Archiv des Autors: Geerd Heinsen

Barockes Grusel-Kabinett

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Baroque Arias from the Shadows hat die Berliner Mezzosopranistin Laila Salome Fischer beim Randlabel Perfect Noise eingespielt. Scenes of Horror ist der Titel des Albums. Die Aufnahmen dafür entstanden im Dezember 2022 im Schloss Köthen (PN 2023). Die Komponisten sind Händel, Ariosti, Graun und Vivaldi. Die Sängerin wird inspirierend begleitet vom Ensemble Il Giratempo unter Leitung von Max Volbers.

Als Auftakt erklingt die dramatische Szene der Storgé aus Händels Jephta, welche der Platte den Titel gab: „Scenes of Horror, Scenes of Woe“. Die Gattin Jephtas wird hier von dunklen Vorahnungen über das Schicksal der Tochter heimgesucht, die geopfert werden soll. Laila Salome Fischers Mezzo wirkt für diese Szene etwas leicht, entbehrt der Fülle in der Tiefe und des expressiven Nachdrucks.

Von Händel finden sich noch drei weitere Titel im Programm – allesamt berühmt und als cavalli di battaglia vieler renommierter Händel-Interpretinnen legendär. Ariodantes „Scherza infida“ aus der gleichnamigen Oper ist eine Herausforderung für jede Sängerin wegen der emotionalen Abgründe, die in diesem Stück durchmessen werden. Dem Suizid nahe, schildert der Titelheld hier seinen unermesslichen Schmerz im Glauben, dass seine geliebte Ginevra ihn betrogen habe. Die Interpretin hinterlässt hier stärkeren Eindruck durch eine reiche Farbskala mit auch fahlen Momenten. Eine Bravour-Nummer für jeden Mezzo (oder Countertenor) ist Ruggieros „Sta nell´ Ircana“ aus Alcina. Die Arie ist von heroischem Zuschnitt, muss der Held doch gegen das Heer der Zauberin Alcina kämpfen. Fischer kann hier ihr virtuoses Vermögen demonstrieren, zudem die Verve, welche das Orchester vorgibt, aufnehmen und mit einer schwungvollen Interpretation aufwarten.

Mit Dejaniras Recitativo accompagnatoWhere shall I fly!“ aus dem Oratorium Hercules markiert eine Komposition Händels auch das Finale der Anthologie. Hercules´ Gattin  verfällt in den Wahnsinn, als sie erfährt, dass sie ungewollt schuldig ist am Tod ihres Mannes. Zwar fehlt auch hier (wie bei Storgé im ersten Titel) die Substanz in der Tiefe, doch wartet die Sängerin mit einer Fülle von Vokalverfärbungen und Ausdrucksnuancen auf, welche das Stück zu einer plastischen und lebendigen Szene werden lassen.

Zwei Arien des Montezuma aus Grauns gleichnamiger Oper schildern die existentielle Situation des Aztekenkönigs vor seiner vom Konquistador Cortés angeordneten Hinrichtung. „Ah, d´inflessibil sorte“ ist eine Klage über sein Schicksal, in „Sì, corona, i tuoi trofei“ hat er sich damit abgefunden und ist willens, erhobenen Hauptes in den Tod zu gehen. Das erste Solo wird durch ein erregtes Rezitativ eingeleitet, welches die Sängerin beeindruckend formt, und mündet dann in einen flehentlichen, kultiviert vorgetragenen Gesang. Der zweite Titel wird bestimmt durch einen energischen Duktus und beherzte Koloraturen.

Weniger bekannt ist der Komponist Attilio Ariosti, der von 1666 bis 1729 lebte. Aus seiner in Berlin uraufgeführten Oper La fede ne´ tradimenti erklingt die Arie des Fernando „Questi ceppi“, in welcher der Inhaftierte seiner geliebten Anagilda beteuert, dass die Ketten für ihn alle Schrecken verloren haben. Hier ist ein inniger Ton gefordert, den die Sängerin perfekt einbringt.

Das Programm wird ergänzt von zwei Instrumentalnummern aus der Feder Vivaldis. Die dreisätzige Sinfonia aus der Oper L´Olimpiade ist ein Klanggemälde, welches die dramatischen Szenen der Handlung – ein Mordkomplott, ein Suizidversuch, ein Todesurteil – vorweg nimmt. Das Ensemble Il Giratempo entfesselt hier Sturmgewalten mit den aufgewühlten Streicherfiguren und gezielt gesetzten Affekten. Schreckgespenster der Nacht beschwört der Prete rosso im viersätzigen Concerto „La Notte“ g-Moll herauf. Das Ensemble setzt auch diese plastisch um – sei es mit den stockenden Akkorden im einleitenden Largo, dem sich fast überschlagenden Presto-Tempo in Fantasmi oder den Dissonanzen im finalen Allegro. Bernd Hoppe

Festspielwürdig

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Hätte er doch auf Holzhammer plus erhobenen Zeigefinger in Form von orangefarbenen Schwimmwesten und buntkarierten Plastetaschen und damit auf eine plumpe Aktualisierung verzichtet, dann wäre Simon Stone eine rundum gelungene Inszenierung von Bohuslav Martinǔs Oper The Greek Passion  vollauf gelungen. So aber bleibt ein schaler Beigeschmack, wenn nicht Vergleichbares mit einander verglichen, wenn Geschichtsverfälschung zugunsten von Agitprop betrieben wird und von vornherein Gut und Böse kontrastreich einander gegenüber gestellt werden mit einer frömmelnden Gruppe kalkgesichtiger, einförmig kalkweiß gekleideter kinderloser Pseudofrommer gegen eine farbenfroh gewandete ( Kostüme Mel Page) und von einer fröhlichen Kinderschar umgebene Schar freundlicher Schutzsuchender.

Um was geht es eigentlich in Nikos Kazantzakis‘ Roman Christus wird wiedergekreuzigt, der die Grundlage für das Libretto für Martinus Oper darstellt? Es handelt sich um die nach dem Ersten Weltkrieg und dem Zerfall des Osmanischen Reiches stattgefunden habenden Umsiedlungen von Moslems in die türkischen und von Christen in die griechischen Gebiete, nachdem besonders die Türken bereits einen großen Teil der Christen vertrieben, die Armenier sogar fast ausgerottet hatten. Es kommen also nicht vorwiegend junge Männer mit vorwiegend nicht christlichem Glauben und teilweise befremdlichen Sitten, sondern Menschen, die sich in nichts außer dem Verlust ihrer Heimat von den bereits Ansässigen unterscheiden. Trotzdem entfacht sich der Zorn der Ansässigen, die gerade ein Passionsspiel einzustudieren, an der Tatsache, dass sich einige von ihnen für die Zugezogenen einsetzen, ihnen ihr Vieh (Esel, Zicklein und Lämmlein erfreuen mit ihrem Anblick den Zuschauer) schenken, und einige von ihnen gehen so weit, den Fürsprecher für die Fremden, der seine Rolle als Jesus so sehr verinnerlicht hat, dass er für diese eintritt, zu erschlagen. Die Flüchtlinge ziehen weiter, zwei Frauen, die Geliebte des Ermordeten und ihre Freundin, bleiben trauernd bei dem Leichnam zurück. Ein böses blutrotes „Refugees out“ bleibt als Zeugnis der Unmenschlichkeit auf der weißen Mauer stehen.

Die Oper wurde vom in die USA geflüchteten und nach dem Krieg in der Schweiz lebenden Komponisten zunächst für London geplant, eine überarbeitete Fassung 1959 fertiggestellt und 1961 posthum in Zürich von seinem Freund und Gönner Paul Sacher uraufgeführt. Sie war so erfolgreich, dass zahlreiche Aufführungen in Europa und den USA folgten.

Bei den Salzburger Festspielen des Jahres 2023 galt die Aufführung in der Felsenreitschule als der Höhepunkt einer ansonsten eher mit negativer Kritik bedachten Saison. Der genius loci des Orts wird allerdings wenig genutzt, nur die obersten Arkaden schauen oberhalb einer riesigen weißen Kiste hervor, die man in die Tiefe fahrend verlassen oder aus der man auch sonst durch allerlei kleine Pforten gehen und in sie  kommen kann  ( Bühne Lizzie Clachan). Die Szene kann auch, um Stimmungen zu vermitteln, in ein romantisches Blau oder eine andere Farbe getaucht werden.

Hervorragend ist das Ensemble, das sich mit wahrnehmbarer Hingabe seiner Aufgabe gewidmet hat. Gábor Bretz ist mit seinem Falschheit verschleierndem machtvollem Bass der Priest Grigoris, sein Gegenpol bei den Flüchtlingen ist Fotis, der von Lukasz Golinski mit prachtvollem Bariton und viel Charisma ausgestattet wird. Jesusdarsteller und Opfer des Fremdenhasses ist Manolios, dem Sebastian Kohlhepp eine Sympathie weckende Darstellung und einen strapazierfähigen Tenor zuteil werden lässt. Mit einer zwingenden Darstellung und einem technisch versierten Tenor lässt Charles Workman dem gütigen Yannakos Aufmerksamkeit zukommen. Eine frappierende, die Zuneigung der Zuschauer erzwingende Bühnenpersönlichkeit besitzt Sara Jakubiak für die Katerina, deren Sopran aus einem Guss ist, auch im Forte weich und im Piano farbig bleibt. Ihre Freundin und zeitweise Nebenbuhlerin ist Lenio, die Christina Gansch mit einem einen lieblichen Sopran zum Bühnenleben erweckt. Viele kleinere Partien sind ebenfalls rollengerecht und unverwechselbar besetzt. Maxime Pascal und die Wiener Philharmoniker bringen Sakrales wie Volkstümliches, individuelles Gefühlsleben wie die Massen Bewegendes gleichermaßen stilsicher und bewegend zu Gehör . Ein Sonderlob verdienen die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor und der Salzburger Festspiele und Theater Kinderchor.  Videodirektor Davide Mancini lässt Individuelles zur Freude des DVD-Betrachters hervortreten  und setzt ebenso die Volksmassen ins rechte Licht (Unitel 811104). Ingrid Wanja          

Sardous „Tosca“ als Vorlage

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Am 14. Januar 1900, ein Jahr vor Verdis Tod, wurde in Rom die Oper Tosca uraufgeführt. An der Schwelle eines neuen Jahrhunderts, das an Grausamkeit alle früheren übertreffen sollte, konfrontierte Giacomo Puccini sein Publikum mit einem Werk, dessen Brutalität ebenso schockierte wie seine musikalische Leidenschaft entzückte. Die Verwirrung, die Tosca ausgelöst hat, war seitdem mehrfacher Wandlung unterworfen. Aber sie ist geblieben bis zum heutigen Tage: ‚Tosca‘ wird unausstehlich“, schrieb Oskar Bie in seinem Standardwerk „Die Oper“, und er änderte seine Meinung auch nicht in den späteren Auflagen, die nach dem ersten Weltkrieg erschienen. „Die Sensation schlägt durch. Ein ekelhafter Text, blutig nicht bloß im Stoff, auch in der Behandlung. Eine Musik, Glocken, Chöre, Konzerte, heimliche Tänze, ekstatische Phrasen, Schlächterarbeit im Kleide des Liebenswürdigen, lächelnder Mord. Zehn verstreute Schönheiten, im Liebesduett, in den beiden großen Arien, geopfert dem Moloch der Kinodramatik. Aber man merkt es nicht gleich. Die Musik überwältigt, sie ist raffiniert. Nachdem der Butterfly der Staub von den Flügeln gewischt war, kam die schreckliche Erkenntnis, und diese Attraktion von Europa stand in ihrer Nacktheit da.“

Der Dichter und Theaterschriftsteller Victorien Sardoiu/Wikipedia

Giacomo Puccini  komponierte seine Tosca nach dem italienischen Libretto von Luigi Illica und Giuseppe Giacosa. Sie wurde am 14. Januar 1900 am Teatro Costanzi in Rom uraufgeführt. Das Werk, das auf dem französischsprachigen Theaterstück La Tosca von Victorien Sardou aus dem Jahr 1887 basiert, ist ein melodramatisches Stück, das im Juni 1800 in Rom spielt, wo die Kontrolle des Königreichs Neapel über Rom durch den Einmarsch Napoleons in Italien bedroht ist. Es enthält Darstellungen von Folter, Mord und Selbstmord sowie einige von Puccinis bekanntesten lyrischen Arien.

Puccini sah Sardous Stück, als es 1889 in Italien auf Tournee war, in italienischer Übersetzung und erwarb nach einigem Zögern 1895 die Rechte, das Werk in eine Oper umzuwandeln. Die Umwandlung des wortreichen französischen Stücks in eine prägnante italienische Oper dauerte vier Jahre, in denen sich der Komponist wiederholt mit seinen Librettisten und seinem Verleger stritt. Die Uraufführung von Tosca fiel in eine Zeit der Unruhen in Rom, und die erste Aufführung wurde aus Angst vor Unruhen um einen Tag verschoben. Trotz der gleichgültigen Kritiken der Kritiker war die Oper ein sofortiger Publikumserfolg.

Aber wer kennt eigentlich die Vorlage zu Puccinis Erfolgsoper, das vor allem durch die große Sarah Bernhardt berühmte Theaterstück La Tosca von Victorien Sardou? Die Bernhardt war zu ihrer Zeit die bedeutendste Schauspielerin der Welt, mit ausgedehnten Tourneen durch Europa und Nord- wie Südamerika, auch als Tosca. Ganz sicher hat kaum, jemand außerhalb Frankreichs das Stück von Sardou gelesen, in Paris wurde es sehr vereinzelt nach dem letzten krieg aufgeführt. Wir bringen zum Puccini-Jahr 2024 Auszüge aus dem Stück in deutscher Sprache in der Übersetzung von Martha Feist.

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(A1: Die Kirchenszene in Sant‘ Andrea della Valle mit dem berühmten „Te Deum“ Scarpias plus Chor sieht bei Sardou ganz anders aus – es fällt aus. Dafür gibt es eine Audienz bei der neapolitanischen Königin Marie-Caroline, während der sich die andernorts geschilderte Begegnung zwischen Tosca und Scarpia ereignet. Die im 1. Akt der Tosca Puccinis dargestellte Eifersuchtsszene zwischen Tosca und Cavaradossi findet bei Sardou auf einer Soiree Toscas statt.)

Sc.: Und worin Sie sich täuschen sollten?

FL: Ich mich täuschen? Sie werden sehen! (zum Grafen Attavanti) Marquis! Auf zwei Worte. ich bitte. Kennen Sie diesen Fächer?

Attavanti: Diesen Fächer? (…) Ja, er gehört meiner Frau. (…) Aber die Marquise ist nicht hier, sie ist noch in di Frascati“

Fl. (zu Scarpia): Oh, Frascati. Das gibt sie nur vor… Ich verstehe, sie ist bei ihm, dem Abscheulichen. Dort unten, um gemeinsam zu soupieren und die Nacht miteinander zu verbringen.

Sc.: Dort unten – wo dennn?

Fl. (zu Scarpia): Oh, Frascati. Das gibt sie nur vor… Ich verstehe, sie ist bei ihm. dem Abscheulichen. Dort unten, um gemein- sam zu soupieren und die Nacht mit- einander zu verbringen. Sc.: Dort unten – wo denn?

Akt 2, Szene IV (Prunksaal. Die Königin IVIarie-Caroline von Neapel, der Prinz von Aragon, Generäle, neapolitanische und österreichische Offiziere, der Graf Attavanti, der Herzog von Ascoli, der Komponist Paisiello. der Polizeichef Scarpia, die Sängerin Floria Tosca) (…)

Marie-Caroline: Guten Tag meine Liebe, ich hoffe, Sie sind heute bei Stimme?

Tosca: ich werde alles tun, damit Majestät nicht allzu unzufrieden mit Ihrer untertänigen Dienerin ist.

Victorien Sardou: „Tosca“/Sarah Bernhardt/Foto Nadar/BNF

M-C.: Ist diese Kantate wenigstens geglückt? Paisiello hat genügend Dummheiten gemacht, um sich entschuldigen zu müssen. (zu Attavanti) Guten Abend, Marquis! (zu Scarpia) Ach, bist Du es Scarpia? Was gibt es für Neuigkeiten über Angelotti?? Sei vorsichtig, Du hast Feinde. Man stellte fest, dass Angelotti bereits acht Tage nach Deiner Ankunft entkommen ist.

Scarpia: Man klagt mich an?

M-C.: Seine Schwester ist reich und schön. (Rufe von draußen) Hörst Du. Scarpia? Sie fordern den Kopf von Angelotti – und den Deinen! (Die Hofgesellschaft lacht.)

Scarpia (für sich; betrachtet stolz die Gruppe der höhnisch Lachen-den): Natürlich, das römische Gesindel wäre das schlimmste von allen, wenn es nicht auch noch das neapolitanische gäbe. Nun, wenn Angelotti entkommt, bedeutet das schnelle Ungnade, man macht sich bereits auf meine Kosten lustig. (…) (erblickt Tosca, die mit Paisiello plaudert) Mindestens gegen die Attavanti hätte ich eine Waffe: dieser Fächer, aber hier – hier? Warum nicht sie selbst? Vielleicht… vielleicht… eine überaus verliebte, leidenschaftliche Frau… mit dem Taschentuch hat Jago seinen Erfolg erzielt… entweder sie weiß etwas und ich bringe sie zum Reden, oder sie weiß nichts… und bei Gott: Dann wird sie ihn finden, finden für uns. Eine eifersüchtige Frau ist ein ehrgeiziger Polizist. (lehnt sich über das Canapee und über Floria, nimmt ihre Hand und drückt sie leicht mit seinen beiden eigenen Händen, lächelnd) Wissen Sie, Signorina, dass ich um dieses hübsche Handgelenk eigentlich Handschellen legen und Sie auf das Schloss Saint-Agathe in Verwahrung schicken könnte?

Floria (ganz ruhig, mit ihrem Notenblatt beschäftigt, ohne ihre Hand zurückzuziehen): Mich festnehmen?

Sc.: Ja!

Fl.: Warum?

Sc.: Wegen des Tragens aufrührerischer Farben! Das Kleid, dieses Armband… Rubine, Diamanten und Saphire: die Tricolore, ohne weiteres. (…) Niemand außer mir hat davon Notiz genommen. Sie sind ja bekannt für Ihre Ergebenheit gegenüber der Kirche und der Königin. Ich hätte aber zu gerne das Vergnügen, Sie als meine Gefangene zu sehen. Mit dreifachen Riegeln, um Sie an der Flucht zu hindern. Bis Sie mich lieben würden. Die Frauen verabscheuen ein wenig Gewalt keineswegs.

Fl.: Das ist wahr, es kursieren genügend schlimme Gerüchte, was mit Frauen dort unten geschieht.

Sc.: Ach was sagt man nicht alles… Ist diese Kantate von Paisiello gut? Fl.: Er hätte sie ebenso gut der Romanelli geben können…

Sc.: Und Sie nicht bei Ihrer Andacht in der Kirche von Sant‘ Andrea stören sollen.

Fl.: Oh, Sie wissen? Das ist auch kein großes Kunststück, ich verberge mich kaum.

Sc.: Das ist wahr. Er ist ja auch sehr charmant, dieser Franzose.

Fl.: Franzose? Er ist Römer!

Sc.: Wie können Sie da (als loyale Tochter Neapels) drei Worte mit diesem Voltaire-Anhänger wechseln, ohne ihm die Augen auszukratzen?

Fl.: Weil diese drei Worte heißen: Ich liebe Dich!

Sc.: Aber man liebt sich doch nicht die ganze Zeit. Schließlich plaudern Sie doch auch ein wenig, und er mit seinen revolutionären Ideen… Fl.: Die Liebe denkt anders darüber. (Und) er ist mir völlig ergeben.

Sc.: Sind Sie sich da ganz sicher?

Fl.: Warum fragen Sie das? Sie wissen etwas. Was? Was wissen Sie? So reden Sie doch. (…)

Sc.: Ich bin selbst so sehr von seiner Ergebenheit gegen Sie überzeugt, dass ich nicht mehr zögere, Ihnen diesen Fächer hier zurückzugeben. Der Zufall führte mich vorhin in die Kirche, der Herr war gerade gegangen; auf dem Gerüst mit der Staffelei… Ich nahm ihn an mich, um ihn an Sie zurückzugeben. Ich zögerte zwar, aber Sie sind sich seiner ja sicher… Oh, mein Gott, Signorina, was haben Sie denn?

Victorien Sardou: „Tosca“/Film mit Rosanno Brazzi und Cecile Perrin/FilmeCin

Fl. (inzwischen wieder mit Fassung): Aber dieser Fächer gehört mir gar nicht. Wem kann er gehören? Eine Marquisenkrone .. Marquise … Marquise.. Die Attavanti! (wieder außer sich) Er gehört der Attavanti! Sie ist es, sie ist es… Ich ahne es, ich fühle es in meinen Fingerspitzen. Sie kam, als ich gegangen war, wie gestern!

Sc.: Wie gestern?

Fl.: Oder nein: Sie war dort, als ich kam, sie hatte sich versteckt. Und sein Zögern, mir zu öffnen, das Geflüster, seine Verlegenheit, sein Drängen mich fortzuschicken. Ach, zum Teufel, sie war dort, sie hat mich gesehen. Und als ich fort war, hat sie sich in seine Arme geworfen und über mich gelacht. Über mich, mit ihm, in seinen Armen. Dieser Schurke, ich reiße dir dein Herz heraus…

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Victorien Sardou: „Tosca“/Theaterszenen 1887/Victrola Book of Opera

Seitdem hat Tosca die Attribute „Kinodramatik“. „Schauerballade“ und „Hinter-treppenromantik“ nicht mehr verloren, mit denen ja auch Manon Lescaut, La Bohème und Madama Butterfly verziert worden sind. Puccini müsste, hätten die Opernhäuser nur den Kritikern und Experten geglaubt, längst vergessen sein, und doch steht Puccinis Werk heute noch unangefochten auf der ganzen Erde in der Spitzengruppe der erfolgreichsten Musiktheater-Komponisten. Mag sein, dass Puccini, ohne es zu wissen und zu wollen, dazu beigetragen hat, den Typ des in unserer Zeit modern gewordenen reflektierenden, reproduzierenden Autors zu begründen. Wagners Leitmotivik bewunderte er, also bediente er sich ihrer, wenn auch etwas oberflächlich. Um für seine Butterfly die japanische Klangfarbe zu studieren, nahm er die Hilfe der jungen Schallplattentechnik in Anspruch. Aber er hatte Substanz genug, um jede Entlehnung in eigener Ausdrucksweise zu formulieren. Es ist nicht unberechtigt, ihn als einen der letzten großen Opernkomponisten zu bezeichnen. Hier wird der Verismus, so könnte man sagen, überwunden. Cavalleria rusticana und Pagliacci, die berühmten Vorreiter einer Gattung, die die „schaurige Wahrheit“ auf die Bühne bringen wollten, die Darstellung des Lebens, „wie es wirklich ist“, und damit die Anprangerung einer brüchigen Gesellschaftsordnung, sind nicht zufällig Mascagnis bzw. Leoncavallos einzige wesentliche Werke geblieben. Die Reaktion auf die Themen der weltfremden Romantik und der idealistischen „Erlösungsoper“ war nicht revolutionär genug, war kürzer, als es zunächst den Anschein hatte. Im Fahrwasser der Bahnbrecher schwammen mindere Talente, auch fehlte es am Mut zur konsequenten Steigerung des Verismo. Und Puccinis Wahrheits-Fanatismus erschöpfte sich in der Schilderung des traurigen Loses einer Mimì, ohne die soziale Bestandsaufnahme zur Anklage werden zu lassen. Stefan Lauter

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Den Sardou-Text stellte Curt A. Roesler (renommierter Musik- und Opernkenner und -Autor und ehemaliger Chefdramaturg der Deutschen Oper Berlin) zur Verfügung. Die Textredaktion hatte Geerd Heinsen auf der Grundlage der Fassung von Martha Feist.

Carl Roesler schreibt uns dazu: Martha Feist (die ND-Journalistin, die über Befreiungsbewegungen in Afrika und über die sich ab 1975 verbreitende Anerkennung der DDR berichtete) hat die Übersetzung vermutlich für Götz Friedrichs erste Tosca 1965 an der Komischen Oper angefertigt. Der zugrundeliegende Schreibmaschinendurchschlag hat somit wohl Mitte der 70er Jahre die schwerbewachte deutsch-deutsche Grenze passiert, ehe er in München wieder zurate gezogen wurde. Dank an Carl Roesler, Martha Feist und Sabine Sonntag!!!

Und noch eine …

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Die Verheißung im Programmheft der Deutschen Oper zur Neuproduktion von Wagners Ring des Nibelungen in Corona-Zeiten und kurz danach hatte davon gesprochen, dass wir „durch kollektive Kunsterfahrung zu Göttern werden“, eine Erfahrung, die nicht jedem der Besucher des Sechseinhalbstundenereignisses  der Götterdämmerung im Herbst 2021 zuteil geworden sein mag, eher die der Erschöpfung . Dem Betrachter der Blu-ray vom letzten Abend des Zyklus werden im Booklet dazu durch die Wiedergabe eines Interviews zwischen Regisseur Stefan Herheim und dem Dramaturgen der Deutschen Oper, Jörg Königsdorf, ähnlich wundersame Erkenntnisse versprochen, wenn davon die Rede ist, dass Rheingold, Walküre und Siegfried  sich im mythischen Bereich bewegen, während die Götterdämmerung in eine „säkularisierte Öffentlichkeit“ führt. Die Wagner-Götter glänzen ja bekanntlich in der Götterdämmerung durch Abwesenheit, soweit macht die Aussage über Säkularisierung also Sinn, nicht aber wenn sie bei Herheim einschließlich aller Walküren  entgegen Wagners Absicht auf der Bühne präsent sind, mit den Flüchtlingen aus Rheingold und Walküre die Liebe zu Schiesser-Feinripp teilen(Kostüme Uta Heiseke) , und noch immer oder wieder  füllen wie bereits zuvor in Rheingold und Walküre und im später nachgereichten Siegfried Berge von Hunderten von Fluchtkoffern die Bühne, obwohl die Flüchtlinge, wenn nicht gerade zu Göttern, dann doch  zu Besuchern der Deutschen Oper mutiert  sind, die im auf die Bühne versetzten Parkettfoyer samt seinem Mobile, dieses allerdings außer Funktion, mit Sektgläsern in der Hand flanieren. Und dank der Regie haben sich auch die Chordamen, allerdings stumm bleibend, die Götterdämmerung erobert. Das Gebäude scheint eine große Anziehungskraft und Nachahmungssucht auf Regisseure und ihre Bühnenbildner auszuüben, denn im „Rigoletto“ sah sich der Besucher des 1. Rangs seinem Spiegelbild auf der Bühne gegenüber, und in „Aida“ wurde gar der gesamte Zuschauerraum bespielt, und der arglose Besucher staunte, wenn sein Nachbar plötzlich zu singen anfing.

Nicht nur was die Anwesenheit von Damen, abgesehen von den von Wagner konzipierten, betrifft, ist Herheim schöpferisch tätig geworden, auch in der Behauptung, Hagen würde zu seinen Untaten nicht von Alberich, sondern von Wotan, der auch mal am viel, so als Scheiterhaufen,  beanspruchten Flügel sitzen und wie die anderen in die Tasten hauen darf, der Deckel des Vielseitigen spiegelt auch einmal Pornographisches wider.  Ähnlich vielseitig ist der Einsatz von riesigen weißen Tüchern, natürlich als Brautschleier, Leichentuch, Betttuch, Zudecke, Fanggerät und des Rheines Fluten.  Sehr oft hat man den Eindruck, die Inszenierung erstarre in der Ausstellung des Dekorativen (Mitbühnenbildnerin Silke Bauer) , statt dass Interaktion zwischen den Figuren stattfindet. Und wenn Alberich, Siegfried und Gunther mit Clownsmasken auftreten ( Gunther auch bei der Überwältigung Brünnhildes dabei ist   und die Nacht mit ihr verbringt, dann fragt man sich, wie der Verdacht aufkommen kann, Siegfried habe nicht Nothung zwischen sich und die Braut des Blutsbruders  gelegt), dann reiht sich eine Ungereimtheit an die andere. Es gibt viele Gründe, warum man nach wie vor dem Friedrich-Ring, der dem Herheims weichen musste, nachtrauert,  und einer davon ist die Gestaltung der Szene mit dem Vergessenstrunk. Während im alten Ring eine wundersame Verwandlung Siegfrieds ins Wesenlose stattfand, stürzt der sich nun auf Gutrune, um ihr sofort an die Wäsche zu gehen. Viele alte Regiehüte werden noch einmal ausgekramt, so die Lichtkegel ins Publikum, das Abgehen des Chors, der, was die Damen betrifft, keiner ist, durch die Saaltüren, die Benutzung der Rampen seitlich über dem Orchestergraben für Aktionen, das Platzieren eines Solisten unter den Zuschauern, alles schon gehabt und nie für gut befunden. Und wenn Hagen Siegfried nicht nur ersticht, sondern ihm auch noch den Kopf abschlägt, dann setzte es doch sehr in Erstaunen, dass der abgeschlagene Kopf eine andere Frisur hat als der kurz zuvor noch auf dem Rumpf befindliche, ganz abgesehen von Assoziationen mit Salome, wenn die Damen sich des Hauptes annehmen. Der Schluss, der eine den Bühnenboden reinigende Putzfrau zeigt, ist ebenfalls wenig originell. Den Anspruch, den der Text im Programmheft und das Interview im Booklet erheben, löst die Aufführung nicht ein, die am besten gelingt, wenn all der erwähnte Schnickschnack entfällt wie in der Szene mit Waltraute oder der mit den Rheintöchtern.  Generell kann man feststellen, dass die Aufnahme erträglicher ist als das Live-Erlebnis, weil oft nur ein Ausschnitt, die jeweils singende Figur, zu sehen ist und nicht durchgehend die zugemüllte Bühne in ihrer scheußlichen Gesamtheit. Dann hat diese Produktion wahre Größe, aber auch die nicht kollektive, sondern einsame häusliche Kunsterfahrung lässt den Genießer kaum das in Aussicht gestellte Zum- Gott-Werden erreichen.

Keine bessere Brünnhilde als die von Nina Stemme konnte sich ein Haus wünschen, und auch an dieser Aufnahme erfüllt sie alle hochgespannten Erwartungen mit einem dunkel strahlenden, unermüdlichen Sopran der unangefochtenen Höhensicherheit und mit einer der Wotanstochter würdigen Darstellung trotz des schlichten Flatterhemdchens, das ihr für die gesamte Aufführung verordnet worden ist . Fast zu einer Karikatur haben Regie und Kostümierung den Siegfried von Clay Hilley gemacht, von Kopf bis Fuß oder Flügelhelm bis Wadenbändern das Klischee eines germanischen Helden erfüllend, dann aber auch im Frack und, angesichts der Körperfülle des Sängers grenzwertig, ebenfalls in Schiesser-, ja Feinripp. Voll entschädigen für die verstörende Optik kann der Sänger mit einem nimmermüden, nie matt werdendem Heldentenor, der sich unterschiedslos großzügig nie verausgabt, so aber auch zu keiner Steigerung mehr für Brünnhilde, die heilige Braut, fähig ist, sondern sein bemerkenswertes Stimmmaterial unterschiedslos verschwendet. Im Gegensatz dazu lässt der Hagen von  Gidon Saks kaum mehr als einen Schatten von Bassgewalt vernehmen, brüchig und unausgeglichen und auch optisch nicht die Erfüllung. Mit einem sonoren Bariton und mit der besten Diktion der Aufführung erfreuend, ist Thomas Lehman ein vorzüglicher Gunther, Aile Asszonyi gibt das Dummchen von Gutrune mit schönem lyrischem Sopran. Jürgen Linns Bariton ist fast zu klangvoll für den bösen Alberich. Okka von der Damerau glänzt durch eine eindringliche, klangvolle Bittstellerin Waltraute. Schöne junge Stimmen aus dem Ensemble kann die Deutsche Oper für Rheintöchter ( Meechot Marrero, Karis Tucker, Anna Lapkovskaja) und Nornen (Anna Lapkovskaja, Karis Tucker, Aile Asszonyi) aufbieten, die sich optisch übrigens nicht voneinander unterscheiden. Der Herrenchor lässt sich durch die Anwesenheit der Damen nicht irritieren, sondern  die Mannen so machtvoll wie kultiviert schmettern (Jeremy Bines) . Im schimmernden, glanzvollen Orchesterklang,  kann man genussvoll baden, ohne zu überhören, wie fein und nuancenreich im Orchestergraben ausgelotet wurde, was auf der Bühne oft in allgemeiner Betriebsamkeit unterging. Generalmusikdirektor Donald Runnicles hatte aus seinem Klangkörper ein wunderbares Wagnerorchester gemacht (Naxos NBDO160V). Ingrid Wanja

Der reiche Klang

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Wann, wenn nicht jetzt? Warner hat im Bruckner-Jahr 2024 dessen Sinfonie drei bis neun mit Sergiu Celibidache und den Münchner Philharmonikern neu aufgelegt (5021732248558). Bruckner wurde vor 200 Jahren, nämlich am 4. September 1824 in Oberösterreich geboren. Es handelt sich um Stereo-Mitschnitte zwischen 1982 und 1995 aus der Philharmonie am Münchner Gasteig. Sie waren nach dem Tod des Dirigenten zunächst bei EMI erschienen. Und zwar mit seiner testamentarischen Billigung. Platteneinspielungen hatte er zu Lebzeiten grundsätzlich abgelehnt. Als Teile einer umfangreichen Edition gab es auch Werke anderer Komponisten. Bruckner aber ragte mit insgesamt zwölf CDs wie ein Gebirge heraus. Um ihn drehte sich das gesamte geistige und musikalische Wirken von Celibidache. Für ihn war er der „größte Symphoniker aller Zeiten“. Niemand sei so weit wie ermit seiner klangbezogenen Korrelationsfähigkeit in den Kosmos eingedrungen“, wird Celibidache in dem Buch Stenographische Umarmung (ConBrio Verlagsgesellschaft 2002) zitiert. Entsprechende Denkanstöße liefert auch das Booklet. Doch die Besonderheit der neuen Ausgabe ist technischer Natur. Wer sich auskennt, entdeckt das Super-Audio-CD-Logo schon auf der Vorderseite der Box. „Newly remastered for Hybrid SACD by Astuo Fujita“, ist im Innern zu erfahren. Das komplizierte technische Verfahren wird in nicht eben einfacher Sprache erläutert. Dass der „reiche Klang, die Weichheit und der Hall des Saals bewahrt oder verbessert“ worden seien, versteht auch der Laie und dürfte von jenen Konzertbesuchern mit Erleichterung aufgenommen werden, die mit der Akustik am Gasteig seit jeher fremdelnden. In der Tat können sich die Aufnahmen hören lassen. Für den Dirigent aber sind „breite Tempi die unabdingbare Voraussetzung“ um die „Vielfalt der Stimmen und Klangphänomene zum Aufblühen zu bringen“. Sie bleiben vom Remastering unberührt und haben dem Dirigenten viel Kritik eingebracht. Selbst noch so geglückte Mitschnitte wie in der Warner-Box können das Phänomen Celibidache und seine Einzigartigkeit nicht vollständig erfassen. Man muss ihn auch gesehen, gespürt haben. Betrat er das Podium, war die Stimmung im Saal plötzlich eine andere. Während er sich etwas umständlich vor dem Orchester positionierte, übertrug sich eine fast unerträgliche Spannung bis in die letzte Reihe. Stille. Der hartnäckigste Husten verstummte. Ging es dann endlich los, war es wie eine Erlösung. In der Hamburger Laeiszhalle hatte ich mir ganz bewusst einen Rangplatz neben dem Proszenium gesichert, um sein Gesicht zu sehen, auf dem sich ganz genau abbildete, was aus den Instrumenten kam. Es war mir bis dahin nicht bewusst gewesen, dass ein Antlitz so viele unterschiedliche Regungen zeigen kann. Er dirigierte immer aus dem Kopf. Eine gedruckt Partitur hätte ihn womöglich gestört, denn er hatte sie in sich. Sozusagen immer dabei.

Mir fällt Knappertsbusch ein, der einst auf die Frage, warum er nicht auch auswendig dirigiere, antwortete: „Weil ich Noten lesen kann.“ Für diesen konservativen Kapellmeister alter Schule war die Partitur auf dem Pult wohl auch ein Sinnbild des Respektes, der dem musikalischen Kunstwerk und seinem Schöpfer zu zollen war. Dennoch hielt Celibidache nicht allzu viel von ihm. In dem bereits erwähnten Buch wird er mit den Worten zitiert: „Ein schlechter Musiker und nicht so schlechter Dirigent. Die wenigen Proben, die er brauchte, das Orchester noch zusammenzuhalten, das war schon eine Leistung.“ Dabei sind sie sich so unähnlich nicht. Sie hatten in München ihren Lebensmittelpunkt gefunden, trafen sich in ihrer abgöttischen Liebe zu Bruckner, hielten Distanz zu Aufnahmestudios und ließen Musik erst im Moment der Aufführung entstehen. Der gravierende Unterschied war, dass sich Knappertsbusch wohl stärker als sein Kollege von der Inspiration des Augenblicks tragen und mitreißen ließ. Bei Celibidache war alles bis ins Allerkleinste kalkuliert und vorbereitet. Auch wenn dasselbe Werk immer etwas anders klang. Wie die Coda von Bruckners 4. Sinfonie in ihrer kolossalen Steigerung, die sich in einem anderen Mitschnitt aus München noch monumentaler entlädt als in der Aufnahme der klanglich verbesserten neuen Ausgabe. Für derartige aufschlussreiche Vergleiche sind Tondokumente unerlässlich. Für Celibidache begann die Bruckners Meisterschaft erst mit der dritten Sinfonie. Daraus erklärt sich, dass nicht alle einschlägigen Werke aufgeführt wurden was schade ist. Andererseits wirft diese Praxis auch ein Licht auf den Dirigent, der sich offenkundig nicht in der Lage sah, einen etwaigen Mangel in der Komposition durch eigenes Zutun am Pult auszugleichen.

Ergänzt wird das CD-Programm durch eine Probe der unvollendeten 9. Sinfonie sowie das Te Deum und die Messe Nr. 3 in f-Moll. Margaret Price wirkt in beiden Werken mit. Im Te Deum singt Christel Borchers die Altpartie. Doris Soffel ist damit in der Messe besetzt. Einmal mehr behauptet sich diese Sängerin in ihrer enormen Vielseitigkeit, die sie mit allen bedeutenden Dirigenten zusammenführte. Die Tenöre sind Claes H. Ahnsjö und Peter Straka, die Bassisten Karl Helm und Matthias Hölle. Rüdiger Winter

Schöner Rücken…

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Völlig überraschend während der Proben zur Münchner Manon und mit nicht einmal fünfzig Jahren viel zu früh verstarb der Dirigent Marcello Viotti, der sich besonders verdient um die Oper gemacht hatte, als er als Generalmusikdirektor im Venezianer Teatro Malibran, nach dem Brand des Fenice vorübergehend das Opernhaus Venedigs, viele fast vergessene französische Oper aufführte. Nicht nur die Erinnerung an diese wunderbaren Aufführungen hat er hinterlassen, sondern auch vier Kinder, die allesamt dem Vater, der selbst Sohn eines Schmieds gewesen war, in ihrer Berufswahl folgten: der Sohn Lorenzo ist Dirigent, der Sohn Alessandro Hornist wie auch die Tochter Milena und Marina Viotti hat bereits eine bedeutende Karriere als Mezzosopranistin „alle spalle“.

Jetzt hat sie eine CD mit Mozartarien aus des Komponisten Opern, aber auch Konzertarien und solche aus geistlichen Werken eingespielt mit Gli Angeli Genéve unter Stephan Macleod. Das Erstaunen des Hörers über die Zusammenstellung vorausahnend, begründet sie die fächerübergreifende Wahl, die sich in Susannas Rosenarie im Verein mit Cherubinos Voi che sapete ausdrückt, mit ihrem Unwillen über die heutige strikte Fächereinteilung, die es so zu Mozarts Zeiten nicht gab, beruft sich zudem auf der Landsmännin Elsa Dreißigs Vorhaben, gleich alle drei Partien aus Le Nozze di Figaro in einem Programm miteinander vereint zu haben. Auch das Esultate, eigentlich sonst von einem leichten Sopran gesungen, sieht Viotti nicht zuletzt wegen des viel beanspruchten Mittelregisters als für ihre Stimme geeignet an. An den Anfang ihres Programms allerdings stellte sie Dorabellas Smanie implacabili, einmal weil es ihre erste Mozartpartie überhaupt war, aber auch weil die Arie die Gabe hat, die Aufmerksamkeit des Hörers auf sich zu ziehen. Einen Einblick bekommt der Leser auch in den Arbeitsprozess der Aufnahme, wenn ihm davon berichtet wird, welche Unterschiede es in der Auffassung vom richtigen Tempo für eine Arie geht. Interessant dürfte es auch für ihn sein zu erfahren, dass Marina  Viotti die italienische Gesangstechnik, die für den Belcanto entwickelt wurde, für anwendbar auch bei Wagner hält, allerdings müsse die Stimme bei Mozart „lighter“ sein.

Bereits bei Dorobellas Arie aus Così fan tutte fällt auf, dass die Sängerin die Extreme, was Tempi und Lautstärke angeht, auslotet, was dem Gemütszustand der neapolitanischen Dame durchaus angemessen ist. Die Sicherheit bei den Intervallsprüngen fällt ebenso auf wie in der folgenden Konzertarie Non temer, amato bene das wunderschön ersterbende morire oder die anmutige Koketterie der gespielten Naivität. Recht flott geht Susanna im Rezitativ vor, aber sie hat es ja auch eilig, endlich ihren Figaro umarmen zu können, poetisch und von leichter Melancholie überschattet erklingt die Arie. Aus Mitridate stammt die Arie des Farnace, für einen Kastraten komponiert, in der die weit gespannten Bogen und die Präsenz des tiefen Registers erfreuen. Sehr schön moduliert werden die Töne in der Arie Cara, lontano ancora, die Diktion ist hier etwas verwaschener, die Koloraturen könnte man sich noch nachdrücklicher denken. Einen wunderschönen Jubelton kann Marina Viotti für das Esultate einsetzen, die instrumental geführte Stimme glänzt auch in der Höhe, kann am Schluss noch einmal schön auftrumpfen. Ein eher schüchtern erscheinendes Leuchten zeichnet Cherubino aus, der Ramiro aus der Finta Giardiniera hat die begehrte lacrima nella voce, und Sestos sanfte Seele offenbart sich in wunderschöner Ebenmäßigkeit. Von harmonischer Zusammenarbeit mit dem Orchester und seinem Dirigenten spricht durchgehend diese vielseitige, die mit dem Booklet geweckten Erwartungen voll erfüllende CD, deren Titel Mezzo Mozart auch ein wenig trotzig klingt und deren Cover darüber rätseln lässt, ob das Tattoo auf dem Rücken den Sängerin ein gefallener Engel oder eine Meerjungfrau ist (Aparté Music AP 350/ 27.07.24). Ingrid Wanja           

Siegfried Lorenz

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Namentlich Besucher der Berliner Staatsoper werden sich an den Sänger Siegfried Lorenz (30. 8. 1945)  erinnern, der am 24. 8. 2024 verstarb. Ein Beitrag bei Wikipedia fasst seine Lebensdaten zusammen.

Siegfried Lorenz studierte von 1964 bis 1969 an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin Gesang und war dort Meisterschüler von Alois Orth. Nach mehreren internationalen Wettbewerbspreisen wurde er 1969 von Walter Felsenstein an die Komische Oper Berlin verpflichtet. Bis 1973 war er dort als lyrischer Bariton engagiert. 1973 wurde er von Kurt Masur, der für Lorenz die Stelle eines „ersten Gesangssolisten“ am Gewandhaus schuf, an das Leipziger Gewandhaus verpflichtet. Lorenz machte sich vor allem auch als Bach-Interpret und Liedsänger einen Namen. Seine Einspielungen der Lieder Franz Schuberts sind mehrfach preisgekrönt.

Von 1978 bis 1992 war Lorenz als erster lyrischer Bariton an der Staatsoper Unter den Linden in Berlin engagiert. Dort erzielte er unter anderem mit dem Wolfram aus „Tannhäuser“, dem Grafen aus der „Hochzeit des Figaro“, Marquis von Posa aus „Don Carlos“ sowie dem Borromeo aus Pfitzners „Palestrina“ große Erfolge.

Zu seinen CD-Einspielungen gehören Mahlers „Kindertotenlieder“ mit dem Gewandhausorchester unter Kurt Masur, die Schubert-Lieder mit Norman Shetler, die EMI-Einspielung der „Meistersinger von Nürnberg“ (in der Lorenz den Beckmesser singt) unter Wolfgang Sawallisch, die Bach-Solokantate „Ich will den Kreuzstab gerne tragen“ und „Ich habe genug“ mit dem Collegium Musicum Leipzig unter Max Pommer, Mahlers „Lieder eines fahrenden Gesellen“ unter Günther Herbig sowie „Fünf Lieder nach Friedrich Rückert“ mit der Staatskapelle Berlin unter Otmar Suitner.

Lorenz gastierte mit namhaften Orchestern und Dirigenten in Europa, den USA und Japan. 1979 wurde er zum Kammersänger der Deutschen Staatsoper Berlin ernannt und 1982 zum Professor berufen. Von 2001 bis 2003 war er Professor für Gesang an der Musikhochschule Hamburg, seit Oktober 2003 war er Professor für Gesang an der Universität der Künste Berlin. Wikipedia

Bezaubernd

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Sind vier Opernhäuser für eine Stadt wie Berlin nicht genug? Offensichtlich nicht, denn neben der Deutschen Oper, der Staatsoper, der Komischen Oper und der Neuköllner Oper gibt es schließlich noch die Berliner Operngruppe, die einmal im Jahr eine italienische Oper aufführt und dazu hat sich, allerdings sich nicht auf die Gattung beschränkend, auch noch der Klangkörper Eroica Berlin unter seinem Dirigenten Jakob Lehmann gesellt und hat 2022 Gioacchino Rossinis Oper L’Italiana in Algeri halbszenisch aufgeführt. Davon gibt es seit kurzem eine 2-CD-Aufnahme, die dem Hörer viel Freude bereiten kann.

Das Ensemble hat sich erst 2015 gegründet, spielt Musik teilweise auf historischen Instrumenten und zwar meistens im Kino Delphi in Berlin Weißensee, ist aber auch bereits in der Hamburger Elbphilharmonie, dem Linzer Brucknerhaus und der Berliner Philharmonie aufgetreten. Die Musiker halten mehrere Programme, die man buchen kann, bereit, man kann zwischen Bach, Mozart und einem Wagner-Beethoven-Konzert wählen und eventuell Lioba Braun oder Mojca Erdmann hören. Dabei ist nicht nur ein Hörgenuss garantiert, sondern im Eintrittspreis von 20 Euro für die Kammerkonzerte ist jeweils auch ein Getränk inbegriffen.

Die bei PanClassics erschienene Aufnahme ist, wie der Beifall nach den einzelnen Musiknummern beweist, der Mitschnitt von einem Konzert und vereint eine prominente Sängerbesetzung mit einer hochprofessionellen Orchesterbegleitung. Das Zusammenspiel von modernen Holzbläsern und Streichern mit Darmsaiten ist effektvoll und die Begleitung der Rezitative nicht nur mit einem Tasteninstrument , sondern mit Cello, Kontrabass und Hammerklavier macht Sinn.

Bereits in der Sinfonia werden, was Lautstärke und Geschwindigkeit betrifft, alle Kontraste ausgereizt, blitzt Ironie auf, und die Finali werden geschickt in ständiger Steigerung aufgebaut. Die Frische des Spiels, das harmonische Miteinander mit den Sängersolisten versetzen den Hörer zunehmend in gute Laune. Der Neuer Männerchor Berlin ist zwar klein, aber fein.

Von der Lindenoper her bekannt ist der Säger des Mustafa, David Oštrek, der den sexgierigen Herrscher mit einem süffigen „me la voglio goder“ charakterisiert, der die notwendige Agilität für Rossini besitzt und sich nicht nur mit „già d’insolito ardore“ noch einmal zu steigern weiß. Einen stilsicheren, sensiblen Lindoro singt Miloš Bulajić, weiß seinen Tenor in  beachtliche Höhen zu schrauben und ist mit „Languir per una bella“ in seinem vokalen Element. Nur hin und wieder ist die Registerverblendung noch nicht perfekt. Zwei tadellose Baritone sind mit Adam Kutny als Haly und mit Manuel Walser als Taddeo zu hören, sehr sonor der eine in seiner Charakterisierung der italienischen Frauen, geschmeidig der andere in „Ho un gran peso“.

Auch noch in der Höhe  eine schöne Mezzofarbe hat die Stimme von Hannah Ludwig als Isabella, viele warme, weiche Töne, ihre Stimme kann Ironie ausdrücken und in „Per lui che adoro“ ist die Stimme wie aus einem Guss, was bei Intervallsprüngen nicht durchweg der Fall ist, aber bei einer raffinierten Wiederholung mit schönen Verzierungen kaum ins Gewicht fällt. Mit leichter Emission der Stimme und angenehmer Frische erfreuen die Elvira von Polly Ott und die Zulma von Laura Murphy. Was man auf diesen beiden CDs zu hören bekommt, hätte auch an einem der großen Opernhäuser der Stadt kein Missfallen erregt (PanClassics PC 10455). Ingrid Wanja

Bereicherung im Donizetti-Kanon

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Genau zweihundert Jahre nachdem sie nach einer erfolglosen Premiere in einen Dornröschenschlaf versank, erwachte die Partitur von Gaetano Donizettis opera seria Alfredo il Grande im Herbst 2023 in seiner Heimatstadt Bergamo zu neuem und diesmal weit erfolgreicherem Leben. Zu danken ist das einer klugen, humorvollen Regie, teilweise vorzüglichen Sängern und einer zwar noch ganz Rossini verhafteten, auch von Mayr beeinflussten, aber auch schon das Talent des jungen Komponisten verratenden Partitur  mit anspruchsvollen Gesangspartien. Kaum Interesse beim damaligen und noch weit weniger beim heutigen Publikum erwecken können die Personen des Stücks und das Schicksal, das ihnen Librettist Andrea Leone Tottola zugeteilt hat. Es geht um den im 9. Jahrhundert gelebt habenden englischen König Alfred, dessen Herrschaft vom Herrscher der Dänen bedroht wird, der diesen unter Mitwirkung auch der bäuerlichen Bevölkerung Englands besiegt, aber seiner Königin Amalia beraubt wird. Am Ende des Werks ist das Ehepaar wieder glücklich vereint, der Feind vertrieben und dem Sopran ein virtuoser Auftritt mit einem Schluss-Rondo sicher. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass dieses nicht nur aus dem Orchestergraben, sondern auch von einer auf der Bühne befindlichen Banda begleitet wird.

Regisseur Stefano Simone Pintor wählte zur Rettung des Werks eine halbszenische Aufführung unter Benutzung einer Videowand, in der sowohl anspielungsreiche zeitgenössische Vorkommnisse wie der Sturm der Trump-Anhänger auf das Kapitol wie mittelalterliche Schlachtendarstellungen oder solche aus der Manessischen Liederhandschrift, wenn es um das Eheleben des Königspaares geht, zu sehen sind, nie aufdringlich, sondern charaktervoll illustrierend und erhellend und vor allem humorvoll, ohne sich über die Schwächen des Librettos lustig zu machen. Der Chor trägt entweder Zivil und benutzt auch Klavierauszüge, zeigt aber in den entsprechenden kriegerischen Szenen durch rote Fahnen mit weißen Kreuzen oder umgekehrt, zu welcher der beiden einander nicht wohlgesonnenen Seiten er gehört. Akustisch beweist der Hungarian Radio Choir, dass er nicht ungeübt im Singen italienischen Belcantos ist. Auch die Solisten wechseln zwischen zivilem Frack, bekommen aber auch schnell nicht nur einmal ein Schafsfell oder einen Krönungsmantel übergeworfen, wenn es darum geht, Zusammenhänge klar werden zu lassen. Das Orchester unter Corrado Rovaris ist natürlich das am donizettierprobteste, das man sich denken kann, Dirigent wie Regisseur äußern sich im überaus lesenswerten Booklet sehr klug zum Stück und seinen Meriten.

Mittlerweile auch bereits ein Sechziger ist der vor allem mit Rossini berühmt gewordene Tenor Antonino Siragusa, nicht wirklich mit einem begnadeten Timbre beschenkt, aber mit absoluter Stil- und Höhensicherheit, Musikalität und gleichermaßen Flexibilität wie der Möglichkeit mit Aplomb zu imponieren. Die große Arie im zweiten Akt meistert er ebenso mit Bravour, wie er „Celeste voce ascolto“ mit Dolcezza zu veredeln weiß. Eines dramatischen Koloratursoprans bedarf es für die Amalia, die von Gilda Fiume rasant und sicher gesungen wird und die zusätzlich zum unbestreitbaren Hörgenuss auch noch eine attraktive, der Figur würdige Optik beisteuert. Einen süffigen dunklen Bariton und eine attraktive Optik für den Eduardo, den Getreuen Alfredos, hat Lodovico Filippo Ravizza, der in dieser Produktion abweichend vom Libretto ein Priester ist. Den Widersacher Atkins mit lustigem Hörnerhelm singt Adolfo Corrado mit ebenfalls bemerkenswert sonorem Bassbariton. Von den tiefen Stimmen kann außerdem Andrés Agudelo überzeugen, weniger mit schmalem Tenor als Guglielmo Antonio Garés. Zwei attraktive Damen stellen sich ebenfalls in den Dienst von König und Königin, von denen der Mezzosopran Valeria Girardello als Enrichetta eine wunderschöne Arie mit ebenmäßiger, warm timbrierter Stimme zum Besten gibt. Mit einem angenehmen leichten Sopran ist Floriana Cicio als Margherita ebenfalls ein Gewinn für die überaus interessante, mit einer wahren Entdeckung aufwartende DVD. Auf die nächste Ausgrabung, das Jahr 1824 betreffend, kann man schon gespannt sein (Dynamic 38031). Ingrid Wanja             

Solide

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Nicht nur bei den Sopranen Miricioiu, Moşuc oder Moldoveanu (und auch bei dem Tenor gleichen Namens) konnte man sich zusätzlich zu einer italienischen melancholischen dolcezza noch an einem gewissen aparten Etwas erfreuen oder tut es immer noch, was wohl dem Rumänischen in der jeweiligen Stimme geschuldet ist. Entsprechende Erwartungen an die reine Verdi-CD von Ştefan Pop bei Euroarts werden leider enttäuscht, auch wenn man es mit einer hochsoliden, technisch gut fundierten Tenorstimme zu tun hat, die leider  zwar kraftvoll, aber nicht unverwechselbar, nicht mehr der geschmeidige, brillante Duca oder Alfredo, eher schon  der melancholische, mehr (Adorno) oder weniger (Carlo) heldische Spintotenor ist.

Bereits entwachsen scheint der Tenor dem an den Anfang der CD gestellten Duca zu sein, dessen „Quest‘ o quella“ zwar von einer sicheren, wenn auch recht scharfen Höhe Zeugnis ablegt, aber nicht mehr von der wünschenswerten Schlankheit und Biegsamkeit der Stimme, und auch Rezitativ und Arie aus dem zweiten Akt von Rigoletto klingen recht metallisch, wenig geschmeidig, aber durchaus weitgespannte Bögen formend. Die kleinen Notenwerte werden beachtet, klingen aber recht farblos, und im La donna è mobile finden sich Behändigkeit und Brio, aber wenig Eleganz. Auch der Alfredo  ist dem Tenor nicht mehr optimal entsprechend, was eine  ohne Poesie, gequetscht und in der Höhe scharf klingende Arie , bezeugt, während die Cabaletta eher gehetzt als leichtfüßig klingt.

Einen Schritt in Richtung Dramatik geht es mit dem Rodolfo aus Luisa Miller, dessen Rezitativ grell klingt, während die Arie teilweise mit schöner mezza voce gesungen wird, die Wiederholung nicht ohne Schärfen auskommt. Nicht nur der Manrico bemüht sich auch um die kleinen Notenwerte, die allerdings oft nicht wie hingetupft, sondern leicht meckernd erscheinen, während die Phrasierung eine durchweg gut durchdachte und nachvollziehbare ist.

Eine der poetischsten Verdi-Figuren ist der Riccardo aus Un Ballo in Maschera, dem der Tenor die ihm innewohnende Eleganz mit einem eher derben Seemannslied abspricht, allerdings die letzte Arie auch eine schöne Empfindsamkeit offenbart. Dem um seine Familie trauernden Macduff mangelt es zugunsten einer gewissen Wehleidigkeit im Ton an Nobilität, Don Carlo lässt zumindest in der Wiederholung etwas vom „dolce suol di Francia“ anklingen, Gabriele Adorno schließlich stellt die Kontraste in seiner Gemütsverfassung wirkungsvoll heraus. Die schwierigste Partie dürfte der unselige Jacopo Foscari sein, dem die Tenorstimme tragische Empfindsamkeit verleihen kann, auch die entschlossen klingende Cabaletta wird der Figur gerecht. Foresto aus Attila klingt recht grell, kann aber von einem schönen Legato profitieren, der Oronte wurde wohl wegen der effektvollen Pianohöhe an den die CD krönenden Schluss gesetzt. Lawrence Foster lässt das Orchestre Philharmonique de Marseille zu einem durchaus Italianità versprühenden Begleiter des Tenors  werden, der sicherlich ein hochsolider Vertreter seines Fachs ist, das Bedauern über das Hinscheiden eines Bergonzi oder Verstummen eines Carreras aber nicht beenden kann (Euroarts 2011077). Ingrid Wanja     

Genuss bei geschlossenen Augen

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Die mit Abstand größte Aufregung provozierte im Herbst 2022 nicht die Tatsache, dass das Götter-, Menschen-, Zwergendrama von Wagners Ring des Nibelungen von der Regie jedweden Mythos‘ entkleidet worden war, auch nicht, dass anstelle von Daniel Barenboim wegen dessen gesundheitlicher Beeinträchtigung Christian Thielemann das Dirigat an der Staatsoper Berlin übernahm, sondern es war ein halbes Dutzend kuscheliger Kaninchen, das für Aufregung sorgte. Zum aufwändigen Bühnenbild, wohl eine Anstalt zur Erforschung menschlichen Verhaltens darstellend, gehörte neben Konferenzsaal, Stress-Labor, Wartezimmer und anderem auch ein Raum, in dem, so legten es die in Käfigen gehaltenen Säuger nahe, Tierversuche stattfinden. Das oder vielmehr erst die Premierenkritiken riefen PETA auf den Plan und führten zu einer langen Diskussion über vermeintliches Wohl und Wehe der Tierchen und letztendlich zu deren Ersatz durch Stofftiere.

Jetzt gibt es die vier Blurays von den Premieren der Ring-Teile, und deren Betrachter kann sich davon überzeugen, dass es den nun auch in Großaufnahme erscheinenden Kaninchen prächtig ging, sie keinerlei Zeichen von Stress zeigten, sondern unbeeindruckt mümmelten und von dem reichlich vorhandenen Heu schnabulierten. I. W.

Im Folgenden nun die Besprechungen der vier Einzelopern auf DVD bei Unitel. Den Beginn macht – natürlich – Das Rheingold, und die obige Überschrift gilt nach Beurteilung der Rezensentin für alle vier Teile. G. H.

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Das Rheingold: Daniel Barenboim hatte sich, obwohl der letzte Ring noch im Schillertheater seine Premiere erlebt hatte und der der Deutschen Oper fast zeitgleich nach vielen Jahrzehnten im Zeittunnel Götz Friedrichs entstand, zum 80.Geburtstag einen neuen Ring gewünscht. Erfahrungen mit einem brutalisierten Parsifal und einem banalisierten Tristan jeweils in der Regie von Dmitri Tcherniakov hatten ihn offensichtlich nicht geschreckt, und auch sein Nachfolger am Dirigentenpult zeigte sich mit dem entzauberten, banalisierten Ring dieses Regisseurs einverstanden. Dessen Vorzüge bestehen darin, dass die  Charaktere nicht verändert wurden, ihre Nachteile, dass ihr Verhalten nicht nachvollziehbar ist, umso weniger, wenn, um nur einige Beispiele zu nennen, Alberich nach Verlust von Gold und Ring, wobei es zwar diesen, ansonsten aber weder Rhein noch Walhalla, weder Kröte noch Riesenschlange, in die Gummizelle abgeführt wird. Wie konnte er da Hagen zeugen? Das Geschehen gipfelt in einem albernen Kindergeburtstag mit Luftschlangen und Minifeuerwerk.

Wenn es dann zum Schlussapplaus kommt, staunt, wer die Premiere erlebte, nicht schlecht, welch stürmischen Beifall Rolando Villazon für seinen banalen, von Stimmproblemen geplagten Loge erhält, obwohl er doch heftig ausgebuht wurde, allerdings  schlimmer, als hier wahrnehmbar, war. Wurde da nachgebessert? Der noch vielheftigere Buh-Sturm für das Regieteam wird hingegen unterschlagen, so getan, als wäre dies gar nicht auf der Bühne erschienen.

Hin- und hergerissen zwischen dem unterschiedlichen Sinneseindrücken, die Auge und Ohr vermitteln, das eine beleidigend, das andere umschmeichelnd, schaltet das Gehirn auf Resignation oder Rebellion. Im Falle Rheingold an der Lindenoper ist die Beschränkung auf das Hören anzuempfehlen, denn was Christian Thielemann im Orchestergraben zaubert ist sensationell, auch weil der Klang der Staatskapelle, deren Chef er bald sein wird, sowohl zu Wagner wie zu seinen Klangvorstellungen optimal passt. Dass der Dirigent über dem Klangrausch die Bedürfnisse der Sänger nicht vergisst, ist zusätzlich lobenswert.

Ein Wotan, der akustisch alles das ist, was er szenisch nicht sein darf, bildet mit Michael Volle das Zentrum der Aufführung, ein machtvoller, stimmschöner, hoch diszipliniert eingesetzter Bariton. Weniger edler im Timbre und damit rollengerecht als Alberich und insgesamt vorzüglich ist Johannes Martin Kränzle, als Mime lässt Stephan Rügamer bedauern, dass er nicht der Loge sein darf. Mika Kares macht mit samtschwarzem Bass die Liebessehnsucht des Fasolt glaubwürdig, Peter Rose mit derberem Material die Sucht nach dem Gold, die Fafner plagt. Lauri Vasar und Siyabonga Maqungo als Donner und Froh lassen keinen Wunsch übrig. Sensationell gut mit weichem, verführerischem Alt gibt Anna Kissjudit eine Erda, zu der der Regie nur eingefallen ist, dass sie irgendwie zum Personal gehört. Claudia Mahnke war bereits als Fricka in Frankfurt aufgefallen und bestätigt in Berlin den überaus günstigen Eindruck. Anett Frisch muss als Freia verklemmt sein, singt aber schön, die Rheintöchter sind mit den Stimmen von Evelin Novak, Natalia Skrycka und Anna Lapkovskaja fein aufeinander abgestimmt. Eingekauft haben wohl alle Damen im GUM der Vor-Putin-Zeit (Elena Zaytseva).    Mit geschlossenen Augen und offenen Ohren ist ein Wagner-Hochgenuss garantiert (Unitel 809904).

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Die Walküre – ernüchternde Optik. Vielleicht war es gar keine so schlechte Entscheidung, Dmitry Tcherniakov für das Inszene-Setzen von Wagners Ring an die Staatsoper Berlin zu engagieren, denn wie wäre wohl der Schlussapplaus für die Walküre ausgefallen, hätte sich zu der wunderbaren akustischen Umsetzung der Partitur durch Christian Thielemann auch noch eine optisch ansprechende gesellt?! Vielleicht hätten Wände und Dachkonstruktion des Hauses einem noch machtvolleren Beifallssturm nicht standgehalten, als er für Sänger und Orchester und ganz besonders für den Dirigenten ertönte und gar nicht mehr enden wollte.  So aber wurden die Gemüter wohl immer wieder abgekühlt durch einen Siegmund als entflohener Sträfling mit wenig schmeichelhaftem Steckbrief,  das Ehepaar Hunding in einem Tiny-Haus auf dem Gelände der Forschungsanstalt E.S.C.H.E  angesiedelt, in dem aber auch Wotan und Brünnhilde zeitweise zu hausen scheinen, sich jedenfalls zuhause fühlen, denn sie wissen, wo das Bier im Kühlschrank zu finden ist. Da rafft Sieglinde vor der Flucht noch sämtliche Textilien zusammen, leert Siegmund den Kühlschrank bis auf besagte zwei Flaschen, und Nothung landet in der Plastetasche. Da fällt dem Opernfreund doch gleich Manon Lescaut beim Zusammenraffen der Kleinodien ein. Längst ist es gang und gäbe, auf der Bühne seine Notdurft zu verrichten, was in diesem Fall Hunding tut, während Sieglinde und Siegmund ihre Flucht durch zwei Etagen mit gefühlt hundert schlagenden Türen vollziehen , vorbei an unzähligen Kaninchenställen mit „echten“ Tieren darin und schließlich Hunding als Unschuldslamm da steht, denn es sind Wachleute, die sich Siegmunds bemächtigen und Wotans „Geh!“ als völlig ungerechtfertigt erscheinen lassen. Unspektakulärer als die an der Lindenoper kann keine Walküre sein, denn anstelle eines Feuers, das die schlafende Brünnhilde umlodert, malt diese nur kleine Flämmchen auf die vielen die Bühne füllenden Stühle und bleibt hellwach. Lustig wird es immer, wenn allzu Alltägliches den Mythos ad absurdum führen will, wie das Babyfläschchen, das Brünnhilde der werdenden Mutter zusteckt und den Zuschauer sich die profane Frage stellen lässt, ob die darin enthaltene Milch wohl bis zu Entbindung  genießbar bleibt. Mit all diesen putzigen Einfällen wird klar, dass die Regie  sich beharrlich weigert, anzuerkennen, dass das Personal des Ring sich nicht auf Menschen beschränkt, sondern es  lässt die Götter nicht nur menschlich, sondern durchweg allzu menschlich erscheinen, entzieht der Musik die Unterstützung durch eine adäquate Optik auf der Bühne. Der Genuss der Bluray ist allerdings bei weitem dem Live-Erlebnis vorzuziehen, denn da durch die vielen Nahaufnahmen der Sänger das sie umgebende Ambiente weitgehend ausgeblendet wird, kann dieses seine störende Wirkung weniger entfalten und den Genuss des Hörens nicht so stark beeinträchtigen.

Was sich im Orchestergraben unter der Leitung von Christian Thielemann abspielt, ist allerdings so phantastisch in seiner Klarheit, seinem Reichtum an Agogik, von zartesten Gespinsten bis zum brillanten Klangrausch reichend, der umso beeindruckender ist, als er aus einer auch ganz zurückhaltenden und die Sänger schonenden Grundhaltung erwächst.

Eine ganz großartige Leistung vollbringt Michael Volle als Wotan mit einer breiten Scala von zarten bis hin zu urgewaltig mächtigen Klängen, sein Göttervater ist akustisch um einige entscheidende Grade edler als die Regie ihn haben wollte. Ihr Rollendebüt als Brünnhilde gibt Anja Kampe und ist eine so resolute wie sensible Walküre, auch im extremen Forte nie schrill, sondern unangestrengt und warm klingend, strahlend in der Höhe und substanz-und nuancenreich in der Mittellage. Ihre Halbschwester Sieglinde, verkörpert durch Vida Miknevičiūté,  prunkt mit einer helleren, ausgesprochen „blonden“ Stimme und rührt durch ihre empfindsame Darstellung. Auch optisch ist sie die Sieglinde, die man sich immer gewünscht hat, und das „hehrste Wunder“ erscheint tatsächlich als ein solches.   Claudia Mahnke in spießiger Gewandung verleiht der Fricka vokale Würde mit einem frei strömenden Mezzosopran. Mika Kares hat für den Hunding fast eine zu schöne, auf jeden Fall aber auch hochpräsente Bassstimme. Eher gefallen als bei der Premiere kann der Siegmund von Robert Watson mit auch hier  kraftvollen, aber nicht mehr unangenehm  klingenden Wälserufen, dem Tenor fehlt hier weniger das  Strahlende, das auch vom Publikum bei der Premiere vermisst wurde, wie Unmutsäußerungen bewiesen. Etwas unausgeglichen lassen sich die Walküren vernehmen, aus deren Kreis immer noch Clara Nadeshdin als Gerhilde angenehm herausragt (Unitel 810104).

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Siegfried – im nicht vorhandenen Wald nichts Neues. Zum dritten Mal das gleiche Spiel: Man kann gar nicht genug bekommen von Wagners Musik, dargeboten von der Staatskapelle unter Christian Thielemann, getragen und dennoch ungemein spannungsvoll, die Details auskostend und doch nie den großen Spannungsbogen aus den Augen verlierend, rauschhaft aufbrausend und doch nie die Sänger zudeckend- und auf der Bühne das inzwischen bis zum Überdruss sterile, langweilige, lächerliche Treiben in der Forschungsanstalt Dr.Wotans, in den Regisseur Dmitri Tcherniakov den Göttervater uminterpretierte .Immer krasser klafft von Bluray zu Bluray der Abgrund zwischen der rauschhaften musikalischen Darbietung und der kalten Ödnis der Szene. Hatte man zunächst noch seine Neugier wegen der ständig wechselnden Schauplätze befriedigen können, so langweilt und verärgert nun zusätzlich ihre ständige Wiederkehr, wird die Kluft zwischen den Intentionen des Librettisten/Komponisten und den Erwartungen zumindest eines Teils der Zuschauer und der Realisierung auf der Bühne der Staatsoper immer tiefer.

Hatte man im Rheingold noch mit einer Mischung aus Neugier und Unmut die ständig wechselnden, aber nie zum Stück passenden, perfekt realisierten, aber im Kontrast zur Musik stehenden Schauplätze zur Kenntnisgenommen, in der Walküre sich allmählich Langeweile angesichts der immer wiederkehrenden Optik eingestellt, so verfällt man angesichts der ständigen Banalisierung in totale Resignation und wünscht sich anstelle der Bluray lieber eine die Illusion erhaltende CD.  Wie gehabt ergeht sich die Regie in einer Mischung aus Läppischem wie dem Erwecken der Erda mit einer Tasse Kaffee oder dem im Jogginganzug die mit einer Alufolie bedeckten Brünnhilde erweckenden Siegfried, der er mal mit extrem karikierenden Operngesten, mal mit lässiger Schlappsigkeit seine Liebe erklärt. Ob er auch das gequälte Kind mit augenscheinlichem Migrationshintergrund auf dem Filmband, das zu den ersten Takten der Musik läuft, ist, sei dahingestellt.

Im Unterschied zu den beiden vorangegangenen Ring-Teilen mit fast genereller Superbesetzung  stellt sich nun auch pures Tenorglück ein: Andreas Schager singt unermüdliche Schmiedelieder mit strahlender Höhe und substanzreicher Mittellage, so dass man fürchtet, er habe sich bereits damit verausgabt, kann aber immer wieder mit frappierender Durchschlagskraft und schier unermüdlichem Höhenglanz  überraschen. Als Wanderer ist Michael Volle nun völlig vergreist und hinfällig und von Freia wohl nicht mehr mit Äpfeln bedacht,  vokal hingegen eine Pracht von einem Bariton, der unermüdlich strömt und einen beachtlichen Kontrast zum körnigeren Stimmmaterial von Johannes Martin Kränzle bildet, dem es als Alberich optisch noch schlechter geht mit Rollator und Asthmaspray. Peter Rose singt einen imponierenden Fafner, der wohl nicht, wie oft üblich, verstärkt werden muss. Stephan Rügamer gibt einen darstellerisch fein ausgefeilten Mime mit hochpräsentem Charaktertenor. Victoria Randem ist nicht ein Waldvogel, sondern eine Krankenpflegerin mit Vogelmarionette, hat für diese einen betörend schönen Stimmklang, aber eine arg verwaschene Diktion. Anna Kissjudit wirkt als Erda etwas weniger präsent als im Rheingold, aber unverkennbar besitzt sie einen wunderbar samtigen, dunkel lodernden Alt. Anja Kampe sang als Debütantin alle drei Brünnhilden mit jeweils zwei Tagen Pause zwischen den einzelnen Teilen des Rings. Das ist eine heikle Aufgabe, die sie auch in dieser Aufnahme grandios bewältigt mit einem hell leuchtenden, exakt konturierten,  bis in die höchsten Höhen einheitlich gefärbten Sopran schöner Farbe. Nicht leichter wird ihre und auch die Aufgabe anderer Sänger, wenn das musikalische Pathos, das emphatische Singen  immer wieder von einer ironisierenden Darstellung konterkariert werden muss.  Es wird einiger Mut dazu gehören, sich auch dem letzten Teil des Zyklus auszusetzen, der von allen der letzten Jahre derjenige sein dürfte, an dem Bühne und Musik am wenigsten miteinander zu tun hatten (Unitel 810304).

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Götterdämmerung – Brünnhilde kündigt. Was soll man noch sagen oder besser schreiben, was noch nicht gesagt/geschrieben worden ist nach dem vierten Abend von Richard Wagners Der Ring des Nibelungen, von dem nun auch noch eine Bluray erschienen ist? Fortgesetzt wird in gnadenloser Konsequenz die Säkularisierung, man könnte auch sagen die Verhohnepiepelung sowohl von Werk wie von Publikum mit einem Rheingold ohne Rhein und Gold, einer Walküre ohne Wunschmaid, mit einem Siegfried, der eher ein Taugenichts ist als ein naiver Held, einer Götterdämmerung ohne Götter, die in Walhall verglühen. Nicht nur, dass das gesamte Werk aus der schillernden Vielfalt von Göttern, Riesen über Menschen bis zu den Schwarzalben eingeebnet wird mit der Wahl einer zweifelhaften, menschen-wie tierverachtenden Forschungsanstalt als einzigem Schauplatz, in der Natur, ob Wald oder Tierwelt, nur noch als Pappfigur existiert. So wie Wotan als Strafe  für ihren Ungehorsam die Gottheit von Brünnhilde küsste, so prügelt Dmitri Tcherniakov den Mythos aus der Tetralogie, ersetzt sie nicht einmal durch eine reale Welt, sondern den Antimythos, eine entmenschte Menschenwelt. Niemand glaubt mehr an die Asen, den Mythos, aber die Musik beglaubigt ihn, und sie sollte respektiert werden. Nachdem in den Opernhäusern sämtliche Tabus gebrochen und dafür neue, bei ihrem Bruch noch strenger geahndete errichtet wurden, könnte man allmählich dazu zurückkehren, wenn nicht dem Text, so doch der Musik mehr zu vertrauen, nicht gegen sie zu inszenieren.  Da setzt es schon etwas in Erstaunen, dass man, obwohl auch die vierte Bluray wieder Absonderlichkeiten  wie den Trainingsraum eines Basketballteams, wohl die Werksmannschaft von E.S.C.H.E, offerierte, in dem der Mord an Siegfried, dem Hagen eine Fahnenstange in den Rücken stößt, stattfindet, übrigens mit „echtem“ Blut, Wotan und Erda noch einmal herumgeistern und die Nornen uralt und mit vielerlei Bresten behaftet sind. Brünnhilde und Siegfried haben Hundings bzw. Mimes Häuschen bezogen, Brünnhilde findet aus dem Bademantel zwischen Bett und Couch gar nicht mehr heraus. Komischerweise lädt man sich nicht mehr innerlich gegen diese Regiescherze aus, zum  einen wohl, weil sie nicht an die Substanz der Handlung und der Charaktere gehen, zum anderen, weil die Musik einfach zu stark ist und weil ihre Realisierung unter Christian Thielemann jede Optik erträgt, sich zu unbändiger, unbesiegbarer Kraft entfaltet.

Überraschend taucht ganz zum Schluss, wenn Brünnhilde nicht den Scheiterhaufen besteigt, Hagen nicht im Rhein ertrinkt, weil er das Gold erhaschen will, ein Schriftzug auf mit einem Text Wagners, den er nicht vertont hat: „Von Wiedergeburt erlöst zieht nun die Wissende hin. Alles Ewigen seliges Ende, wiss’t ihr, wie ich‘s gewann? Trauernder Liebe tiefstes Leiden schloss die Augen mir auf, enden sah ich die Welt.“ Das heißt jedoch nicht, dass auch Brünnhilde endet, sie zieht mit einer Handtasche unter Zurücklassung von Siegfrieds Leichnam samt Grane-Plüschtier davon. Hat wohl einfach die Arbeit am Forschungsinstitut E.S.C.H.E satt.

Herausragend sind wieder die Leistungen der meisten Sänger. Gewiss kommt Anja Kampe streckenweise an ihre Grenzen, hatte manche schrille Höhe zu verantworten, aber auch die unbedingte  Glaubwürdigkeit für die schwierige Partie, herrlich farbige Klänge in der Mittellage und immer ein Leuchten in der Sopranstimme, dazu atemberaubende Intervallsprünge in ebensolcher Sicherheit. Einen zarten lyrischen Sopran kann Mandy Fredrich für die Gutrune einsetzen und dazu die von der Regie wohl gewünschte Tussi-Optik. Violeta Urmana war einmal eine hochgeschätzte Wagner- und Verdisängerin, inzwischen erscheint die Stimme nicht mehr wie aus einem Guss, weist Brüche auf und klingt vergleichsweise fahl als Waltraute.  Von den Nornen können besonders die tieferen Stimmen mit denen von Noa Beinart und Kristina Stanek gefallen, während das Vibrato von Anna Samuil als Dritte Norn doch etwas zu ausgeprägt ist. Wie ein vokales Frischebad wirken die Rheintöchter Evelin Novak, Natalia Skrycka und Anna Lapkovskaja.

Andreas Schager ist auch in dieser Aufnahme  unermüdlich Kraftreserven hervorzaubernd ein unangestrengt und souverän wirkender Siegfried mit strahlendem Heldentenor, manchmal den Eindruck erweckend, er wolle unbedingt auf das bereits Vollkommene noch eins draufsetzen. Dazu ist er ohne Einschränkungen ein überaus jugendlicher übermütiger Draufgänger und dazu offensichtlich noch tänzerisch begabt. Für den schwachen, hier aber nicht durchweg unsympathischen Gunther setzt Lauri Vasar einen farbigen, geschmeidigen Bariton ein. Darf er deswegen überleben?  Mika Kares ist auch als Hagen von umwerfender Basspotenz.  Nein, Schiesser-Feinripp ist es wohl nicht, was Alberich als einziges Stück Textil trägt, dagegen hätte sich wohl die Firma erfolgreich gewehrt. Vokal kann  Johannes Martin Kränzle beglaubigen, was  bereits Lobendes über ihn gesagt wurde. Und Christian Thielemann am Dirigentenpult?  Es ist einfach phantastisch, wozu die Staatskapelle unter ihm fähig ist, Siegfrieds Rheinfahrt ( zum Glück bei geschlossenem Vorhang) und der Trauermarsch müssen einem einfach  die Tränen in die Augen treiben. Eine gebändigte Wucht sind die Mannen unter Martin Wright (Unitel 810504). Ingrid Wanja

Celestina Casapietra

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Vor allem die Besucher der Berliner Staatsoper werden sich an die italienische Sängerin Celestina Casapietra (23. August 1938) erinnern, die am 10. August 2024 verstarb. Sie war von 1965 bis 1993 Mitglied der Berliner Staatsoper war und trat an führenden europäischen Opernhäusern. Ihr Repertoire reichte von Koloraturrollen bis hin zu Wagners Elsa in Lohengrin und Giordanos Maddalena in Andrea Chénier, die an der Seite von Franco Corelli als DVD erschien.

Geboren am 23. August 1938 in Genua,kam Casapietra schon früh mit der Oper in Berührung, nahm als Kind Klavierunterricht und sang mit 15 Jahren Verdis Requiem im Chor. Sie studierte Gesang am Konservatorium von Genua und am Mailänder Konservatorium bei Gina Cigna. Casapietra debütierte 1961 am Teatro Nuovo in Mailand in Giordanos Mese mariano. Sie gewann 1963 Preise bei Wettbewerben in Mailand und Rom und trat an den italienischen Opernhäusern in Genua, San Remo, Pisa und Venedig sowie an der Opéra National de Lyon auf. In Italien machte sie die Bekanntschaft mit dem Dirigenten Herbert Kegel, der sie nach Leipzig holtge und dort förderte.

1964 fiel Casapietra von dem Dirigenten Otmar Suitner auf, als sie in Wagners Parsifal auftrat. Er überzeugte sie, an die Berliner Staatsoper in (Ost-)Berlin zu gehen. Dort trat sie ab 1965 auf, zunächst als Kurtisane in Paul Dessaus Die Verurteilung des Lukullus, Fiordiligi in Mozarts Così fan tutte, Donna Anna in Mozarts Don Giovanni, und Woglinde in Wagners Ring-Zyklus. Sie trat dort ebenfalls als Leonore in Beethovens Fidelio, Agathe in Webers Der Freischütz, Elsa in Wagners Lohengrin, Tatjana in Tschaikowskis Eugen Onegin und Maddalena in Giordanos Andrea Chénier auf. 1971 sang sie die Titelrolle in Massenets Manon an der Seite von Peter Schreier als Des Grieux in der Inszenierung von Horst Bonnet  und unter der Leitung von Arthur Apelt. Außerdem trat sie in Berlin als Cleopatra in Händels Giulio Cesare, Alice Ford in Verdis Falstaff, Liú in Puccinis Turandot[ und Elisabeth in Wagners Tannhäuser auf.

Die Staatsoper Berlin verlieh ihr den Titel der Kammersängerin. Casapietra gastierte am La Fenice in Venedig, an der Wiener Staatsoper, an der Bayerischen Staatsoper in München, an der Hamburgischen Staatsoper und am Bolschoi-Theater in Moskau. Bei den Salzburger Festspielen trat sie von 1969 bis 1971 in Cavalieris Rappresentatione di Anima et di Corpo auf. Bei der Mozartwoche 1984 in Salzburg verkörperte sie die Vitellia, 1985 in Dublin die Marschallin und 1986 beim Festival von Las Palmas die Elisabeth in Tannhäuser. In Amsterdam trat sie 1986 als Yü-Pei in Zemlinskys Der Kreidekreis auf. 1994 trat sie in Genua in Puccinis Tosca und in Lyon in der Titelrolle der Ariadne auf Naxos auf.

Casapietra war seit 1966 mit dem Dirigenten Herbert Kegel verheiratet, mit dem sie einen Sohn, Björn Casapietra, hat, der in Genua geboren wurde und einen italienischen Pass besitzt. Casapietra und Kegel galten in den 1960er Jahren in der DDR als Glamourpaar und ließen sich 1983 scheiden. Sie hatte Wohnsitze in Berlin und in Sori, Ligurien. Ebendort starb sie am 10. August 2024 im Alter von 85 Jahren.

Casapietra nahm 1971 die Rolle der Fiordiligi in der deutschen Fassung von Così fan tutte auf, mit Suitner als Dirigent der Staatskapelle Berlin. 1973 erschien ihre Maddalena auf einer DVD von Giordanos Andrea Chénier für Hardy Classic neben Franco Corelli in der Titelrolle und Piero Cappuccilli.

Zu ihren Aufnahmen des Konzertrepertoires gehören Bachs h-Moll-Messe unter der Leitung ihres Mannes im Jahr 1975 mit dem Rundfunkchor Leipzig und dem Rundfunk-Sinfonieorchester Leipzig.  1990 sang sie das Sopransolo in Mendelssohns Lobgesang in einer Gesamtaufnahme seiner Sinfonien für Eurodisc, wobei Kurt Masur das Gewandhausorchester dirigierte.

Außerdem wirkte sie in dem DEFA-Opernfilm Gala unter den Linden (DDR, 1977) mit und spielte die Rolle der Gesangslehrerin in Arnaud des Pallières‘ Film Drancy Avenir (1997). (engl. Wikipedia/ Foto Bachtrack)

GABRIELA SCHERER

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Ob als Senta, Fidelio, Chrysothemis oder Donna Elvira: Gabriela Scherer macht sich im Moment in einem breiten Repertoire einen Namen. Der Sommer steht für die Schweizer Sopranistin mit der Senta in Düsseldorf, ihrem Bayreuth-Debüt als Gutrune und Sieglinde im „Ring an einem Abend“ in Graz ganz im Zeichen Richard Wagners, auf den sie sich aber keinesfalls festlegen möchte. Beat Schmid traf sie zu einem Gespräch über kommende Aufgaben, warum eine gesunde, schlanke Stimmführung wichtig ist, Entwicklungen im Opernbetrieb, die Sorgen machen und vieles mehr. Auf seine Fragen antwortete sie wie nachstehend.

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Gabriela Scherer: Sommer 2024 in Bayreuth/Foto Harald Schäfer

Im August singen Sie zum ersten Mal in Bayreuth, und zwar in der doch recht polarisierenden „Ring“-Inszenierung von Valentin Schwarz. Was sind Ihre Eindrücke dieser „Götterdämmerung“ und wie ist die Arbeit mit Valentin Schwarz und seinem Team?Ich muss ganz ehrlich gestehen, dass ich im voraus nicht den kompletten Ring von Valentin Schwarz gesehen habe. Ich habe mir natürlich die Götterdämmerung angeschaut und hatte auch ein paar Fragen dazu. Wir hatten von Anfang an gleich so eine tolle offene Arbeitsatmosphäre und mir wurde sehr klar erklärt, was seine Idee ist. Und ich muss sagen, ich finde seine Arbeit und die von seinem großartigen Team wirklich bereichernd. Das Besondere finde ich, dass jede einzelne Person in diesem Ring eine ganz eigene Tragik in sich trägt. Dazu kommt, dass die Arbeitsweise einerseits hoch konzentriert ist, aber auch einfach riesigen Spass macht. Ich verstehe, dass es immer wieder sehr viele kritische Stimmen gegenüber dem sogenannten „modernen Regietheater“ gibt, aber ich bin gleichzeitig auch der Meinung, dass man sich trotzdem erst einmal einer Idee gegenüber neutral öffnen sollte. Und wenn man dann wirklich gar nicht dahinter stehen kann, muss man so fair sein und die Produktion verlassen. Aber ich muss sagen, hier war ich sofort von der tiefgründigen, fantasievollen aber auch sehr humorvollen Art von Valentin Schwarz angetan und möchte seine Idee so gut wie möglich umsetzen. Und das ganze Team im Hintergrund, wie z.B. der großartige Kostümbildner Andy Besuch, bringen wirklich eine sensationelle Produktion auf die Bühne.
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Und wie ist die Arbeit mit Simone Young? Ich habe vor sehr vielen Jahren schon einmal an der Bayerischen Staatsoper mit Simone Young gearbeitet und habe mich riesig darauf gefreut, sie wieder zu sehen und mit ihr wieder zu arbeiten. Sie ist eine großartige Künstlerin und Frau, wir hatten eine fantastische Zeit, tolle Gespräche, wunderbare und sehr inspirierende Proben und ich nehme sehr viel von dieser Zusammenarbeit mit.
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Gabriela Scherer: Elsa in „Lohengrin“ an der Oper Leipzig mit Klaus Florian Vogt/Foto Kirsten Nijhof

Sie singen diesen Sommer ausschließlich Wagner: Senta, Gutrune und Sieglinde. Würden Sie sich als „Wagnersängerin“ bezeichnen? Was muss eine Sopranistin für Wagner mitbringen? Ich würde mich wirklich nicht als Wagnersängerin bezeichnen, falls es so etwas überhaupt gibt. Gelernt habe ich die sogenannte italienische Technik, und auch mit meinem Coach und meiner Lehrerin arbeiten wir an sehr viel unterschiedlichem Repertoire, Legato, einer gesunden, schlanken Stimmführung… Alles Punkte, die zu einem gesunden Wagner-Singen dazu gehören, aber oftmals wird das so nicht gesehen. Ich höre sehr oft auch von jüngeren Kollegen: „Ich habe eine riesige Stimme, bin wie gemacht für Wagner“, und das ist leider absolut falsch. Natürlich kann eine Stimme, die das leichte Sopranfach singt wie z.B. eine Zerlina nicht eine Isolde singen, aber für Wagner braucht es so viel mehr als nur ein großes Volumen. Ganz im Gegenteil, man braucht einen klaren und kühlen Kopf, um genau zu wissen, wie man sich eine Rolle so einteilt, dass man am Ende noch genug Kraft hat. Dann ist es unheimlich wichtig, sich mit der Sprache auseinanderzusetzen, ein gesundes Legato beizubehalten und trotzdem deutlich zu sprechen. Daran arbeite ich gerade sehr und es ist der einzige Weg, immer wieder an diesen Dingen professionell zu arbeiten. Und auch wenn das manchmal etwas zu kurz kommt: Bei Wagner gibt es alles. Von einem absoluten Pianissimo bis zu den größten Ausbrüchen. Das sollte man sehr ernst nehmen und nur das macht die Rolle meiner Meinung nach am Ende interessant und lebendig.

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.Die Sieglinde, die Sie im August in Graz singen, wird ein Rollendebüt sein. Was sind die stimmlichen Herausforderungen dieser Partie und wie werden Sie die Rolle anlegen? Die Sieglinde ist insofern eine sehr besondere Herausforderung für mich, weil die Rolle sehr viel in der Mittellage geschrieben ist. Und das ist vom Mezzofach kommend gar nicht so einfach, denn ich möchte nicht zurückfallen in gewisse Angewohnheiten, die ich als Mezzo hatte. Wie z.B. in der Mittellage zu groß oder zu dunkel singen. Auf der anderen Seite ist das meine Stimme und ich muss einfach sehr intensiv daran arbeiten, wie ich klug an diese Lage gehe. Denn der Sound des Orchesters ist oft sehr geballt und die Gefahr, dass man in der Mittellage zu viel gibt, ist groß. Andererseits sollte man auch gehört werden, und das ist in der Mittellage gar nicht immer so einfach. Aber ich habe zum Glück großartige Hilfe beim Einstudieren dieser Rolle von meinem Coach.
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Gabriela Scherer: Senta an der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf/ Foto Hans-Jörg Michel

Im deutschen Fach singen Sie auch viel Strauss, wie etwa die Ariadne, Chrysothemis oder im September die Vier letzten Lieder. Sind weitere Strauss-Partien wie Kaiserin, Marschallin oder Salome geplant? Ich freue mich unsagbar auf die Vier letzten Lieder von Strauss. Gerade gestern habe ich daran gearbeitet und musste wieder feststellen, wie allumfassend und großartig dieser Mensch komponiert hat. Das ist jedesmal ein ganz eigenes Universum, welches sich öffnet, wie er die Sprache vertont. Das berührt mich immer wieder zutiefst. Obwohl der Komponist meine erste große Strauss-Partie war, ist mir kaum eine Rolle so nah wie die der Ariadne. Strauss hat wunderbar für die Stimme geschrieben, wenn ich wünschen könnte, dann wären sehr viele Strauss Partien in meinem Kalender… Aber tatsächlich ist bisher wenig Strauss geplant, viel mehr Wagner. Was einerseits schön ist, aber mich auch immer wieder ein bisschen traurig macht. Sobald man Wagner singt, ist man schon ein stückweit in einer Schublade und da versuche ich sehr dagegen zu arbeiten. Die Marschallin und irgendwann auch die Salome sind definitiv auf meiner Wunschliste für die Zukunft. Und gerne wieder viele Ariadnes.

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Sie lassen sich, obwohl sie viel „schweres“ deutsches Fach singen, darauf aber nicht festlegen. Im Mai haben Sie mit Marc Minkowski Donna Elvira in „Don Giovanni“ gesungen, im Dezember folgt sogar Ihre erste Pamina. Wie lässt sich das mit Wagner und Strauss vereinen? Die Gefahr, diese gesunde Linie zu verlassen, ist bei Wagner sehr groß, allein schon durch den großen Orchesterklang, der einem entgegenkommt. Da hat man oft fälschlicherweise das Gefühl, mit Lautstärke dagegen ankämpfen zu müssen. Natürlich gibt es Ausbrüche und die sollte man auch (kontrolliert) genießen, aber es ist völlig falsch, mit Volumen gegen ein Orchester versuchen anzukämpfen. Wenn die Stimme Obertöne hat, trägt sie, auch im Piano, über jedes Orchester.
Bei Mozart besteht diese Gefahr nicht, gleichzeitig ist es die perfekte Kontrolle, ob man die Stimme noch gesund und flexibel führen kann.
Außerdem muss ich sagen, dass Mozart neben Strauss mein absoluter Liebling ist, ich habe jede einzelne Sekunde in jeder Vorstellung mit Marc Minkowski so genossen und aufgesogen. Das ist einfach der Himmel auf Erden. Und hält die Stimme jung und beweglich.
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Auch Verdi- und Puccinirollen haben Sie im Repertoire. Ist in dieser Richtung weiteres geplant? Ich freue mich riesig, dass ich in Zukunft Verdis Alice Ford singen werde. Wo kann ich noch nicht verraten, aber das ist wirklich eine neue, tolle Herausforderung. Ich wünsche mir allerdings nichts mehr, als bald einmal die Desdemona zu singen. Diese Rolle ist ganz oben auf der Wunschliste, aus verschiedenen Gründen. Ich glaube, auch wenn das für Menschen, die mich nur im Wagner Fach gehört haben seltsam klingen mag, dass die Desdemona mir auf den Leib geschrieben ist, auch von ihrem ganzen Wesen. Ich singe sie oft zum Einsingen und finde dabei sofort meinen Stimmsitz.

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Sie sind Mutter von zwei Kindern, Ihr Mann Michael Volle ist wie Sie viel unterwegs. Wie lässt sich eine Karriere als freischaffende Sängerin mit der Familie vereinbaren? Ich war die ersten Jahre nur zuhause und habe dann sehr langsam wieder angefangen zu arbeiten, manchmal nur zwei Produktionen im Jahr, wovon vieles Wiederaufnahmen mit wenigen Proben waren. Ich bin in erster Linie Mutter, meine Kinder sind das größte Glück und ich möchte am liebsten keine einzige Sekunde mit ihnen verpassen. Gerade jetzt, wo ich langsam spüre, wie sie älter werden. Seit ca. zwei Spielzeiten arbeite ich sehr viel. Die Arbeit ist wunderbar, und ich bin sehr dankbar, aber die Zeit mit meinen Kindern ist sehr wertvoll und ich möchte für sie da sein. Konkret hieß das in den letzten Monaten, dass ich sehr sehr viel Auto gefahren bin. Oft nachts, um für ein paar Stunden bei meinen Kindern zu sein, alles zu regeln was zu hause ansteht. Es muss ja alles organisiert und geplant sein, der Hund muss versorgt werden, das Haus, die Wäsche der Kinder, Verabredungen… Und ganz zu schweigen von den Teenagersorgen, die besprochen werden müssen. Das war seit letztem November eine große Herausforderung und ich bin wahnsinnig froh, dass wir das alles geschafft haben.

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Gabriela Scherer: Elisabetta in Don Carlo an der Oper Leipzig/ Foto Kirsten Nijhof

Das Bild von Opernsängerinnen- und sängern hat sich in den letzten Jahrzehnten sehr geändert und es wird immer mehr Wert auf den szenischen Aspekt gelegt. Wie sehen Sie diese Entwicklung? Ich bin, um ehrlich zu sein, manchmal etwas besorgt, in welche Richtung sich unser Geschäft entwickelt. Früher gab es diese Generation Sänger, die einfach in Ruhe Zeit hatten, sich Rollen zu erarbeiten, die viel Erfahrungen gemacht haben und große Persönlichkeiten wurden. Ich habe als Kind und Studentin viele solcher Sänger z.B. im Opernhaus Zürich sehr bewundert. Und da waren viele Sänger dabei, die auch großartige Schauspieler waren. Denken Sie mal an Agnes Baltsa als Carmen, dieser Blick, dieses Bewusstsein für das, was man tut. Ich habe das Glück gehabt, mit Doris Soffel zu arbeiten, mehrfach, und diese Frau weiß so genau, was sie auf der Bühne macht. Jeder Blick, jede Bewegung sitzt. Darf ich ganz ehrlich sein? Heute geht es sehr oft darum, dass man möglichst jung ist und möglichst schnell so laut wie möglich singt und ins dramatische Fach geht. Und ja, auch wie schlank man ist. Aber wo bleibt der gesunde Aufbau der Stimme? Die Erfahrung, das Charisma und die Persönlichkeit? Kann ich wirklich mit 28 schon eine Salome, Isolde, einen Hans Sachs, Wotan oder geschweige denn eine Brünnhilde singen? Man kann in diesem Alter vielleicht die Töne stemmen, aber auch da ist die Frage, wie lange. Und weiß ich wirklich, wovon ich da singe?

.Ich habe bei einem Jubiläumskonzert in Zürich auf einer leeren Bühne einmal eine Szene aus Boris Godunov gesehen. Matti Salminen ging langsam an einem Stock auf die Bühne. Er sang ohne eine große selbstdarstellende Show diese Rolle. Bei jedem Wort wissend was er singt und es war einer der größten Momente für mich. Das sind für mich Sängerpersönlichkeiten. Da braucht es keinen Salto auf der Bühne, das Charisma und die Erfahrung und die Persönlichkeit sind so groß, dass es die Seele tief berührt. Und das soll Oper meiner Meinung nach. Leider muss heute alles sehr schnell gehen…
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.Gibt es Traumpartien, die Sie bisher noch nicht gesungen haben? Wie gesagt, meine absolute Traumpartie ist die Desdemona. Und wie ich sagte, würde ich mir sehr wünschen mehr Strauss zu singen, die Marschallin zum Beispiel. Ein weiterer großer Wunsch wäre Mozarts Vitellia. Und mehr Verdi. Und von Wagner darf sehr gerne die Elsa wieder öfter auf dem Kalender stehen. Die Elisabeth wird kommen, der Vertrag ist unterzeichnet, aber erst in ein paar Jahren. 🙂

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.Wo können wir Sie nach dem Sommer auf der Bühne sehen? Im September singe ich zum ersten Mal die „Vier letzten Lieder“ mit den Stuttgarter Philharmonikern beim Festival international de musique Besançon. Im Oktober folgt dann eine kleine Tournee mit Liszts „Die Legende von der heiligen Elisabeth“ mit dem Hungarian National Philharmonic Orchestra im Wiener Musikverein, Concertgebouw Amsterdam, in Brüssel und Budapest. Anschließend bereite ich mich auf ein Rollendebüt vor, auf das ich mich ganz besonders freue, auf meine erste Pamina in der „Zauberflöte“ in der wundervollen Inszenierung von August Everding an der Staatsoper Unter den Linden im Dezember und Januar. Dann werde ich einige Sentas singen, szenisch an der Deutschen Oper Berlin und in Düsseldorf, konzertant in Luxemburg und Brüssel. Und dazwischen werde ich mein Debüt am Teatro Real in Madrid in einem Wagner-Konzert geben. (Privatfotos: Harald Hofmann).

Grenzüberschreitendes

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Im Jahr 2019 fand an der Universität von Leeds eine von Derek B. Scott und Anastasia Belina organisierte Konferenz statt. Sie trug den Titel „Gaiety, Glitz and Glamour, or Dispirited Historical Dregs? A Re-evaluation of Operetta“ (für weitere Informationen klicken Sie hier). Anstatt alle Beiträge dieser Konferenz zu veröffentlichen, haben Bruno Bower, Elisabeth Honn Hoeberg und Sonja Starkmeth interessante Themen ausgewählt (und einige neue eigene Aufsätze hinzugefügt), die unter dem Titel Genre Beyond Borders: Neubewertung der Operette. Der 250 Seiten starke Band ist vor kurzem – von vielen unbemerkt – als Routledge-Buch zum stolzen Preis von 130+ Euro erschienen. Wir haben Kurt Gänzl gebeten, es für uns zu rezensieren. Was er unter der Überschrift zu sagen hat, lesen Sie hier: „Eine moderne Operettenbuchbesprechung“. Kevin Clarke/Operetta Research

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Nun also Kurt Gänzl: Ich mache das nicht mehr oft. In den 1980er Jahren war ich der ?Mr. Musiktheater/Operette“ des Planeten. Ich habe zwei der drei maßgeblichen Werke zu diesem Thema geschrieben. Sie sind fast ein halbes Jahrhundert später immer noch maßgebend. Aber die Autoren des 21. Jahrhunderts, die sich mit diesem Thema befassen – und sie scheinen heutzutage wie Flechten auf einem Felsen zu wachsen – sind von einer anderen Sorte. Gerry Bordman, Richard Norton, Florian Bruyas, John Franceschina, die ungarischen Gelehrten, Otto Schnedereit … wir haben Fakten festgehalten. Die neue Generation zieht es vor, zu „analysieren“, zu „diskutieren“, zu „theoretisieren“ und, so fürchte ich, zu oft zu erfinden. Und unsere Fakten zu nutzen (wenn es passt), um eine Theorie zu ‚unterstützen‘ oder eine Sache voranzutreiben. Wir lehnen uns also einfach zurück und lassen sie weitermachen. Das ist eine ganz andere Welt.

Die meiste Zeit bevorzuge ich immer noch unsere Welt … aber hey, die Leute machen Karriere mit dem neuen Weg. Und gelegentlich taucht einer auf, der etwas Solides und wirklich Investigatives zu bieten hat. Und gelegentlich bringt jemand, der rückwärtsgewandt ist, denselben alten, unwahren Schund heraus, der vor Jahrzehnten als „Geschichte“ durchging. Nun, dieser Band enthält Beispiele für beide Extreme.

Ich kenne einen der vierzehn Mitwirkenden persönlich. Die biografischen Notizen zu den anderen habe ich nicht gelesen. Absichtlich. Ich frage mich, woher der/die Herausgeber einige von ihnen haben. Nein, das will ich nicht wissen!

Das habe ich nach achtstündiger Lektüre an einem sonnigen Montag an der autralischen Küste geschrieben …

Ich bin mir nicht sicher, ob ich die richtige Person bin, um diesen Wälzer zu lesen und zu rezensieren. Der Titel ist abschreckend. Es scheint sich um ein modisches ‚Seminar‘ zu handeln. Universitätsähnliches Zeug aus mehreren Händen. Alles, was ich und meine Werke sind und nicht waren. Ein französischer Band mit ähnlichem Inhalt, der aus einer Reihe von Chatshows von Mons Yon stammt, hat mir jedoch punktuell Freude bereitet und neue Informationen geliefert, so dass ich hoffe, dass dieser Band dasselbe leisten wird.

Also los. Hmmm. Die Titel der Teile sehen nicht vielversprechend aus. Klasse“, „Geschlecht“, „Identität“, „Sexualität“, „Politik“ … alles Schlagworte des 21. Jahrhunderts … aber ich sehe einige interessante Titel ohne Schlagworte… nicht vorschnell urteilen, Kurt.

Ohmeingott! Musikalische Beispiele. Und Zahlen. Nicht vorschnell urteilen, Kurt. Lies.

Einleitung. So voller ‚Referenzen‘. Diese Kompendien scheinen wie Wikipedia-Artikel zu sein. Sie bestehen aus Fußnoten, in denen die Schriften anderer Leute zitiert werden. Warum hören und lesen die Autoren nicht einfach die Originaltexte, anstatt Teile dessen zusammenzukleben, was andere (zu Recht oder allzu oft zu Unrecht) anderswo gesagt haben?

Und, oh je, übermäßiger Nachdruck auf die zeitweilig modernste aller Opéras-Bouffes (nicht Opérettes“), L’Étoile. Ich denke, ich werde einfach zu den Artikeln übergehen.

Der erste klingt interessant. Und relevant. The Operetta Seasons Considerably Decreased our Losses‘ könnte sich auf fast jedes Opernhaus in Großbritannien und wahrscheinlich auch anderswo in der heutigen Zeit beziehen. Nun, ändern Sie ‚Operette‘ in ‚Musiktheater‘ … wie ich es tue, denn niemand hat mir jemals den Unterschied zufriedenstellend erklärt.

Wie auch immer der Rest aussehen mag, Artikel Nr. 1 (eigentlich Nr. 2) von Matteo Paoletti rechtfertigt für mich die Veröffentlichung und Lektüre der gesamten Sammlung. Die darin gesammelten und enthaltenen Informationen sind ein Augenöffner, selbst für diesen sehr alten Studenten. Man muss sich zwar über den einen oder anderen langen Satz und das eine oder andere große Wort hinwegsetzen … aber hey! das ist es allemal wert. Und wusste ich überhaupt, dass Florodora in Italien produziert wurde?

Natürlich könnte ich ohne die 3-4 Seiten „Das habe ich von hier gestohlen“-Listen leben, die dem Text folgen. Ich habe sie übersprungen. Sig Paoletti, Ihre Arbeit kann auch ohne sie für sich stehen. Ich erwarte (wenn Sie sich beeilen, ich bin fast 80) Ihre vollständige Geschichte des italienischen Operetten-/Musiktheaters. Sie können es schaffen! Kurt Gänzl Operetta Research/ Kurt von Gerolstein/ 15. Juli 2024) 

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Bruno Bower, Elisabeth Honn Hoeberg und Sonja Starkmeth: Genres beyond Border; 264 Pages 50 B/W Illustrations Published December 18, 2023 by Routledge ISBN 9781032184258). Im Originalbeitrag finden sich einzelne Betrachtungen, die wir für operalounge.de gekürzt haben, der vollständige Artikel findet sich dann bei Operetta Research/G., H.)

Futter für die Fans

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Rund vier Jahrzehnte hindurch konnte der Franco-Bonisolli-Fan in der Gewissheit leben (so in einem alten Interview zu lesen), sein Idol strebe nichts mehr an, als eines Tages Goethes Faust im Original lesen zu können, nun erweist sich das als Illusion, denn im zwei Jahrzehnte nach des italienischen Tenors Ableben erschienenen Buch von Gregor Hauser mit dem Titel Franco Bonisolli, Tenor ohne Grenzen erfährt man, dass es Die Wahlverwandtschaften des Dichterfürsten sind, die an erster Stelle auf der Leseliste des Sängers standen, der wie kein zweiter die internationale Opernfangemeinde spaltete. Bewunderten die einen seine stupenden, gern auch zusätzlich eingelegten Spitzentöne, seine Generosität im Fortesingen, seine allen Klischees vom attraktiven bagnino bis hin zum auf behaarter Brust baumelnden Goldkreuz entsprechende Optik und seine sich in Kniefällen vorm Gesamtpublikum oder auch einzelnen Damen äußernde Ergebenheit gegenüber seinen Anhängern, so verachteten die anderen die egoistische Eitelkeit , die sich gerade in dem allen äußerte, die sich einen Deut um Gesamtwerk und Kollegen kümmerte.

Auf ein gewisses Interesse dürfte das Buch, das sich zwischen akribischem Nachforschen und hingebungsvollem Fangeplauder bewegt, auf jeden Fall stoßen, und es macht durchaus nicht nur Schluss mit bisher gepflegten Urteilen, sondern bestätigt auch vieles bisher Bekannte, so die Ansicht des Portraitierten, moderne Regie sei so verachtenswert wie ein eventueller Versuch, auf ein Rembrandtgemälde eine Jeans zu malen.

Das Buch ist in zwei Teile gegliedert. An erster Stelle steht eine akribische Untersuchung der frühen Jahre, die Blütezeit nimmt weit weniger Platz ein, und das Comeback nach der durch die lange Krankheit der ersten Gattin, Sally,  verursachten Karrierepause wird zwar in diesen Teil auch aufgenommen, aber erst im zweiten durch Zeitzeugen wie einen der Brüder, den Freund Gunnar Grässl und den Hamburger Manager Wolfgang Schmitt, den Bericht von Susanna Dal Monte, die dem Star  zum Comeback in Wien verhalf,  ausführlich geschildert. Hier finden sich auch die Erinnerungen des für die berühmten Dreikönigskonzerte und den Titel Wiener Kammersänger wesentlich verantwortlichen Ehepaars Vetrovsky und ein aufschlussreiches Interview mit Dirk Schauß, der ein Konzert mit dem Star und dessen zweiter Gattin, der Polin Agnieszka Sobocinska, in Bamberg organisierte und interessante Erfahrungen à la Himmelfahrtskommando mit dem alternden Tenor machte.

Dem Leser wird das Unterscheiden von Quelle, Sekundärliteratur und verbindenden Texten dadurch leicht gemacht, dass unterschiedliche Schrifttypen verwendet werden, interessant sind die oft sehr vorsichtigen, Vorbehalte nur unzureichend verbergenden Aussagen von Zeitgenossen, die teilweise recht gewunden klingen in dem Bestreben, nichts Abfälliges zu äußern, Originalzitate Bonisollis wie:“Ich gebe halt immer noch etwas drauf“, klingen da schon realistischer, was aber wirklich das Buch äußerst lesenswert macht ist die ehrliches Erstaunen weckende Vielseitigkeit des Tenors in frühen Karrierejahren, die in Spoleto, übrigens gleichzeitig mit denen Renato Brusons, ihren schillernden Anfang nahmen und mit Namen wie Menotti, Zeffirelli, Visconti verbunden sind und mit Rollen in The Saint of Bleeker Street, Mozarts La Clemenza di Tito, Rossinis Assedio di Corinto und Franco Manninos Luisella. Das ist wirklich interessant, auch wenn man über ein Urteil wie über Massenets Des Grieux mit :“..und sein Erscheinungsbild entsprach natürlich ganz dem eleganten Chevalier“ ebenso schmunzeln mag wie über „glasklare, ansatzlose Spitzentöne“, die ebenso frappieren wie „das Anschleifen der Töne“ als angebliches Markenzeichen von Bonisollis Gesangsstil. Immerhin versteigt sich der Verfasser nicht  zu einer Kritik über die Berliner Fanciulla, in der Bonisolli dafür einst dafür bewundert wurde, dass er trotz blutender Wunde noch die Leiter zum Hängeboden in Minnies Gemach erklimmen konnte. Dafür zeigt sich ein gewisser Hochmut, wenn konstatiert wird:„Nun war er einem Theater dieser Größe aber entwachsen.“ Damit ist Brüssels Monnaie gemeint. Auch eine Tournee nach „Belgien (inklusive Deutschland), Niederlande und Schottland“ erweckt Befremden. Geschmeichelt fühlen kann sich auf jeden Fall der deutsche Leser, wenn er von der Vorliebe Bonisollis nicht nur für Goethe, sondern auch für Wagner, dessen Tristan er zu gern gesungen hätte, erfährt, dem er sich verwandt fühlte, weil dieser „Grenzen sprengte wie er selbst“.

Der Verfasser hat viel über Leben und Wirken von Bonisolli erfahren und weiß es mit viel Zuneigung zu „unserem Franco zu würzen, auch wenn häufig weniger Tatsachen als ein „ man bekommt das Gefühl“, „kann man sich aber gut vorstellen“, „vielleicht begann er in der Küche“ die Unsicherheit darüber verraten, was wirklich geschah.

Den Schluss des Buches, ehe es zum üblichen Anhang kommt, bilden Aussagen von Kollegen (besonders bemerkenswert Bernd Weikl), Journalisten, Manager und  von drei Fans aus Linz und bekunden mit ihren Aussagen, dass der Sänger nicht vergessen ist, sondern noch immer eine treue Gemeinde, trotz nicht mehr Bestehens der Amici di Franco Bonisolli, hat.  Und diese Gemeinde wird sicherlich nicht zuletzt wegen der vielen Fotos an diesem Buch ihre Freude haben (Marheinicke-Verlag 2024, 292 Seiten, ISBN 978 3 947403 48 6). Ingrid Wanja