Sie zählt zu den aktuell spannendsten jungen Jugendlich-dramatischen und ist eine der wenigen Künstlerinnen, die mit tiefen, mitreißenden, anrührenden Rollenportraits vollkommen zu überzeugen vermögen: Die Sopranistin Magdalena Anna Hofmann. Diese Spielzeit stand sie in zwei wichtigen Rollendebüts in Lyon auf der Bühne, wo sie als Senta in Wagners Fliegendem Holländer und als Carlotta in Schrekers Gezeichneten zu erleben war. Im August folgt ihre erste Elsa in Lohengrin in Riga. Gegenwärtig steht sie am Aalto-Theater Essen als Fremde Fürstin in Rusalka auf der Bühne. Mit William Ohlsson sprach sie unter anderem über ihren Fachwechsel vom Mezzo zum Sopran, über spannende Zukunftspläne und über viel zu selten gespieltes Repertoire des 20. Jahrhunderts.
Vor vier Jahren haben Sie nach einer erfolgreichen „ersten Karriere“ als Mezzosopran mit der Contessa in Le nozze di Figaro den Wechsel zum Sopran vollzogen. Wann war für Sie klar, dass Sie wohl doch kein Mezzo, sondern Sopran sind und wie haben Sie sich dieses neue Repertoire technisch erarbeitet? Ich habe im Grunde schon immer geahnt, dass ich früher oder später einen Fachwechsel vollziehen werde, habe aber nicht damit gerechnet, dass es bereits so bald passieren würde. Ausschlaggebend war eine Produktion von Wozzeck in Wien, bei der ich die Rolle der Margret sang, neben Angela Denoke als Marie. Sie meinte dann irgendwann während der Proben, dass ich eindeutig Sopran sei, und nachdem wir zusammen einige Sopranarien ausprobiert hatten, war es mir klar geworden, dass dies mein Weg sein sollte. Dann ging alles ganz schnell: ich habe mit meiner Lehrerin in Wien (Carol Blaickner-Mayo) meine erste Sopranpartie, die Contessa, erarbeitet und gleich anschließend die Kundry. Eine zugegebenermaßen recht unkonventionelle Mischung, die mir aber wunderbar geholfen hat, die verschiedenen Möglichkeiten und meine Bandbreite innerhalb des neuen Stimmfachs abzustecken.
Momentan stehen Sie am Aalto-Theater Essen als Fremde Fürstin in Rusalka auf der Bühne… In einer wunderschönen Inszenierung von Lotte de Beer! Die Fremde Fürstin ist zwar keine sehr umfangreiche, aber dennoch äußerst anspruchsvolle Partie. Sie verlangt von der ersten Sekunde an eine unglaubliche stimmliche und darstellerische Präsenz. Und auch wenn die Fremde Fürstin charakterlich nicht ausgesprochen vielschichtig ist (oder vielleicht gerade deshalb!), so macht es doch großen Spaß, einmal solch eine egozentrische, bösartige Frau darzustellen!
Besonders intensiv beschäftigen Sie sich mit Werken des musikalischen Expressionismus. In Lyon haben Sie riesige Erfolge in Schönbergs Erwartung und zuletzt als Carlotta in Schrekers Die Gezeichneten (dazu die Kritik in Operalounge) feiern können. Wie würden Sie jeweils die stimmlichen Herausforderungen beschreiben? Bei Schönberg war mir wichtig, trotz großer Intervallsprünge eine Gesangslinie beizubehalten und ein Maximum an Textdeutlichkeit zu erreichen. Ich liebe dieses Stück besonders und freue mich sehr, dass Erwartung wieder öfter gespielt wird! Die Gezeichneten wiederum ist ein hochkomplexes Werk, und Carlotta eine sehr große und herausfordernde Rolle mit sehr vielen lyrischen und einigen dramatischen Momenten. Ich liebe die intensive Auseinandersetzung mit den Texten, das Entdecken verschiedener Farben und schließlich das Verschmelzen von Musik und Text. Das ist bei Franz Schreker eine besonders schöne und lohnende Aufgabe, die wohl auch mit jeder neuen Interpretation neue Aspekte zutage fördern wird.
Können wir uns in Zukunft auf weitere Partien aus der Feder Schrekers oder auf andere Werke des frühen 20. Jahrhunderts freuen? Ein weiterer Schreker ist zum jetzigen Zeitpunkt leider nicht in Aussicht, aber ich werde in Bonn in der kommenden Spielzeit eine Oper von Emil Nikolaus von Reznicek singen: Holofernes. Reznicek ist ja als Opernkomponist wenig bekannt und für mich eine Neuentdeckung, auf die ich mich sehr freue – wie auch auf die neue Partie im Repertoire!
Im August wird nach der Senta in Lyon die Elsa konzertant in Riga kommen. Wie würden Sie diesen Charakter beschreiben? Auf meine erste Elsa hab ich lange gewartet und daher ist auch die Vorfreude auf das Konzert in Lettland sehr groß! Elsa ist ein sehr unterwürfiger Charakter und mein Ziel ist hier eindeutig, diese Verträumtheit und Naivität ein wenig zu durchbrechen. Ich habe ja grundsätzlich ein Faible für die etwas offensichtlicher leidenschaftlichen, komplexen und schwierigen Frauenfiguren. Somit könnte das eine neue, willkommene Herausforderung werden! Richard Strauss müsste Ihnen ja ebenfalls bestens liegen… Absolut!! Ich habe auch bereits eine Wunschliste ans Universum geschickt. Diese beinhaltet eindeutig: Marschallin, Arabella, Ariadne und Chrysothemis!
Auch im italienischen Fach würde es ja eine Reihe von interessanten Partien geben. Gibt es Wünsche oder Pläne, die in diese Richtung gehen? Ach, Wünsche gibt es viele! Santuzza, Tosca und dann die vielen wunderschönen Verdi-Partien wie die Elisabetta im Don Carlos… Noch fühle ich mich dazu aber nicht bereit. Dieses Repertoire darf noch warten.
Besonders von der Presse gelobt wird auch Ihre unbedingte Hingabe auf der Bühne, die Intensität und Tiefe Ihrer Rollenporträts. Wie erarbeiten Sie sich eine neue Partie darstellerisch? Wie versetzen Sie sich in die Charaktere, um diese dann derart überzeugend darzustellen? Und welche Rolle spielt dann die Arbeit mit dem Regisseur? Die Interpretation kommt gleichzeitig mit dem Studium der Rolle. Sobald ich mich mit der Musik beschäftige, kommen Ideen ganz automatisch und da vertraue ich mittlerweile ganz meinem Instinkt. Natürlich gibt es immer offene Fragen und auch verschiedene Möglichkeiten der Interpretation. Diese erörtere ich mir dann mit dem Regisseur und im besten Falle hat er oder sie die richtigen Antworten und Lösungen. Es ist immer ein Prozess, und auch wenn ich meistens mit meiner Darstellung zufrieden bin, so denke ich mir manchmal mehrere Monate nach einer Produktion: „Ah, das würde ich jetzt ganz anders spielen!“ – Man entwickelt sich ja ständig weiter!
Sie wurden in Warschau geboren und haben am Wiener Konservatorium studiert. Könnten Sie uns Ihren persönlichen und musikalischen Werdegang bis zum professionellen Operndebüt näher beschreiben? Ich war schon immer sehr an Musik interessiert, auch wenn es anfangs mehr in Richtung Musical ging, was mir damals eher vorschwebte… Meine Lehrerin seinerzeit hat aber mein sängerisches Potenzial entdeckt und mit mir recht früh Altitalienische Arien gesungen. Glücklicherweise hat mich meine Mutter immer sehr unterstützt und so konnte ich das Konservatorium besuchen, während ich tatsächlich zunächst eine Ausbildung zur Kinderpädagogin machte. Nach vier Jahren in fester Anstellung in diesem Beruf entschloss ich mich, mich fortan ganz der Musik zu widmen. Was für ein Glück, dass sich alles so gut gefügt hat! William Ohlsson
Foto oben: Magdalena Anna Hofmann in „Erwartung“ in Wien/ Foto Armin Bardel;
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