Bunte Platte zum Sommer

 

 

Unter dem Titel Britain’s Glory sind beim österreichischen Label Gramola die 12 Original-Canzonetten nach Gedichten von Anne Hunter u.a. von Joseph Haydn erschienen. Diese englischen Lieder sind Glanzpunkte von Haydns Liedschaffen, das neben einer Fülle von Volkslied-Bearbeitungen rund 70 Werke umfasst, die in der Mehrzahl in seinen früheren Jahren entstanden sind. Anders die Canzonetten, die eine Frucht seiner überaus erfolgreichen Londoner Aufenthalte in den 1790er-Jahren waren. Die Bekanntschaft mit der Dichterin Anne Hunter, der Frau eines mit Haydn befreundeten berühmten Chirurgen, brachte ihn dazu, sich neben den bedeutenden Londoner Sinfonien erneut Lied-Kompositionen zuzuwenden. Dabei geht er über die früheren, eher volksliedhaften Lieder deutlich hinaus. Wohl auch beeinflusst durch die vertonte Poetik weisen sie voraus in die romantische Welt z.B. eines Schubert. Die österreichische Sopranistin Cornelia Horak und der amerikanische Spezialist für frühklassische Klaviermusik Richard Fuller haben sich der selten im Konzertsaal zu hörenden Lieder angenommen. Die im Vergleich mit den Kompositionen der Romantik immer noch relativ schlichten, aber inhaltlich durchaus unterschiedlichen Lieder finden mit angemessen klarem Duktus und schön aufblühender Stimme durchgehend  ansprechende Interpretationen. So hört man beispielsweise in The Mermaid’s Song  im Hammerklavier die glitzernden Wellen, in denen die Nixe den Seemann mit geradezu fröhlicher Melodie anlockt; dagegen sind Despair und The Wanderer voller Todessehnsucht, die die Sängerin jeweils ausdrucksstark ausdeutet. Das Lied She never told her love nach einem Was ihr wollt entnommenen Shakespeare-Gedicht nähert sich in seiner Dramatik sogar der Oper. In Fidelity wird anschaulich die Sorge der Frau um den geliebten Mann geschildert, während Sailor’s Song  mit Hurlyburly-Rufen Britains Glory besingt und damit titelgebend für die CD ist (Gramola 99212).

 

In den letzten Jahren werden die Werke von Ethel Smyth (1858-1944) zunehmend aufgeführt. Sie hat zeit ihres Lebens, das auch durch ihren starken Einsatz für die englische Frauenbewegung geprägt war, darunter gelitten, dass sie als Komponistin nicht hinreichend anerkannt wurde. Ihr nicht sehr umfangreiches Schaffen reicht von Kammermusik, Sinfonien über Madrigale, Lieder und Chorwerke bis zu Opern (z.B. The Wreckers, The Boatswain’s Mate oder Fête Galante). Das englische Label SOMM hat nun 17 Vokalwerke mit Klavier- und Kammerorchesterbegleitung herausgebracht, die zwischen 1886 und 1913 entstanden sind. Solistin ist die Mezzosopranistin Lucy Stevens, die vom  Berkeley Ensemble unter Leitung von Odaline de la Martinez und der Pianistin Elizabeth Marcus begleitet wird. Am Anfang stehen vier 1908 orchestrierte Lieder für Singstimme und Kammerorchester (Flöte, Violine, Viola, Violoncello, Harfe und Schlagzeug) auf ursprünglich französische Gedichte. Hier gibt es bei farbenreicher Instrumentation Heiteres wie das locker im Walzer-Rhythmus präsentierte Tanzlied oder die nostalgische Anacreontic Ode; ernster sind Odelette und das traurige Lied Chrysilla. Die CD enthält außerdem mit The Clown, Possession und On the Road  Lieder, die  Ethel Smyth 1913 komponierte, als sie besonders aktiv in der Frauenbewegung war. Schließlich hört man ihre ersten Kompositionen überhaupt; es sind die 1886 entstandenen, auch auf deutschen Gedichten u.a. von Eichendorff und Mörike beruhenden Liedgruppen op. 3 und 4, die von verlorener Liebe in Naturbildern (op. 3) handeln und Themen aus dem Leben der Komponistin aufgreifen (op. 4). Die Sängerin trifft in ziemlich einheitlicher, manchmal allzu geglätteter Singweise den meist gefälligen spätromantischen Stil der unterschiedlichen Lieder und wird dabei vom genannten Ensemble und der eigene Akzente setzenden Pianistin kongenial unterstützt (SOMMCD 0611).

 

Ein bunter Reigen von vielfach melancholisch anmutenden Liedern von spanischen Komponisten wie Enrique Granados, Federico Mompou, Fernando J. Obradors u.a. finden sich auf einer bei CAPRICCIO in der verdienstvollen Reihe Première Portraits erschienenen CD mit der Puerto-Ricanerin Melba Ramos, derzeit im Ensemble der Wiener Volksoper, und der Italienerin Greta Benini am Klavier. Die Sängerin erfreut durch schönes Aussingen der Melodiebögen und führt ihren recht fülligen Sopran sicher und vor allem intonationsrein durch alle Lagen. Damit gelingen ihr und der partnerschaftlich beteiligten Pianistin durchweg überzeugende Deutungen der recht kurzen, eher wie Miniaturen anmutenden Lieder (CAPRICCIO C3008).

 

Einen interessanten Vergleich von Vokal-Kompositionen aus dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts ermöglicht die beim schwedischen Label SWEDISH SOCIETY erschienene CD mit Orchesterliedern von Alban Berg, Henri Duparc und Ture Rangström. Die schwedische Opern- und Konzertsängerin Malin Byström wird vom Helsingborg Symphony Orchestra unter dem die Vielfarbigkeit des jeweiligen Orchestersatzes souverän herausarbeitenden Stefan Solyom begleitet. Mit ihrer üppig timbrierten, sicher durch alle Lagen geführten Stimme eignet sich die Sopranistin geradezu ideal für die spätromantischen Sieben frühen Lieder von Alban Berg. Auch die impressionistischen Farben in fünf Orchesterliedern von Henri Duparc kostet sie mit süffiger Tongebung aus, wobei in Le manor de Rosemonde und La vie antérieure die nötige Dramatik nicht fehlt. Der Pfitzner-Schüler Ture Rangström (1884-1947), der als Gesangslehrer in Stockholm lebte, komponierte rund 250 Lieder, meist auch in spätromantischem Duktus. Die sechs kurzen Orchesterlieder der Aufnahme sind ebenfalls geprägt durch differenzierte Vielfarbigkeit in der Stimme der Solistin und natürlich besonders im Orchester, was alle Künstler rundum überzeugend herausstellen (SWEDISH SOCIETY SCD1168).

 

Und da gibt es noch eine Huldigung an den großen amerikanischen Musical- und Spielfilm-Komponisten Cole Porter (1891-1964): Die Sopranistin Juliane Banse singt und die Deutsche Radio Philharmonie unter Dorian Wilson spielt meist Bekanntes u.a. aus Anything goes, Can-Can, High Society und Vieles aus Kiss me, Kate, arrangiert von Lars J. Lange. Porters Kompositionen haben ihm weit über die Popmusik hinaus Achtung und Respekt verschafft. Berühmt geworden ist er mit über 40 Musicals, unzähligen Songs, besonders aus Hollywood-Filmen, mit deren Eleganz, Finesse und natürlich auch dem Drive er ein breites Publikum begeistert hat. All dies findet sich in den flotten und auf typische Weise swingenden Arrangements, die die Sängerin schönstimmig und das stilsicher aufspielende Orchester mit Spielfreude und Engagement präsentieren; so macht das Zuhören einfach Spaß! (SWR19091CD).

 

Zum Schluss noch etwas ganz Spezielles, das deutlich aus dem Rahmen unserer sonst üblichen Besprechungen fällt: Unter dem Titel Tuath (gälisch, bedeutet so viel wie Volk) Songs of the Northlands präsentieren die Gesangssolisten Brian Ó hEadhra (schreibt man im Gälischen wirklich so) und Fiona Mackenzie mit Keyboard-, Gitarren- und Mandolinen-Begleitung sowie mit einem vokalen Background-Ensemble gälische Volksmusik verschiedener Zeiten aus nordischen Ländern wie Irland, Schottland, Dänemark, Norwegen oder Island. Die verschiedenen Lieder, sämtlich in schottisch-gälischer Sprache gesungen, haben ganz unterschiedliche Inhalte; sie handeln z. B. von Seeleuten und Jägern, beschreiben das Nordlicht, beten zu Gott oder preisen die Rose als Königin der Blumen. Zum Kennenlernen dieser spezifischen Volksmusik eignet sich die CD allemal (NAXOS NXW76116-2).  Gerhard Eckels

 

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