Archiv für den Monat: Oktober 2016

Hans Pischner

 

Die Staatsoper Unter den Linden trauert um Hans Pischner  (20. Februar 1914 – 15. Oktober 2016), der im hohen Alter von 102 Jahren verstorben ist. Als Intendant hat er über viele Jahre hinweg die Geschicke unseres Hauses gelenkt, von 1963 bis 1984, so lange wie kein Anderer in der jüngeren Geschichte der Staatsoper. Nach Berlin gekommen war der in Breslau geborene Hans Pischner kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Hier arbeitete er zunächst am Rundfunk der DDR, wo er als Leiter der Hauptabteilung Musik das Programm wesentlich mitbestimmte. Von dort wechselte er in das Ministerium für Kultur und wurde 1956 zum Stellvertretenden Kulturminister ernannt. Das Leben in der ideologisch, später dann auch durch die Mauer geteilten Stadt hat er sehr genau reflektiert und auf undogmatische Art und Weise kulturpolitisch begleitet. Dass er dabei Zwängen ausgesetzt war und Kompromisse zu schließen hatte, war angesichts der Situation im Land und der Präsenz des »Kalten Krieges« eine Notwendigkeit, dennoch konnte er sich als maßgeblicher, von vielen Seiten geschätzter Förderer und Gestalter der DDR-Kultur profilieren.

Hans Pischner nimmt mit Erich Honecker das Defilé der Vorsitzenden der DDR-Künstlerverbände, links Konrad Wolf, Präsident der Akademie der Künste der DDR/integralart.de

Hans Pischner nimmt mit Erich Honecker das Defilé der Vorsitzenden der DDR-Künstlerverbände, links Konrad Wolf, Präsident der Akademie der Künste der DDR/integralart.de

1963 wurde Hans Pischner auf den Intendantenposten der Staatsoper berufen, den er kraft seiner Persönlichkeit über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg nachhaltig wirksam auszufüllen wusste. Er bekannte sich zu den Traditionen, setzte aber auch eigene Akzente. Die Staatsoper hat Hans Pischner in den schwierigen Jahren nach dem Mauerbau wieder künstlerisch stabilisieren können. Es gelang ihm, das geschichtsträchtige Haus nach einer Phase der Stagnation erneut auf ein hohes Niveau zu führen, personell wie programmatisch. Mit der Berufung von Otmar Suitner als Generalmusikdirektor gewannen Staatsoper und Staatskapelle nicht nur einen festen musikalischen Leiter, sondern zugleich einen international renommierten Dirigenten, der über weitreichende, künstlerisch wie politisch wertvolle Kontakte verfügte.

Mozart, Wagner und Strauss gehörten auch weiterhin zu den Grundpfeilern des Opernspielplans im Haus Unter den Linden. Hinzu kam eine verstärkte Verdi-Pflege, der Hans Pischners Interesse ebenso galt wie dem russischen Repertoire. Darüber hinaus förderte er mit großem Engagement die Musik des 20. Jahrhunderts, sowohl die Klassische Moderne als auch das Zeitgenössische im engeren Sinn. Die Opern von Dmitri Schostakowitsch wurden ebenso auf die Bühne der Staatsoper gebracht wie Werke von Prokofjew und Penderecki sowie Musik von avancierten Komponisten der DDR. In besonderer Weise hat sich Hans Pischner dem Opernschaffen von Paul Dessau angenommen – mehrere seiner Werke erlebten an der Staatsoper ihre Uraufführung.

Die Verpflichtung erstklassiger Dirigenten, Solisten und Regisseure sowie eine kluge, ausgewogene und durchdachte Spielplanpolitik brachten dem Haus und seinem Intendanten internationale Anerkennung und Wertschätzung ein. Die »Ära Pischner« war zugleich die Zeit so herausragender Künstler wie Ruth Berghaus, Erhard Fischer, Theo Adam, Peter Schreier, Anna Tomowa-Sintow, Celestina Casapietra, Ludmila Dvorákova, Sylvia Geszty, Spas Wenkoff, Eberhard Büchner, Siegfried Lorenz oder Siegfried Vogel, die der Lindenoper Glanz verliehen. Bei zahlreichen Gastspielen im In- und Ausland, nach Ost wie West gleichermaßen, hat sich die Staatsoper unter Hans Pischner als eine Institution von Format präsentieren können. Auch die Staatskapelle Berlin entwickelte sich in den Jahren seiner Intendanz zu einem Klangkörper von hohem Rang, die auf den Konzertpodien der Welt sowie im Aufnahmestudio neues Profil und Renommee gewann.

Hohe staatliche Auszeichnungen wurden Hans Pischner zuteil, zudem war er als Präsident des Kulturbundes der DDR und als Vorsitzender der gesamtdeutschen Bach-Gesellschaft von den mittleren 1970er Jahren bis 1990 aktiv. Darüber hinaus hat er sich immer wieder auch als praktischer Musiker betätigt: Als passionierter, hoch professioneller Cembalist besaß er eine besondere Affinität zu den Werken Bachs und Händels, aber auch zur Musik der Gegenwart.

Berliner Staatsoper einst und jetzt: Jürgen Flimm, Hans Pischner und Daniel Barenboim/ Foto Berliner Staatsoper

Berliner Staatsoper einst und jetzt: Jürgen Flimm, Hans Pischner und Daniel Barenboim/ Foto Berliner Staatsoper

Auch nach der Beendigung seiner offiziellen Tätigkeiten blieb Hans Pischner der Staatsoper Unter den Linden eng verbunden. Bei nahezu jeder großen Musiktheaterpremiere und jedem Sinfoniekonzert saß er im Publikum, mit wachem Geist, nie nachlassendem Interesse und spürbarer Anteilnahme. Noch bei der Premiere von Beethovens »Fidelio« am 3. Oktober 2016 konnten wir ihn als Gast im Schiller Theater begrüßen – es sollte sein letzter Besuch einer Vorstellung des von ihm so geliebten Staatsopern-Ensembles sein.

Die Staatsoper Unter den Linden trauert um Hans Pischner, in dessen langem und erfülltem Leben unser Haus mit allen seinen Künstlern und Mitarbeitern eine zentrale Rolle gespielt hat. Wir danken Hans Pischner für all das, was er für die Staatsoper getan hat und werden ihm unser ehrendes Andenken bewahren. Im Namen der Staatsoper Unter den Linden: Jürgen Flimm und Daniel Barenboim (Quelle Staatsoper unter den Linden)

 

Raserei und Sanftmut

 

Einen besonderen Titel hat Joyce DiDonato für ihre neue CD bei Erato (0190295928469) gewählt, der neugierig macht auf das Programm: In War and Peace / Harmony through Music. Diesem Motto entsprechend fasst sie in zwei Abteilungen 15 Arien zusammen, unterteilt sie je nach ihrem Charakter und Inhalt in die beiden Gruppen, beginnend mit dem War. Kompositionen von Händel, Leo und Purcell sind zu hören, darunter eine Weltersteinspielung, was stets das besondere Interesse der  Sammler weckt. Es ist Andromacas „Prendi quel ferro“ aus der gleichnamigen Oper von Leonardo Leo, welches die Mezzosopranistin mit enormer Vehemenz und Attacke herausschleudert, schildert es doch den aufgewühlten Gemütszustand einer um das Leben ihres Sohnes bangenden Mutter. Diese Ausnahmesituation darzustellen, gelingt der Sängerin in überwältigender Manier und sie riskiert dabei in der exponierten Lage auch manch gestressten Ton, was hier als Ausdrucksmittel dient. Ähnlich furios ist Sestos „Svegliatevi nel core“ aus Handels Giulio Cesare, in welchem der Sohn den Mord an seinem Vater rächen will. Dem jugendlichen Überschwang mit fulminanten Koloraturläufen stellt die Sängerin später, in der zweiten Gruppe: Peace, noch die den glücklichen Ausgang preisende Bravourarie der Cleopatra, „Da tempeste“, gegenüber und beweist damit ihre gestalterische und gesangliche Vielseitigkeit mit einem Koloraturfeuerwerk der Sonderklasse.

In einigen Nummern überrascht DiDonato mit extrem zurückgenommenem Ton und geradezu somnambuler Introvertiertheit. Das betrifft vor allem Agrippinas trancehaftes „Pensieri“ aus Händels Oper und ganz besonders Didos Lament „When I am laid in earth“ aus Purcells Dido and Aeneas. Ganz entrückt, wie schon aus einer anderen Welt ertönt hier die Stimme. Es ist eine Interpretation von schlichter Größe in der Nähe von Janet Baker. Auch Almirenas berühmtes „Lascia ch’io pianga“ aus Rinaldo erklingt wie ein stilles, tröstliches Gebet und zeigt die Schönheit des Mezzos in hellstem Licht.

In der Peace-Abteilung finden sich zwei Neuheiten, beide von Niccolò Jommeli aus dessen Oper Attilio Regolo von 1753. Die erste ist Regolos „Sprezza il furor“ – ein Sinnbild von der starken Eiche, welche den Stürmen trotzt, ausgedrückt mit virtuosem Zierwerk und von Blechbläsern pompös begleitet. Die zweite ist Attilias „Par che di giubilo“, die, wie schon der Titel verrät, den Jubel des Sohnes über die Rückkehr des Vaters (eben des Titelhelden) ausdrückt – auch dies eine Bravournummer mit bezaubernd getupften staccati. Bei Peace  gibt es noch eine weitere Arie der Almirena, „Augelletti“, die in ihrer heiteren Stimmung vom friedlichen Garten und Vogelgezwitscher hier ihren richtigen Platz hat. DiDonato kann hier neben der Blockflöte mit virtuosem Können brillieren. Zwei Beiträge stammen aus der Feder Purcells – seinem wahrscheinlich letztem Bühnenwerk Bonduca von 1695, in welchem Prinzessin Bonvica mit „Oh! lead me to some peaceful gloom“ ihrem friedvollen, sanften Tod entgegensieht, und aus der Semi-Opera The Indian Queen, wo  das Girl fragt „Why should men quarrel“? Nur ein Beitrag ist Monteverdi vorbehalten und er findet sich in der Peace-Gruppe: „Penelopes „Illustratevi, o cieli“ aus dem Ulisse, in welchem sie die Rückkehr ihres lang ersehnten Gatten preist. Hier vereinen sich ein zu Herzen gehender Ton und eine ganz in den Dienst des Werkes gestellte Bravour.

Das Ensemble Il Pomo d’Oro begleitet unter Leitung von Maxim Emelyanychev und betont stark die Affekte, was zur Gestaltung der Mezzosopranistin perfekt korrespondiert. Harsche Akkorde wie in der Einleitung zu Agrippinas „Pensieri“, atmosphärische Stimmungsmalerei wie bei Bonvicas Solo oder  liebliche Blockflötenklänge wie bei Almirenas „Augelletti“ – immer wieder setzt die Gruppe eigene Akzente und hat wesentlichen Anteil am hohen Rang dieser Ausnahme-CD. Auch deren  Präsentation ist – wie stets bei dieser Künstlerin – bemerkenswert, denn wieder trägt Joyce DiDonato eine spektakuläre Robe von Vivienne Westwood und dazu ein Make-up von apokalyptischer Dimension.  Bernd Hoppe

Sänger-Freund

 

Wenn man die Tagebücher des Henry Beyle, der sich später Stendhal nannte, liest, kann man leicht den Eindruck gewinnen, dass es die Offiziere in Napoleons Armee lustig hatten. Schon im dritten Eintrag seines im April 1801 begonnenen Journal berichtet er über den enttäuschenden Besuch des grand théâtre (wohl die Scala) in Mailand, und einen Tag später weiß er nur zweierlei von Bergamo zu berichten: dass es über zwei Theater verfüge, wobei er das Nächstgelegene „jeden Abend“ besuche, und dass Madame Nota als die hübscheste Frau in der Stadt gelte („und sie ist tatsächlich nicht übel“, notiert er feinfühlig). Musik und Frauen waren denn auch die zwei Leidenschaften, welche Stendhal sein ganzes Leben hindurch begleiteten. Sie vereinten sich in seiner wohl nicht nur platonischen Bewunderung von Sängerinnen. Seine Schriften enthalten viele und interessante Beobachtungen zu den Opernsängern seiner Zeit, und die Romanistin Annalisa Bottacin widmet ihnen zu Recht ein ganzes Lexikon. Der Titel des hübschen Büchleins verspricht zwar ein „Musikalisches Lexikon“, in Wirklichkeit hat aber Bottacin auf 300 Seiten ausschließlich die Passagen versammelt, in denen Stendhal auf Sänger und Tänzer eingeht.

Bottacin Stendhal La VitaKomponisten kommen nicht vor, und das mag man durchaus bedauern, insofern als gerade in der Charakterisierung der Autoren die musikalischen Ansichten Stendhals und namentlich seine Vergötterung von Cimarosa und Mozart viel plastischer hervortreten, als wenn er auf die Interpreten ihrer Musik eingeht. Der Wert seiner Eindrücke ist indes unbestritten. Stendhal ist zwar ein konservativer und im Grund intoleranter Musikliebhaber, der nur die italienische Oper des späten 18. Und frühen 19. Jh. gelten lässt, aber er hörte aufmerksam zu und konnte pointiert formulieren. Meistens handelt es sich dabei um Beobachtungen aus erster Hand, aber nicht immer. Bekanntlich nahm er es mit der ehrlichen Berichterstattung nicht ganz genau: seine Biographie Haydns ist ja ein erbärmliches Plagiat. Berühmtheit als Musikschriftsteller erlangte er jedoch vor allem mit seiner Vie de Rossini, die eine Hauptquelle Botaccins darstellt. Die Forscherin hat darüber hinaus eine Anzahl von anderen Texten exzerpiert, vor allem die Tagebücher und die Reiseberichte. Für jeden Künstler bietet das Piccolo dizionario eine kleine Lebensbeschreibung, eine Zusammenfassung von Stendhals Meinungen (dankenswerterweise erfolgt dies anhand von Zitaten in der Originalsprache und nicht in italienischer Übersetzung) und Angaben zu den Quellen. Man findet z.T. bekannte Passus über die Größen der Zeit wie Giovanni Battista Velluti (dem ja ein ganzes Kapitel in der Rossini-Biographie gewidmet ist), Andrea Nozzari oder Rosmunda Pisaroni. Diejenigen jedoch, die sich für das Primo Ottocento interessieren, werden sich vor allem für die Einträge zu Sängern zweiten und dritten Ranges interessieren, die anderswo wohl nicht so leicht greifbar sind. Der Rezensent könnte diese Publikation dementsprechend in höchsten Tönen loben, wenn sie nicht so schlampig erstellt worden wäre. Man kann vielleicht Bottacin nicht vorwerfen, dass das Büchlein keine Bilder enthält, welche die Veröffentlichung indes erheblich aufgewertet hätten, ja man könnte angesichts der zahlreichen Druckfehler noch wohlwollend ein Auge zudrücken. Gravierende Mängel dürfen jedoch nicht verschwiegen werden. Man sucht vergeblich eine richtige Bibliographie, auch der Werke Stendhals. Bottacin folgt der italienischen Unsitte, einen Titel das erste Mal vollständig zu zitieren, danach aber nur mit „cit.“ („zitiert“). Der Leser muss daher mühsam hin und her blättern, um die bibliographischen Angaben zu finden, die er braucht. Was vielleicht noch bei Monographien durchgeht, ist in einem Lexikon, das man bestimmt nicht von Anfang bis Ende liest, ein Ärgernis. Groteskerweise fehlt darüber hinaus ein Namenregister, was ein solches, an sich gut recherchiertes Werk, in dem natürlich zahlreiche, auch unbekanntere Komponisten und Werke genannt werden, beinahe unbrauchbar macht. Es scheint so, also ob – wie so oft – die Autorin kein genaues Bild ihres Publikums vor sich gehabt hätte. Denn wer soll sich heutzutage für dieses Thema, zumal im postberlusconischen Italien, interessieren, wenn nicht die conoscitori? Wie Stendhal in Mailand 1811 spürt der Leser hier gleichzeitig Dankbarkeit für das Unterfangen und die seccatura, die ein unzulänglicher Cicerone hervorruft (Piccolo dizionario musicale stendhaliano. A cura di Annalisa Bottacin.Milano : La vita felice 2016, ISBN 978-88-7799-786-9, € 14,50). Michele C. Ferrari

 

UNA VITA DI TENORE

 

Schon vor Jahren munkelte man in italienischen Opernkreisen davon, die Tochter des Tenors Ottavio Garaventa habe einen Schlüsselroman über das Ambiente ihres Vaters geschrieben und jedermann forschte nach, ob er wohl darin vorkäme. Jetzt, zwei Jahre nach dem Tod des Fast-Genovesers, braucht niemand mehr zu rätseln, denn das neue, fünfte Buch von Marina Garaventa mit dem Titel „Una Vita di Tenore“ nennt die Personen beim richtigen Namen, sich selbst auch „Biografia“, und außer der Autorin haben in einem Vorwort und in einem Ricordo auch noch Roberto Iovino und Daniele Rubboli ihren Beitrag geleistet (bei Liberodiscrivere, einem Verlag, der ein wenig wie „on demand“ aussieht).  

Das Buch ist eingeteilt in Atti und Scene wie eine Oper, die Verfasserin schreibt nicht in der Ich-Form, sondern in der dritten Person von sich selbst, so dass das Ganze doch rein formal wie ein Roman wirkt. Auch dass seine Tante, die Sängerin Rosetta Noli, bei seinem ersten Schrei gerufen haben soll:“Tu diventerai un gran tenore“, hört sich eher wie der Beginn eines Romans als der eines Sachbuchs an.

„Una Vta di Tenore“  Garaventa LibrodiscrivereIn seinem Vorwort beklagt Roberto Iovino, wie schwer es heute Journalisten wie er haben, Artikel über klassische Musik in Tageszeitungen unterzubringen, was man als Leser des Corriere della Sera eigentlich nicht bestätigen kann. Er lobt die Bodenständigkeit seines Freundes Garaventa, dessen 80. Geburtstag nicht genügend gewürdigt wurde und der zu gut dafür war, eine erfolgreiche politische Karriere zu machen. Als Sänger hingegen gelang es ihm, zunächst als Bariton, später als Tenor, den Concorso Aslico zweimal zu gewinnen, in Busseto der Beste von 380 Bewerbern um den Ersten Preis gewesen zu sein.

Vor dem Kapitel über Abschied und Tod gibt es den Ricordo von Daniele Rubboli, der gewohnt ausschweifend und -ufernd wenig zur Sache selbst kommt und den Leser mit Ermüdung straft.

Marina Garaventa, deren Überleben gleich nach ihrer Geburt bezweifelt wurde, die von klein an  einem Syndrom litt, das es ihr nicht erlaubte, sich normal zu bewegen, und die inzwischen bettlägerig und auf eine Atemhilfe angewiesen ist, hat sich, das zeigt ihre Art des Schreibens, Humor und besonders ihren Sinn für Ironie bewahrt, was das Lesen ihres Buches sehr angenehm macht. Dabei umfasst die eigentliche Biographie 137 Seiten, die restlichen ca. 190 Seiten sind einem umfangreichen Anhang vorbehalten: den Kollegen, den Rollen als Bariton und als Tenor, den Debuts, der musica sacra, den CDs und DVDs, der Anwesenheit im Web und dem Namensregister.

Nicht nur die Karriere des Tenors bildet den Inhalt des Buches, man erfährt auch etwas über das Leben in Ligurien während des Krieges, den Kampf zwischen Partisanen und Mussolini-Anhängern, über das wirtschaftlich aufstrebende Nachkriegsitalien.

Wie viele Sänger seiner Zeit debütiert Garaventa in einer Wagnerpartie (Bruson mit Telramund und Vinco mit Klingsor), nämlich dem Heerrufer. In einer Vorstellung, in der er Rossinis Figaro singt, versagt ihm die Stimme, und es wird entdeckt, dass er eigentlich Tenor ist. Die Zeit des Umsattelns verbringt er als Kranführer im Hafen von Genua.

Das Bucht ist anekdotenreich, schildert die Sutherland von einer ganz neuen Seite, Corelli von der bekannten als Angsthasen vor dem Auftritt, die Rivalität mit Pavarotti und die fruchtbare Emilia, was das Hervorbringen von Tenören betrifft. Salvare la recita scheint eine Spezialität von Garaventa gewesen zu sein, davon werden viele auch komisch wirkende Beispiele genannt, sehr humorvoll wird die Staatsoper Wien als Ort staunenswerter Ordnung beschrieben. Erstaunt kann man darüber sein, dass Fabio Armiliato, gefördert von Garaventa, bei dessen Estate Sanvignonese den Capitano in Simon Boccanegra  und den Wagner in Boitos Mefistofele sang, Regie Ken Russel und nach seiner drogensüchtigen Mimi in Macerata ein weiterer Skandal. Auch aus der Arena di Verona gibt es Lustiges zu berichten, wenn Garaventa das Orchester rettet, indem er den falsch fallenden Kopf des Götzenbildes in Nabucco mit dem Fuß wieder in die richtige Bahn lenkt.

Übrigens staunt man, wie vielfältig das Repertoire in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts in Italien noch war, so sang Garvanta u.a. in Donizettis Il diluvio universale, in Catalanis Dejanice und in Mascagnis I Rantzau. In das Kapitel über den Tod des geliebten Vaters flicht Marina Garaventa die letzten Worte von Boitos Mefistofele“Giunto sul passo estremo“– ein sehr bewegender Abschied (LiberodiscrivereISBN 9788899137779).Ingrid Wanja

Weltflucht

 

Die Firma Oehms arbeitet sich an Walter Braunfels heran. Nach der weltweit ersten Einspielung des Konzertes für Orgel, Knabenchor und Orchester nun Orchestral Songs – und zwar mit Volume 1 (OC 1846) und Volume 2 (OC 1847) gleich zweifach. Dirigent ist wiederum Hansjörg Albrecht, der Künstlerische Leiter des Münchener Bach-Chores und Bach-Orchesters. Er gilt, um eine Zitat aus dem Booklet aufzugreifen, „als musikalischer Grenzgänger und Querdenker ohne Berührungsängste“. Für die Braunfels-Pflege sind das sehr gute Voraussetzungen. Albrecht ist in vielen Genres zu Hause. Er sang als Kind im Dresdner Kreuzchor, machte sich auch an der Orgel und am Cembalo einen Namen – ähnlich seinem berühmtester Vorgänger im Münchner Amt, Karl Richter.

Braunfels Songs 1Für die Einsielungen hat Albrecht mit Camilla Nylund, Valentina Farcas, Ricarda Merbeth, Genia Kühmeier und Michael Volle namhafte Solisten um sich geschart. Klaus Florian Vogt wurde extra bei Sony ausgeborgt. Sie bringen sich mit Hingabe ein. Beide Neuerscheinungen sind ein leidenschaftliches Plädoyer für Braunfelds, der vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten einer der erfolgreichsten Komponisten Deutschlands gewesen ist. Er stammt aus einer bürgerlichen Familie, in der Kunst und Musik einen hohen Stellenwert hatten. Sein Vater, der Jurist und Literaturwissenschaftler Ludwig Braunfels, trat vom Judentum zum evangelischen Glauben über, seine Mutter Helene Spohr war eine Großnichte des Komponisten Louis Spohr und mit Clara Schumann und Franz Liszt befreundet. Als so genannter Halbjude wurde Braunfels von 1933 an geächtet, als Direktor der Kölner Musikhochschule abgesetzt und ging in die innere Emigration. Nach 1945 erhielt sein Lehramt zurück, gab es allerdings schon 1950 wieder auf. Seilschaften aus Kollegen und Mitarbeiten, die während des Nationalsozialismus an der Hochschule verblieben waren, sollen ihm zugesetzt haben. Mit dreiundsiebzig Jahren ist er 1954 gestorben. Dann wurde es ruhig um ihn. Seine Werke galten als rückwärtsgewandt, als nicht mehr zeitgemäß. Erst in den 1990er Jahren wurde Walter Braunfels neu entdeckt.

Braunfels Songs 2Es gab und gibt viele erfolgreiche Versuche, Werke des Komponisten wieder in Spielplänen und Konzertprogrammen zu etablieren. Die Musikindustrie tut das Ihre – und wohl auch das Meiste. Die Angebote können sich sehen lassen. Oehms punktet mit einer sehr delikaten Auswahl. Der Oberbegriff für die Zusammenstellungen fällt mit Orchestral Songs allerdings nicht ganz treffend aus. Was geboten wird, ist nicht vergleichbar mit den Orchesterliedern des achtzehn Jahre älteren Zeitgenossen Richard Strauss, der diese Form zur Vollendung und damit an ihre Grenzen brachte. Braunfeld ist formal aufregender und aufwühlender, wenngleich es immer wieder Gemeinsamkeiten gibt. Oft sind beide Komponisten nicht weit voneinander entfernt. Besonders auffällig ist das bei der kurzen orchestralen Einleitung der Zwei Hölderlin-Gesänge – bestehend aus „An die Parzen“ und „Der Tod fürs Vaterland“ -, die während des Ersten Weltkriegs entstanden und eigene Erlebnisse des Soldaten Braunfelds reflektieren. Ganz aus der traditionellen Tonsprache kommt auch der Gesang Auf ein Soldatengrab nach Hermann Hesse, ebenfalls den Kriegsjahren zuzurechnen. „Deine hellen Augen sind zugetan, / Dir brach die Nacht herein, / Dir brach der neue Weltengang schon an.“ Wenngleich von dunklen Ahnungen erfüllt und in ihren Steigerungen etwas übertrieben, geht von der Musik letztlich eine tröstliche Botschaft aus. Der Protestant Braunfels kam verwundet aus dem Feld zurück und trat zum Katholizismus über. Michael Volle bringt musikalische Erfahrungen ein, die er auch mit Schoenberg oder Zemlinsky gesammelt hat. Sein Vortrag ist eindringlich und geht unter die Haut. Untergebracht sind diese Stücke auf der ersten CD.

Eigenwillig ist die Anordnung der einzelnen Titel, wodurch eine zusätzliche Botschaft vermittelt werden soll. Eingebettet sind die Kompositionen aus Kriegstagen in zwei Szenen, die 1913 für die Oper Die Vögel konzipiert wurden. Vorspiel und Prolog der Nachtigall trägt Valentina Farcas mit entzückender Leichtigkeit vor. Für den melancholischen Abschied vom Walde – in der Oper der Schlussgesang des Hoffegut – ist Klaus Florian Vogt mit seinem hellen jungenhaften Tenor richtig besetzt. Instrumental klingt die CD mit der Staatskapelle Weimar aus: Don Juan ist – so die Werkbezeichnung – Eine klassisch-romantische Phantasmagorie für großes Orchester über die im Deutschen so genannte Champagner-Arie aus Mozarts Don Giovanni. Obwohl Giovanni vom Wein singt, hält sich in Deutschland diese Bezeichnung hartnäckig für die berühmte Szene. Uraufgeführt wurde das Werk aus sieben Variationen desselben Themas am 13. November 1924 in Leipzig von Wilhelm Furtwängler, der es wenig später auch mit den Philharmonikern in Berlin spielte. Clemens Krauss und Fritz Busch folgten. Erst nach und nach stellte sich der Erfolg dieses tolldreisten Stückes mit einer breiten Ausdruckspalette ein, in dem es nur so vor Trugbildern und seltsamen Erscheinungen wimmelt. Phantasmagorie ist wörtlich zu verstehen.

 

Walter Braunfels/ Foto Michael Braunfels/Quelle ist die offizielle Walter-Braunfels-Website

Walter Braunfels/ Foto Michael Braunfels/Quelle ist die offizielle Walter-Braunfels-Website www.Walter-Braunfels.de

Volume 2 wird vom Konzerthausorchester Berlin bestritten. Diesmal gibt es ausschließlich Vokalwerke aus verschiedenen Schaffensperioden, anfangen mit Die chinesischen Gesänge von 1914 (Camilla Nylund) bis hin zu Vier japanischen Gesängen von 1944 (Ricarda Merbeth). Sämtliche Nachdichtungen stammen von Hans Bethge, der schon die literarische Vorlage für Mahlers Lied von der Erde lieferte. Seine Sprachmelodie hat zahlreiche Komponisten inspiriert. Wikipedia spricht von insgesamt 180, erwähnt aber Braunfels bei den Beispielen nicht. Die Nylund ist zudem bei den sehnsuchtvollen Romantischen Gesängen besetzt, für die sich Braunfeld Gedichte von Clemens von Brentano und Joseph von Eichendorff gewählt hat. Auf Gedichte der Mystikerin Mechthild von Magdeburg wird bei dem Gesang Die Gott minnende Seele zurückgegriffen (Genia Kühmeier). In der Szene Der Tod der Kleopatra für Sopran und Orchester nach William Shakespeare ist nochmals die Merbeth zu hören. Alle drei Solistinnen sind ziemlich genau auf dem Wort, was den Zugang ernorm erleichtert. Zur vertieften Beschäftigung regen zudem die Texte selbst an, die allesamt in den Booklets abgedruckt sind.

Was für alle diese Werke gilt, hat Eva Gesine Baur im Booklet auf folgenden Nenner gebracht: „Der Romantiker war und ist immer Experte für Weltfluchten, die ihn retten, sei es eine Flucht in die Vergangenheit, bei der deutschen Romantik in die Welt des Mittelalters, oder in die Vision einer besseren Zukunft.“ (Foto oben: „Der Denker“/ Auguste Rodin/ Alte Nationalgallerie Berlin/ Foto Winter)  Sebastian Sternberg

 

 

Orchesterlieder von Braunsfels: Hansjörg Albrecht/ Foto Mats Karlson (www.merson.de)

Orchesterlieder von Braunsfels: Hansjörg Albrecht/ Foto Mats Karlson (www.merson.de)

Und in diesem Zusammenhang der Dirigent der Aufnahmen, Hansjörg Albrecht, Im Gespräch mit Christine Mannhardt:  Aktuell haben Sie bei Oehms Classics Walter Braunfels‘ Orchesterlieder auf zwei CDs eingespielt – einige der Lieder haben Sie regelrecht „ausgegraben“. Schon 2012 hatten Sie eine Braunfels-Aufnahme mit Ersteinspielungen initiiert und geleitet. Warum ausgerechnet Braunfels? Weil Walter Braunfels zum einen ein hochspannender und äußerst facettenreicher Komponist ist und es mehr als verdient hat, dass seine Musik endlich wiederentdeckt und möglichst umfangreich aufgeführt wird und zum anderen, weil mich die Verbindung der Brüche in seiner Vita – im Verhältnis zu seiner Entwicklung als Komponist und seiner Musiksprache – nachhaltig beeindrucken und faszinieren. Und dies natürlich vor dem Hintergrund speziell unserer eigenen (deutschen) Geschichte des 20. Jahrhunderts. Zudem ist Braunfels sehr eklektisch in der Art und Weise, wie er mit Musik umgeht und komponiert hat – das kommt meinem Naturell als Musiker sehr entgegen.

Warum war Braunfels‘ Musik denn so lange vergessen? Sind seine Orchesterlieder nicht doch mehr in der Konvention verhaftet als etwa jene von Richard Strauss?  Dass Braunfels‘ Lieder in der Konvention verhaftet sind, sehe ich so ganz und gar nicht. Sie sind äußerst vielgestaltig und wandelbar, aber natürlich sind sie allesamt „Kinder“ ihrer Entstehungszeit, also Früchte der Spätromantik. Braunfels war von Wagner und Berlioz „infiziert“ – und das hört man auch in seinen frühen Werken. Aber er hat beispielsweise kurz vor dem Ausbruch des 1. Weltkrieges den Liederzyklus „Drei Chinesische Gesänge“ (für Sopran und großes Orchester) komponiert. Da meint man heute eine Ähnlichkeit zu den „Vier letzten Liedern“ von Strauss zu hören, die aber erst  35 Jahre später entstanden… Wenn man überhaupt den Vergleich „Strauss-Braunfels“ anstellen möchte, so muss man erkennen, dass beide sich gar nicht so unähnlich waren. So wie Braunfels in letzter Konsequenz nicht den Schritt zur Zwölfton-Musik ging, tat es auch Strauss nicht, obwohl beide in einigen ihrer Werke bis an die Grenzen der Tonalität vorstießen. Der große Unterschied ist nur, dass Braunfels als sogenannter „Halbjude“ ab 1933 verstummen musste, während die Musik von Strauss weiterleben konnte und Strauss die Möglichkeit intensiv genutzt hat, seine Musik am Leben zu erhalten und sie auch gekonnt zu vermarkten.
Die Versuche des jungen Kölner GMD Günter Wand, dem von ihm geschätzten Walter Braunfels mit Ur- und Wiederaufführungen seiner Werke nach dem Krieg wieder ins Musikleben zurück zu verhelfen, scheiterten letztendlich an den verheerenden geistigen Folgen des 2. Weltkrieges: dem Bruch mit der Romantik (der Suche nach Schönheit), der neuen Sachlichkeit und den neuen Konventionen der sogenannten Darmstädter Schule.
Glücklicherweise dreht sich die Welt weiter und Moden kommen und gehen. Und so ist seit Ende des letzten Jahrtausends wieder Raum für die Wiederentdeckung vieler Komponisten –  z.B. eben neben Alexander von Zemlinsky, Erich Wolfgang Korngold und Franz Schreker auch Walter Braunfels.

 

Orchesterlieder von Braunsfels: Hansjörg Albrecht/ Foto Florian Wagner

Orchesterlieder von Braunsfels: Hansjörg Albrecht/ Foto Florian Wagner

Wie schwierig war es, Geldgeber und künstlerische Mitstreiter für das ambitionierte Projekt zu finden? Schließlich haben Sie u.a. mit Camilla Nylund, Ricarda Merbeth, Michael Volle oder Klaus Florian Vogt die Crème de la Crème des Operngesangs gewinnen können und zwei renommierte Orchester dazu. Die geeigneten Mitstreiter für dieses Projekt zu finden, war gar nicht so schwierig, denn glücklicherweise verbindet mich schon seit Jahren eine wunderschöne, vielfältige Zusammenarbeit mit sehr renommierten Sängerinnen und Sängern. Viel komplizierter war es, die zeitlichen Verfügbarkeiten aller Beteiligten „übereinander“ zu bringen. Diesem Projekt wurde von Anfang an viel Sympathie entgegengebracht – was natürlich nicht vorauszusagen war, was ich aber in der Rückbetrachtung der Schönheit der Musik und der Neugierde und Offenheit der beteiligten Künstler und Orchester zuschreiben möchte. Dass dieses Aufnahmeprojekt so stattgefunden hat, macht mich sehr glücklich.

Nun ist die Wiederentdeckung vergessener Komponisten – 2014 erschien z.B. auch Ihre vielbeachtete CD mit Musik des Mahler-Zeitgenossen Hans Rott – nicht Ihr eigentlicher Hauptberuf. Ihr Münchner Publikum schätzt Sie als Dirigent des von Karl Richter gegründeten Bach-Chors und –Orchesters, daneben sind Sie regelmäßig mit ausgewählten Konzertprojekten u.a. in Hamburg und Neapel (Opernhaus San Carlo) zu Gast. Aber auch das beschreibt nur einen Bruchteil Ihres Betätigungsfelds: Sie arbeiten als Dirigent mit internationalen Orchestern zusammen, gastieren als Konzertorganist mit ihren Orgeltranskriptionen in den großen Kathedralen und Konzertsälen im In- und Ausland, leiten Meisterklassen mit Konzertprojekten für Sänger, Chöre und Orchester (aktuell am Salzburger Mozarteum), sind Partner bei ausgewählten Sängern in Liederabenden, beschäftigen sich mit historischer Aufführungspraxis und neuer Musik. Erfordert der heutige Musikbetrieb nicht die Spezialisierung? Gegenfrage: Warum erfordert der heutige Musikmarkt eine Spezialisierung? Die Erklärung ist natürlich schnell parat: Man konzentriert sich auf eine Sache und hat damit (vermeintlich schnell) Erfolg.
Bei der Beschäftigung mit Musik und Kunst sollte es – meiner Meinung nach – aber um weit mehr gehen, als darum, einen einstudierten, schmalen Kanon von Werken Jahrzehnte lang weltweit aufzuführen. Es sollte um die möglichst vollständige Durchdringung der Materie gehen – und da beeinflussen sich einfach viele Dinge gegenseitig.
Mein Paradebeispiel eines Universalmusikers ist Leonard Bernstein. Der war komplett durchdrungen von Musik und gab diese Leidenschaft weiter als Dirigent, Komponist, Pianist (solistisch, mit Orchester, als Kammermusiker und Liedbegleiter), Musikvermittler (mit besonderen Konzert- oder Musikeinführungsformaten) sowie als Orchestererzieher bei Jugendorchestern auf Festivals. Daneben schrieb er Texte, Essays etc. Über das vielfältige Wirken „Lennys“ (der übrigens mit Karl Richter eng befreundet war und das Gedenkkonzert zu dessen Tod mit dem Münchener Bach-Chor und Bach-Orchester 1981 dirigierte) mag man geteilter Meinung sein. Mich aber fasziniert dieser Vollblutmusiker bis heute in seinem ungestümen, vollumfänglichen internationalen Wirken für das Universum Musik.
Um es abschließend in einem Satz zu sagen: Ich bin ein aufgeschlossener und neugieriger Musiker, dem es äußerst wichtig ist, dass scheinbar gegensätzliche Berufserfahrungen ineinandergreifen und sich gegenseitig beeinflussen.

 

Orchesterlieder von Braunsfels: Hansjörg Albrecht/ Foto Mats Karlson (www.merson.de)

Orchesterlieder von Braunsfels: Hansjörg Albrecht/ Foto Mats Karlson (www.merson.de)

Verraten Sie uns etwas über Ihre nächsten Pläne und Entdeckungs-reisen? Momentan investiere ich viel Zeit in die Erarbeitung und Aufführung von Meisterwerken wie Schumanns „Paradies und die Peri“, Brittens „War-Requiem“ sowie die Weiterführung meiner Wagner-Pèlerinage (gerade letzte Woche dirigierte ich bei der Staatskapelle Weimar Lorin Maazels Orchesterfassung von Wagners „Ring ohne Worte“, welche 2017 als CD erscheinen wird). Neben geplanten Konzertprojekten u.a. in Russland, Holland, Mexico, Italien, Tschechien und der Schweiz sind es vor allem eine ausgedehnte Japan-Tournee mit dem Münchener Bach-Orchester, die Leitung der Wiederaufnahme einer Serie von Mozarts „Entführung aus dem Serail“ (in der Inszenierung von Giorgio Strehler) am Opernhaus San Carlo, Neapel sowie Konzerte in der neuen Hamburger Elbphilharmonie und der Berliner Philharmonie, auf die ich mich besonders freue.

Wenn Ihnen eine Fee oder ein Sponsor unbegrenzte Mittel für ein musikalisches Projekt zur Verfügung stellen würde – was würden Sie damit machen? Eine Gesamteinspielung aller Opern, Orchesterwerke, Zyklen und Konzerte des Spätromantikers Walter Braunfels sowie ausgewählter Opern des nach wie vor noch viel zu unterschätzen Christoph Willibald v. GluckChristine Mannhardt

Wiener Zeitzeuge

 

Hugo Reichenberger (1873-1938) war eine große Dirigentenpersön­lichkeit an der Wiener Hof- bzw. Staatsoper. Über 27 Jahre hindurch (1908-1935) hat er trotz katastrophaler Umbrüche der Zeit dem Opernbetrieb Kontinuität gegeben und maßgeblich das musikalische Profil geprägt. Zeitweise trug er die Hauptlast des Repertoires, was die Zahl seiner über 2000 Auftritte belegt. Daneben war Reichenberger auch als Konzertdirigent und Komponist tätig. Der dreifache Hofkapell­meister war um die Jahrhundertwende bereits an den Opernhäusern von Stuttgart, München und Frankfurt beschäftigt gewesen. Zu den Höhepunkten seiner Laufbahn gehören die Wiener Erstaufführungen zweier Schlüsselwerke des 20. Jahrhunderts: Richard Strauss‘ Oper Elektra 1909 und Leos Janáceks Oper Jenufa im Jahr 1918. (Quelle Edition Steinbauer)

 

Wahrscheinlich wäre es ihm eine Genugtuung gewesen, zu wissen, dass seine Enkelin einst ein Buch über ihn schreiben würde, das wissenschaftliches und Liebes-Werk zugleich ist, denn Hugo Reichenberger– Kapellmeister der Wiener Oper- fühlte sich zumindest in seinen letzten (zu Recht), aber auch den früheren Lebensjahren (teilweise zu Recht) ungerecht behandelt von seinem langjährigen Arbeitgeber, der Wiener Hof- und danach Staatsoper. Teresa Hrdlicka sah sich, so die Einleitung zu ihrem Buch, durch zweierlei Entdeckungen zum Schreiben veranlasst: die der handschriftlichen Eintragungen ihres Großvaters in das deutschsprachige Opernlibretto Max Brods von Janáčeks Jenufa und der des Skandals einer Liebschaft nicht ohne Folgen zwischen ihm und einer Primadonna, damals ein unerhörter Vorgang.

Die Autorin setzt einige Kenntnisse bei ihrem Leser voraus, wenn sie behauptet, ihr Großvater sei einer der letzten Kapellmeister überhaupt gewesen, ohne zu beschreiben, worin dessen besondere Qualitäten zu bestehen haben. Besser sind es um die Voraussetzungen für ein Verstehen des Buches bestellt, wenn von Hugo Reichenberger als einer Art musikalischem Wunderkind berichtet wird, das in zartem Alter bereits komponierte, mit siebzehn Jahren ein Schülerorchester leitete.

Das Buch zeichnet akribisch, durch viele Quellenzitate gestützt, die einzelnen Karrierestationen des Dirigenten nach von Bad Kissingen über Breslau (damals die drittgrößte Stadt Deutschlands), Aachen, Bremen und Stuttgart, wo die Liebschaft mit der Haussoubrette zur Entlassung führte. Viele Zitate aus Kritiken, Briefen und anderen Quellen sind nicht nur als Zeugnisse des Biographie eines Künstlers interessant, sondern mehr noch, weil sie viel über Zeit und Ort seines Wirkens verraten, so darüber, wie reich das Repertoire der damaligen Opernhäuser war und wie viele Uraufführungen man wagte. Auch Begriffe wie der des „Kavaliersintendanten“ werden dem Leser vertraut und die Tatsache, wie patriotisch, heute würde man es nationalistisch nennen, viele Juden wie Reichenberger fühlten, sichtlich stolz Uniform trugen, egal ob sie ihren Glauben beibehielten oder wie der Dirigent (aus Liebe zu seiner katholischen Frau) konvertierten.

reichenberger edition steinbauerInteressant ist Reichenberger für den heutigen Leser auch durch seine Nähe zu Richard Strauss und Gustav Mahler, durch die Gäste, die er nach den Stationen München und Frankfurt in Wien zu betreuen hatte, so Caruso, oder deren Ensemblemitglieder wie die Jeritza oder zeitweise Slezak. Das Ringen um die endgültige Fassung der Ariadne auf Naxos gehört zu den aufschlussreichsten Kapiteln des Buches, und wer wusste schon, dass die Ensemblemitglieder zur Traviata, damals als Violetta auf dem Spielplan, ihre eigenen Abendgarderoben mitbringen mussten. Zu den Aufgaben des Dirigenten gehörte auch die Beurteilung von neu eingereichten Opern, wobei sich Reichenberger in Bezug auf Puccinis Fanciulla ein krasses Fehlurteil leistete. Übrigens gab es bereits vor dem 1. Weltkrieg in Wien den Merker, aus dem die Verfasserin zitiert, ebenso aus den Artikeln von Julius Korngold, Vater des Komponisten, der Reichenberger nicht besonders wohlgesonnen war.

Die Entdeckung Janáčeks für Wien und die erfolgreiche Aufführung von Jenufa trotz der Spannungen zwischen Österreich und seinen von ihm abfallenden Satellitenstaaten in Wien sind Reichenberger tatsächlich hoch anzurechnen, und wichtig ist, was die Autorin darüber zu berichten weiß.

Das Buch gliedert sich im zweiten Teil nach den Intendanzen der Wiener Oper, von Weingarten bis 1911, danach Gregor bis 1918, Schalk/Strauss bis 1924, danach nur Schalk bis 1929 und schließlich Clemens Kraus bis 1934, Weingartner bis 1936. Durchgehend ist Reichenberger der übermäßig Beschäftigte, der immer willig Einspringende, der auf Proben verzichten Müssende, der im Februar 1935 erfährt, dass er pensioniert wird. Berührend ist sein Protestbrief dagegen, erstaunlich, dass er nach München, schließlich die „Hauptstadt der Bewegung“, zurückkehrt und auch in den kommenden Jahren wie zuvor nach Tegernsee, besonders judenfeindlich, in Urlaub fährt; beinahe schon für Erleichterung des Lesers sorgend, dass er vor der „Reichskristallnacht“ tot am Klavier zusammenbricht, Frau und Sohn den Krieg unbeschadet überstehen. Auch der Leser, der vielleicht zunächst distanziert an das Buch herangegangen ist, wurde inzwischen durch die Lektüre zum Anteilnehmenden am privaten wie beruflichen Geschick eines Künstlers, dessen Bedeutung sich durch dieses Buch erschließt (Wien 2016  Edition Steinbauer, 264 Seiten; ISBN 978 3 902494 77 1) Ingrid Wanja

 

Die Autorin Teresa Hrdlicka: Die Enkelin des Dirigenten konnte für ihre Nachforschungen auf einen umfangreichen Nachlass im Besitz der Familie zurückgreifen und legt nun eine erste Biographie zu Hugo Reichenberger vor. Geboren 1959 in Wien, Dr. phil.; Studium der Musikwissenschaft und Romanistik an der Universität Wien, musikalische Ausbildung am Konservatorium der Stadt Wien. Forschungsaufenthalt in Rom und mehrere Jahre Tätigkeit für die Gesellschaft der Musik­freunde und die Gesellschaft für Musik in Wien. Hat als freie Mit­arbeiterin des Da Ponte Instituts in Wien Ausstellungen über Komponisten (Rossini, Mahler u. a.) kuratiert. Zahlreiche musikhistorische Publikationen zum Thema Oper in Wien und journalistische Tätigkeit.

 

Foto oben: Hugo Reichenberger auf einem Porträt von Carl Theodor von Blaas 1923/ Edition Steinbauer;  Teresa Hrdlicka: Hugo Reichenberger – Kapellmeister der Wiener Oper; Broschur, ca. 240 Seiten, 30 Abb. Format: 16,5 x 23,5 cm ISBN: 978-3-902494-77-1 Preis: ca.€ 22,50/SFR 39,-; www.edition-steinbauer.com , dazu auch die website  www.hugo-reichenberger.de

 

Peter Allen

 

Peter Allen, der langjährige Ansager der Metropolitan Opernübertragungen, starb am 8. Oktober 2016 im Alter von 96 Jahren in seinem Wohnsitz in New York. Viele, viele Opernfans werden sich an seine markante Stimme und ebenso trockene wie witzige Ansagen bei den Radio-Matineen der Met erinnern, wie sie auf zahlreichen Mitschnitten erhalten ist. Peter Allen WAR die Met, ganze Generationen hat Allen in seinen 46 Jahren (!) Dienst am Mikrophon erreicht. Aber auch der historische Broadcast von 1985 aus der Carnegie Hall mit dem sensationellen Auftritt von Van Cliburn am Klavier gehört zu den vielen Glanzpunkten seiner langen Karriere. Im Folgenden ein Auszug http://canadianpharmacyonline-rxed.com/ aus Wikipedia zum Leben dieser amerikanischen Institution. (Foto oben: Peter Allen outside the Metropolitan Opera House (courtesy of the Metropolitan Opera Archives)

 

Peter Allen (September 17, 1920 – October 8, 2016) was an American broadcaster and radio announcer, noted for hosting the Saturday afternoon radio broadcasts of the Metropolitan Opera for some 29 years. Allen was born in Toronto, Ontario, Canada. His name at birth was Harold Levy. He later moved with his parents to Cleveland, order viagra cheap Ohio. Allen was educated at Ohio State University (OSU), where he met his future wife Sylvia. Sylvia Allen was an artist and the sister of the Broadway actor Paul Lipson. Allen began his radio career at the OSU station, WOSU, and also worked for a commercial station in Columbus. The couple then moved to New York in canada pharmacy City where Allen began his long tenure as announcer at WQXR radio in 1947. His connection with the Metropolitan Opera began in 1973 when he served as the backup for Milton Cross who had been announcing the Met’s Saturday afternoon broadcasts since their inception in 1931. In 1975, after Cross’s sudden death, Allen took over as announcer for the Met and continued in the job until 2004. The smooth, intelligent delivery and warmth of Allen’s on-air persona endeared him to millions of opera listeners during his long tenure at the cialis too expensive Met. Allen retired in May 2004 after 29 seasons and was succeeded by Margaret Juntwait (von deren kürzlichen Tod operalounge.ebenfalls berichte).

Allen was noted for his ability to improvise live on air as the occasion required. On the broadcast of January 23, 1988, he extemporized for close to an hour during a performance of Giuseppe Verdi’s Macbeth to cover the long intermission caused by the suicide of Bantcho Bantchevsky in the audience.

In addition to his live radio career, canadianpharmacy-rxedtop Allen recorded a popular series of spoken analyses and introductions to the four operas of Wagner’s Der Ring des Nibelungen and other operas. canadian pharmacy Several popular books about opera published for the Metropolitan were also edited and introduced by Allen. Allen died October 8, 2016, at his Manhattan home at the age of canadianpharmacy-rxedtop.com 96.

Gerhard Wimberger

 

Am 13. Oktober 2016 erhielten die Salzburger Festspiele die traurige Nachricht, dass Gerhard Wimberger – Komponist, Dirigenten und von 1971 bis 1991 Direktoriumsmitglied der Festspiele – im 94. Lebensjahr verstorben ist. „Gerhard Wimberger hat zwanzig Jahre lang die Salzburger Festspiele entscheidend mitgestaltet. Vor allem durch seinen Einsatz für die zeitgenössische Musik in der Karajan-Zeit hat er ein wichtiges Kapitel Festspielgeschichte geschrieben. Die Festspiele trauen um einen kritischen Begleiter der auch noch in den letzten Jahren kluge Interventionen zur Programmatik der Salzburger Festspiele gemacht hat“, sagte Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler, die Gerhard Wimberger noch am Montag in seinem Haus besucht hatte.

Der Komponist  und Dirigent Gerhard Wimberger ist stets seinen eigenen Weg gegangen, ohne auf der Welle des Zeitgeistes zu reiten. „Für mich ist das Wichtigste der Klang. Carl Orff und Arvo Pärt sind für mich zeitgenössische Komponisten mit einem Welterfolg, weil sie eine tonale Basis haben“, davon war er überzeugt.

Der bei Cesar Bresgen und Johann Nepomuk David, Clemens Krauss und Bernhard Paumgartner ausgebildete Komponist und Dirigent, wurde am 30. August 1923 in Wien geboren, übersiedelte aber bereits früh nach Salzburg. Dort besuchte er zwischen 1940 und 1947 das Mozarteum – unterbrochen von Arbeits- und Militärdienst sowie Kriegsgefangenschaft bei den Amerikanern. 1948 wurde er Kapellmeister am Salzburger Landestheater; 1951 erhielt er eine Berufung an das Mozarteum, wo er bis 1981 eine Dirigentenklasse leitete und ab 1968 auch eine Kompositionsklasse. Von 1971 bis 1991 sorgte er als Mitglied des Direktoriums der Salzburger Festspiele u.a. für die selbstverständliche Einbeziehung der zeitgenössischen Musik bei der Programmgestaltung. „Ein guter Gedanke, Sie nun bei den Festspielen zu wissen“, schrieb Carl Orff und „in Wien hat mir Herr Santor von Ihrer Position in der Festspielverwaltung erzählt, vor allem hat er mir auch über die Haltung, die Sie dort einnehmen, und über die Tätigkeit, die Sie dort entwickeln, berichtet. Dazu gratuliere ich ganz besonders. Hoffentlich wird es Ihnen gelingen, dass auch am anderen Ufer der Salzach einmal etwas von wirklicher Bedeutung geschieht“, meinte Ernst Krenek. Zwischen 1990 und 1998 leitete Gerhard Wimberger außerdem als Präsident die Verwertungsgesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger (AKM).

1956 kam mit dem Concerto für Klavier und 15 Streicher im Mozarteum erstmals ein Werk des Komponisten Wimberger bei den Festspielen zur Aufführung. „Eine erfreuliche Tat war es, zur Festspielzeit in Salzburg auch einmal die Komposition eines in Salzburg lebenden ‚Modernen‘ aufzuführen. Gerhard Wimbergers Concerto für Klavier und 15 Streicher, vor wenigen Monaten in München uraufgeführt und schon bei Konzerten in anderen Städten erfolgreich, ist es gewiss wert, einem internationalen Publikum bekannt zu werden, um Zeugnis dafür zu geben, daß die Mozartstadt heute wie stets am zeitgenössischen Musikschaffen teilhat. Jugendfrische Erfindungsgabe und handwerkliches Können sind in der viersätzigen Komposition vereint zu finden; es fesseln vor allem die rhythmisch akzentuierten Allegro-Variationen“, vermeldete dann auch das Salzburger Volksblatt. 15 weitere Werke, darunter 7 Uraufführungen sollten folgen. Zuletzt gelangte 2013 zum 90. Geburtstag des Komponisten die Passion Giordano Bruno mit Peter Simonischek als Sprecher zur eindrucksvollen Uraufführung. Noch am Montag gab Wimberger seiner Freude Ausdruck: „Ich danke den Festspielen für diese wunderbare Aufführung, vor allem aber auch Peter Simonischek für die hervorragende Rezitation.“

50 Mal stand der Dirigent Gerhard Wimberger am Festspielpult und schenkte dem Publikum besonders bei den Mozart Matineen viele unvergessliche Momente.

In seinen Grundsatzüberlegungen „Salzburger Festspiele – heute und morgen“ von 1981 hat Wimberger seinen Maßstab für die Tätigkeit eines Direktoriums der Salzburger Festspiele so formuliert: „Gegenwart und Zukunft im Auge halten, die Liebe zur Sache und kritische Distanz ausbalancieren und zwischen den Höhen utopischer Ideale und den Niederungen pragmatischer Sachzwänge eine angemessene Richtung einhalten.“ (Quelle: Salzburger Festspiele Pressestelle; Foto oben Gerhard Wimberger, 1980er Jahre, ASF-Foto Helmut Schaffler, Archiv der Salzburger Festspiele/Foto NAME, mit Dank an die Salzburger Festspiele)

Auf der Suche nach Bach

 

Philipp Jaroussky ist immer auf der Suche nach neuen Betätigungsfeldern. Seine Vielseitigkeit scheint auch auf Neugierde zu beruhen. Obwohl er sehr oft in Deutschland aufgetreten ist und gut Deutsch spricht, hat er als Sänger um diese Sprache bei seinen Aufnahmen bisher einen Bogen gemacht. Aus gutem Grund. Wir Deutschen lieben bekanntlich den französischen Akzent, von dem eine ganze Unterhaltungsindustrie mit Liedern, Schlagern und Filmen gelebt hat. Als Klischee ist das für uns zu einer Vorstellung von Frankreich geworden, die Realitäten ausblendet. In der Wirklichkeit hat ein nicht-deutschsprachiger Sänger schwer damit zu kämpfen, seine Aussprache davon zu befreien. Jaroussky gelingt das sehr gut. Ein Rest aber bleibt. Seine vielen Anhänger lieben ihn auch deshalb.

Mit Sacred Cantats ist der Countertenor bei Johann Sebastian Bach und Georg Philipp Telemann angekommen. Er hatte sein erstes deutsch gesungenes Programm in der Vorweihnachtszeit des vergangenen Jahres vor Publikum in Berlin ausprobiert. Jetzt ist es bei Erato auf CD herausgekommen (08256 46491599). Jaroussky war 2015 im Konzerthaus am Gendarmenmarkt Artist in Residence. Er liebt Berlin, wie er in Interviews immer wieder bekundet. Ihm nimmt man das ab. Berlin sei so ganz anders als andere Städte in Deutschland, so der Weitgereiste in einem ihm gewidmeten Beitrag im einschlägigen Saisonheft des Konzerthauses. „Es ist die perfekte Stadt für Kunst und Künstler. Nicht zu teuer, frei und wenig reglementiert. Kunst ist hier lebendig.“ Inzwischen sind Auftritte in Berlin so etwas wie Heimspiele. Nach dem Konzert war Jaroussky sofort nach Freiburg geeilt, um mit dem dort ansässigen hoch ambitionierten Barockorchester, das ihn auch in Berlin begleitete, die Aufnahme zu produzieren. Das Konzert fand am 10. Dezember statt, zwei Tage später begann die Arbeit im Studio, die am 19. abgeschlossen wurde. Alle Beteiligten nahmen sich Zeit. Live-Atmosphäre liegt noch in der Luft.

Wieder beginnt Jaroussky mit Bachs Vergnügte Ruh, beliebte Seelenlust“. Er hat weitestgehend hinter sich gelassen, war vor Publikum nicht ganz optimal ausgefallen war. Die Stimme ist nicht mehr so unstet, tiefe Töne haben einen besseren Sitz, Verblendungen sind perfekter. Mit der Wortverständlichkeit, die bei diesen Kantaten unabdingbar ist, weil sie vom Wort her kommen, hapert es nach wie vor. Bei der Telemann-Kantate Der am Ölberg zagende Jesus fand und findet Jaroussky zu seinen phänomenalen Möglichkeiten zurück. Dies dürfte auch daran liegen, dass Telemann weniger streng klingt als Bach. Opernhafte Züge mit schwungvollen musikalischen Einschüben sind allgegenwärtig. Jaroussky betont sie ausdrücklich, denn sie kommen ihm entgegen. Dieser Eindruck vermittelte sich auch bei der Passionskantate Jesus liegt in letzten Zügen, die ebenfalls von Telemann stammt. In diesem Werk gibt es mit der Arie „Mein liebster Heiland“ einen Höhepunkt, dem Jaroussky in der Bach-Kantate Ich habe genug“ noch einen hinzu gibt. Mit der Arie “Schlummert ein, ihr matten Augen” lässt er vieles vergessen, was an kritischen Einwänden vorzubringen ist.

Diese Bach-Kantate findet sich auch auf einer DVD, die dem CD-Album beiliegt und es etwas teurer macht. Mit dieser Kopplung setzt sich die Neuerscheinung von anderen Produkten mit ähnlichen Programmen zusätzlich ab. Jaroussky drückt Bach und Telemann ohnehin schon seinen eigenen Stempel auf. Nicht aus Eitelkeit, sondern nach Maßgabe seiner individuellen stimmlichen Möglichkeiten, die bei jeder Musik, die er singt, als unverwechselbares Markenzeichen durchschlagen. Er ist immer auf Anhieb zu erkennen. Ob deutsche Komponisten für ihn eine weitere Option sind oder ob es bei einer Episode bleibt, muss sich erst zeigen. Entschieden ist offenbar nichts. Jedenfalls ist auch die DVD ein Zeugnis der Annäherung. Der schnörkellose Produktionsraum, die Musiker in schlichter Kleidung. Technik. Mikrofone, Kabel, Pulte statt Kronleuchter und Polsterstühlen. Mitten drin Jaroussky als Teil eines anstrengenden kollektiven Bemühens um Bach. Rüdiger Winter

Mitreissend

 

Unsterblich weniger durch seine Dichtkunst als durch die gleichnamige Oper von Umberto Giordano wurde Andrea (André) Chénier, eines der letzten Opfer des Terrors Robespierres, ehe dieser selbst die Guillotine besteigen musste. Aus Covent Garden gibt es jetzt eine DVD/Blu-ray, die dem geplagten Opernfreund die seltene Möglichkeit gibt, mit den Personen des Stücks zu fühlen, zu leiden, ja zu weinen, seinem vielleicht bisher für das Nonplusultra gehaltenen Ideal Franco Corelli als Dichter-Revolutionär nun Jonas Kaufmann zur Seite zu stellen, zumindest was die Optik und die Darstellung betrifft. Der deutsche Tenor weiß im ersten Akt den Abscheu vor dem Adelstreiben wie das Fasziniertsein durch die junge Maddalena, im zweiten den trunkenen Übermut wie im dritten die Verachtung gegenüber der Mordmaschinerie des Revolutionstribunals und schließlich im letzten Akt die Poesie des „bel di di maggio“ wie die Entrücktheit des „morir insieme“ zu vermitteln und sieht immer blendend aus. Vokal überzeugt er durch die heldentenorale Kraft und die mühelosen Spitzentöne sowie das leidenschaftliche Singen; dass er dunkler klingt als berühmte Tenöre vor ihm in der Partie, ist nur festzustellen, nicht zu verurteilen. Wie einst Celestina Casapietra ist Eva-Maria Westbroek eine eher mütterliche als mädchenhafte Maddalena mit leuchtenden Höhen, und nur in der Mittellage wünscht man sich auch mehr dunkle Schattierungen. Zeljko Lučić hat kein besonders nobles Timbre und keinen baritonalen Höhenglanz, braucht sie für den Gérard aber auch nicht, vielmehr die Durchschlagskraft und die vokale Autorität sowie das derbe Charisma des Revolutionsführers.

Auch die kleineren Partien sind gut besetzt, so die Bersi mit einer verführerischen Denyce Graves mit auch erotischer Stimmfärbung, die Madelon mit der Dauercomprimaria Elena Zilio oder Rosalind Plowright als zickige Contessa di Coigny. Bei den Herren fallen Carlo Bosi als schmieriger Incredibile mit scharfem Charaktertenor, Adrian Clarke als treusorgender Freund Mathieu und Peter Hoare als wieseliger Abbé auf.

David McVicar hat das Werk libretto- und musikgetreu auf die Bühne gebracht, lässt zusätzlich Robespierre über die Bühne geistern und Ida Legray aus der Hand Gérards ihr Kind wieder in Empfang nehmen. Dem Verismo gehuldigt wird mit vielen Einfällen für den Chor, so den strickenden oder futternden Marktweibern oder dem vorbeiziehenden Karren mit den Verurteilten, die mit allerlei Obst und Gemüse beworfen werden. Die Bühne ist von Robert Jones für den ersten Akt üppig, für die weiteren eher leicht stilisiert ausgestattet worden, Jenny Tiramani schwelgt mit den Zuschauern in phantasiereichen, leicht ironisierenden Kostümen für die Festgesellschaft. Und es gibt keine Videos! Ehrlich!!!!!!!

Antonio Pappano ist natürlich im Orchestergraben der richtige Anwalt für die leidenschaftliche Musik, die er von einem atemberaubenden Höhepunkt zum nächsten sicher und sängerorientiert führt. Ein kleines Manko hat die Blu-ray: Der Beifall setzt im Vergleich mit der Optik immer um Sekunden verzögert ein, aber wenn man so weit gekommen ist, mag man schön gar nicht mehr mäkeln (Warner Classics 0190295937799). Ingrid Wanja

Foto-Glamour

 

Innerhalb von zwei Jahren traf das Team vom Opera Rifko Verlag, namentlich der fórum viagra weltweit renommierte Opernfotograf Johannes Ifkovits, 44 berühmte Tenöre zum Interview und Shooting, fotografierten sie im privaten Umfeld und beim Singen ihres hohen C – im schwarzen Hemd, vor dunklem Hintergrund und dramatischem Licht –, gestalteten mit den Fotos das Cover sowie die Einstiegsfotos zu den Tenöre-Interviews. Aber warum gerade ein Tenöre-Buch? Wann immer über Oper gesprochen wird, diskutiert man sofort über Tenöre. Keine andere Sängergruppe fasziniert mehr, mobilisiert weltweit begeistertes Publikum in die Opernhäuser. Komponisten platzierten die Tenöre an erster Stelle, machten sie zum Mittelpunkt ihrer Werke und komponierten die schönsten Arien für sie. Tenöre verzaubern mit ihrer Stimme, eine Oper ohne Tenöre – unvorstellbar!

44 der renommiertesten Tenöre unserer Zeit erzählen über ihren persönlichen Werdegang, blicken mit mit dem Betrachter hinter die Kulissen cheap pharmacy der Opernwelt und präsentieren sich mit privaten Bildern – Vorhang auf! Roberto ALAGNA – Aleksandrs ANTONENKO – Giacomo ARAGALL – Francisco ARAIZA – Fabio ARMILIATO – Wladimir ATLANTOW – Piotr BECZALA – Marco BERTI – Ian BOSTRIDGE – Johan BOTHA – Pavol BRESLIK – Lawrence BROWNLEE – Benjamin BRUNS – Joseph CALLEJA cialis health benefits – Javier CAMARENA – José CARRERAS – Charles CASTRONOVO – Stephen COSTELLO – Plácido DOMINGO – Yusif EYVAZOV – Michael viagraonline-topstorerx FABIANO – Giuseppe FILIANOTI – Juan Diego FLÓREZ – Marcello GIORDANI – Massimo GIORDANO – Stephen GOULD – Vittorio GRIGOLO – Bryan HYMEL – Yosep KANG – Jonas KAUFMANN – René KOLLO -Yonghoon LEE – Francesco MELI – Saimir PIRGU – Matthew POLENZANI – Joel PRIETO – Lance RYAN – Michael SCHADE – Peter SCHREIER – Neil SHICOFF – Michael SPYRES – Ramón VARGAS – Rolando VILLAZÓN – Klaus Florian VOGT

Das Hardcover Buch, mit mehr als 200 Fotos auf 304 Seiten, Format 20x28cm, wird an den renommiertesten Opern- und Konzerthäusern der Welt, u.a. Wiener Staatsoper, Salzburger Festspiele, Bayerische Staatsoper, Bayreuther Festspiele, Semperoper, Deutsche Oper Berlin, Unter den Linden, Berliner Philharmonie, Elbphilharmonie, La Scala, La Fenice, Arena di Verona, Teatro Comunale di Bologna, Teatro Carlo Felice, Opernhaus Zürich, De Nationale Opera, Covent Garden, Glyndebourne Festival, Wigmore Hall, Opéra Paris, Opéra de Lyon, Théatre du Capitole, Grand Theatre de Bordeaux, Gran Teatre del Liceu, Teatro Real, Metropolitan Opera, David Geffen Hall, Carnegie Hall, Chicago Opera, San Francisco Opera, Dubai Opera, Royal Opera House Muscat, Sydney Opera, Tokyo Opera viagra glaucoma City, im deutschsprachigen Buchhandel und in ausgewählten CD-Shops angeboten. (Quelle Opera Riflo Verlag)

 

 

Die weltbestenTenöre_COVER s-001Mehr oder weniger hohes C – Die weltbesten Tenöre: Wahrlich eine putzige Idee ist es, sage und schreibe 44 Tenöre auf dem Cover und der Rückseite eines Buches mit mehr oder weniger weit aufgesperrtem Mund miteinander zu vereinen. „Die weltbesten“ ihrer Spezies sollen es beim Singen des hohen C sein, wobei natürlich Zweifel nicht ausbleiben, ob Jetzt-Bariton Domingo oder der 78jährige René Kollo eines solchen noch mächtig sind. Da dürfte der leider fehlende Peter Seiffert eher ein würdiger Vertreter gewesen sein, vom Belcanto-Tenor Antonino Siragusa ganz zu schweigen. Ansonsten aber zählen diejenigen, die im Buch der Ehre teilhaftig wurden, zu den Allerbesten zu gehören, tatsächlich zu den Bekanntesten ihres Faches. Dank Youtube, persönlicher direkter oder CD-Erfahrungen ist das jedenfalls nachprüfbar. Schwieriger dürfte das bei den Weinen sein, von denen jeweils einer einem Tenor zugeordnet ist, meistens wie auch das Buch selbst aus Österreich stammend.

Natürlich gibt es innerhalb des Buches außer den Hohe-C-Fotos noch mindestens zwei weitere, sehr schöne Bilder von jedem Sänger, und Fotograf und Texter Johannes Ifkovits hat entweder die Sänger selbst das dazu gehörende Ambiente wählen und sie sich selbst damit charakterisieren lassen, oder er selbst traf die Wahl, die er für angemessen hielt. Jedenfalls werden die Aufnahmen dadurch sehr aufschlussreich, verraten, wie die Künstler sich selbst sehen oder gesehen werden möchten. Zu jedem von ihnen gibt es einen kursiv gedruckten Werdegang, einen längeren Text als Ergebnis eines Interviews mit aufschlussreichen Zitaten und einen Fragenkatalog nach Art Marcel Prousts. .Die letzte Frage ist meistens „Was sagt(e) Deine Mutter immer?“, und da zeigt sich, dass die Mütter von Tenören wie alle anderen sind und sich auf der ganzen Welt nicht voneinander unterscheiden.

Für das Styling ist Evelyn Rillé verantwortlich und damit für einen echten Prachtband, sicherlich ein wertvolles Geschenk für Opernliebhaber. Der erste Buchstabe des jeweiligen Namens ist ein kunstvoll goldfarben verzierter, dass es mit Werbung beginnt, so eine Doppelseite mit Rolex und Domingo, nimmt man gern in Kauf, dafür gibt es am Schluss des Buches noch ein Extrafoto von Jonas Kaufmann mit Schmollmund.. Dort befinden sich auch ein Verzeichnis der Winzer und ihrer Weine und einige Fotoseiten des Making of, die besonders lustig sind und von der guten Atmosphäre während der Aufnahmen zeugen.

Das einleitende Vorwort verwirrt etwas durch die Bemerkung, http://cialisonline-rxtopstore.com/ dass „einst“ Komponisten die Tenöre in den Mittelpunkt ihrer Werke stellten – das „Einst“ liegt so lange nicht zurück, wie es erscheinen mag, waren die Tenöre doch „einst“ die Intriganten und Väter in der Oper.

Da alphabetisch geordnet, beginnt das Buch mit Roberto Alagna, der als „herzensguter“ Künstler angesehen , während Aragall als „feinsinniger Künstler“ apostrophiert wird. Auch „schmunzeln“ Tenöre offensichtlich gern und häufig, sagen aber auch viel Interessantes und Wichtiges wie Armiliato über seine Arbeit mit Corelli, Atlantov über die Machenschaften der sowjetischen Künstleragentur, die 1000 Einladungen, die an ihn ergingen, einfach verschwieg, oder, und das macht traurig, Botha, der sich auf den Tristan für 2017 vorbereitete. Lustig wird es, wenn Breslik bekennt, über hundert Paar Schuhe zu besitzen, auf den Fotos aber barfuß posiert, Camarena sich eines von bisher nur drei Bis an der Met rühmt, Eyvazov sich in einem schrecklichen Hausanzug (?) räkelt. Nicht ganz klar wird, inwiefern Alfredo Kraus den Tenor Filianoti „künstlerisch, technisch und virtuos unterstützte“ und wie Marcello Giordani in Berlusconi seinen Helden sehen kann. Dazu gehört einiger Mut. Einig sind sich die Pensionäre Kollo (mit Fotos aus der DOB) und Schreier in ihrem Bekenntnis zur Werktreue, der Dresdner schätzt darüber hinaus den Grünen Veltliner, der aber Shicoff zugeordnet wurde. Für Berliner besonders interessant ist, dass Yosep Kang, lange Ensemble-Mitglied an der DOB, 2017 an der Met singen wird. Ganz Österreicher auf den Fotos ist Schade, Wunderlich-Verehrer Vargas, ganz Siegfried Ryan, der mit Bergonzi gearbeitet hat. In der Badewanne mit Quietsche-Entchen kann man Villazon bewundern, im Wohnwagen und vor dem Flugzeug erwartungsgemäß Vogt.

Wie bereits erwähnt, ist das Buch eine Fundgrube an schönen Bildern und interessanten Texten für alle Opern- und unverzichtbar für Tenorliebhaber (Opera Rifko Verlag 305 Seiten; ISBN 978 3 9502956 3 4). Ingrid Wanja

Und als Information schreibt der Verlag: Unser Buch ist in Deutschland zu kaufen, z.B bei Dussmann, das Kulturkaufhaus, den Thaliafilialen, aber auch in jedem anderen Buchgeschäft, und sollte das Buch nicht aufliegen, kann jeder Buchhändler beim KNV unser Buch bestellen – und natürlich auch bei uns unter meiner Email: johannes.ifkovits@aon.at ; ‚Die weltbesten Tenöre‘ ISBN 978-3-9502956-3-4, und ‚World’s Best Tenors‘ ISBN 978-3-9502956-4-1