.
Zeitlebens der Gunst der Herrscher auf Königs-, Kaiser- oder Zarenthronen erfreuen konnte sich der italienische Komponist Giovanni Piasiello, und so nimmt es nicht Wunder, dass die Uraufführung seiner opera buffa La finta amanta vor Katharina II. und Kaiser Joseph bei deren Treffen im heutigen Weißrussland stattfand. Den Herrschern gefiel das Werk, den anderen Zeitgenossen ebenfalls, aber bald fiel es dem Vergessenwerden anheim. Mit einem kleinen Orchester und nur drei Sängern hatte der Komponist, als Nachfolger von Traetta an den Zarenhof berufen, den Tross der Zarin begleitet, aus deren Petersburger Regierungssitz er sich nur durch die Lüge von der Unverträglichkeit des russischen Klimas für seine Gattin wieder ins heimische Neapel retten konnte, wo er mehrfache Regierungswechsel, darunter die von Napoleons Bruder Josef zu seinem General und Schwager Murat und schließlich zurück zu den Habsburgern unbeschadet überstand, ihm sogar Napoleon I. die Hinwendung zu den Feinden verzieh, dem er dies mit der Komposition von Proserpina für Paris 1803 vergalt. Paisiellos Barbiere di Siviglia erfreute sich größter Beliebtheit, ehe der Rossinis ihn im Todesjahr des aus Taranto Stammenden von den Opernbühnen verdrängte.
Es geht um eine Opernfreunden recht vertraute Handlung, um den Versuch eines reichen, aber alten Mannes der tieferen Stimmlage, die Gunst eines jungen, armen Mädchens, das von einem ebensolchen, Tenor singenden Mann geliebt wird, dessen Neigung sie erwidert. Mit allerlei Schabernack und nach Überwindung einiger Hindernisse gelingt es den jungen Leuten, den Alten zu überlisten und einander und dazu noch eine lukrative Stellung zu bekommen. Dass die Geliebte bei diesem Vorhaben erst einmal als Schwester ausgegeben wird, ist auch nicht besonders neu.
Die nun vorliegende CD stammt bereits aus dem Jahr 2019, also vor Beginn des Kriegs in der Ukraine, und die Zusammenarbeit zwischen Italienern und Russen beruht wohl auch auf der Tatsache, dass sich die Partitur im Archiv des Mariinski-Theaters in Petersburg befindet. Der sehr um die Aufführung bemühte Dirigent und Musikwissenschaftler Stefano Parisse, der auch die Rezitative am Cembalo begleitet, tut sein Mögliches und hat mit dem Estrin Orchestra auch Musiker zur Verfügung, die für Frische und Schwung , aber weniger für Charme und Esprit, die der Partitur innewohnen, sorgen können. Der russische Sopran Elena Tsvetkova verfügt über ein leicht elegisches, schön anzuhörendes Timbre, ist mit ihrer lyrischen Stimme aber eher eine ernsthafte Camilla als eine vom Komponisten vorgesehene Camilletta, d.h. ihr fehlt trotz beachtlicher Bemühungen das letzte Quäntchen von einem die Krallen ausfahrenden Kätzchen, am ehesten noch wahrnehmbar in „Quanti sciocchi amanti“ im zweiten Akt. Eine vorbildliche Textverständlichkeit zeichnet den Tenor Daniele De Prosperi aus, es fehlt aber jeder tenorale Schmelz, ein Charaktertenor müht sich redlich, erreicht auch die Höhen, aber auch diese können dem Ohr nicht schmeicheln. Über die notwendige Geläufigkeit für den Don Girone verfügt der Bariton Antoine Bernheim, weder verwandt noch verschwägert mit dem Tenor, die Stimme ist recht dunkel, stellenweise klingt sie auch nasal, und insgesamt vermisst man bei den vokalen Leistungen den funkelnden Humor, den die Oper durchaus zu bieten hat (Naxos 8.660563-64). Ingrid Wanja