.
Lieder von Wolff. Erich Wolff. Von jenem Komponisten, der mit Doppel-F geschrieben wird. Gesprächsweise kann es leicht zur Verwechslung mit dem anderen Wolf, mit Hugo, kommen. Ausgesprochen spielt die unterschiedliche die Schreibweise nämlich keine Rolle. Beiden ist die Hinwendung zum Lied als Zentrum des Schaffes eigen. Erich Jacques Wolff wurde am 3. Dezember 1874 in Wien geboren. Gestorben ist er am 3. März 1913 in New York. Zu Lebzeiten war er hoch geschätzt und auch als Konzertbegleiter bei Liederabenden gesucht.
Mit dem Machtbeginn der Nationalsozialisten zwanzig Jahre nach seinem Tod wurde die Erinnerung an den jüdischen Musiker getilgt. Verehrung wandelte sich in Verachtung. In den USA hingegen, wo deutsche Emigranten, darunter auch künstlerische Weggefährten von Wolff, eine neue Heimat gefundene hatten, geriet er nicht in Vergessenheit. So wurde 1936 wurde bei der Schallplattenfirma Columbia ein Album mit achtzehn ausgewählten Liedern aufgenommen. Solist ist ein Namensvetter des Komponisten, der Bariton Ernst Wolff (1905-1992), der sich selbst am Klavier begleitet. Rassistisch verfolgt, war er aus Deutschland geflohen und hatte sich in seiner neuen Heimat auch dadurch einen Namen gemacht, dass er das amerikanische Publikum beispielsweise mit der Komponistin von Clara Schumann bekannt machte. Das Plattenalbum hat seinen hohen künstlerischen Wert bewahrt und ist inzwischen ein gesuchtes Sammelobjekt. Es geht eine große Faszination vom sanften Timbre des Interpreten aus. Es sollten viele Jahrzehnte vergehen, bis man sich auch in seiner Heimat auf Erich J. Wolff besann. In Büchern tauchte zumindest sein Name wieder auf. Fotos sind aber kaum zu finden, und das allwissende Onlinelexikon Wikipedia gibt sich nach wie vor wenig auskunftsfreudig.
In Deutschland war der Musikwissenschaftler Peter P. Pachl (1953-2021) einer der ersten, wenn nicht gar der erste, der von 2009 an Lieder und Melodramen von Wolff bei der Firma Thorofon einspielen ließ. Nun hat Naxos zu einem ganz großen Schritt ausgeholt und eine komplette Einspielung der Lieder gestartet. Bisher liegen Vol. 1 (8.574451) mit Samantha Gaul (Sopran) und Daniel Johannsen (Tenor) sowie Vol. 2 (8.574557) mit der Mezzosopranistin Ida Aldrian und schließlich Vol. 3 mit dem Bariton Hans-Christoph Begemann (8.574558) vor. Die verdienstvolle und längst überfällige Edition entsteht in Zusammenarbeit mit Radio Bremen und dem SWR. Klavierbegleiter und Spiritus Rector ist der Pianist Klaus Simon. Rüdiger Winter
.
.
Dieser nun schreibt in seinem Artikel im Beiheft der Naxos-Aufnahmen: Erich Wolff, ein tragisch vergessener Liedkomponist ersten Ranges. Vor bald fünf Jahren entdeckte ich den Wiener Komponisten Erich J. Wolff. Diesen Namen kennen heute nur noch die wenigsten Musikliebhaber. Wie auch? Sein Schaffen ist nur noch spärlich verlegt, und er hatte das Pech, aus einfachen jüdischen Verhältnissen zu stammen und bereits mit 39 Jahren in den USA an einer Ohrenentzündung fern seiner Heimat Österreich zu sterben. Wolff war Zeitgenosse von Arnold Schönberg und mit ihm wie auch mit Alexander Zemlinsky befreundet. Er schrieb bis zu seinem frühen Tod im Jahr 1913 immerhin 168 Lieder. Zu seinen Lebzeiten rissen sich nämlich viele namhafte Sängerinnen und Sänger darum, mit Erich Wolff Erich J. Wolff (1874-1913) aufzutreten. Denn nach Engelbert Humperdincks Aussage war er zeitlebens als einer der besten Liedbegleiter Österreichs anerkannt. Welche Reputation Erich J. Wolff als Liedkomponist hatte, kann man in einem maßgeblichen Fachbuch von 1927 mit dem Titel „2000 der beliebtesten Kunstlieder“ nachlesen. Er kam nach Hugo Wolf (150), Richard Strauss (75) Gustav Mahler (23) mit 17 Liedern immerhin auf den vierten Rang und verwies Zemlinsky und Schreker mit jeweils nur einem Lied weit abgeschlagen auf die hinteren Plätze. Zwar wurden Wolffs Lieder zeitlebens alle verlegt, aber er schrieb ansonsten keine erfolgreichen großen Werke
Vor bald fünf Jahren entdeckte ich den Wiener Komponisten Erich J. Wolff. Diesen Namen kennen heute nur noch die wenigsten Musikliebhaber. Wie auch? Sein Schaffen ist nur noch spärlich verlegt, und er hatte das Pech, aus einfachen jüdischen Verhältnissen zu stammen und bereits mit 39 Jahren in den USA an einer Ohrenentzündung fern seiner Heimat Österreich zu sterben. Wolff war Zeitgenosse von Arnold Schönberg und mit ihm wie auch mit Alexander Zemlinsky befreundet. Er schrieb bis zu seinem frühen Tod im Jahr 1913 immerhin 168 Lieder.
Seine Lieder waren nicht ohne Grund bis zum 1. Weltkrieg sehr erfolgreich und geschätzt. Zu seinen wie Sinfonien o. ä., welche seinen Ruhm einem größeren Publikum hätten nahebringen können. Auch seine reizvollen Klavierwerke verdienen wieder ins Repertoire zurückzukehren.
Durch die umfangreiche Tätigkeit als Liedpianist ließ er sich kompositorisch vielfältig von seinen Vorbildern inspirieren. Bei den zahlreichen Wunderhornliedern Wolffs denkt man natürlich unmittelbar an Gustav Mahlers bekannte Vertonungen. Auch Wolff traf ähnlich idiomatisch den Volkston und vertonte auch gerne Dialekttexte. Hugo Wolfs harmonischen Raffinessen und der anspruchsvollen Klavierbehandlung begegnet man hier ebenso wie der Hochromantik eines Robert Schumann. Erich J. Wolff nutzt gelegentlich auch den ganzen Fundus der spätromantischen Harmonik, ohne seinem Zeitgenossen Arnold Schönberg in die Atonalität zu folgen. Wie gut er Richard Wagners Musik kannte, ist einigen v. a. harmonisch gewagten Liedern anzuhören.
Trotz dieser Einflüsse, die bei vielen Liedern unterschiedlich stark zum Tragen kommen, hat er dennoch seinen eigenen Stil und seine eigene Liedästhetik herausgebildet. Er schafft es, für jeden seiner vertonten Texte (von großen und bekannten Dichtern wie Michelangelo, Goethe, Hölderlin und Eichendorff bis hin zu Zeitgenossen wie Dehmel, Liliencron, Verlaine und vielen vergessenen Dichtern seiner Zeit) den richtigen Tonfall zu finden. Er hat einen natürlichen Instinkt, aus jedem Gedicht ein besonderes und einmaliges Lied zu machen. In seinen besten intimen Liedern entspinnt er tief berührende Melodien, auf die selbst Richard Strauss oder Erich Wolfgang Korngold hätten neidisch werden können. Zudem sind seine anspruchsvollen Klavierbegleitungen immer pianistisch und dankbar geschrieben.
Diese Liedaufnahmen entstanden aus der Motivation, diesen großen Schatz der Lieder Wolffs wieder ins Bewusstsein zu rücken.(…) Klaus Simon (mit Dank an den Autor, R. W..)