Mezzofarbe zu bewahren weiß.

Es folgen drei der Five Poems aus dem Jahr 1915, dessen erstes, Das graue Kleidchen, eine klare Rollenverteilung zwischen dem Erzähler und der Titelfigur, der Verkörperung von Leid und Tod, hörbar macht, wobei fasziniert, wie die Stimme des Mädchens gerade, weil sie zart und verhalten bleibt, besonders geheimnisvoll klingt. Vertraue mir  ist ähnlich unheimlich, der in feinem Schwebezustand gehaltene Mezzo weiß die zu nichts Gutem führende Verführung, in der bereits das „Blätter fallen“ erahnbar ist, perfekt und damit nachvollziehbar zu verdeutlichen. Auch Der Zauberer, und hier verstärkt die wie tröpfelnd klingende Begleitung der einfühlsamen Maria Prinz diesen Eindruck, klingt die Stimme im „ so sang man es in alten Liedern“ wie sich verlierend an die unheimliche Atmosphäre.

Es folgen fünf Lieder auf Gedichte von Anna Akhmatova, und hier kann sich in Echte Zärtlichkeit das schöne Timbre voll entfalten, kann die Sängerin aber auch zugleich beweisen, wie farbig ein gut gestütztes Piano sein kann, während in  Erinnerung an die Sonne auch das Verlöschen sich in Schönheit vollziehen kann. Grüß dich  lässt erst in den letzten Worten  das Grässliche der Geistererscheinung hörbar werden, in Der grauäugige König lässt die Sängerin den Hörer darüber staunen, wie sie eigentlich eintönig Traurigem immer wieder neue vokale Nuancen abgewinnen kann.

In Denk an mich! Mit dem Text von Konstantin Balmont entwickelt die Stimme und mit ihr das Piano aus dem quasi akustischen Nichts Hochdramatisches bis hin zum Schrei „Denk an mich“, und auch Stöhnt ein graues Täubchen eignet sich nicht zum Ausstellen einer schönen Stimme, sondern verlangt nach der Fähigkeit zum Nuancieren, zur Charakterisierung, zum feinen sich Steigern im scheinbar Eintönigen, was Sängerin und Pianistin sich hörbar nicht nur vorgenommen, sondern auch verwirklicht haben.

Angeblich der Text eines russischen Volkslieds soll Anjutka sein, in dem dieselbe zu fleißigem Lernen aufgefordert wird, da ja im neuen Russland der Tüchtige sogar dank der Oktoberrevolution bis ins Präsidentenamt aufsteigen kann. Man vermeint in der Begleitung des Klaviers zu hören, dass sich der Komponist über sein eigenes Werk lustig macht, aber das ist vielleicht auch überinterpretiert. Das Plappermaul hingegen hält in virtuosem Temporeichtum, was es im Titel verspricht.

Plakativer als die anderen Tracks ist auch Das Totenfeld, für das die Sängerin die ihre den Charakter einer Naturstimme annehmen lässt.  In munterem Plauderton zart hingetupfte Töne hat sie für Im Morgenrot, einen verführerisch-herausfordernden Ton nimmt sie schließlich für Katarina an und führt nicht nur dieses Lied, sondern die gesamte CD zu einem mitreißenden Abschluss (Naxos 8.574030). Ingrid Wanja

 

Augen zu und hören

 

„Come in quest’ora bruna sorridon gli astri e il mare! Come s’unisce, o luna, all’onda il tuo chiaror!“ Mit diesen Worten beginnt die Arie der Amelia im ersten Akt von Verdis Simon Boccanegra nach einem geradezu impressionistisch anmutenden, zart-flirrenden, von Violinen dominierten Vorspiel. Und was fällt dem modernen Regisseur dazu ein, denn ein uninszeniertes Preludio darf nicht sein: Er lässt eine Horde so strengkostümierter wie –frisierter Damen, die in ihre Tabletts vertieft sind, auf- und wieder abmarschieren. Ihnen waren im Prolog, 25 Jahre zuvor, bereits wie irre mit ihren Handys hantierende, Mails empfangende oder absendende Herren in grauen Anzügen vorausgegangen, Plebejer, während die Patrizier einheitlich in Schwarz gewandet sind, Simon aus der Masse heraussticht, weil er einen braunen Anorak trägt und natürlich wegen so unkonventioneller Kleidung dem Zuschauer vermittelt, dass er ein guter Mensch ist. Ein Zeugnis der Armseligkeit ist die Regie von Alexander Kriegenburg für die Salzburger Festspiele von 2019, denn da gibt es nicht etwa eine neue Sicht mit neuen Erkenntnissen über dieses Schmerzenskind Verdis, das 1857 uraufgeführt wurde und erst 1881 seine endgültige Fassung erhielt. Die Regie pfropft dem historisch fest in der Zwietracht zwischen den beiden großen Handelsrepubliken Venedig und Genua verankerten Stück keine moderne Sicht, sondern nur ein modernes Outfit auf und nimmt ihm damit ein gut Teil seiner Wirkung. In der Personenführung bleibt die Produktion armselig, denn dass Paolo die Rose, die Gabriele seiner Amelia verehrt hat, zerpflücken wird, dass wusste der Zuschauer genauso sicher, wie er in Kupfers Fidelio voraussah, dass Pizarro das Geranientöpfchen Marzellines zertrampeln wird.

Die Szene von Harald B. Thor passt zwar wegen ihrer Monumentalität zu Genua, La Superba, ist aber mit ihrem Kalkweiß langweilig, mit den Videobotschaften wie lontano dal mare weit von der Wahrheit entfernt, bzw. nur auf die Produktion zutreffend, die das vielzitierte Meer fast gänzlich ausspart, nur im letzten Bild den Blick darauf in Ausschnitten freigibt und es im Kostüm (Tanja Hofmann) von Amelia sichtbar werden lässt. Alles in allem kann man die Optik nur für das loben, was sie nicht tut, nämlich sich der Solisten nicht anzunehmen, sie weitgehend in Ruhe zu lassen. Und das haben sie, tüchtig wie sie fast alle sind, zumindest verdient, wenn man sich natürlich auch wünscht und es ihnen gegönnt hätte, dass sie auf der Riesenbühne mehr Hilfestellung erhalten hätten.  Am Schluss wird sogar noch der zuvor viel mit Twittern beschäftigte Chor im Stich gelassen, denn als es mit Selbstmord (Paolos!), Hochzeit, Tod, Herrscherproklamierung endlich Wichtiges der Welt mitzuteilen gäbe, bleiben die Handys in den Hosentaschen.

Viel Freude bereiten die vier Herren des Solistenensembles. Da ist natürlich als Bassfels an erster Stelle René Pape als Fiesco zu nennen, dem im Prolog die Tochter sterbend in die Arme sinkt und der trotzdem ein unangefochtenes Il lacerato spirito mit wundervollem Fluss der gewaltigen Stimme singt, und das obwohl er sich optisch so zittrig-taprig geben muss, dass man ihm die mindestens 25 Jahre, die ihm noch vergönnt sind, nicht abnehmen kann. Balsamisch ist sein Anteil am Vicino a me, profund der am Duett mit Simone im letzten Akt nach einem durch Mark und Bein gehenden i morti ti salutano.

Angemessen raubeinig im Vergleich zu dem Simones hört sich der Bariton von André Heyboer in der Rolle des Paolo an, ein Brunnenvergifter, wie er giftiger nicht sein könnte. Dem Strick des Henkers entgeht er, indem er den Rest des für Simone bestimmten Gifts trinkt, das bei ihm sofort, bei Simone erst nach vielen Stunden so recht wirkt. Aber Oper ist halt im Reich des Unwahrscheinlichen angesiedelt, und wenn nicht, dann sorgt die Regie dafür.

Einen angenehmen, geschmeidigen und zugleich markanten Bariton hat Luca Salsi für den Dogen, seine gute Diktion ist lobenswert, mehr in seiner großen Ansprache als im Piangi ist er mit einem leider nur selten agogikreich geführten, eher dem Dauerforte verpflichteten, gesund klingenden Material eine Freude für den Hörer.

Einen feurigen Gabriele Adorno, den es nicht lange beim von der Regie verordneten Schampus und Pianoforte hält, gibt Charles Castronovo mit dunkel getöntem Tenor, der an Metall zugelegt hat, der leicht nasal, aber nobel klingt und der eine schöne mezza voce einzusetzen hat. Bereits im Rezitativ vor seiner großen Arie weiß er generös zu phrasieren, und das Piano im Segen im ersten Akt hat viel Substanz.

Eine optisch gefallen könnende Amelia ist Marina Rebeka, die schöne Töne für den Schluss hat, einen feinen Triller zum Ende des ersten Akts beisteuert, deren Mittellage aber schwach, deren Höhe oft zu schrill ist, so dass sie insgesamt gegenüber ihren männlichen Kollegen etwas abfällt.

Vorzüglich singt der Chor der Staatsoper Wien (Ernst Raffelsberger) mit gebändigter Allgewalt, tadellos und eher zurückhaltend zumindest bei dieser Aufnahme geben sich die Wiener Philharmoniker unter Valery Gergiev, der wohl gerade zuvor in Bayreuth mit dem Tannhäuser weniger glücklich agiert hatte. Wer sich durch eine ärgerliche Optik den Spaß an Oper nicht mehr verderben lässt, guckt und hört, alle anderen schalten nur den Ton an, und ein musikalischer Genuss ist ihnen gewiss (Unitel 802704). Ingrid Wanja  

Telemann aus Hamburg

 

Nicht aus der Telemann-Stadt Magdeburg kommt die Neuaufnahme seines Miriways, sondern aus Hamburg, wo es gleichfalls ein Telemann Festival gibt und das Werk im November 2017 in der Laeiszhalle konzertant aufgeführt wurde. PENTATONE hat in Koproduktion mit dem Norddeutschen Rundfunk den Mitschnitt auf zwei CDs veröffentlicht (PTC 5186 842). Wegen der Mitwirkung der renommierten Akademie für Alte Musik Berlin ist diese Initiative besonders zu begrüßen. Das Orchester mit seinem musikantischen Schwung und dem lustvollen Einsatz ist dann auch der Trumpf der Einspielung. Am Pult steht der Kanadier Bernard Labadie, Gründer des bekannten Barockorchesters Les Violons du Roy, der die federnde Musik mit ihrem Elan und dem orientalischen Kolorit spannungsvoll auffächert. Neben der inspirierenden Begleitung der Solisten hat der Klangkörper auch Gelegenheit, in mehreren Instrumentalnummern zu glänzen. Feierlich gemessen setzt die einleitende Sinfonia ein, munterer Hörnerklang bestimmt deren bewegten B-Teil. Von erhabenem Charakter sind die schreitende Sinfonie en Sarabande und die gewichtige Marche en Persien im 2. Akt.

Hamburg ist für dieses Werk durchaus prädestiniert, denn immerhin wurde es hier 1728 in der Oper am Gänsemarkt uraufgeführt. Das Libretto von Johann Samuel Müller bedient die im 18. Jahrhundert beliebte Orient-Mode, führt nach Isfahan, der persischen Residenz von Miriways. Der afghanische Stammesfürst hat nach seinem militärischen Sieg den persischen Prinzen Sophi als König in der eroberten Provinz eingesetzt. Mit seiner heimlichen Ehefrau Samischa hat er eine Tochter, Bemira, deren Aufenthalt unbekannt ist. Miriways will sie finden und mit Sophi verheiraten. Am Ende kommt es zu diesem Happy-End, und auch ein weiteres Paar, der tatarische Fürst Murzah und die Perserin Nisibis, findet sich.

In der Besetzung gibt es mehrere in der Alte-Musik-Szene bekannte Sänger, so Robin Johannsen als persischer Prinz Sophi, Sophie Karthäuser als Bemira, Marie-Claude Chappuis als Samischa und Anett Fritsch als Zemir.

In der Titelrolle ist der deutsche Bariton André Morsch mit einer resonanten Stimme von besonderer Klangschönheit zu hören. In seiner Auftrittsarie „Ein dopp’ler Kranz“ nimmt er das heiter-ausgelassene Thema des vorangegangenen Chores auf, welcher wie ein Vorläufer zu „Bassa Selim“ aus der Entführung anmutet. Ein großer Kontrast dazu ist die heftig erregte, vom Orchester mit pulsierenden Figuren untermalte Arie zu Beginn des 2. Aktes, „Es erzitt’re der Wütrich“. Den Gemütszustand der Figur vermag er in „Verjage die Wolken“ und „Geh, undankbares Herze“ plastisch zu formulieren. Am Ende des 3. Aktes fällt ihm mit „Lass, mein Sohn“ ein Solo von getragenem Ernst zu, welches die Stimme noch einmal in ihrer Schönheit und Sensibilität aufscheinen lässt.

Nicht weniger als vier Soprane gibt es in der Besetzung, was zu einer gewissen Gleichförmigkeit im Klangbild führt. Für den persischen Pronzen Sophie, eigentlich eine Mezzo-Rolle, wurde Robin Johannsen gewählt, bekannt vor allem durch ihre Zusammenarbeit mit René Jacobs. Aber ihr Sopran ist sehr hell und leicht, vermag eine männliche Figur kaum zu suggerieren. Hier wäre ein hoher Counter die geeignetere Wahl gewesen. Dem Anspruch der dramatisch grundierten und an Koloraturen reichen Arie „Die Liebe spricht“ wird sie mit ihrer flexiblen Stimme gleichwohl mühelos gerecht. Ihr gebührt der letzte solistische Auftritt in der Oper mit dem furiosen  „Ich will mit verscheuchten Rehen“, dessen erregte Koloraturläufe beinahe einen Wahnzustand suggerieren. Dafür fehlt es der Stimme allerdings an Gewicht und Farbe. Für Miriways’ uneheliche Tochter Bemira ist Sophie Karthäuser ideal besetzt, denn ihr Sopran von apartem Timbre und zärtlicher Art verleiht der Arie „Ich liebe dich“ viel Anmut.

Recht ähnlich klingt Lydia Teuscher als persische Dame Nisibis, die ihre sanft wiegende Arie „Komm, sanfter Schlaf!“ kultiviert und feinsinnig vorträgt. Aber sie erfüllt auch die virtuosen Anforderungen der Partie und absolviert die Koloraturen der Arie „Mein widriges Geschicke“ am Ende des 1. Aktes beeindruckend. Im 3. Akt fällt ihr das einzige Duett, hier Aria à 2, des Werkes zu. Mit dem tatarischen  Fürsten singt sie „Welch süßes Ergötzen“, das die „himmlische Lust“ in zarten oder jauchzenden Koloraturen vorwegnimmt. Die vierte Sopranistin ist Annett Fritsch als persischer Fürst Zemir, auch dieser im Original eine Mezzo-Partie. Aber immerhin ist die Stimme etwas dunkler getönt als die ihrer Kolleginnen und in der Wirkung auch persönlicher durch die prägnante Artikulation und das Gewicht, das sie den Noten gibt. Die Arie „Ja, ja, es muss mir glücken“ profitiert vom energischen  Nachdruck, eine weitere, „Die Dankbarkeit“, von der plastischen Klangrede. Von Hörnern prachtvoll untermalt wird ihr Solo „Unwürd’ger, deine Liebeskerze“, welches das virtuose Vermögen der Interpretin herausstellt. Bei „Kann’s möglich sein“ im 3. Akt erfreut der noble Ton von hoher lyrischer Kultur.

Mit Marie-Claude Chappuis als Miriways’ Ehefrau Samischa findet sich der einzige Mezzosopran in der Besetzungsliste. Auch ihre gramvolle Arie „Könnt’ ich nur zu ihm sprechen“ fällt in dem stockenden Duktus aus dem Rahmen. Den 3. Akt eröffnet sie mit der Arie „Lass dir sein ehrerbietg’s Flehen“, die in ihrer munteren Heiterkeit von ganz anderem Charakter ist. Chappuis erfreut hier mit delikatem Gesang.

Kontrastierende Farben bringen zwei Baritone ein – Michael Nagy als Murzah, der in der Arie „Angenehme Westenwinde“ mit sanften Tönen und im 2. Akt in „Edle Sinnen lassen nicht“ mit kantablem Melos aufwartet, sowie Dominik Köninger als Geist und Scandor mit gewohnt zuverlässigem Auftritt. Der jubelnde Schlusschor „Die Sonne des Glückes“ kündet mit Janitscharen- Klängen vom frohen Ausklang.

Die Aufnahme ist eine ernsthafte Konkurrenz zur Einspielung von 2014 mit dem L’Orfeo Barockorchester unter Michi GaiggBernd Hoppe

 

(Weitere Information zu den CDs/DVDs  im Fachhandel, bei allen relevanten Versendern und bei www.naxosdirekt.de.)

Mady Mesplé

 

Die große Sopranistin Mady Mesplé ist tot:  Sie war genauso in Lakmé von Delibes zu Hause wie im zeitgenössischen Repertoire. Die aus Toulouse stammende Sopranistin ist Samstag, den 30. Mai 2020 im Alter von 89 Jahren in Toulouse, der Stadt, in der sie geboren wurde, gestoprben

“ Ich bin immer eine langsame Frau und immer zu spät“, gestand sie am Mikrophon von Antoine Livio im Jahr 1995 auf France Musique in einer bescheidenen Charakteristik ihrer Karriere. Ariadne auf Naxos, Lakmé, Rigoletto, aber auch die weniger klassischen Werke wie Dialogues des Carmelites, Die Jakobsleiter, oder die Quatre poèmes de Sappho… Während fast drei Jahrzehnten sang Mady Mesplé die größten Rollen auf den wichtigsten Bühnen, ohne je die Herausforderung der zeitgenössischen Szene zu vernachlässigen.

1931 in Toulouse geboren, spielte sie zuerst Klavier, worin sie hervorragend war, bevor sie in Toulouse in die Klasse von Madame Izar-Lasson, der Ehefrau des Direktors des Théâtre du Capitole von Toulouse, kam. Das Ehepaar öffnet ihr den Weg nach Liège und Belgien. Sie singt dort Lakmé, den Barbier von Sevilla und wendet sich weiter zum Théâtre de la Monnaie in Brüssel, dann zur Oper von Lyon, wo sie in Les Contes d´Hoiffmann  brilliert, einer Oper, die sie im Dezember 1975 auch in Paris in einer Inszenierung von Patrice Chéreau singen wird.

Der Name von Mady Mesplé bleibt untrennbar mit der Moderne und den Werken ihrer Zeitgenossen verbunden. Eine Musik, die sie nicht als schwerer empfand, aber die viel Arbeit erforderte: „Man muss sehr musikalisch sein, ein gutes Gehör haben… Ich habe viel gearbeitet, ich glaube, ich glaube, ich habe ein gutes Gehör, ich habe genug für die Harmonie getan… Mein Gott, ich war oft verloren und wusste nicht mehr, was ich sang!“

Dieser Sinn für die Moderne wurde bei ihr nie schwächer. Als sie Ende der 80iger Jahre die internationale Opernszene verlässt, überträgt sie dasselbe Interesse für dieses zeitgenössische Repertoire auch in ihren Unterricht. Etwas, worauf sie stolz ist, wie sie vor einigen Jahren betont hat, war, dass sie „mehr zeitgenössische Musik als Operette gesungen hat!“. Francois Gautier (Übersetzung Ingrid Englitsch/ Foto Künstlerpostkartte Harcourt/ OBA30)

 

Dazu auch noch einmal eine Vita bei Wikipedia: Mesplé studierte am Konservatorium zunächst Klavier, dann Gesang und setzte ihre Gesangsausbildung in Paris bei Georges Jouatte und Janine Micheau fort. 1953 debütierte sie am Opernhaus von Lüttich, dessen Ensemble sie drei Jahre angehörte, in der Titelrolle von Léo Delibes’ Lakmé. Daneben gastierte sie am Théâtre de la Monnaie in Brüssel.

1956 wurde sie Mitglied der Pariser Oper und der Opéra-Comique. An der Opéra-Comique wirkte sie 1962 in der Uraufführung der Oper Princesse Pauline von Henri Tomasi und 1963 in der Uraufführung von Le dernier sauvage von Gian Carlo Menotti mit. Sie gab Gastspiele am Teatro dell’Opera di Roma, am Teatro San Carlo in Neapel, am Teatro Colón in Buenos Aires und an der Bayerischen Staatsoper in München. 1972 trat sie am Bolschoi-Theater in Moskau auf und debütierte an der Metropolitan Opera in New York als Gilda in Giuseppe Verdis Rigoletto.

Zu ihrem Repertoire gehörten neben der Lakmé u. a. die Titelrolle in Charles Gounods Mireille und die Juliette in dessen Roméo et Juliette, die Philine in Ambroise Thomas’ Mignon und die Ophélie in dessen Hamlet, die Königin der Nacht in Mozarts Zauberflöte, die Titelrolle in Gaetano Donizettis Lucie di Lammermoor, die Rosina in Gioachino Rossinis Barbiere di Siviglia sowie die Sophie in Richard Strauss’ Rosenkavalier und die Zerbinetta in dessen Ariadne auf Naxos.

Sie war exklusiv bei EMI/ Voix de son Maitre verpflichtet und nahm fast unendlich viele Einielungen auf, darunter  u. a. Partien aus Lakmé, Georges Bizets Don Procopio (den nun bei Chant du Monde), Charles Lecocqs La fille de Madame Angot, André Messagers Véronique, Reynaldo Hahns Ciboulette, Robert Planquettes Les cloches de Corneville, André-Ernest-Modeste Grétrys Zémire et Azor, Erik Saties Socrate, Jules Massenets Werther, Rossinis Guillaume Tell, Jacques Offenbachs Orpheus in der Unterwelt und aus Daniel-François-Esprit Aubers Opern Manon Lescaut und Fra Diavolo auf. Sie war für Jahrzehnte aus der französischen Opernlandschaft nicht wegzudenken.

Carsens trübe Szene

 

O je, schon wieder eine Tagessschau mit Musik, denkt der gequälte Opernfreund, wenn er von Robert Carsen im Booklet vernimmt, dass es sich bei seinem Idomeneo um Im Teatro Real von Madrid eine Produktion für den Frieden und gegen den Krieg handeln soll, und wenn zu Beginn vor einem gewaltigen Maschendrahtzaun Flüchtlinge mit entsprechendem Gepäck und Wasserflaschen aufmarschieren, gegen Ende sich am Strand Berge von Schwimmwesten auftürmen und man ganz zum Schluss in eine zerstörte Straßenschlucht wohl einer orientalischen Stadt schaut, ist man erst einmal bedient. Trägt dann noch das gesamte Personal außer Ilia und Elettra Uniform und Maschinenpistole und wirft beides zum happy end ab bzw. weg, dann ist darüber die eigentliche Quintessenz des Stücks, die Unvereinbarkeit zwischen Staatsräson und Liebe, sei es väterliche oder geschlechtliche, die Erlösung aus diesem Konflikt nur durch selbst einen erzürnten Gotte rührende  Opferbereitschaft auf der Strecke geblieben.

Abgesehen von dieser mit potthässlicher Kostümierung (Luis F. Cavarhol) einhergehenden Optik ist die Produktion eine durchaus ansehnliche, die sich durch stellenweise feine Personenführung und eine beeindruckende Video-Meereslandschaft mit zwischen still ruht die See oder dräuender Flut bis hin zum Tsunami wechselndem Hintergrund (Will Duke) auszeichnet.

Idamante wird in dieser Produktion nicht von einem Mezzosopran, sondern von einem Tenor gesungen, und dem Besetzungsbüro gelang es, mit der empfindsamen, kultiviert eingesetztem, wenn auch nicht mit einem schönen Timbre begabten Stimme von David Portillo eine sehr jugendliche der dunkleren, dramatischeren substanzreicheren von Eric Cutler  als Idomeneo entgegen zu setzen. Ähnlich kontrastreich verhielten sich die beiden Sopranstimmen zueinander. Eine zarte, lyrische Mädchenstimme setzte Anett Fritsch für die trojanische Prinzessin Ilia ein, sehr angenehm in ihrer zweiten Arie mit einem schönen Leuchten in der Höhe, im Dramatischen aber flach bleibend. Zu Recht Publikumsliebling war Eleonora Buratto als fulminante Elettra, die die Furien souverän toben, den Zefiro sanft säuseln und mit ihrer letzten Arie das Blut des Hörers in Wallung geraten ließ. Eindrucksvoll war der wenn auch verstärkte Nettuno von Alexander Tsymbalyuk, solide der Arbace von Oliver Johnston. Der Chor des Teatro Real legte sich mit Gewinn ins Zeug, das Orchester unter Ivor Bolton spielte viel besser, als die ungefügen Bewegungen seines Leiters es vermuten ließen und erhellte mit akustischem Strahlen die trübe Szene (Opus arte 1317D). Ingrid Wanja

 

Hochbesetzt

 

Bis zum Beginn des neuen Jahrtausends war es still um den italienischen, 1690 in Strongoli  geborenen Komponisten Leonardo Vinci. Aufgeführt und eingespielt wurden eher die Opern seines Zeitgenossen Antonio Vivaldi. Nur hin und wieder fand sich auf den Recitals renommierter Barocksänger (Cecilia Bartoli, Simone Kermes, Xavier Sabata, David Hansen, Filippo Mineccia) eine Arie des Komponisten. Das änderte sich schlagartig im Jahre 2011, als Diego Fasolis mit dem Concerto Köln Vincis Artaserse in einer spektakulären Besetzung für Virgin aufnahm und ein Jahr später in Nancy szenisch aufführte. Alle Hauptrollen, auch die weiblichen, wurden von Countertenören interpretiert, womit an die Kastratenbesetzung der Uraufführung 1730 in Rom erinnert wurde. Jüngster Paukenschlag in Sachen Vinci war das Recital des Counters Franco Fagioli bei der DG mit dem Titel Veni Vidi Vinci, welches 14 Arien des Komponisten, darunter sieben Weltpremieren, vorstellt.

Nun veröffentlicht das österreichische Label Parnassus Arts Productions auf drei CDs (und einem ebenso hochinformativen wie mitreißend geschriebenen Einführungsartikel von Boris Kehrmann) Vincis Dramma per musica Gismondo Re di Polonia,  nachdem dieses 2018 im Teatr Miejski in Gliwice und im Theater an der Wien aufgeführt worden war (9120104870017). Das Stück kam 1727 in Rom zur Premiere und basiert auf einem Libretto des Venezianers Francesco Briani, welches dieser für den Komponisten Antonio Lotti verfasst hatte, der es unter dem Titel  Il vincitor generoso vertonte – ein Herrscherlob auf König Fredericks IV. von Dänemark, der 1709 die Lagunenstadt besuchte und zu dessen Ehren die Aufführung gegeben wurde. Vinci hat dieses Libretto 18 Jahre später nahezu wörtlich vertont. Die Protagonisten der Oper sind Gismondo, König von Polen, und Primislao, Herzog von Litauen. Zwei Fürsten, Ernesto von Livland und Ermano von Mähren, lieben Gismondos Tochter Giuditta, die jedoch Primislao zugetan ist. Zwischen dessen Tochter Cunegonda und Gismondos Sohn Otone entspinnt sich die eigentliche Liebeshandlung. Alle Figuren sind zwischen Politik und Liebe hin- und hergerissen, doch am Ende siegt die Großmut und zwei glückliche Paare finden sich. Die menschlichen Konflikte der Handlung haben Vinci inspiriert zu einer farbigen, affektreichen Musik, für die er auch Material aus seiner Ernelinda verwendete. Mit dem (oh!) Orkiestra Historyczna stellt sich ein neuer Klangkörper auf CD vor, geleitet von Martyna Pastuszka – auch sie ein bislang unbekannter Name auf dem Musikmarkt. Aber schon mit dieser ersten Aufnahme liefern beide einen imponierenden Beweis ihrer Meisterschaft. Mit stürmischem Bläsergeschmetter setzt die Sinfonia ein und bringt in ihrer Durchführung das pulsierende Spiel des Orchesters zu starker Wirkung. Der 3. Akt beginnt mit einer pompösen Marciata, in welcher der Klangkörper wiederum heroisch auftrumpft. Aber auch in der Begleitung der Sänger sind Gespür für Rhythmus und Melos spürbar.

In der Besetzung finden sich zwei Countertenöre, die auch beim Artaserse mitgewirkt hatten – der Ukrainer Yuriy Mynenko und der Österreicher mit kroatischen Wurzeln Max Emanuel Cencic. Letzterer ist Executive Producer der Aufnahme – damit Garant für eine erstklassige Besetzung – und auch Interpret der Titelrolle. Die Stimme des Sängers hat sich in den letzten Jahren bemerkenswert entwickelt, ist durchgängig gerundet und ausgeglichen, hat den hysterischen Beiklang in der Höhe, der früher zu bemerken war, verloren. Schon der bewegte Auftritt, „Bella pace“, mit reichen Koloraturpassagen imponiert, ebenso die Gleichnisarie „Se soffia irato“, welche das Bild einer Taube im Sturm imaginiert. Deren eilende Koloraturen absolviert Cencic bravourös, wie er auch im stürmischen „Torna cinto“ des 2. Aktes brilliert und die Nummer mit einem exponierten Schlusston krönt. Mynenko als Otone mit seiner schönen und sinnlichen Stimme steht ihm keineswegs nach, kann bereits in der Auftrittsarie, „Vado ai rai“, mit fein getupften staccati und reichem Zierwerk prunken. Er beschließt den 1. Akt mit einer Nachtigallen-Arie („Quell’usignolo“), deren betörender und kunstfertiger Gesang mit Trillern und staccati von Flöten lieblich umspielt wird. Im 2. Akt kann er in „Vuoi ch’io mora“ seinen Schmerz mit ergreifenden Tönen ausdrücken, im heldischen „Assalirò quel core“ die Stimme in ihrem weiten Umfang voll ausreizen und im lieblich wiegenden „Pupille vezzose“ des 3. Aktes seine lyrischen Qualitäten auskosten.

Zwei weitere Counter sind dagegen neu in der Opernszene – der Brite Jake Arditti als Ernesto und der Amerikaner Nicholas Tamagna als Ermano. Ersterer besitzt eine Stimme von reizvoll androgynem Timbre mit auffallend üppiger Substanz in der Tiefe. Diese kann er besonders in der munter bewegten Arie im 2. Akt, „E col senno“, ausstellen. Kontrastreich sind das lieblich-zärtliche „D’adorarvi così“ und das auftrumpfende, mit virtuosen Koloraturläufen ausgestattete „Parto con quella speme“ im  3. Akt. Ermano führt sich erst im letzten Akt mit der stürmischen Arie „Son come cervo misero“ ein und Tamagna kann hier mit seiner resoluten, angenehm timbrierten  Stimme für sich einnehmen.

Auch die mitwirkenden Soprane waren bisher auf Besetzungslisten kaum anzutreffen. Die weibliche Hauptrolle der Cunegonda nimmt die Belgierin Sophie Junker wahr. Ihr lyrischer Sopran ist von hoher Kultur, was den empfindsamen und klagenden Arien der Partie gut ansteht („Sentirsi il petto“ im 1. und „Tu mi tradisti ingrato“ im 2. Akt). Sie trägt diese Lamenti mit starker Expressivität vor. Mit Otone beendet sie den 2. Akt mit dem innigen Duett „Dimmi una volta addio“, in welchem beide Stimmen perfekt harmonieren. Ein Höhepunkt der Oper ist ihre stürmische Arie im 3. Akt „Ama chi t’odia“, die in rasendem Furor ihren Hass und Erregungszustand spiegelt. Cunegonda ist auch beteiligt im einzigen Terzett des Werkes mit Gismondo und Otone („Dolce padre“), welches einen Gefühlssturm aller drei Personen ausdrückt. Und schließlich fällt ihr das letzte Solo der Oper zu – „Di rispondi“ am Ende des 3. Aktes, das geheimnisvoll raunend beginnt und sich dann ganz verinnerlicht fortsetzt. Erst der nachfolgende Schlusschor „Nel gran Sarmata“, der davon singt, dass mit dem Ölbaum und Lorbeer das erhabene Haupt Gismondos gekrönt wird, bringt eine feierliche Note ein.

Die Polin Aleksandra Kubas-Kruk ist als Primislao zu hören, also eine Besetzung en travestie. Die Stimme ist im Timbre nicht sonderlich individuell, aber die Gesangskunst der Sopranistin steht außer Frage. Schon in ihrem ersten Auftritt „Và, ritorna“ vermag sie energisch aufzutrumpfen und mit herausgeschleuderten Spitzentönen zu beeindrucken. Imponierend auch die exponiert notierte Arie „Nave altera“, die rhythmisch prägnant, mit großem Nachdruck und brillanten Koloraturgirlanden interpretiert wird. Einen starken Kontrast bilden die beiden Arien im 3. Akt — „Vendetta o ciel“ kämpferisch und „Sento di morte“ ganz verhalten, fast stockend.

Die Russin Dilyara Idrisova gibt die Giuditta und komplettiert mit ihrem jugendlichen Sopran von androgyner Anmutung eine insgesamt hochkarätige Besetzung. Die Sängerin meistert auch die Noten in der Extremhöhe bravourös, wie im koketten „Così mi piacerai“ oder dem heiteren „Se l’onda corre“.

Cencic und sein Team haben mit dieser Einspielung für einen Meilenstein in Sachen Leonardo Vinci gesorgt, dem hoffentlich weitere Initiativen folgen werden. Anfang September soll das Werk in identischer Besetzung beim neu gegründeten Festival Bayreuth Baroque konzertant aufgeführt werden . Bernd Hoppe 

 

(Foto Vinci „Gismondo“ Parnassus Max Emanuel Cenci c® Lukasz-Rajchert/ Weitere Information zu den CDs/DVDs  im Fachhandel, bei allen relevanten Versendern und bei https://www.note1-music.com/shop/..)

Zeitgenossenschaft

 

Bei allen Unterschieden viele Gemeinsamkeiten zeichnen die beiden von ihrer Musik her so unterschiedlichen Komponisten Ernst Krenek und Kurt Weill aus, und damit ist nicht nur das Geburtsjahr 1900  gemeint oder das Exil in den USA. Ansporn genug, um die beiden sich ihrem Schaffen widmenden Kurt-Weil-Gesellschaft Dessau und die Ernst Krenek Institut Privatstiftung Krems zur Unterstützung einer Tagung zu motivieren, die das Thema des Kurt Weill Fests Dessau  2016, „Krenek, Weill & die Moderne“ mit leichter Abänderung in Zeitgenossenschaft: Ernst Krenek und Kurt Weill im Netzwerk der Moderne abwandelte. Initiator war und Herausgeber des daraus entstandenen Buches ist Matthias  Henke, dem auch das Vorwort zu dem stattlichen Band, der die Ergebnisse des Unternehmens zusammenfasst, geschrieben hat.

In  diesem weist er nicht nur auf das gemeinsame Geburtsjahr, sondern auch darauf hin, dass beide Komponisten in Familien aufwuchsen, die an klassischer Musik interessiert waren und die die musikalische Ausbildung ihrer Söhne förderten,  dass beide 1920 nach Berlin zogen, in Donaueschingen auftraten und Riesenerfolge erzielten, Krenek mit Jonny spielt auf und Weill mit der Dreigroschenoper. In den USA allerdings entwickelten sie unterschiedliche Musikstile, Weill passte sich dem amerikanischen Geschmack an und Krenek beschritt den Weg der Atonalität.

Man könnte noch hinzufügen, dass beide ihre Werke bei der Wiener Universal Edition AG veröffentlichten.

Über die „privilegierten Kindheiten“ beider Komponisten berichtet Kristina Schierbaum, wobei sie sich auf Kreneks Überlieferungen stützen kann, während über Weills frühe Jahre aus dessem Mund kaum etwas zu vernehmen ist, auch wenig darüber von fremder Hand geschrieben wurde. Trotzdem weiß man, dass die Familie jüdischen Glaubens ihn in einen Fröbel-Kindergarten schickte, das Krenek zweisprachig in Wien aufwuchs, da die Großmutter nur Tschechisch sprach. Schierbaum berichtet anschaulich und unterhaltsam über die Schulzeit und insbesondere den Musikunterricht für die späteren Komponisten, über erste eigene Musikstücke, die vom achtjährigen Krenek und vom zwölfjährigen Weill zu vermelden sind.

Nicht etwa über Weill und Brecht, sondern über Krenek und den deutschen Schriftsteller schreibt Joachim Lucchesi, wobei er Interessantes über die Abneigung Kreneks gegenüber dem „Politclown“ und dessen „musikdramatischen Nihilismus“   zu berichten weiß, sehr anschaulich über die Versuche, sein Pamphlet gegen Brecht und dessen pädagogisch-agitatorische Tendenzen bei Zeitungen unterzubringen, schreibt und besonders den Unwillen Kreneks darüber, dass das Publikum sich während einer Aufführung einmischen soll und Mitwirkende vorübergehend aus ihrer Rolle heraustreten können. Lucchesi weist sehr überzeugend nach, dass für Krenek zu dieser Zeit das Transzendentale zur Oper gehört. Er verschweigt aber auch nicht, dass es bei ihm durchaus auch anti-illusionistische Elemente, so in Karl V. ,gibt und dass einer Zusammenarbeit mit Brecht eigentlich nur dessen Kommunismus im Wege stand.

Schwere Kost gibt es mit Reinke Schwimmings Artikel über Kurt Weill und Ernst Bloch zu verdauen. Immerhin bleibt es konkret mit dem Bericht über Blochs Artikel über den Song der Seeräuber-Jenny aus der Dreigroschenoper, nachdem man sich durch Bemerkungen über den ontologischen Materialismus des Philosophen, die Utopie als Keimzelle der Hoffnungsphilosophie durchgekämpft hat, die der Autor dankenswerter Weise dem Leser höchst verständlich nahe zu bringen weiß. Gewagt sind die Vergleiche Jennys mit Elsa und Senta, denen allesamt „Sehnsucht nach messianischer Erlösung“ zugeschrieben wird, so ist denn der Inhalt des Songs wertvoll, die Form aber die des minderwertigen Schlagers. Entlassen wird der Leser mit der Einsicht, dass für Bloch die Musik die direkteste Ahnung von Utopie vermittelt.

Ulrich Wilker hatte die Aufgabe, Verbindungen zwischen Krenek, Weill und Zemlinsky aufzuspüren, schwierig, da lediglich der Dirigent Zemlinsky als Aufführender ihrer Werke für die beiden Komponisten von Interesse war. Als „Knotenpunkte der Moderne“ werden „Der Zwerg“ und „Der Kreidekreis“ bewertet, Weills Einfluss auf Zemlinsky wird untersucht.

Andreas Eichhorn  widmet sich dem Thema  „Musik und Weltanschauung“ anhand von Paul Bekkers Briefen an die beiden Komponisten. Weil er ihn „hochnäsig und herablassend“ findet, geht Krenek nicht auf den Wunsch Bekkers ein, sich zur zeitgenössischen Musik zu äußern, sieht sich stattdessen zu einem Statement gegen die Weltanschauungsoper veranlasst, während er andererseits Weill dafür lobt, dass in dessen Die Bürgschaft die Musik „ die Politik in sich aufgesogen hat wie der Sonnenstrahl eine kleine Wasserpfütze“, sie also als solche nicht mehr wahrnehmbar ist. Man staunt  und staunt darüber, wie heftig Fragen wie diese die Musiker der damaligen Zeit bewegten und vergleicht im Stillen die Sprachlosigkeit heutiger Künstler damit.

Claudia Maurer Zenck schreibt über die Aufführungen der beiden Komponisten in der Berliner Krolloper, einst mit 2500 Sitzen das größte Opernhaus Berlins. Besonders interessant ist  in diesem Zusammenhang, dass für Kreneks Das Leben des Orest Giorgio di Chirico als Bühnenbildner gewonnen wurde- Fotos geben davon Zeugnis. Jürgen Schehera hingegen widmete sich den Aufführungen in Leipzig, listet alle und nicht nur die der Opern auf und verweist auf ein pikantes Detail, das erklärt, warum beide Komponisten sehr häufig in diesem Institut aufgeführt wurden.

Andreas Zeising berichtet über die Fotos, die es, teilweise von berühmten Meistern der Zunft, von beiden Komponisten gibt- natürlich mit den entsprechenden Abbildungen. Stefan Weiss widmet seinen Artikel den Violinkonzerten beider Komponisten aus dem Jahr 1924, Leanne García Alós den Streichquartetten Nr. 1, Weiss vergleicht Besetzung, Metrik und Formvorstellungen miteinander, lässt die zeitgenössische Kritik zu Wort kommen.

Auch als Liedkomponisten waren beide Komponisten aktiv, widmeten sich sogar demselben Dichter, nämlich Rainer Maria Rilke. Die sinfonische Dichtung Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke ist leider verloren gegangen, auch von den sechs Liedern, die Weill auf Texte Rilkes vertonte, haben nur 1 ½ überlebt. Von In diesem Dorfe liefert der Verfasser eine interessante Interpretation. Krenek vertonte 1926 drei Rilke-Gedichte als Lacrimosa, von dem das zweite Lied einer näheren Betrachtung unterzogen wird.

Marco Hoffmann vergleicht die beiden Einakter Der Zar lässt sich fotografieren und Der Diktator miteinander  und stellt fest, dass beide, sei es mit dem Handlungsort Fotoatelier, sei es mit der Nähe zu Mussolini, in der Moderne angekommen sind, beide sich durch rasch wechselnde Perspektiven auszeichnen.

Den Abschluss bildet der Beitrag von Nils Grosch, der zu Exil und kultureller Mobilität Stellung bezieht, die Frage aufwirft, ob Assimilation nur Bereicherung oder auch Verlust bedeutet und wie die beiden Komponisten- Krenek wechselt seine Meinung in dieser Beziehung- diese Frage beantworten.

Die letzten Seiten Bandes werden durch ein Namen- und Werkregister und eine Übersicht über die Autoren eingenommen. Aber schon vor dessen Lektüre fühlt man sich durch das Buch bereichert und wissender als zuvor (195 Seiten, Edition Argus 2019 als Band 8 der Ernst Krenek Studien; ISBN 978 3 931264 37 6). Ingrid Wanja

 

Im Nerz durch Weisse Nächte

 

Petersburg: Verdi gelangte bis dorthin und führte die erste Fassung von La Forza del Destino auf, Johann Sebastian Bach wäre gern dort gewesen, musste aber in Leipzig  bleiben und weiter für den Thomanerchor Kantaten schreiben, nun gibt es eine CD mit Musik, die es an den Petersburger Hof schaffte und vielleicht sogar während einer der hochsommerlichen Nuits Blanches, so der Titel der Silberscheibe, dort aufgeführt wurde. Die kanadische Sopranistin und Barockspezialistin Karina Gauvin hat gemeinsam mit dem Pacific Baroque Orchestra unter Alexander Weimann Musik, die am Zarenhof des 18.Jahrhunderts gespielt wurde, aufgenommen, darunter als Prominentesten Christoph Willibald Gluck, außerdem die beiden Ukrainer Dimitri Stepanowitsch Bortnianski und Maxime Sozontowitsch Berezovski, dazu den in Italien ausgebildeten Evstignei Ipatievitsch Fomine sowie  Domenico Dall’Oglio, Tartini-Schüler, der gemeinsam mit seinem Bruder fast 30 Jahre lang am Zarenhof tätig war.  Eher dem kalten russischen Winter allerdings huldigt das Cover, das die Sängerin mit üppiger Nerzstola und Schleierhütchen zeigt, hinter dem die Augen geheimnisvoll leuchten.

Aus Bortnianskis Oper Le Faucon (Der Falke) stamm die Arie der Elvire über die Liebe zu ihrem Sohn, die das Orchester mit süß-geschmeidigem Klang einleitet, der zu der Stimme von schönstem Ebenmaß in allen Registern, weich und sehr feminin, optimal passt, ein schönes Wechselspiel zwischen Instrumenten und menschlichem Organ garantierend. Später gibt es noch die effektvolle Ouvertüre zu dieser Oper um einen Edelmann, der das Herz bereits erwähnter Elvire dadurch gewinnt, dass er sein letztes Gut, einen Falken, für sie schlachtet und auftischt. Lediglich ein Orchesterstück trägt Dall’Oglio mit dem Allegro aus der „Sinfonia Cosacca“ bei, die allerdings eher barock als kosackisch klingt.

Von Bortnianski hingegen hat es noch ein zweites Werk auf die CD geschafft, Alcide aus dem Jahr 1778, in dem der junge Herkules vor die Entscheidung gestellt wird, welchen Lebensweg er gehen will, den angenehmen oder den ruhmreichen, aber beschwerlichen. Seine Entscheidung ist bekannt. In seinen beiden Arien demonstriert die Sängerin eine Stimme von jugendlicher Frische, singt raffinierte Schwelltöne und lässt die Verzierungen nicht wie mühsam erkämpfte, sondern wie beiläufig dargebotene klingen.

Arien zweier unterschiedlicher Partien lässt die Gauvin in Berezovkis Oper Demofonte, einmal des zu Menschenopfern gezwungenen Königs Demofonte, der hoffnungsvoll in eine bessere Zukunft blickt, einmal des sich den Opfern widersetzende Timante, der sich, sein Schicksal beklagend, an seinen kleinen Sohn wendet. Die erste Arie klingt eher wie eine Vokalise als sinnerfüllt, demonstriert aber die hervorragende Technik der Sängerin, die Leichtigkeit, mit der die Stimme geführt wird, die zweite lebt vom ihr innewohnenden Kontrast, „voi foste il mio diletto, voi siete il mio terror“, dem sie mit innigem Ton souverän Ausdruck verleiht.

Das Herzstück der CD sind natürlich die Auszüge aus Glucks Oper Armide, der der Sopran viel Jugendlichkeit, viel Kapriziöses, viele einander widersprechende Gefühle mit auf den Weg gibt. Erstaunlich ist dabei, wie sie zugleich sehr zart und sehr präsent sein kann. Nuancenreich gestaltet sie  die Arie „Ah! si la libertè“, mit sanftem Tonansatz, und „Le perfide Renaud “ zeugt in der wunderbar instrumental geführten Stimme von Verletzbarkeit, so wie die Wutausbrüche stets die Einheit des Timbres bewahren. Alles in allem ein weiteres Zeugnis der Gestaltungskunst der kanadischen Sängerin (ATMA  ACD2 2791). Ingrid Wanja

 

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