Raserei und Sanftmut

 

Einen besonderen Titel hat Joyce DiDonato für ihre neue CD bei Erato (0190295928469) gewählt, der neugierig macht auf das Programm: In War and Peace / Harmony through Music. Diesem Motto entsprechend fasst sie in zwei Abteilungen 15 Arien zusammen, unterteilt sie je nach ihrem Charakter und Inhalt in die beiden Gruppen, beginnend mit dem War. Kompositionen von Händel, Leo und Purcell sind zu hören, darunter eine Weltersteinspielung, was stets das besondere Interesse der  Sammler weckt. Es ist Andromacas „Prendi quel ferro“ aus der gleichnamigen Oper von Leonardo Leo, welches die Mezzosopranistin mit enormer Vehemenz und Attacke herausschleudert, schildert es doch den aufgewühlten Gemütszustand einer um das Leben ihres Sohnes bangenden Mutter. Diese Ausnahmesituation darzustellen, gelingt der Sängerin in überwältigender Manier und sie riskiert dabei in der exponierten Lage auch manch gestressten Ton, was hier als Ausdrucksmittel dient. Ähnlich furios ist Sestos „Svegliatevi nel core“ aus Handels Giulio Cesare, in welchem der Sohn den Mord an seinem Vater rächen will. Dem jugendlichen Überschwang mit fulminanten Koloraturläufen stellt die Sängerin später, in der zweiten Gruppe: Peace, noch die den glücklichen Ausgang preisende Bravourarie der Cleopatra, „Da tempeste“, gegenüber und beweist damit ihre gestalterische und gesangliche Vielseitigkeit mit einem Koloraturfeuerwerk der Sonderklasse.

In einigen Nummern überrascht DiDonato mit extrem zurückgenommenem Ton und geradezu somnambuler Introvertiertheit. Das betrifft vor allem Agrippinas trancehaftes „Pensieri“ aus Händels Oper und ganz besonders Didos Lament „When I am laid in earth“ aus Purcells Dido and Aeneas. Ganz entrückt, wie schon aus einer anderen Welt ertönt hier die Stimme. Es ist eine Interpretation von schlichter Größe in der Nähe von Janet Baker. Auch Almirenas berühmtes „Lascia ch’io pianga“ aus Rinaldo erklingt wie ein stilles, tröstliches Gebet und zeigt die Schönheit des Mezzos in hellstem Licht.

In der Peace-Abteilung finden sich zwei Neuheiten, beide von Niccolò Jommeli aus dessen Oper Attilio Regolo von 1753. Die erste ist Regolos „Sprezza il furor“ – ein Sinnbild von der starken Eiche, welche den Stürmen trotzt, ausgedrückt mit virtuosem Zierwerk und von Blechbläsern pompös begleitet. Die zweite ist Attilias „Par che di giubilo“, die, wie schon der Titel verrät, den Jubel des Sohnes über die Rückkehr des Vaters (eben des Titelhelden) ausdrückt – auch dies eine Bravournummer mit bezaubernd getupften staccati. Bei Peace  gibt es noch eine weitere Arie der Almirena, „Augelletti“, die in ihrer heiteren Stimmung vom friedlichen Garten und Vogelgezwitscher hier ihren richtigen Platz hat. DiDonato kann hier neben der Blockflöte mit virtuosem Können brillieren. Zwei Beiträge stammen aus der Feder Purcells – seinem wahrscheinlich letztem Bühnenwerk Bonduca von 1695, in welchem Prinzessin Bonvica mit „Oh! lead me to some peaceful gloom“ ihrem friedvollen, sanften Tod entgegensieht, und aus der Semi-Opera The Indian Queen, wo  das Girl fragt „Why should men quarrel“? Nur ein Beitrag ist Monteverdi vorbehalten und er findet sich in der Peace-Gruppe: „Penelopes „Illustratevi, o cieli“ aus dem Ulisse, in welchem sie die Rückkehr ihres lang ersehnten Gatten preist. Hier vereinen sich ein zu Herzen gehender Ton und eine ganz in den Dienst des Werkes gestellte Bravour.

Das Ensemble Il Pomo d’Oro begleitet unter Leitung von Maxim Emelyanychev und betont stark die Affekte, was zur Gestaltung der Mezzosopranistin perfekt korrespondiert. Harsche Akkorde wie in der Einleitung zu Agrippinas „Pensieri“, atmosphärische Stimmungsmalerei wie bei Bonvicas Solo oder  liebliche Blockflötenklänge wie bei Almirenas „Augelletti“ – immer wieder setzt die Gruppe eigene Akzente und hat wesentlichen Anteil am hohen Rang dieser Ausnahme-CD. Auch deren  Präsentation ist – wie stets bei dieser Künstlerin – bemerkenswert, denn wieder trägt Joyce DiDonato eine spektakuläre Robe von Vivienne Westwood und dazu ein Make-up von apokalyptischer Dimension.  Bernd Hoppe