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Wieder gibt es eine spannende Ausgrabung zu berichten. In Offenbach fand am 9. November 2025 die halb-konzertante Aufführung einer zuletzt 1950 szenisch gespielten Oper mit einer ungewöhnlichen Genesis statt: Erich Riedes Historiendrama Riccio auf den Text der in Sobibor umgekommenen jüdischen Schriftstellerin Martha Wertheimer, für Weimar 1929 geplant, dort nicht aufgeführt und erst 1947 in Coburg premiert. Die Partitur (André Musikverlag) war verschollen, und für Offenbach 2025 wurde von Michael Strecker aus den originalen Orchesterstimmen und dem Klavierauszug eine neue Partitur erstellt, die unter Yuval Zorn am Pult des Capitol Symphonie Orchesters mit sechs Solisten und acht Choristen vor Mixed-Media-Installationen von Tim Seger im Offenbacher Capitol aufgeführt wurde.
Zu Martha Wertheimer und Erich Riede hat Wikipedia zwei informative Artikel, die an dieser Stelle gelesen werden sollten. Nachstehend einige Texte zum Werk und den Beteiligten, vor allem Auszüge aus dem Programmheft zur semi-konzertanten Aufführung in Offenbach. G. H.
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Erich Riede – Deutsche Digitale Bibliothek/Phototek
Die Geschichte des Werkes beginnt in den „Roaring Twenties“. Damals träumen der Komponist Erich Riede (1903–1986) und seine Librettistin Martha Wertheimer (1890–1942) von einem gemeinsamen Bühnenerfolg, der eine ähnliche Flugbahn hätte beschreiben sollen wie die Salome, mit der Richard Strauss seit der Dresdner Premiere vom 9. Dezember 1905 die internationalen Häuser eroberte.
Anfangs sieht es auch ganz so aus, als könnte „Riccio“ sein hohes Ziel erreichen. Weimar, die inoffizielle Hauptstadt der gleichnamigen Republik, will das emotionsgeladene, hochdramatische und blutrünstige Stück 1929 herausbringen, zieht dasselbe aber eine Woche vor dem anberaumten Termin zurück – aus Gründen, über die sich bis dato nur spekulieren lässt. Der Traum von der Met (an der Erich Riede seinerzeit als Assistent für das deutsche Repertoire arbeitet), von der Wiener Staatsoper und von der Mailänder Scala ist jedenfalls ausgeträumt. Es müssen achtzehn Jahre und ein Weltkrieg vergehen, bevor das Landestheater der nordbayerischen Stadt Coburg am 30. Oktober 1947 einen Versuch unternimmt, dem sich am 26. Februar 1950 das Mannheimer Nationaltheater anschließt. Die Unternehmungen bleiben folgenlos. Während Deutschland dabei ist, die Trümmer beiseite zu schaffen und die Fundamente des Wirtschaftswunders zu legen, sind Geschichten wie jene des italienischen Sängers und Lautenisten David Rizzio, der am 9. März 1566 in Edinburgh im Beisein seiner Arbeitgeberin (und Geliebten?) Mary Stuart einem grausigen Mordanschlag zum Opfer fiel, nicht mehr en vogue.

Zu Erich Riedes „Riccio“: Martha Wertheimer/b77b Museum Eintracht/Historische Person
Die Noten verschwanden in den Archiven des traditionsreichen Offenbacher Verlages von Johann André, wo sie dessen Nachfahren Hans-Jörg und Moritz André und der städtische Kulturamtsleiter Ralph Philipp Ziegler jüngst wiederentdeckten. Michael Strecker hat den Klavierauszug und das erhaltene Stimmaterial in eine neue Partitur gebracht, so dass Yuval Zorn am Pult des 70-köpfigen Capitol-Orchesters gemeinsam mit sechs Solisten und acht Choristen eine veritable Wiederentdeckungsarbeit leisten kann. Anstelle eines Bühnenbildes „illustrieren“ die Videoprojektionen des Mixed-Media-Künstlers Tim Seger das Geschehen. Die Aufführung wurde mitgeschnitten und kommt 2026 bei dem Leipziger Label Rondeau Productions auf CD heraus. (Pro Classics)
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Riccio – Eine Oper, zwei Leben: Martha Wertheimer, Erich Riede und der Offenbacher Versuch, den Opern-Olymp zu erstürmen – Anmerkungen von Dieter und Hanna Eckhardt [D/HE] und Ralph Philipp Ziegler [RPZ]. [RPZ]: 1929 spazierte (der junge Komponist) Erich Riede morgens durch Manhattan zur Metropolitan Opera, wo er als Dirigierassistent für deutsches Repertoire an einem der bedeutendsten Opernhäuser der Welt angestellt war. Ab 1930 würde er zukünftig in den Sommermonaten in die Heimat wechseln, um bei den Bayreuther Festspielen dem berühmtesten (sic) Dirigenten der Welt zu assistieren: Arturo Toscanini, der ihm auch einen hervorragenden Empfehlungsbrief ausgestellt hat. Für einen 26-jährigen war das eine raketenartige Karriere. Am 1. August 1929 spielte die Musik für ihn allerdings erst einmal wieder in der Heimatstadt Offenbach.
Denn da saßen die Journalistin und Autorin Martha Wertheimer, der Musikverlags-Chef Hans André und er an einem Tisch im Verlagshaus in der Frankfurter Straße 28 und unterschrieben zu dritt den Verlagsvertrag zu ‚Riccio‘. Der Verlag André würde Textbuch und Klavierauszug gedruckt herausbringen und die Orchesterstimmen aus der Partitur ziehen lassen.
(Orchesterstimmen aus der Partitur zu ziehen) fiel ihnen sicher nicht allzu schwer, denn schon vor dem Verlagsvertrag hatte das renommierte Deutsche Nationaltheater in Weimar den ‚Riccio‘ zur Uraufführung angenommen. Das war quer durch die deutschsprachige Presse gegangen. Kurz: Die Opernwelt wusste, dass da von den zwei gewissermaßen Debütanten, Riede und Wertheimer, „was kam“. Generalmusikdirektor Emil Praetorius hatte sogar angekündigt, im Leipziger Sender am Vorabend der Uraufführung Auszüge aus ‚Riccio‘ auf dem Klavier vorzuspielen und der Hörerschaft das neue Werk vorzustellen, das dann am 24. November 1929 erstmals auf die Bühne kommen sollte. (…) Kurz vor der Uraufführung wurde ‚Riccio‘ abgesetzt; die Presse verlor kein Wort über Gründe. Die starken rechten Kräfte im damaligen Thüringen hätten die Premiere wegen der jüdischen Textautorin verhindert, mutmaßten manche nach dem Krieg. Der Protest der Nazis hatte Praetorius in seiner anti-rechten Programmarbeit aber eigentlich immer eher angestachelt. Warum also? Wir wissen es nicht. Aber wir forschen weiter danach. [RPZ]
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Riedes „Riccio“/ Szene/ Foto Vlada Shcholkina
[D/HE] Martha Wertheimers Tätigkeit bei der Offenbacher Zeitung ging im März 1933 zu Ende, sie wurde aus rassistischen und politischen Gründen entlassen. Nach immer stärkerer Entrechtung und zahllosen schwersten Demütigungen wurden Martha und ihre Schwester Lydia 1942 mit dem dritten großen FrankfurterErich Transport ins Vernichtungslager Sobibor verschleppt. Beide begingen vermutlich im Deportationszug Mitte Juni 1942 Suizid.
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[RPZ] (…) Im Mai 1933 war Riede Erster Kapellmeister an der Kölner Oper gewesen und hatte einen Mitgliedsantrag bei der NSDAP unterschrieben (Mitgliedsnummer 2.134.221). In der Partei nannte man diese Opportunisten mit einem Beitritt nach der Reichstagswahl im März 1933 ironisch „Märzgefallene“. 1939, da stand er gerade vor dem Weggang als Musikalischer Oberleiter nach Dortmund, wurde er vom NS-Gaugericht aus der Mitgliederliste gestrichen. Nach dem Krieg begründete Riede das mit seinem Oppositionsgeist. Eine zeitgeschichtliche Untersuchung bringt den Ausschluss mit einem Verfahren wegen § 175, dem Homosexuellenparagraphen, in Verbindung. Die Quelle ist nicht genannt (es war ein Vortrag, keine Publikation), der Autor ist seriös, aber leider jüngst verstorben. Riede leitete dann im Krieg die Opernhäuser in Gablonz (1940–43) und Reichenberg (1943–45). Gegenüber den früheren Jahren war seine Karriere in der NS-Zeit zwar nicht beendet, aber eher eine Sackgasse als der Pfad in eine glänzende Zukunft. In Reichenberg, wird Riede später nach dem Krieg berichten, verbrannten durch Kriegseinwirkung in seiner Wohnung die Partituren seiner Kompositionen.

Erich Riedes „Riccio“/ Szene/ Foto Vlada Shcholkina
Damit war die einzige Partitur der Oper ‚Riccio‘ ein Häufchen Asche. Ab Februar saß Erich Riede fest, und zwar auf dem Jaudenhof in Lenggries bei Bad Tölz. Wie alle einstigen NSDAP-Mitglieder im Amerikanischen Sektor, war auch Riede ein Arbeitsverbot erteilt worden, bis der Entnazifizierungsprozess abgeschlossen sein würde. Das dauerte bei einer parteipolitisch sehr kleinen Charge wie Riede eher lange. Ironie des Schicksals war, dass er gerade wegen des Berufsverbots zum Organisten bei Gottesdiensten der amerikanischen Besatzungsmacht berufen werden konnte, die sogar in ihrer englischsprachigen Standortzeitung über den „Composer-Conductor“ an der Army-Orgel schrieb. Nicht zuletzt sprach Riede ja ein gutes Englisch. Außerhalb der Gottesdienste hatte er reichlich Zeit: Bis er im März 1947 dann als ‚Gruppe IV – Mitläufer‘ eingestuft worden war, hatte er unter Zuhilfenahme eines Klavierauszugs aus dem André-Archiv den kompletten ‚Riccio‘ neu orchestriert. [RPZ]
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Erich Riedes „Riccio“/ Szene/ Foto Vlada Shcholkina
Nach dem Zweiten Weltkrieg war Erich Riede Kapellmeister am Nationaltheater Mannheim (1949) und „Erster Kapellmeister“ an der Staatsoper Dresden (1950–1952). Dort dirigierte er u. a. eine Festaufführung anlässlich der 1000. Vorstellung der Oper Der Freischütz seit der Uraufführung 1821 in Dresden.
Riede wirkte langjährig als Generalmusikdirektor, u. a. am Theater Dessau (1952–1954). 1953 und 1954 dirigierte er bei den Wagner-Festspielen in Dessau. Ab 1954 war er als „Musikalischer Leiter“ am Pfalztheater Kaiserslautern engagiert. Zum Spielzeitbeginn 1956/57 kam er als GMD an das Opernhaus Nürnberg. 1958 dirigierte er am Opernhaus Nürnberg mit großem Erfolg Alban Bergs Oper Wozzeck. Riede legte während seiner Nürnberger GMD-Zeit einen besonderen Schwerpunkt auf die Aufführung der Werke Richard Wagners. 1963 gastierte er mit dem Ensemble der Nürnberger Oper in Barcelona, wo er Aufführungen von Lohengrin und Die Walküre leitete. 1964 wechselte Riede als GMD an das Mainfranken Theater Würzburg; dort blieb er bis zu seiner Pensionierung. Nach seiner Pensionierung kehrte Riede nach Nürnberg zurück, wo er am Konservatorium Nürnberg eine Meisterklasse in Opernkomposition unterrichtete. Riede komponierte u. a. Orchesterstücke, Lieder und die heute vergessene Oper König Lustik (Uraufführung 1951; Staatstheater Kassel). (Wikipedia)
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Am 26. Oktober 1947 ging für die Oper ‚Riccio‘ von Erich Riede und Martha Wertheimer am Landestheater Coburg erstmals der Vorhang auf. Laut zeitgenössischer Presse war es die erste Opern-Uraufführung in Bayern nach dem Zweiten Weltkrieg. Am 26. Februar 1950 war die Premiere einer weiteren Inszenierung am weit größeren Nationaltheater Mannheim. Beide Inszenierungen erlebten eine Reihe von Aufführungen und ein umfangreiches Presseecho. Die jüdische Gemeinde in Frankfurt bemühte sich (auf eine Korrespondenz mit Riede hin) damals erfolglos um eine Inszenierung an der Oper Frankfurt. [RPZ]
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Zu Erich Riedes „Riccio“/ Premiere 1947 am Landestheater Coburg/Veste Kunstsammlungen
Zur Musik sagt der Komponist und Pianist Olaf Joksch-Weinandy im Gespräch mit Ralph Philipp Ziegler, Städtischer Kulturamtsleiter der Stadt Offenbach und aktiver Wiederentdecker der Oper „Riccio“: Es begann damit, dass ich über die pianistisch knifflige Orchestereinleitung stolperte. Die kurze, aber heftige Ouvertüre ist ein virtuoses Wechselbad musikalischer Einfälle aus Spätromantik und Moderne – meist auf drei, statt wie normal auf zwei Notensystemen notiert. Nach dem Durchspielen und Lesen des ganzen Klavierauszuges mein erstes Résumé: Sehr viele Fragezeichen – aber sehr, sehr interessant!
(…) Ich hatte zu Beginn ja noch nicht einmal eine Ahnung, wer der Komponist Erich Riede war, auch nicht, welche Geschichte der Oper zu Grunde liegt. Lediglich die Librettistin Martha Wertheimer war mir ein Begriff. Überrascht war ich dann beim Stöbern, dass das Thema der Ermordung des Privatsekretärs von Königin Maria Stuart schon öfter ein Opernstoff war. Auch Stefan Zweig geht in seinem umfassenden Buch über Maria Stuart auf dieses Thema im achten Kapitel ‚Die Schicksalsnacht von Holyrood‘ ausführlich ein. Zweigs Studie ist aber von 1935. Marta Wertheimer wurde zu ihrem „Riccio“-Text sicher aus einem der zahlreichen älteren Bücher über die Schottische Königin angeregt und verlagert das Geschehen, das konkret am 9. März 1566 stattfand, stimmungshalber auf „einen dunklen, kalten Herbsttag“. (…) Martha Wertheimers Text ist voller Weihrauch und religiöser Symbolik. Das Ganze erinnert an die großen, schwärmerischen Gefühlsausbrüche und die überspitzte Sinnlichkeit der Dichter des Symbolismus und der Décadence. (…)

Zu Erich Riedes „Riccio“/ das Offenbacher Capitol, eine ehemalige Synagoge, bietet den Rahmen für die Classic Lounge/ Offenbach.de/ stadtwerke
Ich finde die Musik des jungen Riede (er war damals ja erst Anfang 20!) äußerst selbstbewusst und selbständig. Er kennt sich in der Musikgeschichte und der Musik seiner Zeit bestens aus und wenn man sucht und unbedingt vergleichen möchte, dann finden sich Anklänge an die kalte Archaik Mussorgskys, impressionistische Passagen eines Debussy, Zitate barocker Tänze und modernes, expressives Aufbrausen mit angeschärfter Tonalität – etwa eines Richard Strauss. Riede erschafft aber aus all dem eine ganz eigene, sinnliche, bildhafte, ausdrucksstarke und kraftvolle Musik – die mich in ihrer fesselnden Direktheit auch etwas an Filmmusik erinnert. Das Ganze ist zudem noch absolut raffiniert instrumentiert. Die Musik überdeckt nie den Gesang. Es kommt, nicht zuletzt auch dank des spannenden Bühnengeschehens und dem Höhepunkt in einem grausamen Mord auch musikalisch ganz und gar keine Langeweile auf… (…)
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Zur Aufführung im November 2025 in Offenbach: (…) Hohen Anteil am Erfolg dieses Fundstücks aus dem traditionsreichen André-Musikverlag hatte das Bestform bezeugende Capitol Symphonie Orchester mit Gastdirigent Yuval Zorn, der die zwischen Spätromantik und früher Moderne changierende Musik des jungen, in Offenbach aufgewachsenen Komponisten und Orchesterleiters Riede klanglich zu kanalisieren und dramatisch zu forcieren verstand. Als großartige Tragödin erwies sich die stimmstarke Sopranistin Rinnat Moriah in der Rolle der leidgeprüften Königin Maria, am Ende mit Bravos bedacht. Originell und stimmig auch die Videoprojektionen von Tim Seger und Leyla Amal Cho, der konzertanten Opernaufführung eine Art filmisch bewegtes Bühnenbild zuspielend. (…)

Erich Riedes „Riccio“/ Szene/ Foto Vlada Shcholkina
Los geht es mit einem schrägen Orchester-Fortissimo, das Unheil verspricht, während auf den Projektions-Leinwänden Unwetter herrscht. Wenn Duncan (Gleb Ivanov mit einschmeichelndem Bariton) und der Earl von Bothwell (Bariton Johannes Schwarz, stimmlich souverän) beim König (ein unverhofftes Wiedersehen mit Simon Bailey, dessen hochwertiger Bassbariton lange Jahre die Oper Frankfurt beflügelte) den Sänger Riccio schmähen, sorgen bewegliche Hochhaustürme per Video für eine bedrohliche Atmosphäre. „Goldtropfen rannen aus blassen Wolken, fielen in sehnende Lilienkelche“ – absolut begeistert ist Maria vom Gesang des Riccio, anmutig begleitet von den Chordamen Magdalene Tomczuk, Konstanze Schlaud, Julia Mattheis und Hyowon Jung. Reines Dur ist angesagt in leidenschaftlichen, impressionistisch zerfließenden Klängen des Orchesters, das makellos und intensiv im Ausdruck aufspielt. Szenisch auf Diät, will heißen vor räumlich getrennten Notenpulten stehend, kommen die Liebenden einander allmählich näher. Dann strahlt Rinnat Moriahs selbst im Mezza voce noch klanglich glühender, glockenklarer Sopran starke Leidenschaftlichkeit ab. Schon als Kirchensänger feinfühlig intonierend, erreicht Riccio-Tristan Blanchets warm timbrierter Tenor auch mühelos die Spitzentöne.
Mord und Totschlag bewirken dann einen massiven musikalischen Szenenwechsel. Klanglich tun sich tiefe Krater auf, Komponist Riede ist nach spätromantischer Idylle in der klassischen Moderne angekommen, das Orchester auf expressivem, hochdramatischem Kurs. Und Königin Maria wird zur Furie, ihren Sopran in höchster Lage strapazierend und einen zu Herzen gehenden Abgesang auf ihre große Liebe anstimmend. Während die Wachen Pere Pou Llompart, André Lopes, Isaac Tolley und David Hong einen dunkel dräuenden Extrachor abgeben und auf den Leinwänden wieder Unwetter einsetzt.
Das sind Streiflichter einer selbst halbszenisch fesselnden Operntragödie, deren großer Aufwand sich wahrlich gelohnt hat. Und einem gebührt ein besonderes Lob. Ralph Philipp Ziegler war nicht nur auf Trüffelsuche im André-Archiv erfolgreich, sondern hat diese für Offenbach einmalige Opernproduktion mithilfe vieler wohlwollender Sponsoren auch durchgesetzt. Für nur einen Opernabend eigentlich viel zu schade. Klaus Ackermann (OP-online)
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Erich Riedes „Riccio“/ das gedruckte Libretto von 1929/ Jüdisches Museum Frankfurt
Zur Handlung: Um ihr Drama auf einen einzigen Akt konzentrieren zu können, hat die Librettistin Martha Wertheimer die historischen Tatsachen leicht abgewandelt: Während der reale Lautenist, Sänger und Komponist David Rizzio fünf Jahre in den Diensten der schottischen Königin gestanden hatte, bevor ihn – ärger noch als Julius Cäsar – eine Horde bewaffneter Gewalttäter erdolchte, spielt das Bühnenwerk an einem einzigen Tag. Königin Mary Stuart hört beim (katholischen) Gottesdienst den himmlischen Gesang des Titelhelden. Ihr Gemahl Lord Darnley gesteht ihr seine Liebe und räumt ein, dass es ihm, einem Recken vom Scheitel bis zur Sohle, an der zwischenmenschlichen Zartheit gebricht, um seine Gefühle angemessen zum Ausdruck zu bringen. Aber eben danach sehnt sich die hohe Dame, und so kommt es zwangsläufig zum Ausbruch höchster Leidenschaften: Mary und Riccio verschwinden im Gemach der Königin. Indessen feiert das Schloss ein Fest, wobei James Hepburn, der vierte Earl of Bothwell, von Darnley verlangt, den Rivalen ins Jenseits zu befördern, auf dass er nicht als königlicher Hahnrei dastehe. Darnley bringt für seine Gattin ein gewisses Verständnis auf, gibt aber aus Gründen der Ehre dem Ansinnen nach und setzt zwei Meuchler auf den Italiener an. Riccio stirbt in Marys Armen, die verzweifelte Königin erteilt Bothwell den Befehl, ihren inzwischen entflohenen Ehemann zu töten. Als dieser sich anschickt, dem Übeltäter nachzusetzen und wissen will, was dann werde, versetzt sie: „Ich weiß nicht“ – ein dezenter Hinweis darauf, dass Bothwell (in der historischen Wirklichkeit) nach Darnleys Tod Marys dritter Ehemann werden wird. (Pro Classics)
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Die Texte zur Aufführung, zum Komponisten und der Librettistin sowie die Einschätzung zur Musik von Olaf Joksch-Weinandy entnahmen wir dem Programmheft. Dank auch an Klaus Ackermann, Ralph Philipp Ziegler sowie besonders an Angela van den Hoogen von der Agentur Pro Classics für die substanzielle Hilfe zur Informationsbeschaffung. Foto oben: Ian Holm/Rizzio und Timothy Dalton/Dudley in dem Film Mary Stuart, 1971/ImDB. G. H.
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Zu Erich Riedes „Riccio“/ Portrait of a Man known as David Rizzio ca 1620/Wikipedia
Und noch einmal Historisches: David Riccio di Pancaliere in Piemont war ein italienischer Höfling, geboren in der Nähe von Turin, ein Nachkomme der Riccio-Grafen von San Paolo et Solbrito. Als junger Mann ging er von Turin nach Nizza, um eine Stelle am Hof des Herzogs von Savoyen zu suchen. Da er keine Aufstiegsmöglichkeiten fand, wurde er 1561 in den Gefolge von Robertino Solaro, Graf Moretta, aufgenommen, der zum Botschafter des Herzogs in Schottland ernannt worden war. Nach seiner Ankunft um 1562 suchte er eine Anstellung bei Maria Stuart. Obwohl keine offizielle Stelle verfügbar war, war er ein ausgezeichneter Sänger und Lautenspieler und freundete sich mit drei Kammerdienern an, die als Musiker mit Maria aus Frankreich gereist waren. Da sie eine gute Bassstimme brauchten, um ein Quartett zu bilden, überredeten sie Maria, ihn anzustellen. Melville beschrieb ihn als fröhlichen Kerl, aber abscheulich hässlich und deformiert (wahrscheinlich ein Buckliger), der jedoch eine Vorliebe für extravagante Kleidung hatte. George Buchanan behauptete gehässig, dass „sein Aussehen seine Eleganz entstellte”. Dennoch war er ein unterhaltsamer Geschichtenerzähler, loyal und diskret zugleich.
Im Dezember 1564 entließ Maria ihren französischen Sekretär, und dessen Weggang ebnete Riccio den Weg zu seiner Anstellung. Dass er kein gutes Französisch schreiben konnte, sodass Maria oft die Korrespondenz umformulieren musste, schien sie nicht zu stören. Bald kontrollierte er den Zugang zu ihr und nahm ungehemmt Bestechungsgelder an, mit denen er zweifellos seine extravagante Garderobe finanzierte. Als er in seiner neuen Rolle immer arroganter und gieriger wurde, betrachteten ihn ihre schottischen Höflinge als „gerissenen, listigen Ausländer” und bezeichneten ihn abfällig als Seigneur Davie. Es wurde sogar vermutet, dass er ein Spion des Papstes war, aber dafür gibt es keine Beweise. Nach seiner Ermordung wurden unter seinen Besitztümern 2.000 Pfund gefunden, die er unmöglich mit seinem Gehalt von 80 Pfund pro Jahr angehäuft haben konnte.

Riedes „Riccio“/ ‘The Murder of Rizzio’ (1787) by John Opie/Hardcoreitalians
Als Lord Darnley 1565 in Schottland ankam, war Riccio einer der engsten Vertrauten Marias. Darnley und Riccio wurden bald Freunde, vielleicht weil sie beide versierte Lautenspieler waren. Riccio brauchte dringend Verbündete, und ihre Freundschaft entstand aus gegenseitigem Interesse. Riccio brauchte den Earl of Lennox und Darnley, um seine Position zu sichern, während er seinerseits alles tat, um Zu Erich Darnley als Marys Ehemann zu fördern. Er wurde in Darnleys „Tafel, seine Gemächer und seine geheimsten Gedanken” aufgenommen. Sie „lagen sogar zusammen in einem Bett”, was als Beweis für eine homosexuelle Beziehung gewertet werden muss.
Die Lords, die gegen die Ehe mit Darnley waren, waren schockiert über die sich entwickelnde Dreiecksbeziehung zwischen Maria, Riccio und Darnley. Mit zunehmendem Einfluss ermutigte Riccio Maria, dem Earl of Moray und William Maitland die Kontrolle über ihre Regierung zu entreißen. Er überzeugte sie davon, dass die Ehe mit Darnley sie von deren Kontrolle befreien würde. Laut George Buchanan, der den Lennoxes nahestand, war Riccio „auch eifrig bemüht, Zwietracht zwischen Darnley und Moray zu säen“. Als Maria ihnen gegenüber unzufrieden wurde, schickte sie Maitland auf Auslandsreisen, um für die Heirat zu werben, was Riccio die Möglichkeit gab, Maitlands Position als Staatssekretär zu übernehmen. Er wurde in den Geheimen Rat berufen, und Mary kann für ihren unverzeihlichen Mangel an Urteilsvermögen verantwortlich gemacht werden, dass sie einem Hofmusiker von zweifelhafter Integrität die Rolle ihres vertrauenswürdigsten und erfahrensten Beraters überließ. Dennoch blieb sie ihm weiterhin eng verbunden. Es heißt, dass Marys Verlobungsfeier mit Darnley (nach der ihnen Geschlechtsverkehr gestattet war) in Riccios Gemächern in Holyrood stattfand, „in Anwesenheit von nicht mehr als sieben Personen“.

Riedes „Riccio“/ Francois Lulvès: The Murder of David Rizzio/ JPC
Sobald Darnley mit Mary verheiratet war, hatten die Regierungsmitglieder zwei Dinge gemeinsam: Sie waren römisch-katholisch und Freunde von Darnley. Riccio fügte sich problemlos in diese Gruppe ein, aber keiner von ihnen war ein Ersatz für Moray oder Maitland. Obwohl Riccio als ihr Staatssekretär fungierte, wurde er nie offiziell dazu ernannt. Dennoch wurde er zum „einzigen Gouverneur” des Königs, der „alles” in seinen Beratungen „bearbeitet”. Er nutzte die Abwesenheit des Königs auf Jagdausflügen, indem er sich einen Stahlabdruck seiner Unterschrift anfertigen ließ, den er als Unterschrift verwenden konnte. Maria vertraute ihm; er hatte viel dazu beigetragen, die Hindernisse für ihre Heirat aus dem Weg zu räumen, und sie genoss seine Gesellschaft, wenn der König nicht da war. Er war gesellig, spielte oft Karten oder musizierte mit ihr bis spät in den Abend hinein. Als Marys Beziehung zum König sich verschlechterte, wuchs ihre Freundschaft zu Riccio. Auch wenn sie ihn vielleicht fälschlicherweise befördert hatte, ist es unwahrscheinlich, dass ihre Verbindung etwas Unangemessenes an sich hatte. Im Herbst 1565 und Frühjahr 1566 war sie schwanger und ziemlich unwohl, und er war kein Adonis, sondern ein Buckliger, der fast einen Fuß kleiner war als sie und ein „unattraktives“ Gesicht hatte. Dennoch kam es Marys Feinden gelegen, zu suggerieren, dass ihre Beziehung mehr war, als man auf den ersten Blick sehen konnte, und sowohl Thomas Randolph, der englische Botschafter, als auch Maitland sahen es als Sprengstoff an, sollte der König davon Wind bekommen. Randolph, der Riccio später als „schmutzigen Ehebrecher” bezeichnete, deutete an, dass hinter Morays Abkehr von Mary etwas viel Dunkleres steckte als seine persönliche Ambition und sein Hass auf den König, wollte seine Gedanken jedoch nicht schriftlich festhalten. Es wurde interpretiert, dass Moray glaubte, Mary habe eine Affäre mit Riccio gehabt, aber es gibt keine Beweise dafür, und es ist sicher, dass sie nur nach Gesellschaft suchte.

Zu Erich Riedes „Riccio“: Mary Stuart and David Rizzio – Marie (Mary) Iere Stuart (1542-1587) with David (Davide) Rizzio – 19th century/ROTMG : OP.1977.202/Rotherham Museums, Arts and Heritage
Elizabeth I. in England tat, was sie konnte, um Morays Rehabilitierung zu fördern, aber Moray musste sich mit Riccio auseinandersetzen. Er bot ihm 5.000 Pfund an, um seine Begnadigung zu erwirken. Riccio, der bereits die Zustimmung des Parlaments suchte, um alle Ländereien der dissidenten Adligen zu beschlagnahmen, verlangte 20.000 Pfund. Die protestantischen Lords wollten einen Sündenbock für den Schritt zum Katholizismus, und Riccio war der offensichtliche Kandidat. Man glaubte, dass er „geheime Verbindungen zum Vatikan hatte”. Doch da Mary immer isolierter wurde, verließ sie sich umso mehr auf ihn. Er hatte „die gesamte Führung der Königin und des Landes” inne. Er sorgte dafür, dass Maitland außen vor blieb und verhinderte MoraysZu Rückkehr aus dem Exil. Maitland war nicht bereit, den Verlust seiner Position als Staatssekretär kampflos hinzunehmen. Auch er verbreitete die Geschichte, Riccio habe eine Affäre mit Mary, und glaubte, dieser habe ihm seine rechtmäßige Rolle weggenommen. Er war der Architekt der Pläne, ihn zu ermorden und Darnley vom Thron zu entfernen. Er erkannte, dass seine eigene Rehabilitierung davon abhing, den Würgegriff der katholischen Minister um die Königin zu brechen. Dazu wäre die Wiedereinsetzung von Moray erforderlich, aber er begann zu verzweifeln, wie er dies erreichen könnte. Abgesehen von seinem Wunsch, wieder als Staatssekretär eingesetzt zu werden, sah er die Entfernung Riccios als einen wesentlichen Schritt, um eine weitere Verschlechterung der Macht der protestantischen Adligen zu verhindern. Am 9. Februar 1666 schrieb er an William Cecil, den englischen Staatssekretär: Alles kann wieder in den früheren Zustand zurückversetzt werden, wenn der richtige Weg eingeschlagen wird … Ich sehe keinen sicheren Weg, es sei denn, wir schlagen an der Wurzel zu – Sie wissen, wo diese liegt, und soweit ich das beurteilen kann, ist die Gefahr von Unannehmlichkeiten umso geringer, je früher alles geregelt wird.
Er suchte Cecils Zustimmung, um Riccios Ermordung zu arrangieren. Es gab viele Debatten darüber, was Maitland genau mit „an der Wurzel“ meinte. Angesichts seiner engen Verbindung zu Mary Fleming, einer der Maries, ist es unwahrscheinlich, dass er zu diesem Zeitpunkt versuchte, Mary zu stürzen oder sogar ihre Ermordung anzustreben. Es ist jedoch sicherer, dass der König die Unterstützung seines Vaters hatte, um den Mord an Riccio als Mittel zum Sturz der Königin zu nutzen. Nachdem der Plan ausgeheckt war, schrieb Randolph an Cecil:“ Ich weiß, dass Vater und Sohn gemeinsam Pläne schmieden, um gegen ihren Willen die Krone an sich zu reißen. Ich weiß, dass David, wenn das, was beabsichtigt ist, Wirkung zeigt, mit Zustimmung des Königs innerhalb dieser zehn Tage die Kehle durchgeschnitten werden soll. Viele Dinge, die noch schlimmer und schrecklicher sind als diese, sind mir zu Ohren gekommen, ja, sogar Dinge, die gegen ihre eigene Person gerichtet sind.

Zu Riedes „Riccio“: David Rizzio – The musician who won a queen\’s favour (colour litho) by Tennant, C. Dudley (1867-1952); Private Collection; (add.info.: David Rizzio: The musician who won a queen\’s favour. Illustration from Cassell\’s Book of Knowledge (c 1910).); Look and Learn.
Maitland spielte mit dem Ehrgeiz des Königs, die Krone der Ehe zu erhalten. Er deutete an, dass es Riccio war, der Mary davon abhielt, ihm diesen begehrten Status zu gewähren. Er deutete auch an, dass Marys enge Freundschaft mit Riccio mehr als die zwischen einer Königin und ihrem Sekretär war, und stellte sogar die Vaterschaft von Marys ungeborenem Kind in Frage. In Frankreich erreichten Catherine de Medici Gerüchte, dass der König eines Abends spät zu Marys Gemächern zurückgekehrt sei und die Tür verschlossen vorgefunden habe. Nachdem er lautstark Einlass verlangt hatte, fand er Riccio in einem Nachthemd, der sich in einem Schrank versteckt hielt. Dies erscheint höchst unwahrscheinlich, da Riccio eine solche Begegnung kaum überlebt hätte und der König dies nie berichtet hat, selbst als er den Mord rechtfertigen musste. Randolph und der Earl of Bedford, die jede Andeutung von Ehebruch ausnutzen wollten, behaupteten, „dass David zwei Monate lang mehr Gesellschaft von ihrem Körper hatte als er“. Obwohl eine sexuelle Beziehung unwahrscheinlich erscheint, besteht kein Zweifel daran, dass der König übermäßig eifersüchtig auf ihre enge Verbindung wurde. Trotz ihrer anfänglichen Freundschaft glaubte er nun, dass Riccio ihm die politische Einflussposition wegnahm, die ihm selbst zugestanden hätte.
Sobald der König für den Plan gewonnen war, wandte er sich an seine Verwandten aus dem Hause Douglas, um die Angelegenheit zu regeln, und der Earl of Morton und Lord Ruthven trafen die notwendigen Vorkehrungen. Morton sah darin eine Gelegenheit, eine mächtige Position zu erlangen, und ließ sich von Maitland überreden, die offensichtliche Verleumdung der Ehre der Douglas durch die Freundschaft der Königin mit Riccio auszunutzen. Er erkannte jedoch, dass Morays Rehabilitierung notwendig sein würde, um die allgemeine Unterstützung des Adels zu gewinnen.
Sowohl Randolph als auch Bedford waren über die Vorkehrungen gut informiert. Randolph versorgte Cecil mit allen Einzelheiten des Plans und teilte ihm mit, dass Moray beabsichtigte, am Tag nach dem Mord in Edinburgh einzutreffen. Die meisten Leute schienen zu wissen, was vor sich ging. Es handelte sich nicht einfach um einen Plan, Riccio zu ermorden, sondern das Ziel war, den König zu diskreditieren und Moray und Maitland wieder an die Macht zu bringen. Es könnte sogar dazu führen, dass der eigensinnige König und die Königin unter Hausarrest gestellt werden.
Da er seine eigenen Unzulänglichkeiten nicht erkannte und „von seiner eigenen Arroganz geblendet” war, gab Darnley Riccio die Schuld dafür, dass er aus der Regierung ausgeschlossen worden war. Er wollte die Krone für sich selbst und wollte Rache. Die unzufriedenen Adligen waren nur allzu bereit, den Mord zu unterstützen. Seine Jugend und Unerfahrenheit machten ihn zu Wachs in den Händen der skrupellosen, machthungrigen Männer, die ihn umzingelten, und so würde er sich als ihre gefährlichste Waffe erweisen.

Zu Erich Riedes „Riccio“: Mary Queen of SScotland encounters Rizzio/ Holzstich von John S. Davis/ world4.eu
Er glaubte, dass die Krone ihn zur dominierenden Kraft in seiner Partnerschaft mit Mary machen würde. Auch ohne sie waren die Lennoxes in der Lage, die Krone für sich zu beanspruchen, sollte Maria ohne Erben sterben. Da der Herzog von Châtelherault im Exil in Frankreich lebte, mussten sie nur seine Unehelichkeit anführen. Diejenigen, die ihn ermutigten, schmeichelten sich bereitwillig diesen Ambitionen an. Ihr Ziel war es, Marias katholische Berater zu stürzen und so die Religionsfreiheit und ihre Ländereien zurückzugewinnen. Die Beteiligung des Königs bot ihnen praktischerweise Immunität vor Strafverfolgung. Dennoch würden sie ihm niemals erlauben, als etwas anderes als ihre Marionette zu regieren.
Obwohl Maitland ursprünglich den Plan ausgeheckt hatte, achtete er darauf, sich zum Zeitpunkt der Tat nicht in der Nähe aufzuhalten. Er legte Wert darauf, am Abend des Mordes mit den Adligen aus dem Umfeld der Königin in Holyrood zu speisen. Dies allein kann bereits als verdächtig angesehen werden und lässt vermuten, dass er versuchte, sie aus dem Weg zu halten. Die anderen Verschwörer, insbesondere der König, nannten ihn später alle als seinen engen Komplizen, was zur Einziehung seiner Ländereien führte.
Antonia Fraser hat darauf hingewiesen, dass es, wenn ihr Ziel nur darin bestanden hätte, Riccio zu ermorden, relativ einfacher gewesen wäre, dies außerhalb von Edinburgh zu tun, und dass es dafür reichlich Gelegenheiten gegeben hätte. Mortons ursprünglicher Plan war es, Riccio in seinen Gemächern in Holyrood zu fassen. Es scheint jedoch, dass der König den damit verbundenen Tod der Königin und ihres ungeborenen Kindes nicht ablehnte. Durch die Begehung des Verbrechens in ihrer Gegenwart bestand die realistische Erwartung, dass der Schock zu einer Fehlgeburt führen würde, und eine Fehlgeburt in der Mitte der Schwangerschaft führte unweigerlich zum Tod der Mutter. Selbst Randolph verstand dieses Ziel. Der König arrangierte, dass der Mord bei einem privaten Abendessen stattfand, das die Königin in Holyrood gab. Obwohl die anderen Verschwörer dies niemals zulassen würden, glaubte er, dass er auf den Thron erhoben werden würde, wenn Maria starb. Sie spielten sein verräterisches Vorhaben mit, da es einen legitimen Grund für seine zukünftige Absetzung liefern würde. Falls Maria das Komplott überleben sollte, hatten die Verschwörer beschlossen, sie bis zur Geburt ihres Kindes in Stirling gefangen zu halten. Durch die Verwicklung von Darnley hatte Moray alle Hoffnung, an die Macht zu gelangen.

Zu Erich Riedes „Riccio“: Mary I of Scotland with David Riccio, 1542-1587/ History of Scotland
Die Verschwörer vertrauten dem König nicht und bestanden darauf, dass er eine Verpflichtungserklärung unterzeichnete. Sie wollten nicht, dass er später jegliche Kenntnis von der Verschwörung leugnete oder „behauptete, andere hätten ihn dazu überredet“. Am 1. März unterzeichnete er ein Dokument, in dem er bestätigte, dass er der Hauptinitiator des Plans zur Ermordung des „bösen, gottlosen Riccio“ war, auch wenn „die Tat möglicherweise in Anwesenheit Ihrer Majestät, der Königin, stattfinden würde“. Er übernahm die volle Verantwortung dafür, trotz der offensichtlichen Bedenken von Morton und Ruthven. Das Dokument wurde auch von allen aktiv Beteiligten unterzeichnet, darunter Morton und Ruthven. Sie sollten „weder Leben noch Gliedmaßen verschonen, um alles zu tun, was zur Förderung seiner [des Königs] Ehre beitragen könnte“. Die Vereinbarung bestätigte, dass dem König die Krone angeboten werden würde, im Gegenzug dafür, dass er ihnen vergibt und sie schützt und die Rückkehr der Verbannten erlaubt. Er versicherte, dass der Protestantismus trotz seiner öffentlichen Bekundungen des Katholizismus beibehalten werden würde. Er war völlig doppelzüngig.
Am Morgen des 9. März spielte der König mit Riccio Tennis, vermutlich um jeglichen Verdacht auszuräumen, und am Abend gab Mary ein kleines Familienessen in Holyrood in einem kleinen Raum neben ihrem Schlafzimmer. Riccio erschien in einem mit Pelz verzierten Damastgewand über einem Satindoppelrock und rostbraunen Samthosen. Er trug eine Kappe, die er in ihrer Gegenwart nicht abnahm, wie er es hätte tun sollen. Zur großen Überraschung der Gäste gesellte sich der König zu ihnen und setzte sich neben Mary. Er war freundlich und wurde gut aufgenommen, doch plötzlich erschien Ruthven mit einem Helm und einer Rüstung unter seinem Umhang. Er verlangte, dass Riccio, der sich hinter der Königin versteckte, ausgeliefert werde. Mary verlangte zu erfahren, welches Vergehen Riccio begangen hatte. Er antwortete ihr: „Er hat Eure Ehre verletzt, doch ich wage es nicht, darüber zu sprechen.“ Er beschuldigte Riccio außerdem, die Gewährung der Kronvermählung durch den König behindert und viele der Lords mit dem Plan, ihnen ihre Ländereien zu entziehen, verbannt zu haben. Mary antwortete, dass Riccio, wenn er Unrecht getan habe, vor Gericht gestellt werden solle. Sie fragte den König, ob Ruthven auf seine Anweisung hin handelte, aber er bestritt jede Beteiligung. Die Gäste des Abendessens versuchten, Ruthven zu überwältigen, aber er zog eine Pistole und ging mit seinem Dolch auf Riccio zu, der sich immer noch hinter Mary in der Fensternische versteckte. Ruthven schubste die Königin aus dem Weg und sagte ihr, dass er mit Zustimmung des Königs handele. Andere Verschwörer tauchten auf, und einer ergriff den Dolch des Königs und stieß ihn Riccio so nahe an der Königin entgegen. Melville behauptete, dass der Dolch „in ihm stecken geblieben“ sei. Auf den Knien und an den Röcken der Königin festhaltend, schrie Riccio: „Gerechtigkeit! Gerechtigkeit! Retten Sie mich, meine Dame! Ich bin ein sterbender Mann. Verschonen Sie mein Leben!“ Doch der König bog seine Finger zurück, während andere ihn aus dem Raum zerrten.

Zu Erich Riede „Riccio“: British (Scottish) School; Henry Stuart (1545-1567), Lord Darnley, and Mary, Queen of Scots (1542-1587); National Trust, Hardwick Hall; Wkipedia
Riccio scheint durch das Schlafgemach der Königin in den Audienzsaal gezogen worden zu sein, wo bewaffnete Männer warteten. Sie waren „so vehement gegen David aufgebracht, dass sie es nicht länger aushalten konnten“. Morton und mehr als ein Dutzend Anhänger erstachen ihn brutal. An seinem Körper wurden zwischen dreiundfünfzig und sechzig Wunden gefunden. Die Verschwörer ließen den Dolch des Königs in Riccios Seite stecken. Darnley veranlasste, dass Riccios zerfleischter Leichnam aus dem Audienzsaal entfernt wurde. Er wurde die Treppe hinuntergeworfen und auf einer Holzkiste in der Portierloge abgelegt. Der Porter entfernte den Dolch des Königs und zog ihm die kostbaren Kleider aus. Am nächsten Tag wurde seine Leiche still auf dem Canongate-Friedhof in der Nähe des Tors zur Holyrood Abbey beigesetzt. Mary veranlasste später, dass sein Leichnam mit allen katholischen Ehren in einem „schönen Grab“ in der Abteikirche von Holyrood wiederbestattet wurde.
Trotz Riccios Tod wurde keines der Ziele der Verschwörung erreicht. Der König erhielt nicht die Krone der Ehe. Mary erlitt keine Fehlgeburt, schaffte es jedoch, den König von seinen Mitverschwörern zu trennen und mit Hilfe des Earl of Bothwell nach Dunbar zu fliehen. Nun war es Bothwell und nicht mehr Moray, der das Ohr der Königin hatte. Maria konnte Darnley nicht wegen seiner verräterischen Beteiligung anklagen, ohne die Legitimität ihres ungeborenen Kindes zu gefährden, aber die übrigen Verschwörer wurden für schuldig befunden und ins Exil geschickt. Obwohl es keine konkreten Beweise für die Beteiligung von Maitland gab, wurde auch er für schuldig befunden und zog sich in den Norden zurück. (MaryQueenofScots.net/DeepL)
