Eine Herzensangelegenheit muss dem Festival della Valle d’Itria die Aufführung von Leonardo Leos Oper L’Ambizione delusa gewesen sein, denn es sprechen gleich zwei Gründe dafür: Einmal ist der Komponist ein Sohn des Landes, stammt aus Apulien, und zum anderen hat sich die Institution seit ihrem Bestehen um vergessene Werke verdient gemacht. 2013 wurde die Buffa in Martina Franca im Hof des dortigen Palazzo Ducale mit großem Erfolg aufgeführt und kann jetzt auf drei CDs wenigstens gehört werden, was für den nicht italienischen Hörer nicht ohne Probleme sein dürfte, denn da die Oper ausschließlich in den niederen Schichten des Volkes spielt, wird alles andere als feines Toskanisch gesungen, ja, das Thema ist gerade das Bemühen eines plötzlich durch eine Erbschaft reich gewordenen Geschwisterpaares, sich Sprache und Sitten der Oberschicht anzueignen, was, wie der Titel Der enttäuschte Ehrgeiz zeigt, gründlich misslingt. Das süditalienische Bürgertum erfreute sich um die Entstehungszeit, die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts, an den plumpen Versuchen der unteren Schichten, allein durch ein wie auch immer erworbenes Vermögen gesellschaftlich aufzusteigen. Revolutionäre Tendenzen der Verlachten waren damals noch nicht zu befürchten, Figaro stand noch nicht vor den Toren. Immerhin sind die Domestiken nicht mehr in die Nebenrollen verbannt, sondern bestreiten die gesamte Handlung. Der Komponist scheint dem Librettisten schon insofern voraus zu sein, als er seinem Personal eine Musik zubilligt, teilweise sogar in Moll-Tonarten, die durchaus einer in höheren Kreisen angesiedelten Semi Seria würdig wäre.
Das Geschwisterpaar Lupino und Cintia hat einen reichen Onkel beerbt und will nun bei der in vornehmen Kreisen gedient habenden Delfina lernen, wie man sich dort benimmt. Dem neureichen jungen Mädchen ist der Schäfer
Silvio nicht mehr als Bräutigam gut genug, dieser will sich rächen und gibt vor, für einen reichen Ersatzverlobten sorgen zu wollen, einen Barone Ciaccone, der aber in Wahrheit ein armer Ziegenhirt ist. Silvios Schwester Laurina wird, auch mit Hilfe eines Foresto, Freund Silvios, als Schwester des Barons ausgegeben, so dass beider neureicher Geschwister Träume sich zu verwirklichen scheinen. Als aus dem Statussymbol Privatzoo ein Panther ausbricht und bei anderen Gelegenheiten wie einer Brandstiftung, zeigt sich, wer sich wirklich nobel verhält. Am Schluss gibt es drei glückliche Paare: Ciaccone und Delfina, Cintia und Silvio sowie Foresto und Laurina. Lupino geht leer aus, und hat es nicht besser verdient.
Sicherlich hätte gerade der nicht italienische Opernfreund mehr Freude an einer Videoaufzeichnung gehabt, aber auch so ist die Musik reizvoll genug, um dem Hörer Interesse abzunötigen. Zudem spielt das Orchestra Ico della Magna Grecia Taranto unter Antonio Greco äußerst straff und beschwingt und lässt keine Langeweile aufkommen. Zwei der Männerrollen sind mit Mezzosopranen besetzt. Den wackeren und trotz niedriger Herkunft noblen Silvio singt Federica Carnevale mit einer Stimme klarer Konturen, schöner Fülle und auch gut angebundener Tiefe. Candida Guida ist Foresto mit schärferem Mezzo, holprig in den Koloraturen, aber mit bemerkenswertem tiefem Register nicht ohne Meriten, besonders in den eher getragenen Passagen ihrer Partie. Das Geschwisterpaar Lupino und Cintia wird von Riccardo Gagliardi mit wendigem Charaktertenor der nicht immer sicheren Intonation und mit Problemen in den Presti-Teilen und von Michela Antenucci mit einer hübschen Träne im Timbre, mit Leichtigkeit für die Verzierungen der Partie und mit sicheren Höhen gesungen. Die schönste Stimme hat Alessia Martino für die Laurina mit dunkel getöntem, weich und geschmeidig klingendem Sopran. Sie hat auch die schönste Arie mit „Mie belle lacrime“, die etwas an die der Barbarina aus Mozarts Figaro erinnert. Eine spritzig-spitzige Soubrettenstimme besitzt Filomena Diodati für die Delfina, während Giampiero Cicino mit etwas hohlem Bariton den barone finto Ciaccone singt. Das Libretto kann man sich übrigens in Italienisch und Englisch von der Internet-Seite des Labels Dynamic herunterladen, aber eine Blu-ray wäre trotzdem schöner
gewesen (CDS 7677/1-3). Ingrid Wanja