Hans Pischner

 

Die Staatsoper Unter den Linden trauert um Hans Pischner  (20. Februar 1914 – 15. Oktober 2016), der im hohen Alter von 102 Jahren verstorben ist. Als Intendant hat er über viele Jahre hinweg die Geschicke unseres Hauses gelenkt, von 1963 bis 1984, so lange wie kein Anderer in der jüngeren Geschichte der Staatsoper. Nach Berlin gekommen war der in Breslau geborene Hans Pischner kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Hier arbeitete er zunächst am Rundfunk der DDR, wo er als Leiter der Hauptabteilung Musik das Programm wesentlich mitbestimmte. Von dort wechselte er in das Ministerium für Kultur und wurde 1956 zum Stellvertretenden Kulturminister ernannt. Das Leben in der ideologisch, später dann auch durch die Mauer geteilten Stadt hat er sehr genau reflektiert und auf undogmatische Art und Weise kulturpolitisch begleitet. Dass er dabei Zwängen ausgesetzt war und Kompromisse zu schließen hatte, war angesichts der Situation im Land und der Präsenz des »Kalten Krieges« eine Notwendigkeit, dennoch konnte er sich als maßgeblicher, von vielen Seiten geschätzter Förderer und Gestalter der DDR-Kultur profilieren.

Hans Pischner nimmt mit Erich Honecker das Defilé der Vorsitzenden der DDR-Künstlerverbände, links Konrad Wolf, Präsident der Akademie der Künste der DDR/integralart.de

Hans Pischner nimmt mit Erich Honecker das Defilé der Vorsitzenden der DDR-Künstlerverbände, links Konrad Wolf, Präsident der Akademie der Künste der DDR/integralart.de

1963 wurde Hans Pischner auf den Intendantenposten der Staatsoper berufen, den er kraft seiner Persönlichkeit über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg nachhaltig wirksam auszufüllen wusste. Er bekannte sich zu den Traditionen, setzte aber auch eigene Akzente. Die Staatsoper hat Hans Pischner in den schwierigen Jahren nach dem Mauerbau wieder künstlerisch stabilisieren können. Es gelang ihm, das geschichtsträchtige Haus nach einer Phase der Stagnation erneut auf ein hohes Niveau zu führen, personell wie programmatisch. Mit der Berufung von Otmar Suitner als Generalmusikdirektor gewannen Staatsoper und Staatskapelle nicht nur einen festen musikalischen Leiter, sondern zugleich einen international renommierten Dirigenten, der über weitreichende, künstlerisch wie politisch wertvolle Kontakte verfügte.

Mozart, Wagner und Strauss gehörten auch weiterhin zu den Grundpfeilern des Opernspielplans im Haus Unter den Linden. Hinzu kam eine verstärkte Verdi-Pflege, der Hans Pischners Interesse ebenso galt wie dem russischen Repertoire. Darüber hinaus förderte er mit großem Engagement die Musik des 20. Jahrhunderts, sowohl die Klassische Moderne als auch das Zeitgenössische im engeren Sinn. Die Opern von Dmitri Schostakowitsch wurden ebenso auf die Bühne der Staatsoper gebracht wie Werke von Prokofjew und Penderecki sowie Musik von avancierten Komponisten der DDR. In besonderer Weise hat sich Hans Pischner dem Opernschaffen von Paul Dessau angenommen – mehrere seiner Werke erlebten an der Staatsoper ihre Uraufführung.

Die Verpflichtung erstklassiger Dirigenten, Solisten und Regisseure sowie eine kluge, ausgewogene und durchdachte Spielplanpolitik brachten dem Haus und seinem Intendanten internationale Anerkennung und Wertschätzung ein. Die »Ära Pischner« war zugleich die Zeit so herausragender Künstler wie Ruth Berghaus, Erhard Fischer, Theo Adam, Peter Schreier, Anna Tomowa-Sintow, Celestina Casapietra, Ludmila Dvorákova, Sylvia Geszty, Spas Wenkoff, Eberhard Büchner, Siegfried Lorenz oder Siegfried Vogel, die der Lindenoper Glanz verliehen. Bei zahlreichen Gastspielen im In- und Ausland, nach Ost wie West gleichermaßen, hat sich die Staatsoper unter Hans Pischner als eine Institution von Format präsentieren können. Auch die Staatskapelle Berlin entwickelte sich in den Jahren seiner Intendanz zu einem Klangkörper von hohem Rang, die auf den Konzertpodien der Welt sowie im Aufnahmestudio neues Profil und Renommee gewann.

Hohe staatliche Auszeichnungen wurden Hans Pischner zuteil, zudem war er als Präsident des Kulturbundes der DDR und als Vorsitzender der gesamtdeutschen Bach-Gesellschaft von den mittleren 1970er Jahren bis 1990 aktiv. Darüber hinaus hat er sich immer wieder auch als praktischer Musiker betätigt: Als passionierter, hoch professioneller Cembalist besaß er eine besondere Affinität zu den Werken Bachs und Händels, aber auch zur Musik der Gegenwart.

Berliner Staatsoper einst und jetzt: Jürgen Flimm, Hans Pischner und Daniel Barenboim/ Foto Berliner Staatsoper

Berliner Staatsoper einst und jetzt: Jürgen Flimm, Hans Pischner und Daniel Barenboim/ Foto Berliner Staatsoper

Auch nach der Beendigung seiner offiziellen Tätigkeiten blieb Hans Pischner der Staatsoper Unter den Linden eng verbunden. Bei nahezu jeder großen Musiktheaterpremiere und jedem Sinfoniekonzert saß er im Publikum, mit wachem Geist, nie nachlassendem Interesse und spürbarer Anteilnahme. Noch bei der Premiere von Beethovens »Fidelio« am 3. Oktober 2016 konnten wir ihn als Gast im Schiller Theater begrüßen – es sollte sein letzter Besuch einer Vorstellung des von ihm so geliebten Staatsopern-Ensembles sein.

Die Staatsoper Unter den Linden trauert um Hans Pischner, in dessen langem und erfülltem Leben unser Haus mit allen seinen Künstlern und Mitarbeitern eine zentrale Rolle gespielt hat. Wir danken Hans Pischner für all das, was er für die Staatsoper getan hat und werden ihm unser ehrendes Andenken bewahren. Im Namen der Staatsoper Unter den Linden: Jürgen Flimm und Daniel Barenboim (Quelle Staatsoper unter den Linden)