Kabuki-Theater

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Eher als Oratorium denn als Oper scheint Regisseur Satoshi Miyagi Mozarts Frühwerk Mitridate, Re di Ponto zu sehen, denn er ließ durch den als Wall Designer bezeichneten Eri Fukazawa eine Riesenwand mit einigen Emporen und steilen Treppen an beiden Seiten ein goldenes Gebilde errichten, auf das japanische Motive wie zürnende Götter oder auch einfach Bambus projiziert wurden. Ganz im Geiste des Kabuki-Theaters, aber über kurze Strecken hinweg zumindest durch die Kostüme ( Kayo Takahashi Deschene) auch auf Japan im Zweiten Weltkrieg hinweisend, wird die Regie der ersten opera seria Mozarts, die 1770 in Mailand uraufgeführt wurde, durchaus gerecht, denn es gibt fast nur Arien, kaum Interaktion zwischen den Beteiligten mit einem kurzen Duett und einer ebensolchen Schlussszene. Ist es bei überkandidelten modernen Inszenierungen oft ein Vorteil für den Zuschauer, dass er auf dem Bildschirm nur einen Szenenausschnitt erblicken kann, vermisst man bei dieser Produktion doch häufig den imponierenden Gesamteindruck, dafür ist es dem Zuschauer vergönnt, auch Einzelheiten wie die auf das Schicksal der Personen hinweisenden Tierfiguren, mal als stolzer Helm getragen, mal wie eine Würgeschlange das Leben bedrohend, zu sehen. Etwas im Dunkeln bleibt, was neben dem Wall Designer eigentlich der Set Designer Junpei Kiz noch zu verantworten hat, und um noch beim Verzeichnis der Mitwirkenden zu bleiben, es fehlt leider ganz der Name des vorzüglichen Hornisten, der auf der Bühne eine Arie  wunderbar begleitet.

Im Orchestergraben ist übrigens nicht die Staatskapelle, sondern es sind  Les Musiciens du Louvre unter Marc Minkowski auf Originalinstrumenten, die im Rahmen der alljährlich im Herbst stattfindenden Barocktage, die Daniel Barenboim die Möglichkeit zu Gastspielen mit seinem Orchester gaben, eine schöne, nun abgebrochene Tradition waren. Wie  optisch auf der Bühne, so funkelte es auch akustisch, wurde den Sängerstimmen ein sanft-eleganter Klangteppich unterlegt und durch Straffheit eine nie nachlassende Spannung erreicht.

Die Besetzung der Premierenserie braucht sich hinter der der Wiederaufnahme 2023 mit Elsa Dreisig nicht zu verstecken. Pene Pati singt die für Guglielmo d’Ettore komponierte Titelpartie mit farbiger, kraftvoller Stimme, die die Extremhöhen nicht nur nicht zu fürchten, sondern geradezu auszukosten scheint. Das begeistert auch das Publikum. Seine Pianissimi leuchten, seine messa di voce ist technisch perfekt und sein Singen, besonders und auch bei „Già di pietà mi spoglio“ überzeugt nicht zuletzt durch Nachdrücklichkeit. Auch die Aspasia von Ana Maria Labin kann mit schillerndem, geschmeidigem Sopran überzeugen, meistert die Intervallsprünge perfekt und macht viel aus den Rezitativen. Einen leichten Mezzosopran setzt Angela Brower in der Kastratenpartie des Pietro Benedetti für den Prinzen Sifare ein, lässt Vorsicht bei den Koloraturen walten, kann sich aber durchaus neben dem Bruder Farnace, gesungen vom Countertenor Paul-Antoine Bénos-Dijan, der stellenweise etwas weinerlich klingt, aber mit einem tollen Triller und optisch heldischer Gestik erfreuen kann, behaupten. Auf sich aufmerksam machen mit einem satten, farbigen Mezzo kann Adriana Bignagni Lesca als Arbate, Statthalter von Ninfa, lieblich in jeder Hinsicht ist Sarah Aristidou als griechische als Prinzessin Ismene, Sahy Ratia als Marzio, römischer Tribun, punktet mit durchdringendem Charaktertenor. Die DVD ist eine reine Freude und lässt zugleich Wehmut darüber aufkommen,  dass die Barocktage der Staatsoper Vergangenheit sind (C-Major 767908). Ingrid Wanja