Archiv des Autors: Geerd Heinsen

Franck Ferrari

 

Eigentlich war er für die Titelrolle in Chaussons Roi Arthus in Strasbourg geplant: Aber bereits im März 2014 kämpfte Franck Ferrari schon gegen den Pankreaskrebs, dem er schließlich am 18. Juni 2015 im Alter von 52 Jahren in seinem Haus in Nizza erlag. Ausgestattet mit einer sudländischen Kommunikations-Freudigkeit, von physisch hochgewachsener Statur, besaß Franck Ferrari (geboren am 12. Januar 1963 in Nizza) eine beeindruckende Präsenz und eine sonore Stimme. Er wurde von seinen Kollegen wegen seiner Ernsthaftigkeit in der Arbeit und seiner kommunikativen Fantasie im Leben geschätzt.

Dieser mit dem französischen Repertoire des 19. Jahrhunderts sehr vertraute Sänger war auch im italienischen Repertoire zu Hause. Davon zeugt der beeindruckende Scarpia an der Bastille-Oper (2007/ 2011) dargestellt hatte und noch mehr seine aufsehenerregenden Auftritte als Escamillo, eine seiner Lieblingsrollen, die er insbesondere in Frankreich unter der Leitung von Jean-Claude Casadesus und Michel Plasson verkörperte, aber auch in der Hollywood Bowl von Los Angeles und am Teatro Regio Turin. In seiner Heimatstadt Nizza, wo er am 12. Jänner 1963 in einer einfachen Familie geboren wurde, studierte der Sänger am Konservatorium, bevor er an der Opéra National de Paris mit kleinen Rollen begann. Mit 18 Jahren wurde Franck Ferrari Fallschirmspringer und kam bis in den Libanon, bevor er wieder zur Musik zurückkehrte. Seine Begegnung mit dem Pianisten Dalton Baldwin war für ihn entscheidend: Mit ihm hat der Bariton, der die französische Musil liebte, im Jahr 2013 für das Label Maguelone Music eine Gesamtaufnahme der Lieder von Jacques Ibert aufgenommen, darunter den berühmten Don QuichotteSein Weg führte Franck Ferrari in harter Arbeit und viel Einsatz bis an die Scala und an andere große internationale Häuser. Er galt als der ideale Vertreter der jüngeren Sängergeneration Frankcreichs.

Während einer Spanne von zwanzig Jahren war Franck Ferrari in ungefähr dreißig Rollen an der Opéra National de Paris zu sehen – im Palais Garnier und an der Bastille-Oper –, wo er 2013 zuletzt die Rolle des Hercule in Alceste von Gluck verkörperte. Man konnte ihn auch als Golaud in Pelléas et Mélisande von Debussy (2004) hören, als Marcello in La Bohème von Puccini (2005), als Paolo in Simon Boccanegra von Verdi (2006) und in den vier Bassrollen in Les Contes d´Hoffmann von Offenbach (2007) – diabolische Darstellungen mit gut timbrierter Stimme und szenischer Präsenz. In Erinnerung bleibt auch an das selten gespielte Meisterwerk von Enescu, Edipe, im Oktober 2010 am Théâtre du Capitole von Toulouse unter der künstlerischen Leitung von Nicolas Joel. Franck Ferrari verkörperte die Titelrolle des von den Göttern Verdammten dar, der er eine wahrhaft epische Dimension gab. Aber es war die Rolle des Hercule von Gluck, die der französische Bariton am Dienstag, dem 16. Juni, wieder aufnehmen sollte, in der Inszenierung von Olivier Py unter dem Dirigat von Marc Minkowski. Die Opéra von Paris widmete ihm nach einer Schweigeminute die erste Vorstellung. Elise Cabanet (Dank an Ingrid Englitsch für die Übersetzung)

Foto oben: Franck Ferrari/C. Amelia Bauer/Opéra national de Paris

Lucienne Delvaux

 

„Hérode, Hérode – ne me quite pas, ne me quite pas“: Die bedeutende belgische Mezzospranistin Lucienne Delvaux starb am 9. Juni 2015 (Oktober 10, 1916 in Liège – Juni 9, 2015 in Farcienne, Belgien). Ob wohl sie nur wenige

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offizielle und nicht überwältigend viele Live-Dokumente gemacht hatte, hinterlässt sie doch ein beispielhaftes Erbe: Sie kann zu den namhaften Vertreterinnen der französisch orientierten Nachkriegsgesangsschule gerechnet werden, die im Grand Repertoire in Paris und der französischen Provinz sowie in Belgien, Holland und einigen europäischen Städten Spuren hinterließ – vergleichbar mit den Kolleginnen Rita Gorr, Elisabeth Högen oder Zarah Dolukhanova.

Lucienne Delvaux/Hérodiade/ici.franchi.brascia.it

Lucienne Delvaux/Hérodiade/ici.franchi.brascia.it

Auf der Massenetschen Hérodiade ist sie eine ganz fabelhafte Titelsängerin, die sich mit Aplomb und einer bestens sitzende typisch französisch geschulten Mezzostimme in das Gedächtnis gräbt – hier singt sie 1963 neben Robert Massard und Suzanne Sarrocca in illustrer Gesellschaft und ist eine fulminante Königin, eine exemplarische Sängrin ihres Fachs, eine starke Persönlichkeit, wie man auch auf den wenigen Fotos von ihr sehen kann.

Lucienne Delvaux wurde 1916 in Belgien geboren und starb

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99-jährig ebendort. Sie erhielt ihre Ausbildung in ihrer Heimatstadt Liège und machte ihr Debut am Genter Opernhaus als Gudule in Jan Brockx´s Oper De Bruid der Zee (Die Braut der See). Von Gent ging sie nach Antwerpen und schließlich als festes Mitglied an die Opéra de la Monnaie in Brüssel (1953 – 1955). Danach engagierte sie die Pariser Oper als Amneris, Dalila und Ortrud. Sie blieb dem Genter Haus verpflichtet und trat daneben als Gast an zahlreichen weiteren Opernhäusern der französischen Provinz auf: Bordeuaux, Toulouse, Nantes und Strasbourg – bis in die Siebziger Jahre hinein.

Lucienne Delvaux/Carmen/OBA

Lucienne Delvaux/Carmen/OBA

In dieser Zeit sang sie weiterhin in Holland, Österreich und sogar Nord-Afrika (Algier). Zu ihren Partien zählten Donizettis Léonor, Azucena, Herodias von Strauss, Brangäne, Fricka, Kundry, Cassandre, die Mutter in Hamlet, Hérodiade, in Milahuds Eumenides, und viele mehr. 2008 veröffentlichte das Label Musique en Wallonie ein 2-CD-Album mit Ausschnitten aus ihren zahlreichen Radio-Auftritten. Auf youtube ist sie mit einigen Ausschnitten aus der erwähnten Hérodiade zu hören. G. H.

Foto oben: Lucienne Delvaux/OBA/musimem.com

L’âge d’Or de L’Opéra Comique/ L´Opéra

 

Voran gestellt: Die Firma opera-club.net gibt es nicht mehr, mit dem Tod deren Gründers und In Inhabers Walter Knoeff (s. dessen Nachruf hier bei operalounmge.de) ist auch vieles aus dem Repertoire dieses einzigartigen Live-Labels verschwunden, und es gibt kaum Hoffnung auf Wiederbelebung. Dennoch: Wegen des Informationswertes lassen wir diesen Artikel bei uns stehen.

Berühmte Namen des französischen Gesangs aus Zeit vor dem und nach den beiden letzten Kriegen finden sich auf jeweils 3 CDs der Ausgaben L’âge d’Or de L’Opéra Comique und L’âge d’Or de L’Opéra auf dem Label Rondine bei opera-club.net. Namen, die die Kenner in Verzückung bringen und Sänger, an denen kein Opernliebhaber vorbei kommt, der Heutiges beurteilen will. Gerade die französische Oper erholt sich ja nur ganz langsam von dem Kahlschlag des Krieges und der sechziger Jahre, als Internationalismus die Einheimischen erst in die Provinz und dann ins Vergessen drängte. Namen wie César Vézzani, Ninon Vallin, David Dévries, Emma Luart, Robert Massard und viele andere sind heute unbekannt, nur Altere erinnern sich und rollen mit den Augen. Hier nun die große Chance, in einer beispielhaften Anthologie „Le Grand Repertoire“ und bezaubernden Opéra Comiques zu erleben, meisterhaft vorgetragen. Im Folgenden wieder der Text von opera-club.net. G. H.

 

Hérold: Schokoladen-Beilage-Bildchen für "Les Prés aux Clercs"/OBA

Hérold: Schokoladen-Beilage-Bildchen für „Les Prés aux Clercs“/OBA

French Opera is one of Europe’s most important operatic traditions, containing works by composers of the stature of Lully, Rameau, Berlioz, Bizet, Debussy, Poulenc and Messiaen. Many foreign-born composers have played a part in the French tradition as well, including Gluck, Salieri, Cherubini, Rossini, Meyerbeer, Offenbach and Verdi. French opera began at the court of Louis XIV of France with Jean-Baptiste Lully’s Cadmus et Hermione (1673), although there had been various experiments with the form before that, most notably Pomone by Robert Cambert. Lully and his librettist Quinault created tragédie en musique, a form in which dance music and choral writing were particularly prominent. Lully’s most important successor was Rameau. After Rameau’s death, the German Gluck was persuaded to produce six operas for the Parisian stage in the 1770s. They show the influence of Rameau, but simplified and with greater focus on the drama. At the same time, by the middle of the 18th century another genre was gaining popularity in France: opéra comique, in which arias alternated with spoken dialogue. By the 1820s, Gluckian influence in France had given way to a taste for the operas of Rossini. Rossini’s Guillaume Tell helped found the new genre of Grand opera, a form whose most famous exponent was Giacomo Meyerbeer. Lighter opéra comique also enjoyed tremendous success in the hands of Boïeldieu, Auber and others. In this climate, the operas of the French-born composer Hector Berlioz struggled to gain a hearing. Berlioz’s epic masterpiece Les Troyens, the culmination of the Gluckian tradition, was not given a full performance for almost a hundred years after it was written.

"La Nave": Rosa Raisa im Kostüm der Basilola Chicago 1919/Grattacielo

„La Nave“: Rosa Raisa im Kostüm der Basilola Chicago 1919/Grattacielo

In the second half of the 19th century, Jacques Offenbach dominated the new genre of operetta with witty and cynical works such as Orphée aux enfers; Charles Gounod scored a massive success with Faust; and Bizet composed Carmen, probably the most famous French opera of all. At the same time, the influence of Richard Wagner was felt as a challenge to the French tradition. Perhaps the most interesting response to Wagnerian influence was Claude Debussy’s unique operatic masterpiece Pelléas et Mélisande (1902). Other notable 20th century names include Ravel, Poulenc and Messiaen. From the moment music could be recorded the French have presented their operas and singers on role and disk. People claim it’s the largest historical catalogue in this category.
For years this was hardly noticed, in spite of the fact that during the vinyl-episode sometimes very interesting French compilation albums appeared on the market that outside of France hardly got the right attention from the music critics and audiences.

The problem was probably that all attention went to singers like Enrico Caruso, Nelly Melba, Mattia Batistini, Ezio Pinza, etc., no matter what they were singing, but generally in Italian. International singers would sing Carmen, Faust, Romeo et Juliette, Manon etc., but the more idiomatic French singers like Cesar Vezzani and Georges Thill, Emma Calvé, Ninon Vallin, a.o. , were only appreciated outside the French-language area by a small club of connoisseurs and fans of the French repertoire, in spite of the fact that they often were better musicians and stylistic more in control of the French idiom. Labels like Malibran nowadays make a new effort to get the focus on the French singers as well as on the less known operas, which is not an easy task.

We also make an attempt and in case you’re a real voice lover and looking for adventure in operas instead of listening to Carmen No. …, this is the ideal opportunity. Restored with the latest technical possibilities, without losing its authentic sound and characteristics.

 

The Théâtre national de l’Opéra-Comique, also known as Salle Favart is a theater in Paris. The present building at the Rue Favart dates from 1898, two earlier buildings on the same location burned down in 1838 and 1887. The Opéra-Comique was founded in 1714 to offer a French alternative for the in those days dominant Italian opera. At first it mainly presented pantomime and parodies on operas. It later developed the genre opera comique, distinguishing itself from the classical opera by a less formal setting and the alternation between sung and spoken dialogues, that however wasn’t necessarily comical in nature, especially in the 19th century. The concept wasn’t immediately successful, which made the theater close from 1719 till 1720 and from 1722 till 1723. In 1743 Jean Monnet took charge of the Opéra-Comique and he hired the writer Charles-Simon Favart. From 1745 till 1751 the theater was closed again. After the fusion in 1762 with the Comédie-Italienne a new theater was opened at the Rue Favart, on the location of the present building.

During the French Revolution the Opéra-Comique remained open, but the competition of theThéâtre Feydeau was killing. In 1801 the two companies fused into the Théâtre national de l’Opéra-Comique. In the 19th century the theater flourished, mainly because of compositions from Adolphe Adam, Daniel Auber, Georges Bizet, Nicolas Bochsa and Jules Massenet. Bizets famous opera Carmen had its première there (1875), like La damnation de Faust van Hector Berlioz (1846) and Claude Debussy’s Pelléas et Mélisande (1902). In the 1930’s the government had to take steps because of the financial problem of the theater. In 1936 the Opéra-Comique and the Opéra de Paris ) together formed the Réunion des Théâtres lyriques nationaux (RTLN). On November 30th, 1972 the Opéra-Comique ceases to exist. In 1974 the Salle Favart is namedOpéra-Studio and will be serving as acting school. In 1978 the Opéra-Studio closes its doors and the theater will be run by the Théâtre national de l’Opéra. In 1990 the Opéra-Comique restarts its activities as an independent organization. Right after the re-opening of the theater it was mainly used for incidental performances and had a limited agenda. The Opéra-Comique was aiming for both musictheatre and non-musical productions. Musically the emphasis lies with the baroque until contemporary music. In 2000 Jérôme Savary became artistic director of the theater.

His goal was to transform the theater into a theater for “classical amusement”. The repertory became a variety of both the original opéra comique and operettas, musicals and revue. Jérôme Deschamps became Savary’s successor by the end of 2007.

 

operaThe Palais Garnier is an opera building in the French capital Paris, built between 1861 and 1875. It was designed by architect Charles Garnier, as an assignment of Napoleon III. The building was supposed to open in 1871, but dur to the French-German War the opening was delayed until January 5th, 1875. The interior is richly decorated with gold foil, fresco’s and marble. The ceiling was painted in 1964 by Marc Chagall. The style is called neo-baroque, eclectic and extravagant. The building has its fame for a.o. performances like The Ghost of the Opera, a novel by Gaston Leroux. The ghost would have been responsible for numerous conflicts and crimes. Rumours were that a peculiar deformed creature was haunting in the underground corridors of the opera. These days mainly ballet performances are scheduled; the function of the opera has for a great part been taken over by Opéra Bastille. It is the largest opera building in the World, with a surface of over 11.000 m2. The building is 125 meters wide, 173 meters long and 73,6 meter high. The operaroom holds 2131 spectatots and the scene, about 1200 m2, can hold 450 artists. The chandelier in de central hall weighs 6000 kg and was designed by Garnier himself. The luxurious has a grand foyer, a staircase of different kinds of marble, an arch decorated by Isidore Pils and a ceiling painted with a kind of Olympus by Marc Chagall in 1964, honoring 14 ballet and music composers with their respective works.

Unvergessen: Sammler und Live-.Pionier Walter Knoeff/ OBA

Fortunately the French discovered in an early stage how to preserve their singer for eternity. Yet they didn’t get the attention they deserved and couldn’t surpass singers like Caruso, Melba, Ponselle, Martinelli, etc.. The same was the case with composers like Verdi, Wagner, Puccini and others. The only French opera holding a first place was Carmen of Georges Bizet. There’s still a lot to discover in the French repertoire as well as with the interpreters. The second L’âge d’Or collections are a treasure for voice collectors and fans who like to hear something different than the standard repertoire. (3 CD; RO-1024: L’âge d’Or de L’Opera Comique; 3 CD; RO-1025: L’âge d’Or de L’Opera). Opera-club.net

 

Und dann noch: Around 1970 RCA-Italy released a 14-pieces album series named “L’Epoca d’Oro del Melodramma” It became known in the USA around 1900 that sound recordings could be made and saved, and RCA immediately took the initiative to contract famous opera singers, especially known in North-America, to make sure their voices would be conserved for eternity – an initiative for which we will be eternally grateful. Recordings of a.o. Enrico Caruso, Nelly Melba and John McCormack became hits. Many collectors didn’t rest until they had a complete collection of these singers. Fanclubs of listeners were founded and a vivid trade and exchange of vinyl albums started. The release of the albums caused a lot of anxiety among the vinyl-fans. Press and audience attacked RCA because the opinion was that they were tampering with the recording.

However, one forgot that RCA owned the original recordings and could use the vinyl to avoid noise and all disturbances. Not just RCA, but also HMV and other small companies were criticized, and not always unrightfully so. There was a lot of experimenting to record the sound as authentic as possible on the vinyl, inclusive the dropping of the needle and all damages. Microphones were hung before the pathephone horns to catch the sound, and eventually RCA, among a few others, became the winner. Over the last years few historical recording have been released on CD, and it’s really the French label Malibran and the American Marston Records that are still releasing historical material. “L’Epoca d’Oro del Melodramma” has never been released on CD, which gave us the opportunity to present to you, thanks to the latest restoration equipment, the best recording for now. You will be surprised about the results. RO-1027: L’Epoca d’Oro del Melodramma This is the famous 14-piece record series of RCA that peculiarly never has been released on CD. It focuses on singers that were popular in America and had the status of pop stars, especially in the early 20th century. Many of these recordings have been released on well-known, but also obscure labels, which didn’t do the sound quality any good – another reason to add this series to your collection.W. K.

 

 

Leider nur akustisch

 

Eine Herzensangelegenheit muss dem Festival della Valle d’Itria die Aufführung von Leonardo Leos Oper L’Ambizione delusa gewesen sein, denn es sprechen gleich zwei Gründe dafür: Einmal ist der Komponist ein Sohn des Landes, stammt aus Apulien, und zum anderen hat sich die Institution seit ihrem Bestehen um vergessene Werke verdient gemacht. 2013 wurde die Buffa in Martina Franca im Hof des dortigen Palazzo Ducale mit großem Erfolg aufgeführt und kann jetzt auf drei CDs wenigstens gehört werden, was für den nicht italienischen Hörer nicht ohne Probleme sein dürfte, denn da die Oper ausschließlich in den niederen Schichten des Volkes spielt, wird alles andere als feines Toskanisch gesungen, ja, das Thema ist gerade das Bemühen eines plötzlich durch eine Erbschaft reich gewordenen Geschwisterpaares, sich Sprache und Sitten der Oberschicht anzueignen, was, wie der Titel Der enttäuschte Ehrgeiz zeigt, gründlich misslingt. Das süditalienische Bürgertum erfreute sich um die Entstehungszeit, die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts, an den plumpen Versuchen der unteren Schichten, allein durch ein wie auch immer erworbenes Vermögen gesellschaftlich aufzusteigen. Revolutionäre Tendenzen der Verlachten waren damals noch nicht zu befürchten, Figaro stand noch nicht vor den Toren. Immerhin sind die Domestiken nicht mehr in die Nebenrollen verbannt, sondern bestreiten die gesamte Handlung. Der Komponist scheint dem Librettisten schon insofern voraus zu sein, als er seinem Personal eine Musik zubilligt, teilweise sogar in Moll-Tonarten, die durchaus einer in höheren Kreisen angesiedelten Semi Seria würdig wäre.

Das Geschwisterpaar Lupino und Cintia hat einen reichen Onkel beerbt und will nun bei der in vornehmen Kreisen gedient habenden Delfina lernen, wie man sich dort benimmt. Dem neureichen jungen Mädchen ist der Schäfer

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Silvio nicht mehr als Bräutigam gut genug, dieser will sich rächen und gibt vor, für einen reichen Ersatzverlobten sorgen zu wollen, einen Barone Ciaccone, der aber in Wahrheit ein armer Ziegenhirt ist. Silvios Schwester Laurina wird, auch mit Hilfe eines Foresto, Freund Silvios, als Schwester des Barons ausgegeben, so dass beider neureicher Geschwister Träume sich zu verwirklichen scheinen. Als aus dem Statussymbol Privatzoo ein Panther ausbricht und bei anderen Gelegenheiten wie einer Brandstiftung, zeigt sich, wer sich wirklich nobel verhält. Am Schluss gibt es drei glückliche Paare: Ciaccone und Delfina, Cintia und Silvio sowie Foresto und Laurina. Lupino geht leer aus, und hat es nicht besser verdient.

Sicherlich hätte gerade der nicht italienische Opernfreund mehr Freude an einer Videoaufzeichnung gehabt, aber auch so ist die Musik reizvoll genug, um dem Hörer Interesse abzunötigen. Zudem spielt das Orchestra Ico della Magna Grecia Taranto unter Antonio Greco äußerst straff und beschwingt und lässt keine Langeweile aufkommen. Zwei der Männerrollen sind mit Mezzosopranen besetzt. Den wackeren und trotz niedriger Herkunft noblen Silvio singt Federica Carnevale mit einer Stimme klarer Konturen, schöner Fülle und auch gut angebundener Tiefe. Candida Guida ist Foresto mit schärferem Mezzo, holprig in den Koloraturen, aber mit bemerkenswertem tiefem Register nicht ohne Meriten, besonders in den eher getragenen Passagen ihrer Partie. Das Geschwisterpaar Lupino und Cintia wird von Riccardo Gagliardi mit wendigem Charaktertenor der nicht immer sicheren Intonation und mit Problemen in den Presti-Teilen und von Michela Antenucci mit einer hübschen Träne im Timbre, mit Leichtigkeit für die Verzierungen der Partie und mit sicheren Höhen gesungen. Die schönste Stimme hat Alessia Martino für die Laurina mit dunkel getöntem, weich und geschmeidig klingendem Sopran. Sie hat auch die schönste Arie mit „Mie belle lacrime“, die etwas an die der Barbarina aus Mozarts Figaro erinnert. Eine spritzig-spitzige Soubrettenstimme besitzt Filomena Diodati für die Delfina, während Giampiero Cicino mit etwas hohlem Bariton den barone finto Ciaccone singt. Das Libretto kann man sich übrigens in Italienisch und Englisch von der Internet-Seite des Labels Dynamic herunterladen, aber eine Blu-ray wäre trotzdem schöner

gewesen (CDS 7677/1-3). Ingrid Wanja

Musikalische Stolpersteine

 

Zur Ausgabe bei The Intense Media: Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten ging von Deutschland ein in der europäi­schen Kulturgeschichte einmaliger, grauenhafter Versuch der Vernichtung künstlerischer und moralischer Werte in bis dahin unvorstellbarem Maße aus. Literatur, Wissenschaft, bildende Kunst und Musik in all ihren Ausprägungen fielen dem Rassenwahn vom einzig wertvollen „Ariertum“ zum Opfer. „Schmutz und Schund“ nannte Propagandaminister Goebbels die nun verbotenen Werke, deren Urheber künftig nicht einmal mehr genannt werden durften. Viele Namen sind deshalb der jüngeren Generation fremd oder werden nicht in Verbindung mit nationalsozialistischer Verfolgung gebracht. Bereits 1928 hatte sich ein „Kampfbund für deutsche Kultur“ gegründet, und auch für die Nationalkonservativen war nach dem verlorenen 1. Weltkrieg deutsche Musik eine ihrer letzten Bas­tionen. In ihrem Kampf gegen alles „Undeutsche“ sahen sie schon im Wort „Jazz“ eine Provokation. Die Grundlage für massenhafte Verbote und Verfol­gung bildete aber erst das am 7. April 1933 erlasse­ne Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeam­tentums. Es schloss Nicht-Arier, Kommunisten und andere, „denen eine Unterstützung des nationalen Staates ohne Vorbehalte nicht zugetraut werden kann“, von der Stellenvergabe aus. Es ordnete an, alle, „die nicht arischer Abstammung sind, in den Ruhestand zu versetzen“. Die im November 1933 gegründete Reichskultur­kammer mit ihren Einzelkammern für Literatur, Radio, Theater, Musik und Film hatte die Einhaltung der neuen Gesetze zu überwachen. Die Mitglied­schaft war Pflicht für alle Berufsgruppen. Der Ausschluss oder die Verweigerung der Aufnahme kamen einem Berufsverbot gleich.

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Auf den hier zusammengestellten 10 CDs machen die kurzen biographischen Angaben zu den Betei­ligten deutlich, welche oft unfassbaren Folgen die rigorose Anwendung dieser Gesetze hatte. Die schillernd aufblühenden kulturellen Entwick­lungen der rückblickend so spannend erscheinen­den „goldenen zwanziger Jahre“ wurden abrupt gestoppt und vielfach zerstört. Für Verleumdung und Denunziation öffneten sich Tür und Tor. Dabei halfen Buchveröffentlichungen wie das „Handbuch der Judenfrage“ von Theodor Fritsch (Hammer-Verlag, Leipzig 1935) und das „Lexikon der Juden in der Musik“, bearbeitet von Dr. Theo Stengel in Verbindung mit Herbert Gerigk, dem Leiter der Hauptstelle Musik beim Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP. In diesen Büchern finden sich u.a. die Namen Goldmark, Halévy, Korngold, Mahler, Mendelssohn Bartholdy, Meyerbeer, Saint-Saents, Schön­berg, Weill, Weinberger und Zemlinsky ebenso wie Abraham, Eysler, Fall, Hollaender, Kaiman, Nelson, Offenbach, Spoliansky und Straus. Von Stolz und Benatzky heißt es „…sind wohl Arier, unterscheiden sich aber in nichts, was die Qualität ihrer Produkte angeht, von den genannten Juden“. Und an anderer Stelle: „Lehár und der jüdisch versippte Künneke beziehen ihre Texte fast ausschließlich aus jüdischen Händen“. Im Novem­ber 1934 schrieb das Reichskultusministerium an die NS-Kulturgemeinde in Halle: „Die von Lehár vertonten Texte entbehren, von Juden geliefert, jeglichen deutschen Empfindens“.

 

Verboten: Irene Isinger (hier mit Michael Bohnen" in "Der Fürst der Berge" 1932/youtube

Verboten: Irene Isinger (hier mit Michael Bohnen) in „Der Fürst der Berge“ 1932/youtube

Die einzelnen Titeln dieser CD-Kollektion angefügten Ergänzungen lassen erkennen, in welchem kaum glaublichen Ausmaß gerade die Gruppe der Textdichter der Verfolgung ausgesetzt war. Kaum weniger erschreckend ist die Namensliste jener Dirigenten, Sänger und Instrumentalisten, die vor dem Nazi-Regime fliehen mussten und mehr noch jener, die als Juden, Homosexuelle oder als Gegner des Nationalsozialismus in Konzentrations­lagern gequält und umgebracht wurden. Noch in der letzten Ausgabe des „Lexikon der Juden in der Musik“ war zu lesen: „Die Namen der ,Größen‘ aus der Zeit vom Weltkriegsende bis zur Neuordnung des Reiches sind versunken. Sie sind sogar so gründlich vergessen, dass beim zufälligen Wiederauftauchen eines solchen Namens man­cher sich kaum entsinnen wird, dass es sich um einen berüchtigten, früher viel genannten Juden handelt“. Der Untergang des „Dritten Reiches“ hat verhindert, dass sich diese Voraussage jemals erfüllen können (TIM).

 

Verboten: Der Tenor Max Ehrlich/youtube

Verboten: Der Tenor Max Ehrlich/youtube

Die bei The Intense Media nun vorliegende 10-CD-Box mit originalen „entarteten“ Musikbeispielen vor und noch aus der Nazi-Zeit gliedert sich sehr übersichtlich in einzelne Sparten, was das Hören erleichtert, was in den einzelnen Bezeichnungen der Rubriken auch mal Stirnrunzeln hervorruft, weil man da die Anführungsstriche auch vermisst. So ist die erste CD mit Kulturbolschewismus eben ohne solche tituliert, gefolgt von Kabarett/Chanson, Lockere Sitten, Die große Freiheit, Schlager und Film, (viel) Operette, Oper, Konzert. „Kulturbolschewismus“ (was ja doch wohl ein Fascho-Zitat ist, hoffe ich) beinhaltet Bekannte wie Brecht/Weill mit den alten Aufnahmen aus der Dreigroschenoper (Hans Sommer, Kurt Gerron, Lenya, Neher) aber auch das „Stempellied“ mit Ernst Busch. Jeder einzelnen Nummer ist eine mehrzeilige boigraphische Kurz-Einleitung mit Aufnahme-Datum etc. vorangestellt, die Auskunft gibt, warum dieser jeweilige Künstler, Begleiter oder Komponist in dieser Sammlung enthalten ist – auch dies eine wirklich gute editorische Tat. Meine Favoriten wie Kate Kühl, Curt Bois und natürlich die wunderbare Trude Hesterberg finden sich in der „riskanten Abteilung“ der Großen Freiheit, wo sich auch Gitta Alpar rumtreibt und Max Ehrlich die „Mädis vom Chantant“ 1930 besingt. Namen über Namen, Perlen wie an einer Kette, vieles bekannt und manches überraschend (und eben nicht das offensichtliche nur wie Marlene D.), so wie Paul O´Montis „Ich bin verrückt nach Hilde“ von 1929. Gott, was waren das für tolle Texte – dieser Witz, dieses Zwinkern, diese frivolen Respektlosigkeiten. Ganz seltenes wie Paul Graetz/“Das ist der Herzschlag, der zusammenhält“ von 1920 steht da neben Waldorffs „Raus mit den Männern aus dem Reichstag“, mehr von Ebinger und Busch, Massary natürlich, Dolly Haas. Mein Favorit ist Lucie Mannheim mit dem Lied vom Nazisoldaten“ (mit Mischa Spoliansky 1944 in London aufgenommen, was eigentlich eine eigene Ausgabe der Exillieder verdient hätte und worunter dann auch mehr von Weill gefallen wäre).

Verboten: Grete Mosheim/Foto Alexander Binder/Wiki

Verboten: Grete Mosheim/Foto Alexander Binder/Wiki

Und genau da sind wir bei den organisatorisch/nomenklatorischen Problemen, weil sich verbotene Künstler mit „genehmem“ oder umgekehrt viele „genehmeKünstler mit verbotenem Material mischen. Unter der Rubrik Oper findet man natürlich Halévy und Meyerbeer mit deutschen Barden (die nicht verboten waren und dazu natürlich in Aufnahmen vor der Machtergreifung). Da wäre mir die Einteilung in „entartete“  Komponisten als solche und  vebotene/verfolgte/vertriebene/ermordete Künstler als solche lieber gewesen, so geht´s ein wenig durcheinander. Und es finden sich eben auch akut Systemstützende wie Rühmann, Harvey und Fritsch mit Liedern von Komponisten (wie hier Heymann/“Die drei von der Tankstelle“), die später vertrieben wurden. Das ist verwirrend und für mich anfechtbar. In manchen Fällen muss man zweimal lesen, warum das einzelne mit eingeschlossen wurde: Heinrich Schluss, bei Gott kein Widerstandskämpfer, singt Schuberts „An die Musik“ von 1928, aber der Clou ist eben Franz Rupp am Klavier, der 1938 nach Amerika emigrieren musste. Immerhin gibt´s Mahler, Hindemith, Kreisler. Aber um Serkin und Busch miteinzuschließen nur den 2. Satz aus Schumanns Klaviersonate op. 105 zu bringen, scheint mir allerdings sehr bemüht und „abgestrickt“.

Verboren: Der Pianist Franz Rupp ging als Professor ans amerikanische Curtis Institure, hier mit Marian Anderson/bach-cantatas.com

Verboten: Der Pianist Franz Rupp ging als Professor ans amerikanische Curtis Institure, hier mit Marian Anderson/bach-cantatas.com

Dennoch, diese 10 CDs sind ein deprimierendes Kompendium an Namen und Persönlichkeiten, die im 3. Reich nicht gelitten waren, umgebracht  wurden oder doch noch gerade entkommen konnten. Weigert und Busch, Elisabeth Schumann und Lotte Lehmann, Tauber und Spoliansky, Strawinsky und Schulhoff, Schönberg und Mahler, Delia oder Max Reinhardt, Kipnis und Schorr, Jansen und Scheidl, Armbrust und Mira, Dietrich (aber auch mit „Allein in einer großen Stadt“ von 1932) und Ebinger – eine Legion, deren Vernichtung (eben auch im öffentlichen Nachkriegsbewusstsein) ein akutes Ausbluten des deutschen Geistes- und Kunstlebens bedeutet. Bis heute kann man sagen, weil namentlich in der Klassischen Musik dieses Auslöschung zum akuten Bruch des Publikums mit seinem zeitgenösssischen Musikleben geführt hat. Entwicklungen wie die Darmstädter Schule, die Neuntöner etc. wären bei einer Kontinuität nicht so passiert, wie man ja in den USA sieht, wo zeitgenössische Kompositionen von Argenta oder Glass die Säle füllen und eben nicht das Publikum verschrecken/ spalten. Weills Kompositionen aus Frankreich und Amerika sind bei uns immer noch so gut wie unbekannt. Die Amputation am deutschen Kunstleben ist ebenso brutal gewesen wie folgenschwer. Deshalb ist dieses 10-CD-Kompendium um so empfehlenswerter, weil es uns kursorisch an unsere reiche musikalische Vergangenheit erinnert und uns – gut aufgefächert –  „hörbar“ nahebringt. Die vielen „Stolpersteine“ auf dem Cover erschrecken zu Recht (10 CD, The Intense Media 600252; Foto oben The Intense Media/Ausschnitt/Günter Demnig)! Stefan Lauter

Genua liegt in Litauen

 

Er liebe vor allem die Konzilszene, in der Simone den dramatischen Höhepunkt der Oper dominiere, schreibt Dmitri Hvorostovsky in der englischsprachigen Einführung (dazu ital./ engl. Libretto) eines neuen Simon Boccanegra bei Delos (DE 3457). Welcher Bariton tut das nicht? Doch gerade in diesem zentralen Moment im zweiten Akt, „Plebe!, Patrizi! Popolo!“, zeigt sich, dass Hvorostovskys edler Bariton nicht ganz über die machtvolle Fülle und deklamatorische Kraft verfügt, die der Doge von Genua hier benötigt, um den gespaltenen Adel, die Kaufleute und das Volk zu einen. Ansonsten ist sein Simone das Ereignis einer sorgfältig und bewusst geführten, nun schon gut zwei Jahrzehnte währenden Karriere, einer klugen Beschränkung auf eine Handvoll Partien, wodurch sein kernig nobler, dabei samtweicher Bariton und die erlesene Atemkontrolle nichts von ihrem kostbaren Firnis eingebüsst haben. Hvorostovskys Simone, den er erstmals 2011 an der Metropolitan Opera gesungen hatte, ist ein vorsichtig abgetöntes Porträt, ist immer sensibel gestaltet, nie auftrumpfend, bereits im Vorspiel eher in die leisen Töne verliebt, dabei mit bewundernswerten Tonbögen („Figlia! A tal nome io palpito“) und unaufdringlichen Klanggesten im dritten Akt. Seine Partnerin aus New York, Barbara Frittoli, ist auch bei dieser im August 2013 im litauischen Kaunas entstandenen Aufnahme dabei. Frittolis strammer Sopran hat nicht die satte Rundheit, die in „Come in quest’ora bruna“ schön wäre, doch sie ist eine kluge und bewusste Gestalterin, hat sich über die Jahre ein Fach erobert, das man ihr nicht zugetraut hätte, die Stimme ist voller geworden, in der Höhe etwas scharf und ein wenig unruhig, doch sie versucht sich an den Trillern, ist im Terzett am Ende des zweiten Aktes berührend, phrasiert elegant und singt durchgehend mit passione. Ildar Abdrazakovs Fiesco ist kein wirklicher basso profondo, aber er singt mit festem, sicherem und stetem Ton, seine Rezitative besitzen Gewicht, und sein Fiesco ist durch und durch ein Genueser Edelmann, Stefano Seccos Gabriele Adorno wirkt ein bisschen wie der kleine Bruder der Amelia, was an Frittolis reifer Erfahrung wie Seccos hellem und gewöhnlichem Tenor  liegen mag. Die litauischen Kräften sind ausgezeichnet und man fragt sich, ob Kostas Smoriginas‚ erzen dunkler, musikalisch ausdruckstarker Schurken-Bariton (Pietro) sich nicht besser für den Paolo geeignet hätte als Marco Carias zwar schöner, doch etwas leichtgewichtiger Bariton. Constantine Orbelian dirigiert die Aufnahme wie eine gute Theateraufführung, was auch an den ausgetüftelten szenischen Effekten liegt, etwa wenn Simon im Prolog in den Palast Fiescos geht oder Gabriele seiner Geliebten hinter der Bühne die ersten Liebesworte zuruft sowie in zahlreichen Chorpassagen. Das Kaunas City Symphony Orchestra und der Kaunas State Choir warten mit überraschend zupackenden Leistungen auf. Orbelian leuchtet die instrumentalen Details gut aus, entflammt die richtigen Farbe und Atmosphäre, lässt seine Musiker in den tableaux großformatig agieren und begleitet die Sänger sicher, im Konzil vermeidet er ebenso Pathos wie in der Begegnung Amelia mit dem Dogen Sentimentalität, es fehlt ein wenig der bezwingende Bogen, um diese Aufnahme zu einer der großen Simon Boccanegra– Interpretationen werden zu lassen.  Rolf Fath

 

Chaplin, der Komponist

Modern Times  ist vielleicht Chaplins bester Film, trotz Großer Diktator und Goldrausch. Der Historiker Philipp Blom geht in seinem neuen Buch über die dreißiger Jahre sogar soweit, ihn als das filmische Dokument der Ära schlechthin zu bezeichnen, das die Ängste und Sorgen, aber auch den überkandidelten Sinn für Humor der Zeit am markantesten einfängt, anachronistischerweise mit Stummfilm-Mitteln. Das war damals eine Provokation, denn Stummfilme wurden schon seit 5 Jahren nicht mehr produziert, der Tonfilm hatte sich 1936 längst durchgesetzt. Aber gerade das verführte den Komponisten Chaplin dazu, noch einmal einen Stummfilm zu drehen und die Tonspur komplett für Orchestermusik zu benutzen, übrigens einem Orchester, das etwa der opulenten Besetzung einer Strauss-Oper entspricht – mit über 70 Musikern.

"Modern Times"/Charlie Chaplin 1936/Wiki

„Modern Times“/Charlie Chaplin 1936/Wiki

Der Film spielt wenige Jahre in der Zukunft, etwa 1940. Inzwischen ist die Industrie vollautomatisiert, die wenigen, die  Arbeit haben, müssen sich an irrwitzig schnell laufenden Fließbändern abquälen. Der einfache Fabrikarbeiter Charlie hat einen Nervenzusammenbruch am Band. Nach Irrenhaus und Gefängnis schlägt er sich mit seiner Freundin, einer arbeitslosen Vollwaisen, durch das dystopische düstere Amerika der Zukunft und erlebt dabei sehr komische und auch sehr traurige Abenteuer. Schon der Beginn des Films ist genial komponiert – nach extrem herben tragischen Eröffnungstakten, die in ihrer Qualität auch von Gershwin sein könnten, hören wir eine irrwitzige rasselnde Maschinenwelt, Viele Zeitgenossen erkannten in dieser Musik den Sound ihrer hektischen Zeit wieder.

Der Komponist Chaplin hat hier so sorgfältig gearbeitet wie nie wieder in seinem Leben. Durch die vielen markanten tänzerischen Elemente wirkt die Komposition wie eine große Ballettmusik. Natürlich ist die Musik vom Film  dazu nicht ganz ablösbar, aber ähnlich wie bei Tschaikowskys Nussknacker kann sie über weite Strecken ein Eigenleben führen. Allein die melodischen Einfälle rechtfertigen eine rein akustische Reproduktion. Charlie Chaplin gehörte zu den Multitalenten des Kinos, er schrieb seine Drehbücher selbst, spielte in fast allen seinen Filmen die Hauptrolle und führte Regie. Weniger bekannt ist, dass Chaplin sogar die meisten seiner Filmmusiken selbst komponierte. Denn Chaplin war einer der wirklich großen Musikdramatiker des Films, jedenfalls in seinen besten Musiken, und er wäre vielleicht mit seinen markanten Einfällen der Gershwin der Filmmusik geworden, wenn nicht Gershwin selbst in seinen letzten Lebensjahren ebenfalls Filmmusik geschrieben hätte. Fest steht, Gershwin schickte Chaplin einen seiner Schüler, David Raksin, einen exzellenten Orchestrator, mit dem Chaplin seine Partituren instrumentierte, und das wirklich  hinreißend und einfallsreich.

Dies ist wirklich ein Meilenstein in der Einspielung von Filmmusik auf CD – der Dirigent Timothy Brock hat es sich nicht leicht gemacht und über einen langen Zeitraum hinweg eine gleichsam kritische Ausgabe der Partitur erstellt. Das heißt, er hat sowohl Chaplins und Raksins opiginales Notenmaterial gesichtet als auch die letzte Fassung, die dann für die Studioaufnahmen revidiert wurde. Für 8 Film-Minuten war das Noten-Material verschollen und musste aus der Tonspur mühsam nach Gehör heraus-transkribiert werden – eine Arbeit, die ursprünglich für eine Livebegleitung des Films gemacht wurde. Bei  so viel Mühe wäre es wirklich schade gewesen, mit der NDR-Philharmonie nicht auch noch ins Aufnahme-Studio zu gehen. Herausgekommen ist eine große Orchestermusik, die die Ambitionen der Komposition noch markanter, deutlicher heraushebt als die Tonspur. Denn erst jetzt können sich die ganze Raffinesse, der Witz und auch das Pathos von Chaplins Klangvisionen richtig entfalten (Charlie Chaplin: Modern Times, 1936:  Die komplette Filmmusik; NDR Philharmonie Hannover, Timothy Brock, cpo 777 286-2). M. K.

TAMARA GURA

Als Ariodante gab Tamara Gura im letzten Jahr ein sensationelles Hausdebüt am Aalto-Theater Essen. Gestochen scharfe Koloraturen, ein wunderschönes Timbre, hohe Musikalität und eine glaubwürdige, intensive Verkörperung ihrer Partien zeichnen die junge Amerikanerin besonders aus. Diesen Monat kehrt sie für zwei Vorstellungen von Ariodante nach Essen zurück. Mit William Ohlsson sprach sie über ihre Liebe zur Musik Händels, ihre Zeit in Hamburg und Karlsruhe, ihre künstlerischen Ziele der nächsten Jahre und mehr.

Fesch: Tamara Gura by Uwe Ahrens

Fesch: Tamara Gura by Uwe Ahrens

Nach Ihrem Erfolg in der letztjährigen Premierenserie, der Ihnen eine Nominierung als „Beste Sängerin“ von der Zeitung Die Welt einbrachte, sind Sie nun wieder am Aalto-Theater Essen in der Titelpartie von Ariodante zu erleben. Händel scheint Ihnen stimmlich besonders gut zu liegen… Händel ist einer meiner Lieblingskomponisten. Seine Musik fordert große emotionale Tiefe, ist nie starr, sondern immer flexibel. Dadurch ergeben sich viele interpretatorische Möglichkeiten, viele Farben. Man muss für Händel sehr expressiv und vom Ausdruck her ehrlich sein. Ich liebe auch die technischen Herausforderungen: Man muss in einem Moment blitzschnelle Koloraturen singen und wenige Minuten später eine langsame, ausdrucksvolle Arie mit viel Legato, wie etwa „Scherza infida“ aus Ariodante, oder „Ombra cara“ aus Radamisto. Ich habe schon viele Händel-Partien gesungen, unter anderem die Titelrolle in Radamisto bei den Händel-Festspielen Karlsruhe, Sesto in Giulio Cesare an der Staatsoper Hamburg, Semperoper Dresden und auch in Karlsruhe, Piacere in Il trionfo del tempo e del disinganno, ebenfalls in Karlsruhe.

 

Schlussapplaus von "Orfeo ed Euridice" in Antwerpen/Foto Weiler.

Schlussapplaus von „Orfeo ed Euridice“ in Antwerpen/Foto Weiler.

Auch mit Rossinis Cenerentola konnten Sie große Erfolge feiern. Sind für die Zukunft weitere Rossini-Partien geplant? Ich freue mich besonders, dass ich im kommenden Herbst wieder in einer Neuproduktion von La cenerentola die Angelina singen werde, diesmal in München in einer Inszenierung von Brigitte Fassbaender – eine Künstlerin, die ich sehr bewundere. Ich mag die Angelina sehr, ihre Güte, aber auch ihr inneres Feuer. Auch die Rosina habe ich oft gesungen, zum Beispiel in Dresden. Liebend gerne würde ich eher selten gespielte Rossiniopern wie La donna del lago oder Tancredi singen. Auch L’italiana in Algeri wäre sehr interessant.

Eine Sängerin mit Ihren stimmlichen Möglichkeiten und ihrem Erscheinungsbild dürfte sich vor Angeboten für die Carmen kaum retten können! Ja, ich freue mich schon auf die Carmençita! Ich hatte schon Angebote, aber war leider immer schon bei einem anderen Theater unter Vertrag. Eine solche Partie verkörpern zu können, in die man sich mit vollem Körpereinsatz werfen muss, wäre ein Traum für mich. Ich habe als junges Mädchen viel getanzt und habe immer viel Spaß, wenn eine Rolle auch Tanz erfordert. Auch deshalb würde ich die Carmen sehr gerne singen.

Tamara Gura: Radamisto bei den Händel-Festspielen Karlsruhe:/Foto Krause-Burberg

Tamara Gura: Radamisto bei den Händel-Festspielen Karlsruhe:/Foto Krause-Burberg

Zu Beginn Ihrer Karriere konnten Sie sich als Ensemblemitglied des Badischen Staatstheaters Karlsruhe ein breites Repertoire erarbeiten. Wie blicken Sie heute auf diese Zeit zurück? Meine Zeit in Karlsruhe war sehr wichtig für mich. Das Badische Staatstheater ist ein tolles Haus und ideales Sprungbrett für viele Sänger. Das war es auch für mich. Ich habe dort wichtige Partien wie Rosina, Idamante, Cherubino, Dorabella, Hänsel, Radamisto und Sesto gesungen. In Karlsruhe konnte man auch das Stammpublikum sehr gut kennenlernen. Ich denke immer noch gerne an die vielen Gespräche mit den Opernbesuchern zurück. Viele haben meinen Weg mitverfolgt und unterstützen mich heute noch.

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Vor allem erinnere ich mich an einen Herren, der fast zu jeder Vorstellung gekommen ist. Seine Leidenschaft für die Oper war spürbar, das hat mich sehr fasziniert. Für diese Momente bin in Künstlerin geworden: Wenn ich spüre, dass meine Stimme jemanden erreicht und berührt hat.

Tamara Gura: Zaida / "Il turco in Italia", Hamburgische Staatsoper/ Foto Forster

Tamara Gura: Zaida / „Il turco in Italia“, Hamburgische Staatsoper/ Foto Forster

Ihre Karriere ist seit Ihrer Karlsruher Ensemblezeit auf steilem Weg nach oben. In den letzten fünf Jahren haben Sie an einigen wichtigen Opernhäusern, Konzertsälen und Festivals debütiert, wie etwa – neben dem Aalto-Theater, der Dresdner Semperoper, der Oper von Rom und der English National Opera. Was sind Ihre künstlerischen Ziele für die nächsten Jahre? In absehbarer Zeit sind die dramatischeren Mezzopartien von Bellini und Donizetti mein Ziel. Aber erstmal möchte ich gerne meine aktuelles Repertoire von Händel-, Mozart- und Rossinirollen auf den ganz großen Bühnen der Welt singen. Außerdem bereite ich eine Händel-CD vor und freue mich schon auf einige Rollendebüts, die bald auf mich zukommen werden, darunter meine erste Adalgisa! Generell will ich einfach immer besser werden, und die größte Hilfe dabei ist, mit Regisseuren, Dirigenten und Kollegen zu arbeiten, die mich fordern und an meine Grenzen als Schauspielerin und Sängerin bringen. Gibt es Traumpartien? So viele! Xerxes, Romeo, Carmen, Charlotte, Komponist, Octavian, Cendrillon, Isabella…

 

Tamara Gura by Uwe Ahrens

Tamara Gura by Uwe Ahrens

Sie sind in den USA aufgewachsen und als Zwanzigjährige ins Opernstudio der Hamburgischen Staatsoper aufgenommen worden. Wie hat die Zeit in Hamburg Sie künstlerisch geprägt? Die Zeit in Hamburg hat mich sehr geprägt und war unbezahlbar. Ich war zusammen mit sechs anderen jungen Sängern im Opernstudio. Wir wurden schon wie Ensemblemitglieder behandelt und in den drei Jahren an der Staatsoper Hamburg habe ich dort über 150 Abende gesungen, in Rollen wie Sesto in Giulio Cesare, Pauline in Pique Dame, Mercédes oder Flora. Es war super, am Beginn meiner Karriere auf solch einer großen Bühne Erfahrungen sammeln zu können. Dort konnte ich auch mit tollen Regisseuren arbeiten, zum Beispiel mit Christof Loy, in dessen Neuproduktion von Il turco in Italia ich die Zaida gesungen habe. Die Arbeit mit Christof werde ich nie vergessen. Bei Peter Konwitschnys Neuproduktion von Bergs Lulu habe ich den Gymnasiasten verkörpert. Ich hatte auch die Chance, dort mit Top-Dirigenten wie Ingo Metzmacher, Simone Young, Stefan Soltesz, Alessandro De Marchi und Cornelius Meister zu arbeiten.

 

tamara Gura: Sesto in "Giulio Cesare" bei den Händel-Festspielen Karlsruhe/ Foto Krause-Burberg

Tamara Gura: Sesto in „Giulio Cesare“ bei den Händel-Festspielen Karlsruhe/ Foto Krause-Burberg

Wo haben Sie in den USA studiert und arbeiten sie heute noch mit einem Gesangslehrer? Studiert habe ich an der Northwestern University in Chicago. Und ja, ich habe nach wie vor eine Gesangslehrerin. Die Arbeit mit ihr ist mir extrem wichtig. Meine Stimme hat sich in den letzen fünf Jahren enorm entwickelt und ich bin mir sicher, dass sie sich auch in den kommenden fünf Jahren nochmal genauso stark entwickeln wird! Da ist die Arbeit. William Ohlsson

 

Foto oben: Tamara Gura als Angelina/La Cenerentola, Oper Erfurt: Foto Edelhoff
http://www.tamaragura.com/
facebook.com/tamara.gura
twitter.com/mezzojazz

Auf YouTube gibt es einen „Cenerentola“ Clip:
https://youtu.be/uu_p3fstteU?list=PLHwP4fYgVWvjOBodTNP9P0RkkNPpAv5z0

Und ganz aktuell „Orfeo ed Euridice“ aus Antwerpen, Mai 2015:
https://youtu.be/rIwwvjdTZUA

Salieris Oper „Les Danaïdes“

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Nach dem überwältigenden Erfolg der Salierischen Danaides im November 2013 im Theater an der Wien ging der Dirigent Christophe Rousset mit seiner Equipe in das historische Theater von Versailles und schließlich in das Arsenal von Metz, um einen rauschenden Triumph nach dem anderen zu feiern. Wie bereits bei anderen Projekten des Palazetto Bru Zane in seiner Restaurierung der Romantischen französischen Oper fragt sich der deutsche Opernfan, warum sich in Deutschland oder der Schweiz kein Haus fand, sich dieser Tournee anzuschließen? Hier gibt’s Figaro  und den x-ten Macbeth, aber keine Hinwendung zur Französischen Musik des Sixieme Siècle, wie beklagenswert. Aber nun ist bei Ediciones Singolares (ES 1019; Note 1) die CD des Konzertes aus dem Arsernal von Metz von 2013 erschienen. „Kein Geringerer als der Erzromantiker Hector Berlioz äußerte sich bewundernd über Les Danaides von Antonio Salieri. Mit dem Werk über den Massenmord der Töchter des Danaos an ihren frisch angetrauten Ehemännern war dem ehemaligen Gluck-Schüler tatsächlich eine der revolutionärsten Opern des Ancien Régime gelungen. Christophe Rousset und Les Talens Lyriques unterstreichen die Bedeutung des Werkes und bereiten uns ein spannendes Opernerlebnis.“ (schreibt jpc).

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Christophe Rousset und Judith van Wanroij/MT

Christophe Rousset und Judith van Wanroij/MT

Es ist ja nicht so, dass man dieses Werk nicht kannte – Montserrat Caballé hatte sich (ungeeignet) der Oper an verschiedenen Orten angenommen. Gianluigi Gelmetti war ein weiterer Champion für diese Oper, die er nicht wirklich überzeugend bei EMI eingespielt (namentlich Margaret Marshal war der Schwachpunkt), vorher aber in Ravenna fulminant geleitet hatte (Dessi, Gimenez u. a.). Oehms hat einen gelungenen Mitschnitt unter meinem stets bewunderten Dirigenten Michael Hofstetter (mit der etwas klein- und scharfstimmigen Sophie Marin-Degor). Aber die neue Aufnahme setzt ganz andere Maßstäbe und ist für mich diejenige, welche man haben muss, wenn man sich für diese spannende Übergangszeit interessiert. Hier gibt es Drive, Drama, ersten Gesang und eine packende Musik.

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Die Aus- und Aufführungen hätten nicht glanzvoller sein können. Christophe Rousset dirigiert mit Feuer und Elan, ungemein rythmisch und zupackend, seine Chöre und Orchester folgen ihm gespannt-kongenial, und die Solisten verströmen Kompetenz und Idiomatik. Allen voran der wunderbare Bass Tassis Christoyannis als Danaus mit markantem, mal balsamischem, mal zynischem Bass, eine ganz große Leistung. Der junge Philippe Talbot als Lyncée profiliert sich mit wirklich süßem Tenor, und mit der jungen Judith Van Wanroij  steht als Hypermnestre ein leuchtender Mittelpunkt des Abends auf dem Podium. Und dies alles ist nun auf die CD gelangt dank des Palazetto Bru Zane, der einen Edelstein seiner inzwischen beträchtlichen Sammlung an Aufnahmen dieses Repertoirs hinzugefügt hat. Das Ganze wieder verpackt in die bewährten Buch-Editionen von Ediciones Singolares, der Haus-Marke vom Palazetto Bru Zane, mit gewohnt düsteren Abbildungen in grauem Schwarz-Weiß, dazu Aufsätze von Benoit Dratwicki und Marc-Henri Jordan (letzterer hochinteressant über die Bühnenausstattung und die architektonische Sprache der Danaides-Dekorationen) sowie zeitgenössische Kritiken zur Oper, zweisprachig (und nicht in Deutsch).

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Tassis Christoyannis beim Konzert in Versaille/MT

Tassis Christoyannis beim Konzert in Versailles/MT

Nachstehend ein Aufsatz mit einer Werkeinschätzung des Dirigenten Christophe Rousset, bevor die Aufnahme auf den Markt kam (website der Talens Lyriques).

Antonio Salieri [1750 – 1825] „Die Danaiden“ Lyrische Tragödie in fünf Akten, uraufgeführt am 26. April 1784 in der königlichen Musikakademie in Paris. Libretto von Tschoudi und Roullet. Mit den „Danaides“ von Salieri setzen die ‚Talents Lyriques‘ die Erforschung des von Italienern komponierten französischen Repertoires am Ende des 18. Jahrhunderts fort, nach „Medée“ von Cherubini und „Renaud“ von Sacchini letzte Saison. Salieri  salieri1kam aus Wien nach Paris, vor allem um hier, wo die Oper einen so starken Platz einnahm, von den Mitteln zu profitieren, die er in Wien nie gehabt hätte. Er entwickelt eine ehrgeizigere und kühnere Form als in seinen italienischen Opern. Die Wichtigkeit der Chöre ist so groß, dass wir, wenn wir auch nicht der Mitgliederzahl der damaligen Zeit entsprechen können, einen doppelten Chor einrichten müssen. Wir gehen an diese post-barocke Ästhetik mit einem Gefühl des Entdeckens und Staunens heran, das die Orchester der damaligen Zeit empfunden haben müssen, als sie sich mit diesem neuen und im Vergleich zum alten Stil revolutionären Stil beschäftigten. „Die Danaiden“ sind sicherlich eines der großen Meisterwerke.

Der Komponist Antonio Salieri/OBA

Der Komponist Antonio Salieri/OBA

Werk und Komponist: 1784 erfährt die Pariser Oper eine gewisse Beruhigung, nachdem sie sich in einem Streit, der zehn Jahre vorher begonnen hatte, halb zerrissen hatte. Der Misserfolg von „Echo et Narcis“ von Gluck im Jahr 1779  und der enttäuschende Erfolg von „Iphigénie en Tauride“ von Piccinni im Jahr 1781 setzen den Polemiken zwischen den Anhängern von Gluck und denen von Piccini ein Ende, wobei die einen die französische Musik hochhielten und die anderen Anhänger einer Öffnung für die italienischen Einflüsse waren. Gluck zieht sich also nach Wien zurück und beendet seine Karriere. Allerdings kündigt  er im Frühjahr 1758 an, noch einmal mit einem letzten Meisterwerk auf die Bühne der königlichen Musikakademie zurückzukehren, den „Danaides“, inspiriert von der Tragödie „Hypermnestre“ von Le Mierre (uraufgeführt im Jahr 1758 an der Comédie française, damals ein gewisser Erfolg), nach dem Jean-Georges Noverre im Jahr 1764 ein Ballett schuf („Les Danaides ou Hypermnestre“, nach einer Musik von Rodolphe). Gluck, der selber 1744 in Venedig eine „Ipermnestra“ komponiert hatte , hätte damit an eines der ersten Themen, das er behandelt hat, wieder angeknüpft.

Christoph Willibald Gluck auf dem Gemälde von Duplessis/OBA

Christoph Willibald Gluck auf dem Gemälde von Duplessis/OBA

Das Thema eignet sich perfekt für die Tragédie lyrique, eine Gattung, mit der Gluck die französische Oper revolutioniert hatte, indem er sich auf die Wildheit der antiken Mythologie stützte. Die Erben des ägyptischen Königreiches, Ägyptus und Danaos haben beide viele Nachkommen: Der eine hat fünfzig Söhne, der andere fünfzig Töchter. Als sich ein Krieg zwischen den beiden Brüdern ankündigt, zieht es Danaos vor, mit seinen Töchtern nach Griechenland zu fliehen, aber die Söhne von Egyptus verfolgen sie, weil sie ihre Kusinen als Gattinnen haben wollen. Danaos heuchelt ihrem Wunsch nachzukommen, aber er inszeniert den kollektiven Mord an seinen Neffen durch die Frauen in ihrer Hochzeitsnacht. Nur Hypermnestra, die Älteste der Danaiden, verschont Lynceus, den Mann, dem sie bestimmt war. Ihre Verbindung wird besiegelt, während die anderen Danaiden im Tartaros bestraft werden.

Ranieri de' Calzabigi (1714-1795)/OBA

Ranieri de‘ Calzabigi
(1714-1795)/OBA

Der Librettist Calzabigi schuf  1778 für Gluck ein Libretto auf Italienisch. Wenn das Fiasco von „Echo et Narcisse“ auch die Realisierung des Projekts verhinderte, wurde der Text doch von Roullet und Tschoudi ins Französische übersetzt, und man überträgt die Komposition dem Wiener Antonio Salieri. Aber „Les Danaides“ werden in der ersten Folge ihrer Aufführung in Paris als ein von Gluck und Salieri gemeinsam geschriebenes Werke dargestellt. Erst nach der 6. Vorstellung gibt das Journal de Paris Salieri als einzigen Verfasser der Oper bekannt. Dieses Desinformationsspiel erlaubte dem Werk, sich im Repertoire der königlichen Musikakademie zu behaupten (es wird bis 1828 immer wieder aufgeführt.) und Salieri die Türen zu den französischen Bühnen zu öffnen, als dem neuen Anführer der Gluckschen Schule, die auch „ Les Horaces“ 1786 und vor allem  „Tarare“ im Jahr 1787 hervorbrachte.

Die Danaiden/Tarrotkarte/OBA

Die Danaiden/Tarrotkarte/OBA

Die düsteren Akzente der „Danaides“ – genährt von verminderten Septakkorden, von frenetischen Tremoli und viel Verwendung von Posauen – und die Geschicklichkeit Salieris, sich den Gegebenheiten der französischen Tragédie lyrique anzupassen, haben der Oper lange den Vorwurf einer Imitation von Gluck eingebracht, der gegenüber die Kommentatoren das Original vorzögen. Der große Erfolg der gewalttätigsten Szenen (insbesondere im 4. Akt) und auch die überzeugende Qualität der Ouvertüre genügen, um dieses Urteil als übereilt zu betrachten. Dieses Werk von 1784 öffnet klar den Weg für neue Komponistengenerationen: die Behandlung des Chors der „Danaides“ wie einen ganz eigenen Protagonisten, gewisse Passagen des 5. Akts oder auch die Konzentration der Handlung um die Person Hypermnestras deuten schon auf die „Medee“ von Cherubini (1797) oder auf „Les Bajadères“ von Catel (1810) und im Allgemeineren auf die Anfänge der romantischen Oper hin.

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The Danaides/John William Waterhouse/Wiki

The Danaides/John William Waterhouse/Wiki

Antonio Salieri, geboren am 18. August 1750 im Nordosten Italiens in Legnago, der Sohn eines reichen Kaufmanns, verlässt rasch sein Heimatland und zieht nach Österreich. Er lässt sich mit 16 Jahren in Wien nieder. Hier wird er der Schüler von Florian Leopold Gassmann, dem Wiener Hofkomponisten und Dirigent der italienischen Oper, der ihn fördert. Gassmann verschafft Salieri eine vielfältige Ausbildung: Er lehrt ihn Geige, Cembalo, Gesang, Kontrapunkt, aber auch Rhetorik, Latein, Deutsch, Französisch und Dichtkunst… Salieri wird Christoph Willibald Gluck und dem Dichter Metastasio vorgestellt.

Mit 24 Jahren wird Salieri Gassmanns Nachfolger in dessen Funktionen und 1778 eröffnet er die Scala  in Mailand mit der Oper „Europa riconosciuta“. Sein Ruf steigt ständig in ganz Europa, denn mehrere seiner Opern werden an der Pariser Oper aufgeführt  (Tarare, 1787, mit einem Libretto von Beaumarchais). 1778 wird Salieri zum Chordirigenten ernannt und bleibt es bis 1824. Sein letztes Erfolgswerk ist die Oper „Palmira, regina di Persia“ (1795). Aber am Ende des Jahrhunderts versteht er, dass seine Zeit vorbei ist und dass er sich nicht dem neuen musikalischen Genre anpassen kann. Daher hört er bis zu seinem Tod fast gänzlich mit dem Komponiern auf. (Dank wie stets an die hilfsbereite Ingrid Englitsch für ihre Übersetzung!)

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9788460669494Antonio Salieri  Les Danaides, (après les Concerts Autriche, Vienne, Theater an der Wien Samedi 16 novembre 2013; Versailles, Opéra Royal, Mercredi 27 novembre 2013; Metz, Arsenal Vendredi 29 novembre 2013); Enregistrement discographique Palazzetto Bru Zane; Distribution: Hypermnestre | Judith Van Wanroij Danaüs | Tassis Christoyannis Lyncée | Philippe Talbot; Plancippe | Katia Velletaz; Pélagus, officiers | Thomas Dolié; Les Talens Lyriques; Direction musicale |  Christophe Rousset; Les Chantres de la Maîtrise du Centre de musique baroque de Versailles; Direction  des  chœurs |  Olivier  Schneebeli

Foto oben: La représentation des Danaïdes à l’Académie Royale appogiatura.net

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Eine vollständige Auflistung der bisherigen Beiträge findet sich auf dieser Serie hier.

Opernhaft-Seltenes

Wie wenige kennen heute noch Musik von Saverio Mercadante (1795-1870). Als Konzertkomponist hat nur das Flötenkonzert in e-Moll eine gewisse Popularität behalten. Mit seinen Opern (ca 60 finden sich im Werkverzeichnis) war Mercadante zu seiner Zeit schnell erfolgreich, seine 1821 in der Mailänder Scala aufgeführte Oper Elisa e Claudio kam innerhalb eines Jahres 58 mal zur Aufführung und bescherte ihm europäische Aufmerksamkeit und Aufenthalte in London, Paris, Barcelona und Madrid. 1831 übernahm er als Maestro di cappella die Kathedrale von Novara im Piemont und komponierte Musik für den liturgischen Gebrauch bevor er dann die Musikkonservatorien von Bologna und ab 1840 von Neapel leitete, wo er bis zu seinem Tod 30 Jahre später Direktor blieb. Das verdienstvolle italienische Label Bongiovanni widmet ihm nun als Komponisten von Kirchenmusik seine Aufmerksamkeit. Die hier vorliegende Ersteinspielung der Messa a grande orchestra per quattro voci wurde durch Zufall in den Archiven der Diözese von Molfetta gefunden. Belegt ist eine Aufführung 1828 in Foggia – ob als Auftragswerk oder Nachspielung ist unklar. Die CD-Aufnahme erfolgte im Juli 2014 in der Chiesa della Misericordia in Foggia und belegt, dass Mercadante auch als Kirchenmusiker gerne Opernkomponist blieb: Die orchestrale Einleitung zum Gloria erinnert an Rossini, das Gratias agimus tibi an Donizetti. Zu hören sind opernhafte Arien, bei denen die Stimmen durch Einzelinstrumente kontrastiert werden und unmittelbare Belcanto-Assoziationen geweckt werden. Aber Mercadante kann auch anders: Im Kyrie eleison dominiert der Chor und erinnert an klassische Vorbilder nördlich der Alpen, das innige und schöne Qui tollis peccata mundi für vier Einzelsänger verzichtet ebenfalls auf opernhafte Momente. Will man diese Messe in einen zeitgeschichtlichen Kontext stellen, bietet sich zum Vergleich die 1828 komponierte und 1829 uraufgeführte Messe in Es-Dur D950 von Franz Schubert an, die im Gesamtausdruck allerdings unmittelbarer, tiefer und überzeugender trifft. Ergänzend ist ein a-capella-Werk Mercadantes auf der CD: das Requiem breve a quattro voci senza accompagnamento, zu dem sich das Beiheft ausschweigt. Es scheint 1836 während seiner Tätigkeit in Novara entstanden zu sein. Ein Werk mit gregorianischen Anklängen, das weit mehr als die Messa a grande orchestra Kirchenmusik ist und liturgische Normen befolgt und für den liturgischen Alltag geschaffen ist. Mercadante konnte auch dies. Eine CD, die zeigt, wie vielfältig das Schaffen des Komponisten war.
Musikalisch und sängerisch ist hier eine engagierte und schöne Einspielung gelungen: das Sängerquartett aus Sopran Annarita di Giovine Ardito, Mezzosopran Angela Bonfitto, Tenor Vincenzo di Donato und Bassist Matteo d’Appolito sowie Orchester und Chor der Capella Musicale Iconavetere unter Dirigent Agostino Ruscillo spielen und singen überzeugend. Ein gelungener Baustein  Bongiovannis, bei der Mercadante wieder und auf andere Weise neu entdeckt werden kann.  (Label: Bongiovanni, GB2471-2). Marcus Budwitius

Auf youtube kann man sich eine italienische Einführung des Dirigenten Agostino Ruscillo anhören, der auch den Autographen der Messe transkribierte.

Sanfte Triller

 

Metastasios Libretto Catone in Utica kennt der Opernfreund durch Vivaldis Vertonung, die in einer Einspielung mit Alan Curtis bei naïve vorliegt. Das Dramma per musica wurde 1737 am Teatro dell’Academica Filarmonica di Verona uraufgeführt. Neun Jahre früher erlebte die Version von Leonardo Vinci als Tragedia per musica in Rom ihre Premiere. Das Stück behandelt Ereignisse um Politik, Liebe und familiäre Verstrickungen zwischen Cäsar und Cato, einem ehemals republikanischen Senator, der nach Numidien, dem heutigen Tunesien, geflohen war. Die Hauptstadt Utica wird von Cäsar belagert; Cato will seine Tochter Marzia mit einem Freund, Prinz Arbace, vermählen. Sie jedoch liebt Cäsar, was zu ihrer Verbannung durch den Vater führt. Ein paralleler Handlungsstrang betrifft Emilia, Witwe des Pompeo, die Rache für ihren ermordeten Gatten fordert und sich dafür der Hilfe von Cäsars General Fulvio, der sie begehrt, bedient.

Decca bringt die Oper in Zusammenarbeit mit Parnassus Arts Productions als Weltersteinspielung auf drei CDs heraus (478 8194). Die Firma hofft, damit an den Sensationserfolg von Vincis Artaserse anknüpfen zu können, den Virgin 2012 als CD-Gesamtaufnahme und Erato als DVD-Mitschnitt einer Inszenierung in Nancy veröffentlicht haben. Eine Sensation war die Besetzung mit fünf Countertenören bzw. Sopranisten, womit an die Uraufführung erinnert wurde, in der Kastraten diese Rollen interpretierten, da Frauen von den Bühnen Roms verbannt waren. Fast identisch damit ist nun auch der Besetzungszettel von Vincis Catone mit diesmal vier Vertretern dieser Stimmgattung, ergänzt um zwei Tenöre. Einer davon ist der Spanier Juan Sancho in der Titelrolle, der bereits im Artaserse in Nancy mitgewirkt hatte, der andere der Österreicher Martin Mitterrutzner als römischer Gesandter Fulvio.

Beide Tenöre sind stilistisch exzellent und erfreuen mit  klangvollen Stimmen. Sancho verfügt für die Titelrolle über die nötige Attacke und Koloraturgeläufigkeit à la Idomeneo. Gleich die erste Arie verlangt ihm Töne in der Extremhöhe ab, die zweite in der Art einer aria di caccia lässt ihn viril auftrumpfen und mit virtuosen Koloraturgirlanden glänzen. Ein Glanzstück ist „Dovea  svenarti“ gegen Ende des 2. Aktes, wenn er den rasenden Zorn über seine ungehorsame Tochter mit geradezu explodierenden Affekten ausdrückt. Der junge Österreicher, bei den Salzburger Festspielen 2013 als Ferrando erfolgreich, überzeugt als Fulvio mit weichem, schmeichelndem Tenor in vorwiegend lyrischen Arien, kann aber zu Beginn des 3. Aktes bei „La fronda“ auch mit männlicher Energie auftrumpfen und mit mühelosen Koloraturläufen imponieren.

Die Idee zu diesem Projekt ist einmal mehr Max Emanuel Cencic mit seiner Agentur und CD-Firma Parnassus Arts Productions zu danken. Er selbst singt den Arbace, Catones Freund und Liebhaber von dessen Tochter Marzia. Die Stimme klingt ausgeglichen und gerundet, betört in den wiegenden, zärtlichen Nummern, hat aber im „Combattuta da tante vicende“ des 3. Aktes auch Gelegenheit, mit erregtem Duktus die seelische Verwirrung der Figur plastisch zu umreißen.

Valer Sabadus, der schon im Artaserse in einer weiblichen Rolle zu erleben war, gibt die Marzia und becirct erneut mit seinem kosenden Timbre, dem Liebreiz und kokett-verspielten Ausdruck, den virtuos getupften staccati, dem auch in der Extremlage mühelos jubilierenden Ton. Mit seiner weichen, zärtlichen Stimme hat er keinerlei Probleme, eine weibliche Rolle zu gestalten. Dennoch bekommt er im 3. Akt – bei „Confusa, smarrita“ – die Möglichkeit, einen Zustand höchster Erregung gesanglich impulsiv umzusetzen, was ihm bravourös gelingt. Neu in Cencic’Countergemeinde ist der Südkoreaner Vince Yi, der mit seiner Sopran-Tessitura und dem kindlichen Klang der Stimme die Emila glaubhaft darstellt. Aus den zärtlichen, sehnsuchtsvollen, lieblichen Arien sticht „O nel sen di qualche stella“ durch den beherzten vokalen Zugriff heraus. Und dann ist Franco Fagioli als Cesare, der schon in seiner ersten Arie, „Nell’ardire che il seno“, mit schmeichelndem Klang  und berückenden Trillern entzückt, in „Chi un dolce amor“ mit sanft wiegendem Ton  verzaubert. Bei „Soffre talor del vento“, einer im Barock typischen Arie mit den Sinnbildern von Meer und Sturm, kommt schließlich der Moment, wo Fagioli mit seiner unvergleichlichen Bravour und Emphase brillieren kann. Virtuose Koloraturläufe in halsbrecherischem Tempo, effektvoll eingesetzte Extremtöne in der Höhe wie Tiefe, zauberhaft getippt staccati und schier endlose legato-Bögen – der Sänger bestätigt erneut seinen Ausnahmerang unter den Vertretern seines Fachs. Im 2. Akt kann er das bei „Se in campo“, einer von Fanfarengeschmetter eingeleiteten aria di battaglia, nochmals unterstreichen durch den erregten Ausdruck, die flamboyanten Koloraturattacken – wahrhaft eine tour de force des barocken Ziergesangs.

Vincis Musik bietet vor allem im letzten Akt Arien von dramatischer Vehemenz, sorgt kurz vor Schluss mit dem Quartett der vier Hauptpersonen „Deh! in vita ti serba“ noch für eine ungewöhnliche Nummer, welche die gänzlich überraschende Scena ultima als Recitativo accompagnato noch toppt. Unspektakulärer verklingt wohl kein zweites Werk der Gattung. Riccardo Minasi lässt es mit dem Ensemble Il Pomo d’Oro dennoch in aller Pracht erklingen. Mit seinen rhythmisch markanten Einleitungen der Arien gibt er den Sängern eine inspirierende Vorgabe, sorgt aber auch in den wenigen instrumentalen Teilen – so der mit Donnerschlägen vehement einsetzenden dreiteiligen Sinfonia – für packende Wirkung. Bernd Hoppe

Leonardo Vinci: Catone in Utica (Sancho, Fagioli, Cencic, Sabadus, Yi, Mitterrutznerr; Il Pomo d’Oro, Riccardo Minasi)  3 CD Decca 478 8194

 

Contralto assoluto

„Wenn man sie zum ersten Mal hört, ist die Stimme nicht schön im üblichen Sinn: sie ist nicht weich, nicht sanft. Aber sie verfügt über Qualitäten, die weit seltener zu finden sind als das „Schöne“. Es gibt viele „schöne“ Stimmen, die dieses Repertoire singen können. Sie hat eine sehr umfangreiche Stimme, die sowohl in der Höhe wie in der Tiefe kraftvoll klingt. Sie ist außerordentlich“. So schwärmt Alberto Zedda, mit dem Ewa Podles eine ihrer Paraderolle, Rossinis Tancredi, aufgenommen hat (Naxos). Immerhin den Tancredi. Denn die offizielle Diskografie ist ausgesprochen übersichtlich angesichts einer derart außerordentlichen Stimme, die sich die großen Häuser bei ihren Rossini- oder Barock-Planungen sofort hätten sichern müssen. Haben sie aber nicht. In Brigitte Cormiers (bislang nur in Französisch geschriebener) Biografie Ewa Podles, contralto assoluto reihen sich Enttäuschungen und Rückschläge ebenso aneinander wie Erfolge und Höhepunkte. Zurück zu Zedda, der davon berichtet, wie die nach Pesaro geschickte Aufnahme auf ihn wirkte, „was für eine merkwürdige Stimme“, das französische drȏle, eigentlich komisch, ist sogar noch stärker. Doch er erkannte, was man/er mit dieser Stimme machen konnte.  Zugleich war ihm bewusst, dass man in Italien eine schönere 8i. e. konventionellere) Stimme bevorzugen würde. Noch 2006 versicherte er Cormier, „wenn man einen wirklich großen Kontra-Alt für Rossini möchte, gibt es heute keinen anderen Namen als Ewa Podles“.

„Sie lässt die Wände erzittern, die Berge sich erheben, sie schlägt Wellen. Ewa hat nie jedermann gefallen, weil ihre Kunst auch ein Schock ist, schreibt Marc Minkowski im Vorwort, „doch jeder Auftritt ist unvergesslich“. Marc Minkowski ist der andere Dirigent von Rang, der ihr zu großen offiziellen Aufnahmen verhalf, dem Ariodante bei der Archiv Produktion der Deutschen Grammophon und Orphée aux enfers bei der EMI, in letzter sang sie die Öffentliche Meinung, zu der sie der Maestro erst überreden musste.

Doch Cormier ist bemüht, nicht nur ein auf anbetenden Knien geschriebene Künstlerbiografie vorzulegen, sondern ein Bild vom aufgewühlten Polen, also Zeitgeschichte, zu vermitteln, und geht zurück zum Vertrag von Versailles, nach dem Ewas Mutter geboren wurde, die nach dem Zweiten Krieg am Teatr Wielki sang und ihre Laufahn aufgrund eines Unfalls aufgeben musste, bis hin zu Jaruzelski, dem von ihm verhängten Kriegsrecht, Lech Walesa und der Solidarnosc sowie dem Fall des Eisernen Vorhangs. Ohne diesen zeitgeschichtlichen Hintergrund, die Zeit der Mängel und der Entbehrungen, wäre manches nicht verständlich. Neben dem Preis, den Podles beim Moskauer Gesangswettbewerb errang, waren wahrscheinlich vor allem der Telefonanschluss, der ihr anschließend sofort gelegt wurde, und die Erlaubnis, einen Fiat zu kaufen, von Bedeutung. Ewa, 1952 geboren, atmete von Anfang an Theaterluft, saß als Kind der Butterfly von Alina Bolechowska auf dem Schoß und rührte durch ihr echtes Spiel nicht nur die eigene, in den Kulissen stehende Mutter. Die Belochowska wurde später am Warschauer Konservatorium ihre Lehrerin und Vertraute, die sie auch zu zentralen Aufgaben ins Ausland begleitete. Als Studentin sang Ewa 1975 die Dorabella, ab 1977 wurde sie zu Wettbewerben geschickt, u. a. nach Athen, Genf und eben auch Moskau, wo damals Ludmilla Semtschuk den ersten Preis erhielt, dann Rio, Toulouse. 1977 erfolgte am Teatr Wielki als Rosina ihr offizielles Debüt. Obwohl sie dem Haus über Jahre als festes Mitglied angehörte, dort anfangs Lola, Pauline, später Cenerentola, Isabella als Einspringerin für Bartoli, Kontschakowa, 1998 Ulrica, 2006 Tancredi und 2010 die Klytämnestra sang, war das Verhältnis kein ungetrübtes. Bei einem der Wettbewerbe lernte sie den Pianisten Jerzy Marchwinski kennen, den sie 1980 heiratete – ihr Anker und Felsen. Sie gab viele Liederabende, sang in Konzerten, freundete sich mit Penderecki an, dessen Werke sie allüberall sang, gab in ihrer Heimat Gastspiele als Carmen, sang 1994 in Posen Arsace, den sie wenige Jahre später auch am Teatr Wielki wiederholen konnte, oder später auch die Azucena. Es bleibt der Eindruck, dass Podles, trotz der unzähligen Auftritte in ihrer Heimat, vor allem am Wielki, nie die gebührende oder erhoffte Wertschätzung erfuhr.

Ewa Podles: Ciro in Babilonia, 2012/youtube

Ewa Podles: Ciro in Babilonia, 2012/youtube

Zunächst erstaunt es, doch dann stellt es sich als nicht ungeschickt heraus, dass Cormier erst das Polen-Kapitel abschließt, dann die Karriere in Frankreich sowie abschließend die weitere internationale Karriere beschreibt. Zu Frankreich gehört das wenig erfolgreiche Debüt in Aix-en-Provence 1984 als Rosina in einer offenbar insgesamt nicht sehr bemerkenswerten Produktion, nicht verhehlt werden die Enttäuschungen über Hugues Gall und Stéphane Lissner, dazu Rückschläge, weil man sie in Produktionen schlecht behandelte oder Zusagen nicht einhielt. Eine Tatsache, die sich auch später wiederholt. Von daher sind alle Auftritte, das Debüt an Covent Garden 1990, der Tancredi in Venedig und an der Deutschen Staatsoper (in dessen Zusammenhang Geerd Heinsen mit „Contra-Alt mit hohem C“ zitiert wird), der Rinaldo 1984 an der Met, dem erst 24 Jahre später wenige Auftritte als La Cieca folgten, die Isabella an der Deutschen Oper usw. und die schönen Erfolge in Kanada immer Momentaufnahmen. So auch Pesaro zuletzt mit dem hinreißenden Ciro in Babilonia. Doch nie – oder selten bzw. erst nach vielen langen Jahren – folgen neuerliche Einladungen. Podles: eine außerordentliche, bedeutende Sängerin mit einer gebrochenen Karriere. Vielleicht bringen ihr die Partien der späten Jahre, darunter die Klytämnestra, Madame de la Haltière, Ulrica, Erda, Jezibaba, Madame de Croissy, die Gräfin in Pique Dame und die Babuschka in Der Spieler so etwas wie eine Wiedergutmachung (Edition Symétrie, ISBN 978-2-914373-56-2). Rolf Fath

 

Ewa Podleś (Cesare), Alexandra Deshorties (Cleopatra) in Handel’s "Giulio Cesare in Egitto" in Seattle, 2006. © Chris Bennion

Ewa Podleś (Cesare), Alexandra Deshorties (Cleopatra) in Handel’s „Giulio Cesare in Egitto“ in Seattle, 2006. © Chris Bennion/Seattle Opera

Als Nachtrag sei mir gestattet, aus eigenem Erleben von ihr zu schwärmen, denn sie zählt nach der unvergessenen Lucia Valentini Terrani (und eben nicht der brassigen, wenngleich hochverdienstvollen Marilyn Horne) zu den stärksten Eindrücken meiner Rossini-Erlebnisse. Ich gestehe, ich bin ihr nachgereist und habe versucht, sie so oft wie möglich zu erleben, habe mit unterschiedlichem Erfolg versucht, CD-Firmen und Opernhäuser für sie zu interessieren, namentlich die beiden Häuser in Berlin, an denen sie als Tancredi, Arsace und Isabella mit unendlichem Aplomb augetreten ist. Besonders die Semiramide in der fragwürdigen Geranienproduktion der Hausherrin Harms zählt wegen ihr, Simone Alaimo und Darina Takova zu den Sternstunden meiines Opernlebens, wo sie – im ungünstigen Herrenanzug einen absurden Lidl-Einkaufswagen vor sich herschiebend und dazu mit elenden Ischiasschmerzen – über alle Widrigkeiten triumphierte und das Publikum in Frenesie versetzte. Ihr Tancredi im Wechsel mit Kathleen Kuhlmann und (weniger günstig) Jochen Kowalski am anderen Haus war für Berliner eine Lehrstunde in Belcanto/Rossini, ebenso die robuste Isabella in der lustigen DOB-Inszenierung. Das hatte man so noch nie gehört – drei Oktaven mit krönendem hohem C. Enorm. Ihre Auftritte in Pesaro, nicht nur ungewohnt humorvoll in der Rossini-Kantate, sondern vor allem in dem farbschönen Ciro in Babilonia, belegten erneut ihre hohe Kunst, nicht zu vergessen den originalsprachigen Orphée mit eingelegter Berlioz-Arie in Belgien (und später bei Forlane auf CD) – das war seit Alice Raveau das erste Mal in moderner Zeit. Was für eine Virtuosa, dazu eine mit viel Herz und Humor, der sich in privaten Gesprächen immer wieder zeigte. Als große Überraschung erreichten mich später ihre Dokumente als Erda aus Seattle oder ihre bejubelte Ulrica mit (endlich) sonorem Bass-Grund und ihre gruselige Klytämnestra aus Warschau. Insofern sieht ihre Karriere für ihre Fans (zu denen ich mich ungeschmälert zähle) sicher anders, glanzvoller, eindrücklicher aus als für sie selber. Und es ist mit Betroffenheit, dass ich von ihrer „gebrochenen“ Karriere lese, die sie selber ganz offensichtlich so empfand. Sie kam sicher spät erst in den Westen, vielleicht zu spät für ihre eigene Einschätzung. Daran ändert auch der (dto.) späte Jubel im eigenen Land nichts (den ich bei ihrem Arsace in Posen, in der schnell umfunktionierten Nabucco-Produktion im dortigen Wielki, sehr offiziell und mit Galaempfang endend, miterlebte). Es grämt mich, dass offenbar das Bedauern über das Nichtgehabte das glorreich Erreichte überwiegt. G. H.

http://symetrie.com/fr/titres/ewa-podles-contralto-assoluto

Margaret Juntwait

 

Margaret Juntwait, die Stimme der Met bei ihren Radio-Live-Übertragungen, starb am 2. Juni 2015 nach langem Krebsleiden. Für mehr als 10 Jahre war sie die Ansagerin, die Fans in aller Welt und vor allem Millionen Amerikanern die Matineen der Metropolitan Opera ankündigte. Im Nachfolgenden der Nachruf des Hauses. G. H.

The Metropolitan Opera mourns the death of our radio host Margaret Juntwait (Foto oben/Met Opera Archive), who passed away this morning after a long battle with ovarian cancer. For millions of listeners around the world, Margaret was the voice of the Met for the past decade. She was appointed to the post in October 2004, and her first Saturday matinee broadcast was a December 11, 2004 performance of Verdi’s I Vespri Siciliani. She went on to host a total of 229 live Saturday broadcasts, as well as 898 live broadcasts on the Met’s Sirius XM channel. Her final Sirius broadcast was the new production premiere of Lehár’s The Merry Widow on December 31, 2014. “Margaret Juntwait was the soul of the Met’s radio broadcasts,” said Met General Manager Peter Gelb. “She will be sorely missed by her loving colleagues here at the Met, as well as the countless opera stars who she so deftly interviewed over the years, and by the millions of devoted fans who listened to her mellifluous hosting of our broadcasts three or four times a week, season after season.”

Margaret was diagnosed with ovarian cancer more than ten years ago, but before January 2015, she missed only one Saturday matinee broadcast due to her illness. Even after she was unable to host live performances, Margaret retained her tremendous passion for the Met, and was in the building just a few weeks ago to pre-record content for future Sirius XM broadcasts.

Margaret, a trained singer and a former WNYC classical music radio host, loved opera and the Met. In her role as interviewer, she displayed a remarkable grace for putting artists at ease. Before and after the curtain went up for performances, her passion for the art form allowed her to convey to the audience the excitement of what would happen on the Met stage. She was justifiably proud of her role as one of only three regular hosts of the Met’s Saturday broadcast

series over the course of its 84-year history. She replaced Peter Allen as host in 2004 and joined the Met staff full-time in 2006, when the company’s Sirius XM channel launched. We extend our sincerest condolences to Margaret’s family and friends, including her husband Jamie Katz; mother Florence Grace; and children Gregory, Bart, and Steven Andreacchi, and Joanna Katz; on behalf of all those who loved her, in the Met company and in the radio audience around the world.

http://metopera.org/metopera/news/features/news-flash/remembering-margaret-juntwait

Ombra e luce

Dankbar ist man über jede neue Tenorstimme, die als möglicher neuer Stern am Opernhimmel aufgeht, und so freut man sich auch über die neueste CD von opus arte, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, junge Sänger vorzustellen. Diesmal handelt es sich um den Mexikaner Jesús León, der unter dem Titel Bel Canto Arien von Bellini, Donizetti und Verdi singt. Im Booklet erfährt man, dass er bereits in Berlin gesungen hat und erinnert sich nach einigem Nachdenken an eine konzertante Maria di Rohan, in der er unter Felix Krieger den Riccardo sang und einen positiven Eindruck hinterließ.

Das Gefallen oder Nichtgefallen eines Timbres ist teilweise Geschmackssache, und das Jésus Leóns wird vor allem Liebhabern sehr heller, leicht trockener Stimmen zusagen, die bei Donizetti durchaus gefallen können. In „Una furtiva lagrima“ fällt das gut gestützte Piano auf, in dem die Stimme besonders angenehm klingt, während sie ab dem mezzo forte einen leicht quäkenden Ton annimmt, außerdem recht übergangslos vom einen ins andere verfällt. Die Technik des Mexikaners ist nicht zu beanstanden, es fehlt lediglich die Poesie, die man gerade in dieser Arie erwartet. Auch die beiden Arien des Arturo aus I Puritani klingen zumindest stellenweise eher jämmerlich als melancholisch, für Bellini ist der Tenor nicht geschmeidig genug, beim Intervallsprung in die Höhe weicht er ins Falsettieren aus, obwohl die Höhe ansonsten eine sicher erreichte ist. Auch wünscht man sich für den Vortrag etwas mehr innere Gespanntheit, damit eine Eintönigkeit des Singens vermieden wird. Bei „A te, o cara“ erscheint das Verhältnis Solist-Chor nicht ausgewogen genug.

Klar, deutlich und präzise ertönt das Rezitativ der Arie des Ernesto aus Don Pasquale, auch bei der Arie kann man sich über mangelnde Akkuratesse nicht beklagen, wohl aber darüber, dass der povero Ernesto recht dröge klingt, dass man sich etwas mehr slancio trotz der traurigen Situation, in der er sich befindet, erwartet, wie auch und besonders in der Cabaletta, in der die Extremhöhe erreicht und gehalten wird, aber recht flach klingt. Gut bekommt der Stimme das schnelle Tempo von Tonios Bravourarie aus der Regimentstochter etwas spitz klingt der eine oder andere hohe Ton, auch wenn das Erreichen desselben keine Mühe zu verursachen scheint. In der großen Szene des Edgardo nimmt der Tenor einen etwas heroischeren Klang an, vermeidet den leicht lamentierenden Ton, der an einigen Stellen  der CD auffiel. Die Arie wird intelligent, weil variationsreich gestaltet.  Die beiden Arien des Duca gelingen unterschiedlich gut.  Während „La donna è mobile“ mehr Brillanz verträgt, wird „Parmi veder le lagrime“ gut phrasiert, vermittelt auch etwas vom Aufflammen wahrer Gefühle des Libertins. Die dritte Verdi-Arie ist die des Fenton aus Falstaff. Sie verklingt sehr fein, lässt in ihrem Verlauf aber lyrische Emphase und Poesie vermissen. Begleitet wird der Tenor vom Royal Liverpool Philharmonic Orchestra unter Toby Purser (OA CD9035). Ingrid Wanja 

Magdalena Anna Hofmann

 

Sie zählt zu den aktuell spannendsten jungen Jugendlich-dramatischen und ist eine der wenigen Künstlerinnen, die mit tiefen, mitreißenden, anrührenden Rollenportraits vollkommen zu überzeugen vermögen: Die Sopranistin Magdalena Anna Hofmann. Diese Spielzeit stand sie in zwei wichtigen Rollendebüts in Lyon auf der Bühne, wo sie als Senta in Wagners Fliegendem Holländer und als Carlotta in Schrekers Gezeichneten zu erleben war. Im August folgt ihre erste Elsa in Lohengrin in Riga. Gegenwärtig steht sie am Aalto-Theater Essen als Fremde Fürstin in Rusalka auf der Bühne. Mit William Ohlsson sprach sie unter anderem über ihren Fachwechsel vom Mezzo zum Sopran, über spannende Zukunftspläne und über viel zu selten gespieltes Repertoire des 20. Jahrhunderts.

Maria Magdalena Hofmann/ Foto Stefan Panfil

Magdalena Anna Hofmann/ Foto Stefan Panfil

 

Vor vier Jahren haben Sie nach einer erfolgreichen „ersten Karriere“ als Mezzosopran mit der Contessa in Le nozze di Figaro den Wechsel zum Sopran vollzogen. Wann war für Sie klar, dass Sie wohl doch kein Mezzo, sondern Sopran sind und wie haben Sie sich dieses neue Repertoire technisch erarbeitet? Ich habe im Grunde schon immer geahnt, dass ich früher oder später einen Fachwechsel vollziehen werde, habe aber nicht damit gerechnet, dass es bereits so bald passieren würde. Ausschlaggebend war eine Produktion von Wozzeck in Wien, bei der ich die Rolle der Margret sang, neben Angela Denoke als Marie. Sie meinte dann irgendwann während der Proben, dass ich eindeutig Sopran sei, und nachdem wir zusammen einige Sopranarien ausprobiert hatten, war es mir klar geworden, dass dies mein Weg sein sollte. Dann ging alles ganz schnell: ich habe mit meiner Lehrerin in Wien (Carol Blaickner-Mayo) meine erste Sopranpartie, die Contessa, erarbeitet und gleich anschließend die Kundry. Eine zugegebenermaßen recht unkonventionelle Mischung, die mir aber wunderbar geholfen hat, die verschiedenen Möglichkeiten und meine Bandbreite innerhalb des neuen Stimmfachs abzustecken.

 

Maria Magdalena Hoifmann als Carlotta in Schrekers "Gezeichneten" in Lyon/Foto youtube

Magdalena Anna Hofmann als Carlotta in Schrekers „Gezeichneten“ in Lyon/Foto youtube

Momentan stehen Sie am Aalto-Theater Essen als Fremde Fürstin in Rusalka auf der Bühne… In einer wunderschönen Inszenierung von Lotte de Beer! Die Fremde Fürstin ist zwar keine sehr umfangreiche, aber dennoch äußerst anspruchsvolle Partie. Sie verlangt von der ersten Sekunde an eine unglaubliche stimmliche und darstellerische Präsenz. Und auch wenn die Fremde Fürstin charakterlich nicht ausgesprochen vielschichtig ist (oder vielleicht gerade deshalb!), so macht es doch großen Spaß, einmal solch eine egozentrische, bösartige Frau darzustellen!

Maria Magdalena Hoifmann in Schönbergs "Erwartung" in Wien/Foto youtube

Magdalena Anna Hofmann in Schönbergs „Erwartung“ in Wien/Foto youtube

Besonders intensiv beschäftigen Sie sich mit Werken des musikalischen Expressionismus. In Lyon haben Sie riesige Erfolge in Schönbergs Erwartung und zuletzt als Carlotta in Schrekers Die Gezeichneten (dazu die Kritik in Operalounge) feiern können. Wie würden Sie jeweils die stimmlichen Herausforderungen beschreiben? Bei Schönberg war mir wichtig, trotz großer Intervallsprünge eine Gesangslinie beizubehalten und ein Maximum an Textdeutlichkeit zu erreichen. Ich liebe dieses Stück besonders und freue mich sehr, dass Erwartung wieder öfter gespielt wird! Die Gezeichneten wiederum ist ein hochkomplexes Werk, und Carlotta eine sehr große und herausfordernde Rolle mit sehr vielen lyrischen und einigen dramatischen Momenten. Ich liebe die intensive Auseinandersetzung mit den Texten, das Entdecken verschiedener Farben und schließlich das Verschmelzen von Musik und Text. Das ist bei Franz Schreker eine besonders schöne und lohnende Aufgabe, die wohl auch mit jeder neuen Interpretation neue Aspekte zutage fördern wird.

Maria Magdalena Hoifmann als Sieglinde neben Thomas Moser/ Foto youtube

Magdalena Anna Hofmann als Sieglinde neben Thomas Moser/ Foto youtube

Können wir uns in Zukunft auf weitere Partien aus der Feder Schrekers oder auf andere Werke des frühen 20. Jahrhunderts freuen? Ein weiterer Schreker ist zum jetzigen Zeitpunkt leider nicht in Aussicht, aber ich werde in Bonn in der kommenden Spielzeit eine Oper von Emil Nikolaus von Reznicek singen: Holofernes. Reznicek ist ja als Opernkomponist wenig bekannt und für mich eine Neuentdeckung, auf die ich mich sehr freue – wie auch auf die neue Partie im Repertoire!

Maria Magdalena Hoifmann als Senta im "Fliegenden Holländer"  in Lyon/Foto Christel Mauve

Magdalena Anna Hofmann als Senta im „Fliegenden Holländer“ in Lyon/Foto Christel Mauve

Im August wird nach der Senta in Lyon die Elsa konzertant in Riga kommen. Wie würden Sie diesen Charakter beschreiben?  Auf meine erste Elsa hab ich lange gewartet und daher ist auch die Vorfreude auf das Konzert in Lettland sehr groß! Elsa ist ein sehr unterwürfiger Charakter und mein Ziel ist hier eindeutig, diese Verträumtheit und Naivität ein wenig zu durchbrechen. Ich habe ja grundsätzlich ein Faible für die etwas offensichtlicher leidenschaftlichen, komplexen und schwierigen Frauenfiguren. Somit könnte das eine neue, willkommene Herausforderung werden! Richard Strauss müsste Ihnen ja ebenfalls bestens liegen… Absolut!! Ich habe auch bereits eine Wunschliste ans Universum geschickt. Diese beinhaltet eindeutig: Marschallin, Arabella, Ariadne und Chrysothemis!

Auch im italienischen Fach würde es ja eine Reihe von interessanten Partien geben. Gibt es Wünsche oder Pläne, die in diese Richtung gehen? Ach, Wünsche gibt es viele! Santuzza, Tosca und dann die vielen wunderschönen Verdi-Partien wie die Elisabetta im Don Carlos… Noch fühle ich mich dazu aber nicht bereit. Dieses Repertoire darf noch warten.

Maria Magdalena Hoifmann als Gräfin Helfenstein in "Mathis der Maler" in Wien/ Foto youtube

Magdalena Anna Hofmann als Gräfin Helfenstein in „Mathis der Maler“ in Wien/ Foto youtube

Besonders von der Presse gelobt wird auch Ihre unbedingte Hingabe auf der Bühne, die Intensität und Tiefe Ihrer Rollenporträts. Wie erarbeiten Sie sich eine neue Partie darstellerisch? Wie versetzen Sie sich in die Charaktere, um diese dann derart überzeugend darzustellen? Und welche Rolle spielt dann die Arbeit mit dem Regisseur? Die Interpretation kommt gleichzeitig mit dem Studium der Rolle. Sobald ich mich mit der Musik beschäftige, kommen Ideen ganz automatisch und da vertraue ich mittlerweile ganz meinem Instinkt. Natürlich gibt es immer offene Fragen und auch verschiedene Möglichkeiten der Interpretation. Diese erörtere ich mir dann mit dem Regisseur und im besten Falle hat er oder sie die richtigen Antworten und Lösungen. Es ist immer ein Prozess, und auch wenn ich meistens mit meiner Darstellung zufrieden bin, so denke ich mir manchmal mehrere Monate nach einer Produktion: „Ah, das würde ich jetzt ganz anders spielen!“ – Man entwickelt sich ja ständig weiter!

 

Magdalena Anna Hofmann als Venus in Wagners "Tannhäuser"/Foto Hofmann

Magdalena Anna Hofmann als Venus in Wagners „Tannhäuser“/Foto Hofmann

Sie wurden in Warschau geboren und haben am Wiener Konservatorium studiert. Könnten Sie uns Ihren persönlichen und musikalischen Werdegang bis zum professionellen Operndebüt näher beschreiben? Ich war schon immer sehr an Musik interessiert, auch wenn es anfangs mehr in Richtung Musical ging, was mir damals eher vorschwebte… Meine Lehrerin seinerzeit hat aber mein sängerisches Potenzial entdeckt und mit mir recht früh Altitalienische Arien gesungen. Glücklicherweise hat mich meine Mutter immer sehr unterstützt und so konnte ich das Konservatorium besuchen, während ich tatsächlich zunächst eine Ausbildung zur Kinderpädagogin machte. Nach vier Jahren in fester Anstellung in diesem Beruf entschloss ich mich, mich fortan ganz der Musik zu widmen. Was für ein Glück, dass sich alles so gut gefügt hat! William Ohlsson

Foto oben: Magdalena Anna Hofmann in „Erwartung“ in Wien/ Foto Armin Bardel; 

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