Archiv des Autors: Geerd Heinsen

Liebesgabe

 

Eher sich selbst als dem potentiellen Hörer ein Geschenk macht Katerina Mina mit ihrer CD Angel of Fire, Titel auch eines aus ihrer Feder stammenden Gedichts, einem der zehn Tracks, die einen weiten Bogen spannen von Beethoven bis Barber und von Verdi bis Hodel. Das Recht zum Vorstellen auch von Unvollkommenem gibt ihr ihr schweres Schicksal: eine heimtückische Krankheit zwang sie dazu, ihre Karriere als Sängerin abzubrechen und sich für zehn Jahre nur ihrer Genesung zu widmen. Danach, so beschreibt das Booklet, soll sich ihre Stimme mit Hilfe erfahrener Gesangslehrer  zu der eines Spintosoprans entwickelt haben.  Das erweist sich als ebenso anfechtbar wie ihre Behauptung, bei den von ihr auf der CD vorgestellten Mädchen und Frauen handle es sich durchweg um starke Persönlichkeiten, was man zumindest Manon Lescaut und Elsa nicht ohne weiteres zugestehen möchte. Doch das allein wäre kein berechtigter Einwand gegen die CD als Ganzes.

Es beginnt mit der Pace-Arie aus Verdis La Forza del Destino, zu der der kristalline Klang der Stimme nicht recht passen mag, sie zu körperlos und was der Italiener acerba ( das Gegenteil von reif) nennt, klingt, zwar die Höhe da ist, nicht aber die Wärme und Rundung einer Verdi-Stimme. Es folgt die Arie der Maddalena, die hier so klingt, wie man sich den Charakter der Figur im ersten Akt vorstellt: ein unbedarftes Mädchen, zu dem „La mamma morta“ nicht passt. Gar nun für die Fidelio-Leonore und ihr „Abscheulicher…“ ist der Sopran viel zu klein, zu brav klingend, zu kontrastreich gegenüber dem dunklen Ton der Bläser, und „Ich folg‘ dem innern Triebe“ bringt die Sängerin nicht nur an ihre Grenzen, sondern lässt sie davor scheitern. Den vielfältigen Orchesterfarben hat sie einfach nichts entgegen zu setzen. Die unerweckte jungfräuliche Elsa passt vom Charakter her am ehesten zur Sopranstimme, nicht aber zur recht verwaschenen Diktion. Das zarte Stimmpflänzchen vermag auch Adriana Lecouvreur nicht gerecht zu werden, die „Umile ancella“ klingt naiv-empfindsam, nicht aber wie das Bekenntnis einer raffinierten Künstlerin. Manons „Non voglio morir“‘ ist ein mörderischer Kraftakt für eine Stimme, der Massenets Manon vielleicht eher angestanden hätte. Spitze Schreie gehören nichts ins „Vissi d’arte“.

Besser gefallen kann die Klage der Andromache von Samuel Barber, in der der Gestaltungswille der Sängerin zu bewundern ist, ebenso wie in den beiden Liedern, deren Text sie selbst geschrieben hat, Angel of Fire und Love, in Musik gesetzt vom Cross-Over-Komponisten Stephan Hodel. Hier sollte die Sängerin ihr Betätigungsfeld sehen, nicht in unerreichbaren Opernfiguren. Das Royal Philharmonic Orchestra unter Grzegorz Nowak begleitet sensibel (RPO SP 057). Ingrid Wanja  

     

Bonaldo Giaiotti

 

Der italienische Opernsänger Bonaldo Giaiotti starb 13. Juni 2018 im Alter von 85 Jahren in Mailand. Das berichteten italienische Medien. Der in Udine geborene Künstler zählte zu den wichtigsten Bässen seiner Generation. Sein Debüt gab Giaiotti 1958 am Teatro Nuovo in Mailand. Nach Erfolgen in verschiedenen Opernhäusern in Italien debütierte er in den USA in Cincinnati, als Basilio in „Der Barbier von Sevilla“ im Jahr 1959. Im nächsten Jahr, am 24. Oktober 1960, trat er erstmals an der Metropolitan Opera in New York auf und blieb dort 25 Jahre lang. Er sang rund 30 Rollen in mehr als 300 Vorstellungen. Seine machtvolle Stimme machte ihn zu einem der führenden Sänger seiner Generation. Er absolvierte zahllose Gastauftritte, unter anderem an der Wiener Staatsoper. Von 1963 bis 1995 war er regelmäßig zu Gast in der Arena di Verona. (ORF.at)

 

Bonaldo Giaiotti (* 25. Dezember 1932 in Ziracco, eine Fraktion von Remanzacco bei Udine; † 13. Juni 2018 in Mailand) war ein italienischer Opernsänger (Bass).Bonaldo Giaiotti studierte Gesang in Udine und dann in Mailand bei Bruno Carmassi und Alfredo Strano und debütierte 1958 als Colline in Puccinis La Bohème am Teatro Nuovo in Mailand. Nach weiteren erfolgreichen Auftritten an verschiedenen Opernhäusern in Italien trat er 1959 erstmals in den USA in Cincinnati als Basilio in Il barbiere di Siviglia auf. Am 12. Oktober 1960 gab er sein Debüt an der Metropolitan Opera in New York als Raimondo in Lucia di Lammermoor mit Joan Sutherland in der Titelrolle; Dirigent war Silvio Varviso. Er blieb dem Haus 25 Jahre lang verbunden und sang in mehr als 300 Vorstellungen rund 30 Rollen. Schwerpunkt war das italienische Opernrepertoire, darunter Ramfis in Aida, Timur in Turandot, Padre Guardiano in La forza del destino, Phillip II. in Don Carlo (Foto oben), Ferrando in Il trovatore, Graf Walter in Luisa Miller, Zaccaria in Nabucco, Giorgio in I puritani, Alvise in La Gioconda, aber auch König Heinrich in Lohengrin.

Rino Alessi: BONALDO GIAIOTTI – La voce del Friuli/ L’Orto della Cultura, 2017

Von 1963 bis 2001 trat er regelmäßig in der Arena di Verona auf, wo er auch Rollen früher Verdi-Opern, wie Attila (1985), interpretierte. Gastauftritte führten ihn an die Lyric Opera of Chicago, die Opéra Garnier in Paris, die Wiener Staatsoper, das Teatro Real in Madrid, das Opernhaus Zürich, das Royal Opera House in London, die Deutsche Oper Berlin und die Hamburgische Staatsoper oder das Teatro Colón in Buenos Aires. Am Mailänder Teatro alla Scala debütierte er allerdings erst 1986 als Graf Rodolfo in La sonnambula. Neben Partien des italienischen Fachs übernahm er auch andere Rollen, wie den Hohepriester in Karl Goldmarks Die Königin von Saba (1991 am Teatro Regio (Turin)), Cléomer in Jules Massenets Esclarmonde (1993 am Teatro Massimo (Palermo)), Kardinal Johannes Brogni in Jacques Fromental Halévys La Juive oder Zacharie in Giacomo Meyerbeers Le prophète.

Mit seiner machtvollen Stimme gehörte er zu den führenden Bassisten seiner Generation, der auch als Jurymitglied bei Gesangswettbewerben und als Lehrer tätig war. Anfang Juni führte ein Sturz in seiner Mailänder Wohnung zu einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes und schließlich zum Tod. (Wikipedia)

Vertraut anders

 

Zum Monteverdi-Jahr 2017 veröffentlichte Philippe Jaroussky das Album La Storia di Orfeo mit Musik von Monteverdi, Rossi und Sartorio, in diesem Jahr legt er nun Orfeo ed Euridice von Christoph Willibald Gluck vor. Eine Oper, die oft aufgenommen wurde, auch in historischer Spielweise. Die italienische Originalfassung aus Wien von 1762 bspw. zuletzt mit Franco Fagioli in der Titelrolle bei DG-Archiv (2015), bei der man zusätzlich mit Elementen der französischen Fassung ergänzte, oder René Jacobs‘ gelungene Einspielung von 2001 mit Bernada Fink als Orpheus (harmonia mundi), Orphée et Eurydice von 1774 liegt in der maßgeblichen Einspielung Marc Minkowskis (2002, DG-Archiv) vor. Für die Neueinspielung hat man für Jaroussky eine bisher nicht bekannte Variante gefunden, und zwar die 1774 im Königspalast Palazzo Reale von Neapel gespielte Version. Sie unterscheidet sich von der Wiener Erstaufführung und orientiert sich an einer Aufführung in Parma 1769, für die Gluck Änderungen vorgenommen hatte. Die ursprünglich für den Altkastraten Gaetano Guadagni geschriebene Rolle des Orfeo wurde damals von einem Soprankastraten gesungen. Gluck veränderte auch die Rezitative, vereinfachte die Orchestrierung (u.a. ohne Blechbläser, Flöten und Pauke) und strich instrumentale Stellen und Tänze, bspw. fehlt leider das festlich einleitende Maestoso die beiden Ballo der Schlussszene.

Das Resultat ist in der Gesamtstruktur leicht verändert, Tonhöhe, Tonart und Instrumentierung sind öfters unterschiedlich – ein vertrautes Werk, das etwas anders klingtZwei Nummern wurden für Neapel von einem (laut Beiheft) „adligen Dilettanten“ namens Diego Naselli neu komponiert – eine neue Fassung von „Vieni, appaga il tuo consorte“ sowie als Ersatzarie für „Che fiero momento“ nun „Tu sospiri … ti confondi„. Beide Veränderungen haben keinen positiven Effekt, „Vieni, appaga il tuo consorte“ klingt im Original spannender, „Tu sospiri … ti confondi“ ist kein überzeugender Ersatz für „Che fiero momento“. Es sind solche kleinen Änderungen, die die Version von 1774 gegenüber dem Original abfallen lassen. Orfeo ed Euridice als Ersteinspielung (World premiere recording steht auf der CD) – die Sinnhaftigkeit dieser Version liegt im Zugpferd und scheint eher eine Herzensangelegenheit für Philippe Jaroussky denn die Schließung einer Lücke. Wer als Vergleich die Aufnahme mit Franco Fagioli heranzieht und beide parallel hört, der steht vor der Qual der Wahl – beide Aufnahmen sind sehr gut musiziert und gesungen. Der Klang der Neuaufnahme wirkt frisch und direkt, I Barocchisti unter Diego Fasolis nehmen die Oper oft mit raschen Tempi und teilweise deutlich schneller als bei der französischen Dirigentin Laurence Equilbey und ihres reicher besetzten Insula Orchestra in der pathetischen DG-Archiv Aufnahme, auffällig z.B. bei Orfeos „Chiamo il mio ben cosi„.

Mit knapp 77 Minuten Spieldauer passt diese Neuaufnahme auch aufgrund der Kürzungen auf eine CD. Fasolis betont Kontraste, die Drastik der Unterwelt gelingt ihm eindringlich, Orfeos Reise hat keinen Marmor, instrumental ist die größer besetzte Wiener Version aber hier im Vorteil. Der überzeugend singende Coro della Radiotelevisione Svizzera ist prägnant zur Stelle und ergänzt bspw. Fasolis Unterwelt-Episode auch mit dramatisch herben Tönen. Jaroussky interpretiert den Orfeo mit hoher Stimmkultur und einer schlichten Ergriffenheit, Fagioli ist hingegen pathetischer erschüttert. Beide präsentieren auf ihre charakteristische Weise ein überzeugendes „Che faro senza Euridice“. „Che puro ciel“ gelingt Fagioli betörender, allerdings spielen Fasolis‘ I Barocchisti diese Arie verführerischer. Es scheint eine individuelle Vorliebe, ob man einem der beiden Sänger und einer der beiden Aufnahmen den Vorzug geben möchte. Das gilt auch für die Sängerinnen. Als Euridice hört man die amerikanische Sopranistin Amanda Forsythe, die Ungarin Emöke Baráth singt den Amor. Gegenüber Malin Hartelius und Emmanuelle de Negri (DG-Archiv) haben die beiden Sängerinnen der Neuaufnahme die Nase knapp vorn. Forsythe überzeugt durch Klarheit und Ausdruck, Baráth scheint eine Idealbesetzung zu sein, ihre Stimme hat Fundament und Leuchtkraft. Die „Trionfi amori“ erleichtern ebenfalls nicht die Wahl zwischen den beiden hochkarätigen und sich ergänzenden Einspielungen der aktuell maßgeblichen Countertenöre. (Erato 9029570794) . Marcus Budwitius

Kristine Ciesinski

 

Mit Bedauern hören wir vom Tod der Sopranistin Kristine Ciesinski (ein Gleiterunfall am 10. Juni 2018 im Grand Teton National Park), die Opernliebhabern – im Tandem mit ihrer ebenfalls singenden älteren Schwester Katherine Ciesinski – auch in Deutschland, namentlich Berlin, Frankfurt oder Stuttgart, ein Begriff ist. Es fiel  Außenstehenden stets ein wenig schwer, die beiden auseinander zu halten, sahen sie sich doch sehr ähnlich und sangen auch gelegentlich dieselben Partien. Sie traten gerne im Doppel auf, auf der Bühne wie im Film von Werner Schröter, „Les Poussieres d´amour“, oder bei anderen Gelegenheiten. Beide haben viele Aufnahmen gemacht, Kristine in den dramatischen Sopranrollen, Katherine Ciesinski eher in den dunkleren, dramatischen Partien. Ihre Einspielungen finden sich bei Erato, RCA, Decca, BMG oder Nonsuch, vorzugsweise in zeitgenössischen Werken, für deren Interpretation sie einen Namen hatte. Kristine Ciesinski wurde nur 65 Jahre alt.

 

Katherine und Kristine Ciesinski in Werner Schröters Film „Les Poussieres d´amour“/ „Abfallprodukte der Liebe“/ Filmgallerie451

Zu ihrer Biographie ein Auszug aus der website der Sängerin: Kristine’s roles include portrayals of many of the great operatic heroines with which her career has become identified:  ‘Lady Macbeth of Mtsensk’ (Katerina) at La Scala, Paris Opera Bastille, Frankfurt Staatsoper;  ‘Salome’ (career total of 18 productions) including the Bayerische Staatsoper in Munich, Semperoper in Dresden, ENO (English National Opera) in London, Bellas Artes in Mexico City, Teatro Carlo Felice in Genova, San Diego Opera, Canadian Opera company, Toronto;  ‘Wozzeck’ (Marie) in Frankfurt, Bonn, Hamburg, ENO, Buenos Aires Teatro Colon;  the double bill ‘Bluebeards Castle/Erwarturg’in Leipzig and Basel;  Bluebeard’s Castle in Tokyo;  Verdi’s ‘Macbeth’ (Lady Macbeth) at the Festival de Vichy, at ENO in London, the ENO tour to the Bolshoi Theater in Moscow and the Marinsky Theater in St. Petersburg and in the prize winning (Bayerische Theaterpreis) production in Bremen;  and Janacek’s ‘Makropulos Case’ (Emilia Marty) at the Glyndebourne Festival, at La Monnaie in Brussels, the Statsopera in Hamburg, at the Maastrict Opera, Netherlands and at the Netherlands National Opera in Amsterdam.

In addition to the aforementioned interesting and more standard repertoire, Kristine performed a number of rarely heard 20th century masterpieces in premier opera houses:  Hans Werner Henze’s ‘The Basserids’ (Agave) performed with the Netherlands National Opera directed by the legendary Peter Stein and conducted by Ingo Metzmacher;  Pauls Dukas’ ‘Ariane et Barbe Bleu’ (Ariane) in Torino conducted by Emmanuel Villaume;  and Franz Schreker’s ‘Die Gezeichneten’ (Carlotta) sung with the Netherland’s National Opera in Martin Kusej’s prize-winning production, with the renowned Konzertgebouw Orchestra under Ingo Metzmacher;   Sziminowsky’s ‘König Roger’ (Roxanne) in Stuttgart in the Peter Mussbach production and in Bremen directed by K. Zanussi;   and Prokofiev’s Fiery Angel (Renata) in Nürnburg conducted by Eberhard Kloke.

As a youthful-dramatic/dramatic soprano, Kristine sang many Wagnerian roles;   ‘Die Meistersinger’ (Eva) with the Cincinnati Opera, the ‘Ring Cycle’ (Gutrune, third Norn, and Gerhilde) with San Fransisco Opera, ‘Tannhäuser’ (Elizabeth) in Bremen, ‘Der Fliegender Holländer’ (Senta) in Opera North, UK, ‘Die Walküre’ (Sieglinde) Teatre Wielki – Warsaw, and a concert version of ‘Rienzi’ (Adriano) at Carnegie Hall NYC, conducted by Eve Queller.

Some of Kristine’s most highly acclaimed performing came in her career-long collaboration with the late, celebrated German film director Werner Schroeter.  His prolific work encompassed straight theater productions, opera productions and over 50 films.  Six projects that Werner directed Kristine in included:  Catalani’s ‘La Wally (title role) in Bremen; Cerubini’s ‘Medée’ (title role) in Freiburg;   R. Strauss’‘Salome’ at Bellas Artes in Mexico City;  Shostokovich’s ‘Lady Macbeth of Mtsensk’ (Katerina) in Frankfurt;  a staged concert titled “Wagner und…” in Düsseldorf;  and the prize-winning film “Abfallprodukte der Liebe” filmed in France and honored at the Caans film festival.

Married (now for 29 years) to the world renowned British Wagnerian Bass-Baritone Norman Bailey, Kristine resided the UK for more than a decade.  During this time she sang often at the English National Opera including 4 David Pountney productions:  Dvorak’s ‘Rusalka’ (Foreign Princess); Verdi’s ‘Macbeth’(Lady Macbeth);  Berg’s ‘Wozzeck’ (Marie), and Kurt Weill’s ‘Street Scene’ (Mrs. Maurrant).  Two major ENO productions included the famous Joachim Herz ‘Salome’ production and a newer ‘Salome’ production. Other UK performances took place with Scottish Opera, Mozart’s ‘Don Giovanni’ (Donna Anna) and Weill’s ‘Street Scene’ (Mrs. Maurrant); Opera North, Berlioz’s ‘Les Troyens’ (Cassandra) and Wagner’s ‘Flying Dutchman’ (Senta), Welsh National Opera, Puccini’s ‘Tosca’ and Berlioz’s ‘Les Troyens’(Cassandra);  Glydenbourne Janacek’s  ‘Makropulos Case’ (Emilia Marty).   Concert work included Bartok’s ‘Bluebeard’ with the Halle Orchestra and Janacek’s Glagolithic Mass at the Prom’s Concerts both conducted by Sir Simon Rattle.  Kristine also starred in the BBC television hour-long drama/documentary titled The Secret Life of Alban Berg.

Over her career now spanning more than forty years, Kristine has always enjoyed performing recitals, concerts and chamber music with such renowned organizations as:  Lincoln Center Chamber Music Society; Kennedy Center Artists Series; University of Pennsylvania Collegium Musicum; Grand Teton Music Festival; Salzburg Festival; Newport Music Festival; Aspen Music Festival; Caramoor Festival; Cape Cod Music Festival; Spoletto USA and Italy Festival; The Cleveland Orchestra, concerts conducted by Lorin Maazel and Leornard Bernstein; and the Phillips Art Gallery artist Series.

Kristine has had the unique and marvelous opportunity to sing numerous duet concerts with her sister, internationally renowned mezzo-soprano, Katherine Ciesinski.  Their repertoire ranges from the much lesser known duet compositions of the most well known masters:  Schubert, Schumann, Brahms, Mozart, Tchaikowsky, Berlioz, Schütz, Schein, Purcell, Monteverdi, Chopin, to name but a few, to many contemporary renowned composers.   The sisters collaborated with two of the great 20th century composers, Lee Hoiby and Ned Rorem.  Lee Hoiby’s Bermudas was composed for and dedicated to Kristine and Katherine.  Kristine made a recording with Lee Hoiby accompanying his own works, and often performed in recitals with Lee Hoiby and Ned Rorem at the piano.  The sisters have performed duet concerts in all the major NYC concert venues, Lincoln Center, Alice Tully Hall, Carnegie Hall (main concert hall), 92nd Street Y, as well as the Kennedy Center, and internationally in the UK at the South Bank Concert Hall-Purcell Room, and many venues in France, Germany and The Netherlands.  Operatically, they performed the ‘sisters’ in Mozart’s ‘Cosi fan Tutte’ in several productions: Grand Teton Music Festival, Louisville Opera, and The Taipei Opera in Taiwan.

Kristine first gained international recognition when she won the “Gold Medal” in the Geneva International Competition, first place in the Salzburg International Competition (Sängerförderungspreis) and was one of twelve national finalists in the Metropolitan Opera National Council Auditions all in the same year 1977-78.

Kristine has a second career and passion, Aviation.  She is a glider pilot/instructor at Teton Aviation, where she instructs and gives scenic flights over the magnificent Grand Teton Mountains.  She is appearing in the up and coming soaring-movie “Cloudstreets”, to be released in the spring of 2014.  She is also a commercial single engine pilot and has been Captain of the local Civil Air Patrol Squadron and has flown search and rescue as well as towed gliders.

Kristine now resides in the beautiful Teton Mountains with her husband Norman Bailey with their 2 wonderful dogs.

Kristine is a highly successful voice teacher with many of her students winning competitions and going on to graduate studies with scholarships.  She has been on the Voice Faculty of Brigham Young University, Idaho – 1998-2011 and Florida State University – 2011-2012 , and currently maintains a private Studio of 27 students. (Quelle: http://www.kristineciesinski.com/biography/)

Ein grosser Musiker

 

Mit Bedauern hörten wir vom Tode des russischen Dirigenten Gennadi Nikolajewitsch Roschdestwenski (* 4. Mai 1931 in Moskau; † 16. Juni 2018 ebendort). Gennadi Roschdestwenski war der Sohn des Dirigenten Nikolaj Pawlowitsch Anossow und der Sängerin Natalja Petrowna Roschdestwenskaja. Er nahm den Mädchennamen seiner Mutter an, um beim Aufbau seiner eigenen Karriere den Anschein von Vetternwirtschaft zu vermeiden.

Roschdestwenski absolvierte zunächst eine klassische Musikausbildung am Konservatorium Moskau beim Pianisten Lew Oborin. Durch seinen Vater bekam er die Grundzüge der Orchesterleitung vermittelt. 1951 gab er sein Debüt als Dirigent bei der Aufführung von Pjotr Iljitsch TschaikowskisBallett Der Nussknacker im Bolschoi-Theater. Bis zum Anfang der 1960er Jahre arbeitete er als Assistent am Bolschoi-Theater und dirigierte verschiedene Ballette.

Von 1960 bis 1974 leitete er das Rundfunk-Sinfonieorchester der UdSSR. Roschdestwenski war der erste Dirigent, der Werke von Carl Orff, Paul Hindemith, Béla Bartók und Maurice Ravel in der Sowjetunion präsentieren durfte. Ab 1964 war er gleichzeitig Künstlerischer Direktor des Bolschoi. In der Folgezeit übernahm er die musikalische Leitung der Moskauer Kammeroper. Ab 1975 war er in Stockholm und London tätig. 1981 bis 1984 war er Chefdirigent der Wiener Symphoniker. Ab 1991 leitete er die Stockholmer Philharmonie. 1994 wurde er Vorsitzender des künstlerischen Beirates des Bolschoi.

2000 wurde er wieder zum Künstlerischen Direktor des Bolschoi-Theaters berufen. Diesen Posten legte er 2001 nach nur einer Saison nieder, nachdem er scharfe Kritik für die Inszenierung der Prokofjew-Oper Der Spieler hatte einstecken müssen.

Gennadi Roschdestwenski galt als einer der bedeutendsten Interpreten russischer und zeitgenössischer sowjetischer Musik. Er führte unter anderem oft ausgedehnte Tourneen durch Europa, Japan und die USA durch. Roschdestwenski war mit der Pianistin Wiktoria Walentinowna Postnikowa verheiratet. (Quelle Wikipeia/Foto classicalnews.ru)

 

 

Moderne Regie am rechten Platz

 

Mozarts Lucio Silla aus dem Teatro Real in Madrid hat alle Ingredienzien einer Produktion à la modernes Regietheater, und gerade deswegen macht sie die eigentlich vier Stunden dauernde Opera Seria des sechzehnjährigen Mozart erst goutierbar. Ein schmuddeliges Bühnenbild, für das sich die Drehbühne (Christian Schmidt) zwischen beschädigter Kachel- und grauer Betonwand bewegt, Elendsgestalten zusätzlich zum Personal des Werks sowie die Verweigerung des happy end sorgen dafür, dass die allzu klischeehafte Handlung und die ebensolchen Personen quasi aufgemischt und aufgeraut werden, aus der Aneinanderreihung der Arien eine Handlung wird und das Interesse an ihnen und ihr gewährleistet ist. Eine elende Matratze, eine wie aus einem verunglückten Flugzeug  herausgeschleuderte Sitzreihe und die unvermeidlichen Maschinenpistolen sind vielleicht zu viel des Guten so wie auch sinnlose Handlungen wie der Austausch von Jacketts und ähnliches, aber es gibt auch poetische Momente wie die Schattenspiele, die viel über die Beziehung der Personen zueinander aussagen, oder den Blütenregen zu den freundlichen Visionen von Sillas Schwester Celia und die Räume in dem „sterbenden Blau“, das Friedrich dem Großen so lieb und teuer war. Regisseur Claus Guth glaubt nicht an die reuige Wandlung des Tyrannen Lucio Silla und lässt ihn nach nur vorgetäuschter Läuterung und damit Abdankung wie den Teufel aus dem Kasterl wieder auf die Bühne springen. In Wien hatte die Produktion Premiere, ging dann nach Madrid, wo diese Aufnahme entstand, und nach Barcelona.

Vorzüglich sind auf vielerlei unterschiedliche Art die Sänger. Am meisten wird zum Schluss Patricia Petibon als Giunia vom Publikum bejubelt, obwohl sie am wenigstens dem Mozartgesangsstil gerecht wird, sondern ohne Rücksicht auf stilistische Verluste extrem extrovertiert und mit überbordender darstellerischer Intensität sich in veristische Nähen begibt. Die beste Sängerin der Aufführung ist Silvia Tro Santafè als Cecilio mit ebenmäßigem, kernigem, androgyn klingendem Mezzosopran höchster Stilsicherheit. Durch das bubenhafte Aussehen gewinnt ihre Darstellung zusätzlich. Ihre „Pupille adorate“ sind ein später Höhepunkt der Aufführung. Auf eine adäquate Optik kann  Inga Kalna als getreuer Cinna nicht bauen, aber auf eine geschmeidige Stimme geläufiger Koloraturen wie aus einem Guss, mit Mezzofarben auch in der Extremhöhe und unangefochten im dramatischen „De‘ più superbi il core“. Einen kühlen, klaren Sopran hat Maria José  Moreno für die Celia, einen sehr angenehmen, weichen Tenor Rossini-Spezialist Kenneth Tarver für den Aufidio. Kurt Streit besticht durch eine famose Diktion, muss zwar auch mal ins Falsett ausweichen, gibt dem spröden, unberechenbaren Herrscher aber darstellerisch wie vokal eindrucksvolle Konturen.  Wer könnte besser als Ivor Bolton die genialischen Züge der Musik des Teenagers Mozart herausarbeiten – er wird denn auch zu recht besonders gefeiert (BluRay BelAir C450). Ingrid Wanja   

Neue Edition, absolut idiomatisch gesungen

 

Die Live-Aufnahme einer konzertanten Aufführung von Bizets Les Pecheurs de Perles vom Mai 2017 in Lille bringt PENTATONE auf 2 CDs heraus (PTC 5186 685). Die rein französische Besetzung und der Dirigent mit französischen Wurzeln Alexandre Bloch am Pult des Orchestre National de Lille sichern eine authentische Wiedergabe. Selten hat man eine so idiomatische Interpretation,  einen solch delikaten Gesang, und eine so exemplarische Diktion gehört wie von den Sängern der drei Hauptrollen. Cyrille Dubois als Nadir lässt einen lyrischen Tenor von schwärmerisch-zärtlichem Klang hören, der in der berühmten Romanze „Je crois entendre encore“ mit einem Gespinst feinster Töne für mirakulöse Momente sorgt. Auch die exponierten Noten werden mit der Kopfstimme sicher bewältigt. Sein Chanson im 2. Akt, „De mon amie“, aus dem Off gesungen, ist von kosender Poesie und mündet in das leidenschaftliche Liebesduett mit Leila (Julie Fuchs), in welchem sich die Stimmen voller Duft umschlingen und empor ranken bis zur Ekstase. Ähnlich atmosphärisch ist beider verklärtes Duett im 3. Akt „O lumière sainte“. Die französische Sopranistin evoziert mit ihrem leichten lyrischen Sopran träumerisch-elegische Stimmungen, leuchtet im Finale des 1. Aktes („Dans le ciel“) und entzückt mit graziösen Trillern und Olympia-nahen staccati. Das große Solo des 2. Aktes, „Me voilà seule“, stattet sie im Rezitativ mit Betroffenheit, in der berühmten  Kavatine mit schwebendem Klang aus. Allenfalls exponierte Noten haben gelegentlich einen leicht säuerlichen Klang. Ein Glücksfall der Besetzung auch der französische Bariton Florian Sempey als Zurga, den man von der konzertanten Favorite der Deutschen Oper Berlin in bester Erinnerung hat. Die Stimme ist dunkel und sinnlich getönt, vermag aber auch mit ganz zarten und leichten Tönen aufzuwarten. Das Duo „Au fond du temple saint“ kosten er und der Tenor genüsslich aus, nicht auf das Ausstellen stimmlicher Pracht bedacht, sondern auf das Malen von träumerischen Stimmungen. Zu Beginn des 3. Aktes ist die Arie des Baritons „L’orage s’est calmé“ von zwiespältigen Gefühlen – wehmütige Erinnerung und Enttäuschung ob Nadirs Betrug – geprägt. Mit sonorem Bass, der gleichermaßen Autorität und Resolutheit vermittelt, ergänzt Luc Bertin-Hugault als Grand Pretre Nourabad die Besetzung. Les Cris de Paris (Einstudierung: Geoffroy Jourdain) absolvieren die ausgedehnten und im Charakter sehr unterschiedlichen Chorszenen mit hoher Klangkultur – das tänzerisch-wiegende „Sois la bienvenu“ bei Leilas Ankunft auf der Insel oder das feierlich-pathetische „O dieu Brahma“ am Ende des 1. Aktes. Blochs orchestrale Deutung ist geprägt von schillernden Exotismen, schwelgerischem Melos, rhythmisch bewegten Passagen von tänzerischem Duktus und Passagen dramatischen Aufruhrs. Eine Aufnahme, die man gern in die Bizet-Abteilung des Regals einreiht. Bernd Hoppe

 

Zur ungewohnten Fassung auch der Beitrag von Matthias Käther: Der Autograf der Partitur ist irgendwann in Privatbesitz gelandet, und dieser Besitzer rückt ihn nicht raus. Von der Oper war lange nur ein Klavierauszug vorhanden. Dann tauchte vor gar nicht so langer Zeit eine Dirigentenpartitur auf, eine Kurzpartitur, gedacht für Proben, das heißt, dort finden sich längst nicht alle Details der Instrumentierung. Damit müssen wir jetzt leben, bis irgendwann mal der Zugang zum Original da ist – und auf diesem Material beruht sie neue Einspielung, fußend auf einer brandneuen Edition von 2015. Diese Edition setzt die Oper wieder radikal auf Null zurück, streicht alles, was nicht hineingehört und reduziert die Instrumentierung auf das, was am wahrscheinlichsten ist. Und das Ergebnis ist verblüffend. Knackige zwei Stunden Musik, alles entwickelt sich musikalisch mit einem Affentempo, die Leidenschaften kochen, und plötzlich ist dann doch es eine richtig spannende Oper, trotz pseudoexotischem Kitschroman. (Zwei befreundete Männer lieben dieselbe Frau, einer Opfert sich und tritt die Dame ab, und das Ganze auf Sri Lanka.)

Das Besondere an dieser Aufnahme aus Lille ist, das sie wirklich durchweg französisch besetzt ist, alle Musiker, von Dirigenten bis zu den Choristen sind Franzosen. Ehrlich – ein französisches Werk mal wieder nur von Franzosen zu hören – ist eine Wonne. Klarer Heimvorteil, das Idiom triumphiert, man versteht, was an dieser Musik spannend ist. Julie Fuchs– eine fantastische lyrische Stimme, die dennoch Koloraturen zwitschern kann, und ein großartiger Tenor, Cyrille Dubois.

Wie ich schon anlässlich der Reine de Cypre von Halevy vor wenigen Wochen im rbb sagte –  diesen Namen sollte man sich merken, wenn wir Glück haben,  könnte das der neue Juan Diego Florez werden (Georges Bizet: Les Pêcheurs de Perles/ mit Julie Fuchs | Cyrille Dubois | Florian Sempey | Les Cris de Paris | Orchestre National de Lille | Alexandre Bloch/ Pentatone/ PTC 5186685). Matthias Käther

Ein vielseitiger Spezialist

 

Das Teatro La Fenice beweint Sergio Segalini: Er brachte die Musik nach der Zerstörung zurück in die Lagune. Der 73Jährige war von 2003 bis 2006 künstlerischer Direktor des venezianischen Theaters. Er ist am Donnerstagmorgen (7. Juni 2018) in Paris, wo er seinen Wohnsitz hatte, verstorben. „Ihm ist zu verdanken, dass La Fenice zum Leben zurückgekehrt ist.“ Die Fondazione Teatro La Fenice drückt ihre Trauer über den Tod von Maestro Sergio Segalini aus, der 73 Jahre alt wurde und der von 2003 bis 2006 künstlerischer Direktor des venezianischen Theaters war. Die Nachricht von seinem Tod wurde heute von einigen französischen Stellen verkündet und wurde in Italien von der Organisation des Theaters in der Lagune weitergegeben. Als an die zentralen Augenblicke seiner Anwesenheit in Venedig erinnert  das Fenice vor allem an die Traviata, die im November 2004 von Robert Carsen zur Wiedereröffnung der ersten Saison des  wiedererbauten Fenice inszeniert wurde.

Weitere Höhepunkte  seiner Direktionszeit , um nur einige zu zitieren, sind Maometto II. von Rossini in der Regie von Pier Luigi Pizzi und unter der Leitung von Claudio Scimone, die Inszenierung einer in Italien selten aufgeführten Grand Opéra wie La Juive von Jacques Fromental Halévy sowie eine neue Produktion von Wagners Walküre, ebenfalls von Carsen stammend (und dirigiert von Jeffrey Tate) zu Beginn des Jahres 2006.

Segalini wurde 1944 in Castell’Arquato in der Provinz Piacenza geboren und ging nach der Beendigung seiner literarischen Studien nach Frankreich, wo er an der Sorbonne in Musikwissenschaft promovierte. Er hatte begonnen, als Kritiker und Radioproduzent zu arbeiten  und wurde, kaum 35 Jahre alt, Chefredakteur der Zeitschrift Opera International. Von hier an teilte sich seine Karriere zwischen Musikwissenschaft, Journalismus, Organisation und Lehrtätigkeit (in Italien war er Dozent an der Accademia Rossiniana von Pesaro und an der Accademia Lirica di Osimo).

Er war Autor von wissenschaftlichen Arbeiten und Monographien über wichtige Persönlichkeiten der Oper wie Maria Callas, Elisabeth Schwarzkopf und Ruggero Raimondi, zudem einer der bedeutendsten Experten für das 18. Jahrhundert und über das Fenice hinaus hat er mit den wichtigsten musikalischen Institutionen Italiens zusammengearbeitet wie mit der Scala, San Carlo di Napoli, dem Comunale di Bologna, dem Carlo Felice Genova, dem Festival Monteverdi von Cremona und dem des Valle d’Itria, das er von 1994 an für sechzehn Jahre geleitet hat.

„Die Erinnerung an Sergio Segalini, großer Kenner der Musik und des Geangs und Intellektueller von Rang“- bestätigt Fortunato Ortombina, Intendant des Fenice, – „basiert auf dem Tag, an dem unter seiner künstlerischen Leitung das Fenice wieder zu leben begann mit der mythischen Traviata, die zum Symbol für die Wiedergeburt unseres Theaters geworden ist. Sein Anteil daran – zusammen mit all dem jener, die daran geglaubt hatten – ist fundamental für die Realisierung dieser außergewöhnlichen Aufgabe gewesen.“   (Quelle Stampa Teatro La Fenice/ Übersetzung Ingrid Wanja)

 

France Musique teilt das Ableben von Sergio Segalini am Donnerstag, dem 7. Juni 2018 im Alter von 73 Jahren mit. Er war ein großer Kritiker, „dessen scharfe Feder einen besonders gefürchteten Kritiker machte“, schreibt die Zeitschrift. Er war viele Jahre zwischen 1979 und 2003 der Chefredakteur der Zeitschrift Opera International.

Er wurde 1944 in à Castell’Arquato in Italien geboren und zog dann nach Frankreich, wo er ein Musikwissenschaftsdiplom an der Sorbonne erhielt. Während seiner Karriere war er künstlerischer Direktor von La Fenice in Venedig, das bei der Mitteilung von seinem Tod Bestürzung zum Ausdruck brachte. „Ich verbinde die Erinnerung an Sergio Segalini, einen großen Musik- und Belcantokenner,  mit dem Tag, ab dem unter seiner künstlerischen Leitung La Fenice mit La Traviata wieder auferstand. Dieses Werk ist das Symbol der Wiederauferstehung unseres Theaters geworden“, erklärt der derzeitige künstlerische Direktor Fortunato Ortombina. Er fügt hinzu: „Seine Arbeit und die aller, die an dieses Unternehmen glaubten, war wesentlich für die Realisierung dieses Projekts“.

Sergio Segalini künstlerischer Direktor mehrerer Festivals, unter anderem 16 Jahre dessen von Martina Franca in Italien.Nicht zuletzt beweisen die Werke, die er Künstlern wie Maria Callas, Teresa Berganza oder auch Giacomo Meyerbeer gewidmet hat, seine Liebe zur Oper, der er sein Leben gewidmet hat.

Dazu auch Laurent Bury von Forumopera.com: Laut der Mitteilung von Opéra Magazine, starb Sergio Segalini im Alter von 73 Jahren- Er ist der Autor zahlreicher Werke über die Oper –  Ruggero Raimondi (1981), Elisabeth Schwarzkopf (1983), Meyerbeer, Teufel oder Prophet? (1985), Callas, die Bilder einer Stimme (1987), Die Scala (1989), Divas, Entwicklung eines  Mythos (2008)… –, er war lange der Chefredakteur von Opéra International,dem Vorgänger von Opéra Magazine. Er leitete außerdem 16 Jahre lang das Festival von Martina Franca und führte dort zahlreiche vergessene Werke wieder auf (Polyeucte von Gounod, Roma von Massenet…). Als großer Spezialist der italienischen Oper der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hinterlässt er die Erinnerung an eine vernichtende Feder und an Urteile ohne Kompromisse.

Wir haben heute morgen vom Tod von Sergio Segalini im Alter von 73 Jahren erfahren. Er war von 1979 bis 2003 Redakteur von Opéra Interational, er war außerdem  künstlerischer Direktor des Festivals von Martina Franca  von 1994 bis 2009, von La Fenice In Venedig von 2003 bis 2006, und von San Carlo in Neapel von 2010 bis 2011. Als begeisterter Lehrer leitete er außerdem bis 2011 die Opernakademie von Osimo.
Seine scharfe Feder machte aus ihm einen gefürchteten Kritiker. Als Theaterdirektor setzte er sich unermüdlich für ungerechtfertigt vergessene oder missachtete Komponisten ein (Mercadante, Meyerbeer, Pacini, Piccinni, Cagnoni, Traetta…) und er gab zahlreichen vielversprechenden jungen Sängern und Dirigenten eine Chance. Übersetzung Ingrid Englitsch

Musik, Umwelt und Geschichte

 

Mit Bedauern hörten wir vom Tode des Dirigenten Enoch zu Guttenberg (* 29. Juli 1946 in Guttenberg; † 15. Juni 2018 in München, mit vollständigem Namen Georg Enoch Robert Prosper Philipp Franz Karl Theodor Maria Heinrich Johannes Luitpold Hartmann Gundeloh Freiherr von und zu Guttenberg)

Enoch zu Guttenberg studierte Komposition und Dirigieren in München und Salzburg. Einer seiner Lehrer war Carl Feilitzsch. 1967 gründete er die Chorgemeinschaft Neubeuern. 1997 wurde ihm die Leitung des freien und projektbezogenen Orchesters Klangverwaltung übertragen. Zahlreiche Einspielungen auf CD (Naxos u. a.) dokumentieren diese Zusammenarbeit. Im Jahr 2000 leitete Enoch zu Guttenberg im Königsschloss Herrenchiemsee ein siebentägiges Bachfest. Daraus entstanden im nächsten Jahr die Herrenchiemsee Festspiele,[6] die seither jährlich unter Guttenberg als Intendant auf der Insel Herrenchiemsee veranstaltet wurden. Seit Mai 2003[8] war Guttenberg Ehrendirigent der Hofer Symphoniker.

Guttenberg war stark im Umweltschutz engagiert. Er war 1975 Mitgründer des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Im Mai 2012 trat er aus diesem aus, weil er die seiner Meinung nach landschaftszerstörenden Windkraftanlagen im Gegensatz zum BUND ablehnte und den Verdacht der Käuflichkeit des BUND nicht länger mittragen wollte.[ Enoch zu Guttenberg hat seine Kritik am BUND aufrechterhalten. Enoch zu Guttenberg war Mitglied im Kuratorium der ÖDP-nahen Stiftung für Ökologie und Demokratie. Er war zunächst Mitglied der CSU, trat aber im Jahr 1992 nach einem Konflikt mit dem damaligen Bayerischen Ministerpräsidenten Max Streibl aus, weil dieser sich weigerte, an einer Demonstration gegen Antisemitismus teilzunehmen.[16] Später trat Guttenberg auf Drängen seines Sohnes Karl-Theodor wieder in die Partei ein. Enoch zu Guttenberg starb im Juni 2018 im Alter von 71 Jahren.

Für seine Arbeit erhielt Guttenberg mehrere Auszeichnungen, darunter das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, den Bayerischen Poetentaler (1994), die Bayerische Staatsmedaille für Verdienste um die Umwelt (2009) sowie den Bayerischen Verdienstorden. Den Deutschen Kulturpreis ECHO Klassik gab er im April 2018 als Reaktion auf die Preisverleihung an die Rapper Kollegah und Farid Bang zurück.[18] Diesbezüglich sprach er „von einem schmutzigen Menetekel für eine furchtbare Zeit, die angebrochen“ sei. 2015 wurde Guttenberg Ehrenpräsident im neu gegründeten Verein für Landschaftspflege und Artenschutz in Bayern (VLAB). (Quelle/ Foto Wikipedia)

 

Hubert Delamboye

 

Dutch tenor Hubert Delamboye died on 11 June 2018, aged 72. He made his debut in Wiesbaden, and performed later at major opera houses in New York, Tokyo, Paris, Berlin, Munich, Amsterdam, Brussels, Turin, Vienna, and Zurich. His principal roles were Florestan, Hoffmann, Don José, Samson, Otello, and Tristan. His son Enrico is a conductor, currently working at the theatre in Koblenz, Germany.

Delamboye studied piano at the conservatory of Maastricht and came under the vocal tutelage of Leo Ketelaars. After graduating from the conservatory in 1974, he went on to perform at major theaters in New York, Tokyo, Paris, Berlin, Munich, Amsterdam, Brussels, Turin, Vienna, and Zurich. He was a major figure at Salzburg Festival where he performed through 1990.

Throughout his career, he worked with some of the most prominent conductors, including Nikolaus Harnoncourt, James Levine, Claudio Abbado and Kurt Masur. Among his extensive repertoire was Tamino in “Die Zauberflote,” the title role of “Lucio Silla,” Florestan in “Fidelio,” Hoffmann in “Les Conte d’Hoffmann,” Don José in “Carmen,” Samson in “Samson et Dalila,” Pollione in “Norma,” the title role of “Otello,” and Tristan in “Tristan und Isolde.”  He also worked with some of the best directors in the world including Otto Schenk, Jean-Pierre Ponnelle, Giorgio Strehler, Peter Stein, and Herbert Wernicke.  Among the recordings he left are a DVD performance of “Wozzeck” from the Liceu and “Kata Kabanova” from the Salzburg Festival. Auf youtube ist er in einigen Partien zu hören. (Quelle operawire.com)

Hanns-Martin Schneidt

 

Die Wuppertaler Bühnen und Sinfonieorchester trauern.  Der ehemalige Generalmusikdirektor Hanns-Martin Schneidt verstarb am 28. Mai im Alter von 87 Jahren im Kreise seiner Familie. Von 1963 bis 1985 wirkte Schneidt als Generalmusikdirektor des Sinfonieorchester Wuppertal und war später Chef der Oper Wuppertal. »Wir trauern um einen Künstler, der über einen außergewöhnlich langen Zeitraum das musikalische Leben Wuppertals, des Sinfonieorchesters und der Bühnen geprägt hat. Die Erinnerungen an diesen großen Musiker und Theatermenschen sind an unserem Haus immer noch lebendig und sein Schaffen wirkt immer noch nach.«, so Generalmusikdirektorin Julia Jones und Opernintendant Berthold Schneider. 22 Jahre lang gestaltete er maßgeblich das musikalische Kulturangebot der Stadt Wuppertal. Unvergessen ist u. a. der Zyklus mit den Brandenburgischen Konzerten, die Hanns-Martin Schneidt vom Cembalo aus leitete. Darüber hinaus gestaltete er viele Kammerkonzerte mit Mitgliedern aus dem Sinfonieorchester und etablierte eine Reihe mit Werken der Klassischen Moderne sowie mit zeitgenössischer Musik in Wuppertal. Aufgrund seiner Chorprägung widmete er sich als Opernchef intensiv der Pflege des Opernensembles. 1985, schon von seinem späteren beruflichen Standort München aus, brachte er die langfristig angelegte Produktion von Richard Wagners »Der Ring des Nibelungen« mit der »Götterdämmerung« zu Ende.

Hanns-Martin Schneidt, aus einer Pfarrersfamilie stammend, wurde 1930 im fränkischen Kitzingen geboren und wuchs in Leipzig auf, wo er Mitglied des Thomanerchores wurde. Neben seiner kirchenmusikalischen Tätigkeit widmete er sich nach einem ersten, erfolgreichen Konzert mit den Berliner Philharmonikern zunehmend der großen Sinfonik sowie der Oper.

Im Anschluss an seiner Wuppertaler Zeit leitete er von 1984 bis 2001 als Nachfolger von Karl Richter den Münchener Bach-Chor. Ab 1985 war er zugleich Professor für Orchesterleitung und Kirchenmusik an der Hochschule für Musik und Theater München. Ab 2001 nahm Hanns-Martin Schneidt zudem eine Professur an der Tokyo National University of Fine Arts and Music an und war von 2007 bis 2009 Chefdirigent des Kanagawa Philharmonic Orchestra.

Hanns-Martin Schneidt wurde für seine Arbeit und sein leidenschaftliches Engagement für die Musik mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Eduard von der Heydt-Kulturpreis der Stadt Wuppertal, mit der Medaille ›München leuchtet‹, dem Bundesverdienstkreuz und dem Bayerischen Verdienstorden. Quelle Wuppertaler Bühnen)

 

Dazu ein Auszug aus Wikipedia: (* 6. Dezember 1930 in Kitzingen; † 28. Mai 2018[1]), deutscher Dirigent, Cembalist, Organist und Hochschullehrer.. Seine Kindheit verlebte Hanns-Martin Schneidt in Leipzig. 1940 wurde er Mitglied des Thomanerchores der Thomasschule und Schüler von Thomaskantor Günther Ramin. Sein weiteres Musikstudium absolvierte er von 1949 bis 1952 an der Münchner Musikhochschule. Noch während seines Studiums begann er als Chorleiter und Organist an der Münchner Erlöserkirche zu arbeiten. 1954 gewann er den Richard-Strauss-Preis der Stadt München.

Im Jahre 1955 berief man den gerade erst 25 Jahre alten Schneidt zum Direktor der Kirchenmusikschule in Berlin. 1961–1963 leitete er das von ihm gegründete Bach-Collegium und den Bach-Chor an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Danach wechselte er nach Hamburg und lehrte von 1971 bis 1978 als Professor an der dortigen Musikhochschule. 1963–1985 war Schneidt GMD des Sinfonieorchesters Wuppertal. Von 1984 bis 2001 war er als Nachfolger des 1981 verstorbenen Karl Richter Künstlerischer Leiter des Münchener Bach-Chores, ab 1985 zugleich auch Professor für Orchesterleitung und Kirchenmusik an der Hochschule für Musik und Theater München. 2001 erhielt er den Bayerischen Verdienstorden.

Hanns-Martin Schneidt arbeitete immer wieder mit vielen deutschen Sinfonieorchestern als Gastdirigent, unter anderem mit den Berliner Philharmonikern, den Münchner Philharmonikern oder dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (RSB). Eine umfangreiche Diskografie zeugt von seinem langjährigen künstlerischen Schaffen (Foto oben Wuppertaler Stadtarchiv).

Halévys Oper „La Reine de Chypre“

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Nun endlich, nach so vielen Jahren des Wartens, beschert der Opernhimmel uneingeschränktes Glück: Halévys Grand opéra La Reine de Chypre auf CD (als „Nebenprodukt“ des Konzertes im Pariser Théâtre des Champs-Elysées am 9. Juni 2017 im Rahmen des 5. Palazetto-Opernfestivals, über das in operalounge.de so viel berichtet wurde). Es war die zypriotische Königin (in Volker Tostas Ausgabe von der Edition Nordstern), die das Rennen machte, die damals wie nun heute Ohr und Geist erfreut und die das Genre der Grand opéra zum Besten vorführt. Nun gibt es sie bei Ediciones Singulares im eleganten CD-Booklet und mit den üppigen zweisprachigen Beiträgen zum Werk (2CD ES1032).

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Als im Vorfeld des Konzertes 2017 die Absage nun auch des zweiten Tenors (nach dem originalen Marc Laho wurde dann Cyrille Dubois krank) für die Duprez-Partie des Gérard bekannt wurde, seufzte der angereiste Besucher tief auf, und natürlich konnte Sébastien Droy kein ausreichender Ersatz sein, hatte er die Noten doch erst vormittags bekommen. Aber um der Ehre willen muss man auch sagen, dass er wirklich alles und dies mit Erfolg gab, um die Figur des schmachtenden Liebhabers mit ihren mehr als anspruchsvollen musikalischen Anforderungen (Duprez eben) zu skizzieren. Den vielen fast unmenschlichen hohen Noten kam er geschickt mit starkem Einsatz der Kopfstimme bei und sang an den entscheidenden Stellen und vor allem im 5. Akt mit Engagement und leidenschaftlichem  Elan – eine bewundernswerte Leistung, die den rappelvollen Abend rettete.

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In der neuen Aufnahme ist nun Cyrille Dubois zu hören, der seinen Part mit Glanz versieht. Vielleicht ist die Stimme ein Quentchen zu lyrisch, aber er meistert furchtlos die geforderten Höhen und die gewünschte Emotion. Mich stört gelegentlich der weiche Gaumen (soft palate syndrome) im Stimmansatz, aber das sind unnötige Kritteleien. Dubois, den wir in letzter Zeit in vielen Aufnahmen und Konzerten des französischen Repertoires hören (auch in Berlin in der konzertanten Dinorah) ist eine pure Freude und ein jugendlich-romantischer Vertreter seines Fachs. Chapeau.

Die im Umfeld des Konzertes eingespielte Studio-Aufnahme (wie auch der konzertante Abend) profitiert vor allem vom erstklassigen Französisch der durchweg frankophonen Èquipe – das ist  französische Diktion vom Feinsten. Und das eben führte vor, was französische Oper ist: gesungene Deklamation, wozu die langen Parlandi der Oper ausreichend Gelegenheit gaben, darin La Juive ähnlich. Es ist wunderbar, Franzosen ihre eigene Sprache singen zu hören. Und bevor sich eine Hand des Protestes regt: Dies gilt auch für Christophoros Stamboglis in der Partie des venezianischen Senators Andrea, dessen angedrohter Tod durch den Bösewicht Moncénigo der Auslöser für die Handlung ist. Stamboglis hat viel in Frankreich und viel Französisches gesungen und macht einen erstklassigen Bass-Job. Bemerkenswert ist Eric Huchet mit markantem Tenor in der Partie des erwähnten Fieslings Moincénigo, dessen Erpressung das junge Liebespaar Catarina und Gérard trennt und sie auf den Thron von Zypern bringt, wo König Lusignano unwissentlich dem Konkurrenten erst das Leben rettet und ihm anschließend – von Moncinégo vergiftet – Thron, Frau und Kind übergibt. Was für ein Finale. Mit allem Drum-und-Dran.

Halévys „La Reine de Chypre“ im Konzert 2017/ Foto Gaelle Astier Perret/ Palazetto Bru Zane

Wie in Monte-Carlo als französischer Wolfram beeindruckt als großherziger König der Bariton Étienne Dupuis mit schön geführter Stimme, mit zum Teil wirklich balsamischen Noten und markantem Timbre – eine Besetzung de luxe.

Und sie? La reine même? Ganz wunderbar! Véronique Gens, die Hausprimadonna des Palazetto auf so vielen Aufnahmen und neu mit einem bemerkenswertem Album französischer Arien der Romantik bei Alpha ist in Bestform. Die Stimme weit und im Timbre dunkel, falcon-gleich und absolut ideal für diese Partie der Catarina Cornaro, der sie Drama, Zärtlichkeit und Fraulichkeit verlieh, die Tiefen durchaus auch mal brustig und die Höhen sicher und leuchtend. Zudem ist ihre Deklamation viel prägnanter geworden (naja, weitgehend…). Artavazd Sargsyan und Tomislav Lavoie ergänzen angenehm in den kleinen Partien. Es ist  wirklich ein Erlebnis, eine fast ausschließlich französische Besetzung zu erleben, der Frau Gens die Krone aufsetzte. Vraiment une reine.

Am Pult des schlagkräftigen flämischen Radio-Chores und des Orchestre de chambre de Paris steht Hervé  Niquet, der am Abend selbst launige Zwischenbemerkungen verteilte, Ortsführungen machte und den eingesprungenen Tenor ehrte. Er zeigt eine straffe Hand, treibt die Tempi und das Volumen voran, hat Zeit für die emotionalen Momente (und lässt unverstellt auch die Assoziationen an Halévys Zeitgenossen wie Donizetti/ Dom Sébastien, Meyerbeer/ Les Huguénots und Robert oder auch Offenbach/ La Grande Duchesse zu), aber eben auch den Drive für das Drama – eine mehr als gelungene musikalische Ergänzung zu den hervorragenden Sängern. Das Herz des Melomanen scheint fast zu bersten vor Glück! Stefan Lauter

Ein mythischer Titel: „La Reine de Chypre“ von Halévy war so beliebt, dass sie auf einer Beilagenkarte erschien/ Chocolat Guérin-Boutron/ OBA

La Reine de Chypre von 1841 ist – im Libretto von Jules-Henri Vernoy de Saint-Georges – als Grand opéra in 5 Akten die Geschichte der Catarina Cornaro, wie wir sie von Donizetti (1843, neben Lachner 1841,  Balfe 1844 und manchen anderen Komponisten der Zeit wie Pacini) kennen. Das Sujet ist – abgesehen von der Musik – insofern bemerkenswert, als Halévy sich wie in La Juive und Charles VI. erneut einer Periode der ferneren Geschichte zuwendet und damit von der akuten sozialen Problemen im Frankreich der Bürgerkriegskämpfe und der erdrückenden Restauration ablenkte oder sie zumindest verklausuliert – Oper wieder einmal als Fluchtpunkt also. G. H.

Dennoch – Diana Hallman schreibt dazu auf der Website vom Palazetto Bru Zane (und im Booklet): Laut seinem Bruder Léon Halévy, dem künstlerischen und biographischen Mitarbeiter des Komponisten, war eine der wichtigsten Inspirationsquellen der“ düstere und mysteriöse Terror“ von Venedig. Dieses Bild der Stadt zeichnete sich in zahlreichen sehr politischen Darstellungen der Republik Venedig, die auf den geheimen Despotismus der herrschenden Patrizier anspielten oder diesen offen verurteilten. Dieser „Terror“, den Léon Halévy erwähnt, entspricht einer üblichen Vorstellung der venezianischen Tyrannei, die in Theaterstücken, Opern und historischen Büchern dargestellt wurde, die auf metaphorische Weise den Machtmissbrauch darstellten.

Zu „La Reine de Chypre“: Rosine Stoltz war die Sängerin der Tirelrolle in der Uraufführung, hier auf einem Foto von 1856/ Nadar/ OBA

Wie der Historiker James H. Johnson betont, wurde dieser Mythos der venezianischen Tyrannei vor allem im Drama Blanche und Montcassin oder in Les Véniciens von Antoine-Vincent Arnault (1798) hervorgehoben. Das Werk enthielt eine ideologische Nähe mit der revolutionären Rhetorik von Napoléon und seinen Militäraktionen um Venedig anlässlich des Italienfeldzugs von 1796 – 1797 vom Rat der Zehn und der staatlichen Inquisition zu befreien. Diese politische Verbindung, die Widmung des Stücks an Napoleon und die Tatsache, dass Arnault den originalen glücklichen Schluss durch ein tragisches Ende ersetzt hat, führte wohl zum Verbot seiner Werke nach den „Zehn Tagen“, zu seinem Ausschluss aus der Académie francaise und seinem Exil fern von Frankreich bis 1819. Das Stück Arnault zeichnet klar einen unterdrückenden Staatsrat: Der Vater von Blanche, der dazu gehört, zwingt sie, ihren geliebten Montcassin, einen Normannen, zu verlassen, um einen politisch brauchbareren Heiratskandidaten zu heiraten. Eine oper, inspiriert vom Stück „Bianca e Falliero, o sia Il Consiglio dei Tre“ von Gioachino Rossini und Felice Romani, uraufgeführt 1819 an der Scala, verkleinert den Despotismus, der im Werk von Arnault so vorherrscht. Dagegen prangert Lord Byron, dem Werk  Arnault viel näher Venedig in seinem Stück von 1821 an, Marino Faliero, wo der Doge des 14. Jhdts. verhaftet und enthauptet wurde, weil er einen Staatsstreich gegen die Aristokraten, die die Stadt regierten, versucht hatte. Marino Faliero von Gaetano Donizetti zeigt eine andere Version der Gesichte des unglücklichen Faliero. Diese Oper von 1835, deren Libretto eher eine Adaption von Giovanni Emanuele Bidera der Tagödie von Casimir Delavigne als des Stücks von Byron  ist, kritisiert die Institutionen von Venedig weniger. Giuseppe Verdi und Francesco-Maria Piave zeichneten die Repression der Stadt in ihrer Adaption des Stücks von Byron “The two Foscari“ unter dem Titel „I Due Foscari“, uraufgeführt in Rom 1844, viel stärker.

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Konform mit der politischen Botschaft vieler solchen venezianischer Dramen, ebenso wie die anti-autoritären Akzente der Juive, der Huguénots und anderen der Reine de Chypre vorangehenden großen Opern, erinnert die Geschichte von Catarina Cornaro, die von  Saint-Georges und Halévy dargestellt wurde, vor dem Hintergrund der Verbindung zwischen Venedig und Zypern, an ähnliche Darstellungen der venezianischen Tyrannei. Die napoleonische Ideologie ist merkbar in der düsteren Art, wie die Oper Pietro Mocenigo, ein Mitglied des Rats der Zehn, darstellt, der den Patrizier Andrea mit dem Tod bedroht, wenn er dem Befehl Venedigs nicht Folge leistet: Er muss die Heirat seiner Nichte Catarina mit den Adligen Gérard de Courcy verhindern. Um die düstere Macht von Mocenigo auszudrücken, erfindet Halévy ein sich wiederholendes Motiv, das auf einem beunruhigenden Ostinato von sich wiederholenden Noten basiert ist, das C-Moll beginnt während seiner Gespräche mit Andrea, der gezwungen wird, die Hand des Mädchens den zypriotischen König Jacques de Lusignan zu geben, wodurch die Herrschaft Venedigs in Zypern gesichert wird. Die Verwandtschaft dieser Behandlung mit den dramatischen Werken vonArnault – diu gebrochene Verlobung und die erzwungene Heirat aus politischen Gründen – lässt vermuten, dass es eine Verbindung mit der Quelle seines Werks von 1798 gibt, eine Möglichkeit, die umso wahrscheinlicher wird, wenn man die enge Verbindung zwischen Arnault und dem Bruder von Halévy, Léon, bedenkt, aber auch den Einfluss, den der Dramaturg am Beginn der Julimonarchie zurückgewann. Es ist interessant eine versteckte Anspielung erkennen zu können bezüglich der repressiven Maßnahmen Frankreichs gegen Arnault, sein erzwungenes Exil und das Verbot seiner Werke. Diana Hallman (Quelle Palazetto Bru Zane/ Übersetzung Ingrid Englitsch)

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Zu „La Reine de Chypre“: Marmorbüste von Caterina Cornaro von Romano in Asolo/ Wiki

Spannend ist das Libretto insofern auch, als hier es die Titelheldin ist, die das Geschick der anderen lenkt, was in den Opern Frankreichs jener Zeit, anders als Italien (bei Rossini, Bellini, Donizetti) eher unüblich war. Angesichts der übrigen zeitgenössischen Opern, in denen wie bei Auber, Donizetti (Dom Sébastien), Niedermeyer (Stradella) oder auch in weiteren Opern Halévys selbst hier die politisch Handelnde eben eine Frau ist, werden sonst die Männer als Agierende gezeigt. Halévys Hinwendung zu einer Frau als politische, sozio-historische Kraft passt zu einer aufkommenden Prominenz starker Frauen in Frankreich, denen die Johanna von Orléans als Leitbild voranschritt (so die Odette in Halévys Charles VI 1840) – die Mitte des Jahrhunderts wird die Zeit der Frauen in der Öffentlichkeit, sogar in Hosen wie Georges Sand. Sängerinnen wie Rosine Stoltz und Pauline Viardot sorgen in der Oper dafür.

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Die Resonanz der Reine de Chypre war enorm – auch Richard Wagner (dem fälschlich immer wieder eine akute Abneigung gegen die französische Oper angedichtet wird, was nicht stimmt, war er doch mit vielen Komponisten in seinen Pariser Jahren befreundet oder bekannt und verdiente er sich ein Zubrot mit dem Erstellen von Reduktionen ganzer Opern für Klavier oder kleine Kammergruppe, so auch La Reine de Chypre oder die bereits vorgestellten anderen Opern von Auber und Halévy) war von der zyprischen Königin eingenommen und schrieb in der Revue et Gazette musicale 1842 ebenso Lustiges wie Lobendes über Halévys Werk und Saint-Georges Libretto (davon nachstehend Auszüge). Man kann sogar Parallelen sehen zu eigenen Wagnerschen Werken, was die Deklamation, Erinnerungsmotive und im musikalischen Bereich die Verwendung des Bleches und der Chromatismen betrifft. Erinnerungsmotive verwendet Halévy im Orchester, wenn die düsteren Pläne des Venezianischen Senats im Libretto oder im Bühnengeschehen Thema werden, dem Lohengrin und Tannhäuser nicht unähnlich. In diesen Opern finden sich auch die Gleichgesinnten der starken Frauen Wagners, die eine Männerwelt aufmischen und in ihrem Beharrungsvermögen einen neuen Frauentyp aufzeigen. Senta im Holländer oder Elisabeth im Tannhäuser sind gute Beispiele dafür.

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Zu „La Reine de Chypre“: Esquisse de décor de l’acte IV (le grande place de Nicosie) de la „Reine de Chypre“ par Charles Cambon/ Gallica/ BNO

Unter allen Opern, die Wagner in seiner Pariser Zeit hörte und kommentierte, kommt die Reine de Chypre am besten weg (wenngleich er La Juive für die wertvollere hält). Er bewundert Halévys Methode, die Stimmen fast nackt und rhythmisch-syllabisch und nicht wie gewohnt virtuos-melismatisch zu präsentieren. Er schätzt den charakteristischen Gebrauch des Orchesters – so die Verwendung des Blechs in der Krönungsszene des IV. Aktes sowohl auf der Bühne wie auch im Graben. Wagner sah Halévy vor allen anderen französischen Kollegen als einen Neuerer unter den Traditionalisten. Und empfiehlt ihn seinen deutschen Kollegen als Vorbild eines Opernkomponisten.

La reine de Chypre von Fromenthal Halévy wurde am 22. Dezember 1841 an der Pariser Oper (Salle Pelletier) uraufgeführt – eine illustre Besetzung wurde von der gefürchteten Pariser Primadonna Rosine Stoltz angeführt, deswegen auch die Beschränkung auf nur eine weibliche Hauptrolle (anders als in La Juive). Die Stoltz war für ihre Intrigen bekannt, wie Donizetti und selbst Verdi leidvoll feststellen mussten. Aber sie war die gefeierte Primadonna ihrer Zeit, ein Publikumsmagnet. Neben ihr traten die Besten der Pariser Oper auf: Gilbert Duprez als Tenorschwarm Gérard und Paul Barrhoilet als fieser Lusignan, beides Größen vergleichbar mit Corelli oder Cappuccilli vielleicht. Auch sie hoch in der Gunst der Besucher und erfahrene Profis. Die prunkvolle Bühne stammte vom Erfolgsteam Cambon & Philastre. Später sang die uns aus Wagners französischem Tannhäuser bekannte Fortunata Tedesco (dort die Vénus) die Titelpartie. Die Oper hielt sich in Paris bis 1878.  G. H.

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Zu „La Reine de Chypre“: Fromenthal Halévy/ Foto Nadar/ Taschen

Nachfolgend ein Text des renommierten Doyen der Musikwissenschaft und Opernforschung Sieghart Döhring zur Bedeutung der Reine de Chypre in ihrer Zeit:  Das auf eine authentische Episode aus der venezianischen Geschichte zurückgehende Libret­to stellt eine romantisch-melancholische Liebeshand­lung der gedämpften Affekte in ein kontrastreiches historisches Ambiente, das ein weites Couleur-locale– Spektrum für Musik und Szene erschließt. Weniger überzeugt, wie schon in Guido et Ginevra (1838), die allzu kopflastige dramaturgische Anlage: Der im I. Akt knapp und prägnant exponierte Konflikt zwi­schen Liebe und Staatsräson wird bereits im II. Akt zugunsten der letzteren entschieden. Das Fehlen einer Peripetie führt in den drei noch folgenden Akten zu einem Spannungsabfall, den auch pittoreske Genre­szenen und repräsentativer Pomp nicht auszugleichen vermögen. Zumal im IV. Akt (Einfahrt der festlich geschmückten venezianischen Staatsgaleere in den Hafen von Nikosia; »Cortege« der Trauungszeremo­nie) erstickt die Handlung unter der Pracht der Szene, die von der Musik nur dekorativ verstärkt, aber nicht dramatisch belebt wird.

Halévys Vertonung zeigt ihre Vorzüge überall dort, wo es die innere Dynamik seelischer Konflikte subtil und spannungsvoll zu ge­stalten gilt. Herausragende Beispiele sind aus dem II.  Akt die große Arie der zwischen Resignation und Hoffnung schwankenden Catarina (»Le gondolier dans sa pauvre nacelle«) und ihr von Theophile Gau­tier als »fort dramatique« bewundertes Duett mit Gé­rard (»Arbitre de ma vie«) sowie aus dem V. Akt die Szenen um den sterbenden Lusignan, für deren unter­gründige Leidenschaftlichkeit Halévy eine differen­zierte musikalische Ausdruckspalette der »gedeckten« Farben aufbietet. Die Melodik der Reine de Chypre erhält ihr Gepräge durch ein an Gaetano Donizettis späten Opern orientiertes italianisierendes Brio, das nicht auf einzelne Nummern beschränkt bleibt, son­dern dem vokalen Idiom insgesamt ungewohnte Ge­schmeidigkeit und Eleganz verleiht. Dies gilt freilich nicht für die populärste Nummer der Oper, das Freundschaftsduett Gerard/Lusignan »Salut à cette noble France« (III. Akt), das musikalisch einen kon­ventionellen Marschtypus ausbeutet und textlich allzu unverhohlen an einen Patriotismus appelliert, den sensiblere Zeitgenossen (Hector Berlioz, Gautier) schon als tendenziell chauvinistisch empfanden.

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Halevys „Reine de Chypre“/ illustrierter Klavierauszug um 1860/ Wikipedia

erbreitung: Mit La Reine de Chypre  gelang es Halévy, an den Erfolg von La Juive (1835) anzuknüpfen. Die schon in Donizettis La Favorite (1840) erprobte Trias Rosine Stoltz (Catarina), Gilbert Duprez (Gérard) und Paul Barrhoilhet (Lusignan), mit der sich die Hauptrollen-Distribution (Mezzo-) Sopran/Tenor/Bariton auch in der Grand opéra verfestigte, dominierte ein Ensemble aus den Spitzenkräften des Hauses. Von verschwenderischer Pracht waren die Bühnenbilder (Charles-Antoine Cambon und Humanite Rene Philastre) und Kostüme; die Mise en scene des IV. Akts gehörte zu den Ausstattungstriumphen der Opera im 19. Jahrhundert. Bis 1858 stand La Reine nahezu jährlich auf dem Spielplan der Opera und erreichte insgesamt 118 Aufführungen. Zu den späteren Inter­preten gehörten unter anderem Fortunata Tedesco, Adelaide Borghi-Mamo (Catarina), Felix Mécène Marie de l’Isle und Gustave-Hippolyte Roger (Gé­rard). In der Salle Garnier kam es 1877 nochmals zu einer Inszenierung (Catarina: Rosine Bloch, Gérard: Pierre Frangois Villaret, Lusignan: Jean-Louis Lassal­le), die es bis 1878 auf 33 Wiederholungen brachte. Auch außerhalb von Paris war La Reine de Chypre jahrzehntelang Erfolg beschieden. Aufführungen gab es in Antwerpen 1843, Brüssel 1844, London, New Orleans und New York 1845 sowie italienisch 1842 in Florenz und, in der Übersetzung von Angelo Zanardini, 1882 in Parma. In der deutschen Übertragung Johann Christoph Grünbaums wurde das Werk 1842 in Leipzig und 1858 in Wien gegebenSieghart Döhring (Quelle s. unten)

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Zu „La Reine de Chypre“: Fortunata Tedesco sang im Verlauf der Aufführungen in Paris die Titelpartie/ Very special thanks to Gary Bryant of operamania ipernity.com, whose phantastic collection of wonderful and incredibly many and well preserved photographs of 19th century opera singers is simply overwhelming and a must-look-at for every discerning opera lover. it´s difficult to imagine a similar collection. We are profoundly grateful for his generosity to be allowed to use some of his pictures

Und nun zu Richard Wagner, dessen Beiträge in der Dresdner Abendzeitung ein ebenso interessantes Licht auf ihn wie auf Halévy werfen. Wobei ironischer Weise anzumerken ist, dass die originalen Dix ecrits sur la Reine de Chypre Wagners in der Revue et Gazette musicale, vol. 9, nos. 9, Februar 1842 mit seinen deutschen Berichten durchaus differieren. Und später, in seinen Erinnerungen Mein Leben, unterschlägt er den Namen Meyerbeers total, der 1841 noch „in Gnade“ war, als Wagner für den Musikverleger Schlesinger in Paris u. a. eine Klavier-Reduktion der Reine de Chypre erstellte… Galeerenjahre eben – undeine amüsante Inhaltsangabe dazu:

(…) Im Buche der Geschichte hatte (der Librettist) Herr St. Georges gelesen, daß in der letzten Hälfte des 15. Jahrhunderts Venedig, in seinen räuberischen Absichten auf die von Königen aus dem französischen Hause Lusignan beherrschte Insel Cypern, sich eines Prinzen dieses Hauses, dessen Thronrecht von seiner Familie bestritten wurde, heuchlerisch annahm, ihm zur Krone verhalf und seinen unheilvollen Einfluss dadurch aufzudringen suchte, daß es ihm Catarina, die Tochter des venetianischen Senators Andreas Cornaro, zum Weibe gab. Bald starb dieser König, und zwar, wie man allgemein vermutete, an Venedigs Gift; denn in der Nacht seines Todes brachen Verschwörungen aus in der Absicht, der Königswittwe die Regentschaft für ihren kleinen Sohn zu rauben; an  Catarina’s hartnäckiger Weigerung, der Regierung zu entsagen, sowie an ihrem muthvollen Widerstande scheiterte aber für dießmal Venedigs Plan. – Dieß ist eine entschiedene Staatsaction, – Keiner wird es läugnen. Sehen wir nun, wie diese geschichtliche Notiz von Herrn St. Georges zu einem fünfaktigen lyrischen Drama benutzt wurde.

Der erste Akt spielt in Venedig, im Palaste des Senators Andreas Cornaro; dieser ist im Begriff, seine Tochter Catarina einem französischen Ritter, Herrn Düprez – ich wollte sagen – Gerard de Coucy, zu vermählen. Gerard und Catarina lieben sich, und versichern sich dessen in einem ziemlich langen Duett von Neuem; – der gute Senator freut sich dieser Liebe und segnet sie: – da tritt ein Mann in rothem Gewande mit einer schwarzen Schärpe ein; Cornaro erkennt ihn als Mitglied des Rathes der Zehn, erschrickt und schickt das Brautpaar hinweg. Moncenigo, so heißt der Friedensstörer, macht den Senator damit bekannt, daß es der Beschluß des Rathes sei, Catarina dem Könige von Cypern zu vermählen, und daß Andreas somit nichts Anderes und Schleunigeres zu thun habe, als sein dem französischen Ritter gegebenes Wort zurückzunehmen und in diese königliche Ehe zu willigen, oder, den Befehlen Venedigs ungehorsam, mit dem Tode zu büßen. Er bewilligt dem Senator eine kurze Bedenkzeit, welche  dieser zu kummervollen Betrachtungen verwendet. Während dem beginnt die Hochzeitsfeier; venetianische Herren, sowie französische Ritter – Gerard’s Freunde – erscheinen als Gäste; nur der Senator bleibt aus; dafür bekommt aber ein hübscher schlanker Mann Gelegenheit, mit zwei seiner äußerst kurzröckigen Freundinnen ein höchst beliebtes Pas de trois auszuführen, welches jedoch sein Ende findet, als der unglückliche Vater hereintritt und allen Anwesenden bekannt macht, daß die Hochzeit nicht stattfinden werde, und daß er sein, Gerard gegebenes Wort zurücknähme. Alles ist wie geschlagen; Fragen, Bestürmungen, Klagen, Drohungen wechseln ab: Gerard’s Freunde schelten den Senator wortbrüchig, die venetianischen Herren vertheidigen ihn, der getäuschte Bräutigam raset, die bejammernswürdige Braut sinkt in Ohnmacht, und der Vorhang fällt. – Könnt Ihr für einen ersten Akt mehr verlangen? –

Zu „La Reine de Chypre“: Gilbert Duprez war der Gérard der Uraufführung/ Foto Nadar/ Taschen

Der zweite Akt führt uns in Catarina’s Betzimmer, welches jedoch nicht unterläßt durch weit offene Fenster auf den großen Kanal auszugehen; der Mond scheint, und Gondoliere singen. Die trostlose Patriziertochter blättert in einem Gebetbuche und findet darin einige Zeilen ihres Geliebten, welche ihr ansagen, daß er um Mitternacht kommen werde sie zu entführen, worüber sie sich denn außerordentlich freut. Schon harret sie des Ritters, als der gebeugte Vater  hereintritt, sich bei der Tochter entschuldigt und sie, seiner und ihrer eigenen Ruhe wegen, zu vermögen sucht, in die Ehe mit Cyperns König zu willigen: so sehr er ihr das Gute dieser Partie anpreist, so wenig vermag er jedoch sie nach seinem Wunsche zu stimmen, und er verläßt sie mit trauerndem Herzen. Kaum sieht sich aber Catarina allein, als sie in ihrem ruhigen Betzimmer auf’s Neue gestört wird: sie hört ihren Namen rufen. Ihr wißt ja recht wohl aus Victor Hugo’s Tyrann von Padua, daß jener heillose Rath der Zehn im Hause jedes Venetianers von einiger Bedeutung geheime, den Bewohnern selbst unbekannte Gänge und Thüren kennt, vermöge welcher seine Spione nach Belieben in das Innerste der wohlverwahrtesten Paläste dringen, um dort ihre Verräthereien ausführen zu können. Solch‘ eine Thüre, und solch‘ ein heimlicher Gang öffnen sich denn nun auch an der einen Wand des jungfräulichen Betzimmers, und wer heraustritt ist Niemand anders, als Signor Moncenigo, Mitglied des Rathes der Zehn. Kurz und bündig erklärt er der erschrockenen Patriziertochter, daß sie ihrem Geliebten, sobald er sich eingefunden haben würde, zu versichern habe, sie liebe ihn nicht mehr, und fühle sich freiwillig von der Krone Cypern angezogen: – nur dadurch könne sie nämlich sein Leben retten. Sie fragt, wer ihn ermorden würde? Er öffnet die geheime  Thür, zeigt ihr mit den Worten: »diese Hände!« eine ansehnliche Versammlung dolchzückender Mörder, und zieht sich in den Gang zurück. – Es schlägt Mitternacht: – der Geliebte läßt sich vernehmen, die Unglückliche vermag nicht ihm entgegen zu eilen. Nun urtheile man, welch‘ ein Duett hier folgen muß! Der Ritter, der zärtlich zur Flucht drängt, – die Geliebte in tödtlicher Angst vergehend, belauscht und bedroht von Mördern. Auf seine Vorwürfe über ihre scheinbare Kälte will sie mit der Wahrheit herausfahren, –da öffnet sich das eine Mal jene abscheuliche Thüre ein klein wenig warnend vor ihrem Blicke; das andere Mal tritt, immer nur ihr sichtbar, Signor Moncenigo mit drohender Gebärde selbst hervor: – in Verzweiflung ruft sie endlich dem Ritter zu, daß sie ihn keinesweges mehr liebe, und daß sie Königin zu werden wünsche. Was Gerard darauf antwortet, läßt sich leicht denken: nach einigem Erstaunen über die Grobheit seiner Geliebten, kündigt er ihr seinen Haß, seine Verachtung an; sie leidet fürchterlich und droht umzusinken, was denn endlich auch nicht ausbleibt, als der getäuschte Geliebte mit einem höchst schmerzlichen »adieu pour ja mais!« davon eilt. Moncenigo und die Mörder brechen hervor und bemächtigen sich der Hingesunkenen, um sie nach Cypern zu schaffen. – Dies ist venetianisch und keinesweges uninteressant.

Zu „La Reine de Chypre“: „Catarina Cornaro spodestata dal regno di Cipro“ von Francesco Hayez, 1842/ Museum Bergamo/ Wiki

Nun aber läßt uns Herr St. Georges ohne alle Kosten nach Cypern reisen, welches uns der dritte Akt in aller Herrlichkeit erschließt: – wir sind in einem »Casino« Nicosia’s; tausend Kerzen erhellen die wohllüstige Nacht, wundervolle Haine und dichte Boskets umgeben den Schauplatz; – hier sitzen cypriotische Herren, dort venetianische, – schöne üppige Frauen mischen sich in das Fest, köstlicher Wein funkelt in den Bechern, – man spielt, man singt, man tanzt: – das Herz lacht Einem, wenn man es mit ansieht. Signor Moncenigo verfehlt nicht auch hier zugegen zu sein: Venedig und sein Rath der Zehn ist überall. Auch hier findet er sogleich Arbeit. Ihm wird gemeldet, daß sich eine verdächtige Gestalt, ganz dem Ritter Gerard de Coucy ähnlich, blicken lasse, worauf er sogleich es für räthlich hält, Befehl zu des Unglücklichen Mord zu ertheilen, da dieser hier leicht große Unannehmlichkeiten verursachen könnte. Als sich das bunte Gewühl der Gäste verzogen hat, hört man denn auch wirklich ganz in der Nähe den Hülferuf des französischen Ritters; dann folgt Schwertergeklirr, und endlich die Flucht der Mörder. Gerard tritt mit einem fremden Ritter auf, dem er für die glückliche Hülfe dankt, durch welche er ihn von den Dolchen der Mörder errettete; der Unbekannte, Niemand anders als Jacques Lusignan, der König von Cypern selbst, behauptet, nur seine ritterliche Schuldigkeit gethan zu haben, verweigert aber seinen wahren Namen zu erkennen zu geben, indem er sich begnügt, Frankreich sein Vaterland zu nennen. Gerard ist entzückt einen Landsmann gefunden zu haben, Lusignan nicht minder: – »Heil Frankreich, dem schönen Lande!« tönt es von Beider Lippen; – ritterliche Freundschaft wird geschlossen. Beide fragen sich so schicklich wie möglich aus; Einer klagt dem Andern so diskret wie möglich sein Leid; Lusignan betrachtet sich als einen armen Verbannten, der genöthigt sei, in fremden Landen sein Recht zu wahren; Gerard aber bekennt, daß ihn ein großer Gram und die Begierde, sich an dem Räuber seines Glückes zu rächen, nach Cypern führe. Beide geloben sich Beistand, schwören sich Hülfe und Treue. Da tönen Kanonen vom Hafen her: – das Schiff der Königin naht sich Cypern! Lusignan athmet auf in Freude und Entzücken: sein guter Stern soll ihm aufgehen! – Gerard, von ganz anderen Gefühlen bestürmt bei dem Donner der Kanonen, klagt über Untreue und wüthet nach Rache! –

So gelangen wir in den vierten Akt: da giebt es Festlichkeiten und Pomp sonder Gleichen! Wir sind am Hafen und erwarten mit dem jauchzenden Volke die Ankunft des Schiffes der Königin: – es naht, sie betritt auf kostbaren Teppichen das Land; Lusignan, als König, kommt ihr aus dem Schlosse entgegen, – Geschützdonner, Glockengeläute, Trompeten-Geschmetter begleiten den prunkenden Zug in die Kathedrale. – Die Scene ist leer und öde geworden, da tritt er auf, der unglückselige Gerard, und brütet über den Vollzug seiner Rache: er weiß, daß er sich selbst in den unausbleiblichen Tod stürzt; dennoch will er sich rächen, und dann den schmachvollsten Tod erleiden. Er will in die Kirche, wird aber durch den wiederkehrenden Zug zurückgetrieben; an einer Mauer des Schlosses nimmt er seinen Stand ein, erwartet den König, und als Catarina an dessen Hand naht, stürzt er sich mit gezücktem Dolche auf ihn los. Da erkennt er seinen Landsmann und Retter: entsetzt über sein Vorhaben, prallt er zurück, die Wachen aber ergreifen ihn. Das Volk verlangt wüthend seinen Tod; der König wirst ihm voll Verwunderung und Entrüstung den Treubruch vor: »Mich, der dich von Mörderhänden errettete, wolltest du tödten?« – Dennoch wehrt er dem mordlustigen Volke, und übergiebt ihn den Händen der cypriotischen Justiz.

Zu „La Reine de Chypre“: Paul Barroillet war der Lusignan der Uraufführung/ Wiki

Der fünfte Akt spielt nun zwei Jahre später. Die geschichtliche Zwischenzeit beläuft sich eigentlich auf vier Jahre; mit großem Geschick hat jedoch Herr St. Georges eine so peinliche Pause um die Hälfte zu verkürzen gewußt. Der König, vor der Zeit gealtert, liegt an einer schleichenden tödtlichen Krankheit darnieder. Catarina, ergeben in ihr Loos, und von Achtung für ihren Gatten erfüllt, wacht am Krankenbette. Lusignan dankt ihr für ihre Güte und Treue, und entdeckt ihr, daß er um ihr früheres Verhältniß zu Gerard wisse; als er diesen nämlich von dem Tode durch Henkersbeil heimlich gerettet, habe er ihm aus Dankbarkeit Alles vertraut, und er, weit entfernt deßhalb seiner Gattin zu zürnen, sei vielmehr von Bewunderung für ihre Treue und Standhaftigkeit durchdrungen, und wünsche ihr Glück, daß durch seinen baldigen Tod, der nicht mehr lange ausbleiben könne, sie der gezwungenen Bande entledigt werden würde. – Ein Maltheserritter in wichtigen Aufträgen für den König, läßt sich melden: Lusignan befiehlt, er solle seiner Gattin vorgeführt werden; denn er fühlt, daß seine letzte Stunde herannahe, und will seinem Weibe die Verwaltung der Regierung für seinen Sohn übergeben. Der Maltheserritter, Niemand anders als Gerard de Coucy, tritt ein, und wird von der Königin empfangen: das führt denn einen peinlichen Auftritt herbei, – Schmerzen der Erinnerung werden wach. Gerard kann nicht umhin, seine Vorwürfe der Treulosigkeit zu erneuen, welche Catarina jedoch dadurch zurückzuweisen versteht, daß sie ihm die entsetzlichen Umstände angiebt, unter welchen sie ihm erklären mußte, sie liebe ihn nicht mehr. Gerard, befriedigt, eilt nun der Königin seine Aufträge auszurichten: – er ist von dem in Reue gestorbenen Senator unterrichtet worden, daß Lusignan an Gift darniederliege, welches ihm Venedig, erzürnt über des Königs Unfolgsamkeit und nicht vermutheten Selbstständigkeitswillen, bereitet habe; er sei gekommen, um Lusignan zum Lohne seiner gegen ihn bewiesenen Großmuth von dem höllischen Komplotte zu benachrichtigen, und wo möglich noch zu retten. »Zu spät!« donnert der heimlich eingetretene Moncenigo. »Niemand vermag den König mehr zu retten; in diesem Augenblicke erliegt er der Strafe, die Venedig, erzürnt über den Trotz, den er seinem Einflusse entgegenzusetzen wagte, über ihn verhing! Und dir, Catarina, – willst du dein eigenes Leben erhalten, – befiehlt Venedig, die Zügel der Regierung in seine Hände zu legen.« – »Niemals!« versetzt entrüstet die Königin: »ich werde regieren für meinen Sohn und um den Gatten zu rächen!« – »Auf wen bauest du, um uns zu trotzen?« – »Auf mein Volk, dem ich zur Stunde Venedigs schändlichen Verrath kund machen will!« – »Niemand wird dir glauben, denn ich werde erklären, daß du, im ehebrecherischen Einverständniß mit jenem Ritter dort, deinem Gatten den Tod gabst: wer wird mich Lügen strafen?« – »Ich!« – ruft der hier eintretende, bereits todt geglaubte König, bleich, von heftigen Leiden verzehrt, sterbend seine letzte Kraft zusammennehmend, mit der er sich an den Eingang des Gemaches geschleppt und Moncenigo’s schändliche Rede gehört hat. – Dieser Moment ist von außerordentlicher Wirkung. – Der König erklärt, die letzten Augenblicke seines Lebens dazu verwenden zu wollen, Venedigs niederträchtigen Verrath zu vereiteln, und dem Volke die Unschuld seiner Gattin zu versichern. Da giebt der unerschütterliche Moncenigo zum Fenster hinaus mit seiner Schärpe ein Zeichen, – Kanonendonner, Aufruhr läßt sich vernehmen: zu spät wird der Verräther von des Königs Wachen ergriffen. Man eilt zum Kampfe, zur Unterdrückung der venetianischen Rebellion; Gerard, froh, Lusignan dienen zu können, treibt mit seinen Rittern die Venetianer aus dem Arsenal: Catarina stellt sich an die Spitze des Volkes, das sie schnell für sich begeistert hat: Venedig wird geschlagen, und der sterbende König übergiebt die unheilvolle Krone in seiner Gattin Hände. Diese nimmt ihr Söhnlein auf den Arm, welches übrigens, auf Herrn St. Georges‘ wohlthätige Zeitverkürzung nicht achtend, sich streng geschichtlich als ein tüchtiger Knabe von wenigstens drei Jahren ausweist; das Volk schwört Treue, und der Maltheserritter, seines Ordensgelübdes eingedenk, trennt sich von seiner Frühgeliebten auf ewig. –

Zu „La Reine de Chypre“: Dekors für den 5. Akt der Uraufführung von Charles Cambon/ Gallica/ BN

Wer wird nun läugnen, daß dieß ein Operntext sei, wie man ihn sich unter Umständen gar nicht besser wünschen kann? Da ist eine Handlung, welche den Zuschauer von Akt zu Akt fesselt, spannt und unterhält, rührend – wo es hingehört, entsetzlich – wo es  sich gut ausnimmt, – dem Komponisten hundert Gelegenheiten bietend, all‘ seine Fähigkeiten und Fertigkeiten an das Licht zu bringen.(…)

Herrn Halévys (…) Musik ist anständig, gefühlvoll, an manchen Stellen sogar von bedeutender Wirkung. Eine Anmuth, die ich an Halévy’s Talente früher noch nicht kannte, liegt in den vielen hübschen Gesangstellen, zu denen der Text reichlichen Stoff bot, und vor Allem fiel mir in der Bearbeitung des Ganzen ein gutes Streben nach Einfachheit auf. Es wäre ein wichtiges Moment für unsere Zeit, wenn dieses Streben von der Pariser großen Oper ausgehen sollte, in einer  Epoche, wo unsere deutschen Opernkomponisten eben erst angefangen haben, dem französischen Luxus und Pompe nachzueifern; wir hätten dann nichts Gescheidteres zu thun, als auf halbem Wege wieder umzukehren, um wenigstens in dieser rückgängigen Bewegung den Franzosen zuvorzukommen. Mit Glück hat Halévy nach Vereinfachung jedoch nur in der Vokal-Partie seiner Oper gestrebt, aus der er alle jene perfiden Kunststückchen und unausstehlichen Primadonnen-Zierrathen verbannt hat, welche (allerdings zum großen Entzücken der glorreichen Pariser Dilettanten) aus den Partituren Donizetti’s und Consorten in die Feder manches geistreichen Komponisten der französischen Oper geflossen waren. Viel weniger ist ihm dieß dagegen in der Instrumental-Partie gerathen. Wollen wir – Gott weiß aus welchen Gründen – die moderne Anwendung der Blechinstrumente aufgeben, so müssen wir nothwendig auch die Kompositionsweise verlassen, die jene Anwendung hervorgerufen hat; in Wahrheit ist aber die z.B. Halévy eigenthümliche Auffassung der dramatischen Musik viel eher als ein Fortschritt, denn als ein Rückschritt zu betrachten, und die – ich möchte sagen – historische Richtung, die in derselben vorwaltet, muß als eine gute Basis angesehen werden, auf welcher wir weiter, zur Lösung vielleicht noch ganz unausgesprochener Aufgaben gelangen dürften. Daß diesem historischen  Charakter die geistvolle Anwendung, zumal der modernen Blechinstrumente, wie wir sie z.B. in Halévy’s Jüdin kennen, sehr gut entspricht, ist nicht in Abrede zu stellen, und hat sich dieser talentvolle Komponist, vielleicht durch die Gewahrung des scheußlichen Misbrauches, den neuere italienische Opernmacher und Pariser Quadrillen-Komponisten von dieser Instrumentationsweise machen, von ihrer ferneren Anwendung abschrecken lassen, so befindet er sich jedenfalls in einem Irrthume, der zumal mit der Festhaltung seiner Kompositionsweise in vollem Widerspruche steht. Denn, ich wiederhole es, von seiner früheren Art der Auffassung dramatischer Musik hat Halévy auch in diesem seinem neuesten Werke nicht abgelassen, und so kommt es denn, daß sich zumal in den beiden ersten Akten Stellen vorfinden, die ihrem Charakter nach durchaus anders, ich will sagen »moderner« hätten instrumentirt werden müssen, um die jedenfalls beabsichtigte Wirkung hervorzubringen; dadurch ist Halévy in den Fehler gerathen, z.B. Clarinetten und Hoboen dieselbe Wirkung zuzumuthen, die nur von Hörnern und Ventiltrompeten zu erwarten steht; und so kommt es, daß diese Stellen den Eindruck einer völlig schülerhaften Instrumentation machen. Im Verlaufe der Oper hat der Komponist seine Grille aber fahren lassen, und instrumentirt, wie es nun einmal in seiner Natur liegt. Abgesehen von die- sem (im Ganzen doch nur Neben-) Punkte, sind überhaupt die letzteren Akte wirkungsreicher als die ersten: in jeder Nummer stößt man auf große Schönheiten, und es ist in diesem Bezuge namentlich der letzte Akt zu nennen, dem der Komponist wirklich einen hochpoetischen Duft zu geben gewußt hat: der sterbende König erhält dadurch eine rührende, ergreifende Bedeutung, und von wahrhaft erschütternder Wirkung ist ein Quartett, welches jener Situation angehört, die ich schon bei der Besprechung des Textes als schön anführte. Eine gewisse schauerliche Erhabenheit, durch elegischen Hauch verklärt, ist überhaupt ein charakteristischer Zug in Halévys besseren, aus dem Herzen geflossenen Produktionen.

Zu „La Reine de Chypre“: Dekors für den 1. Akt von Charles Cambon/ Gallica/ BN

Sage ich nun noch in der Kürze, daß, wenn diese Oper nicht an die Höhe der »Jüdin« reicht, dieß gewiß nicht einer Schwächung der Schöpfungskraft des Komponisten, sondern einzig dem Mangel eines großen, hinreißenden, oder allgemein erschütternden poetischen Hauptzuges in der Dichtung, wie er in jener »Jüdin« wirklich vorhanden ist, zur Last gelegt werden muß. Die Pariser große Oper kann sich aber immerhin zu der Geburt dieses Werkes gratuliren. (…) Richard Wagner, Paris den 31. Dezember 1841.

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Interessante Parallelen zwischen Halévys Reine de Chypre und Donizettis Oper Caterina Cornaro sieht der Belcanto-Spezialist Alexander Weatherson in seinem Artikel, der im Newsletter der Londoner Donizetti Society zum Pariser Konzert 2017 erschien, hier ein Auszug: „How much did (Caterina Cornaro) owe to Halévy?“

La Reine de Chypre des französischen Komponisten, eine Grand Opéra in fünf Akten mit einem Text von Jules-Henri Vernoy de Saint Georges, hatte einige Monate zuvor Paris in Atem gehalten. Sie enthielt genau die Hauptdarsteller, die er für sein Eigentum hielt – La Stoltz, Duprez und Barroilhet – sowie dieselbe Handlung und historische Bedeutung, aber obwohl Halévys imposante Partitur noch immer nachhallt, sind die wirklichen Ähnlichkeiten zwischen den beiden Opern erstaunlich gering. Die gallischen Akzente der französischen Tour-de-Force machen sich nur insofern bemerkbar, als sich diese Saga einer vereitelten Liebe und einer undurchsichtigen venezianischen Intrige in zwei Teile teilt: Donizettis in Paris begonnener Eröffnungsgambit flirtet kurz mit Halévys ausladender Szenegiatur – während der dramatische Kern seiner inbrünstigen Antwort auf die Handlung, Frucht seiner Rückkehr ins polyglotte Österreich, eine orchestrale Breite, eine reiserelevante Neugier und eine Reihe exotischer Bilder aufweist, die einer anderen Kultur angehören. Linda und Pasquale spielen hier keine Rolle, orientalische Würze aus dem maghrebinischen Dom Sébastien roi de Portugal wurde in die Mischung gerührt.

Vergleiche sind illusorisch, Träume von einem brüderlichen Klon sind illusorisch, die gleichen Begegnungen lösen in beiden Partituren ähnliche Reaktionen aus, aber die Hoffnung auf einen Durchschlag ist vergebens. Mit einem Fuß in zwei europäischen Hauptstädten und mit eigenen Grand Opéras hat Donizetti mindestens die Hälfte seiner Oper von einem Standardrezept aus seinem eigenen Portfolio abgeleitet. (…)

Das letzte Duett der großzügig angelegten Oper von Halévy – der proaktive emotionale Höhepunkt von La Reine de Chypre – befindet sich, wie man sieht, noch im ausufernden und eher diskontinuierlichen ersten Akt des italienischen Komponisten, und es markiert einen Begriff, Mit diesen gallischen Momenten verschwindet Halévy mehr oder weniger, sein Acte 4 wird ignoriert und sein Acte 5 zerstückelt, obwohl viele Aspekte der Handlung an Ort und Stelle verbleiben, bietet sein produktiver Zeitgenosse ein Atto Secondo nach seinem Geschmack, dessen Substanz mit Zähnen und Klauen meridional ist. Sobald Donizetti in seine kaiserliche Pfründe zurückgekehrt und das Schicksal der Oper gesichert war, brachte er die Handlung zu einer energischen Auflösung: Eingeleitet durch einen großen Moment für den Tenor, gefolgt von einer Gran’scena der Heldin vor der Bühne – eine zweiteilige Arie, die vom Coro eingeleitet wird, in deren Mittelpunkt eine Preghiera steht, die durch eine tränenreiche Todesszene des Baritons im Off in Form eines Tempo-di-mezzo unterbrochen wird, und das Ganze gekrönt von einer synkopierten Cabaletta-con-coro mit einem Abschiedsschrei (von Gerardo) und einer vollständigen Reprise. Alles in allem eine beredte, wenn auch alles andere als neuartige Sequenz mit der Absicht, den Vorhang für die eifrige Zustimmung seiner Mitbürger fallen zu lassen. (…) Diese Opern von Halévy und Donizetti entstanden, wie man sieht, aus gegensätzlichen Philosophien wie auch aus unterschiedlichen Schauplätzen. Das Publikum der grandiosen Opéra war blasiert, es ließ sich bezaubern und ablenken, aber es war stolz auf seine eifersüchtig bewahrte Désinvolture. Die Grand opéra war für ihr heiteres Gemüt gedacht, sie bot gehobene Themen mit einer gemächlichen Entfaltung in akribisch nachgebildeten historischen Kulissen mit bilderbuchmäßiger Wahrhaftigkeit und Kostümen, hyperreale voire grausame oder verstörende Spektakel als eine Hauptstärke, ein Ballett-Divertissement als leichte Erleichterung und eine dünne Streuung von vernünftig verteilten Gesangsstücken. Ungezügelter Enthusiasmus war den weniger bekannten Aufführungsorten vorbehalten. Übersetzt mit www.DeepL.com/.

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Die beiden Artikel von Sieghart Döhring entnahmen wir – in Auszügen – mit sehr liebenswürdiger Genehmigung des Autors dessen Beitrag in Pipers Enzyklopädie der Oper, Band 2, (München 1987, ISBN 3-02412-2). Wagners Text entnahmen wir mit starken Kürzungen seinen Gesammelten Schriften und Dichtungen. / 1: Bericht über eine neue Pariser Oper (La reine de Chypre, von Halévy), C. F. W. Siegel, Leipzig 1907. Alexander Weathersons Aufsatz erscheint im Juni-Newsletter 2017 der Londoner Donizetti Society:  http://www.donizettisociety.com/ – Foto oben:  Bild der Caterina Cornaro von Bordone, Paris 1520/ Wiki/ Wiki

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Eine vollständige Auflistung der bisherigen Beiträge findet sich auf dieser Serie hier.

Wiederbelebte Rose

 

Angeblich ist die deutsche Spieloper fast ausgestorben, und Komponisten wie Lortzing, Flotow und Co. so gut wie vergessen. Doch 2016  gab es eine Martha  in Frankfurt am Main, die Aufsehen erregte. Und die ist nun bei Oehms auf CD erschienen. Das Aufregende an dieser Martha ist, dass sie vom alternativen Wagner-Hügel kommt. Wer Wagner liebt und Bayreuth hasst, der wallfahrt zur Frankfurter Oper. Hier hat Dirigent Sebastian Weigle nicht nur einen sehr spannenden Ring dirigiert, sondern auch alle drei Jugendopern, die in Bayreuth nicht laufen dürfen (und die gerade wieder aufgelegt in einer 3-Opern-Box bei Oehms erschienen sind). Und ausgerechnet Weigle widmet sich einer der vernachlässigten Spielopern. In einer erstaunlich guten Besetzung.

Solide besetzt: Wir Journalisten neigen mitunter zu knappen Formeln – doch die Vornamen des Tenors AJ Glueckert schreibe ich wirklich deshalb nicht aus, weil ich sie nicht kenne (und er findet sich nicht einmal auf der website seiner Agentur). Glueckert ist ein Tenor, der wenig Persönliches von sich preisgibt. Er verheimlicht uns nicht nur seine Vornamen, sondern auch seine Herkunft. Auf keiner Internet-Seite, nicht einmal seiner eigenen, gibt er seine Nationalität preis. Auch im Booklet schweigt man sich aus. Wer oder woher AJ Glueckert auch immer ist, eines ist kein Geheimnis: Er kann was! Er ist singt den Lyonel mit Delitakesse und Fingerspitzengefühl. Sogar mit der Leichtigkeit, die es hier trotz aller Schwerblütigkeit der Figur musikalisch braucht.
Ein weiterer Grund, sich diese Aufnahme zuzulegen, ist die Schwedin Maria Bengtsson, in der – fast hätte ich gesagt Titelpartie. Aber der Witz ist ja, dass es gar keine Martha gibt, sie ist ein Alias der reichen Lady Harriet, die einen Tag lang Magd spielt. Die Sängerin der Lady also ist nicht nur ein Hingucker, sondern auch ein akustisches Ereignis. Ihre Koloraturen sind etwas angestrengt, aber man muss bis in die Vierziger- und Fünfzigerjahre zurückgehen, um eine Martha mit wirklich flotten Koloraturen zu hören, zu Erna Berger oder Wilma Lipp. Das große Pfund, mit dem Frau Bengtsson wuchern kann, ist ein strahlend silbernes, anmutig klingendes Timbre. Marthas berühmte irische Strophen habe ich so bewegend selten gehört. Mal nicht die große Kitschkiste, sondern bewegender Lyrismus – so soll es sein. Auch Katherina Magiera (Nancy) und Njörn Bürger (Plumkett) als Buffo-Paar sind auf Augenhöhe mit dem seriösen Fach.

Der Held ist der Dirigent: Die Handlung der Inszenierung wurde in die Gegenwart verlegt. Und es gibt ein paar kleine Textretuschen. Die dem Werk ganz gut bekommen, wenn mir solche Eingriffe auch grundsätzlich Magenschmerzen bereiten. Nicht weil ich da Purist bin, sondern weil ich Feigheit wittere. Wenn man das bei Wagner machte, wäre der Lärm groß. Und da lohnte es sich wirklich. Es sind immer die kleinen Komponisten, die keine Lobby haben, die unter Eingriffen leiden. Eigentlich agieren die Regisseure da genau wie gewisse Typen damals auf dem Schulhof.
Unterm Strich treibt Sebastian Weigle das Spiel temperamentvoll und fast wütend voran. Dadurch bekommt das alles eine Seriosität, ein Feuer, was ich mitunter in den fluffig dahinhüpfenden Einspielungen von Wallberg oder Heger vermisse. Hier macht sich bemerkbar, dass das ein Dirigent ist, der den ganz jungen Wagner der 1840er Jahre gut kennt, das ist ja dieselbe Zeit. Deswegen: Trotz Bühnengerumpel und kleiner Abstriche in der Interpretation eine markante Aufnahme, die in ihrer wagnerschen Stringenz den Komponisten Flotow noch einmal ganz neu gewichtet.

Tolle Ausstattung: In weiteres Mal kann ich die haptisch-optische Seite der Oehms-Opern-CDs nur preisen. Schöne Verpackung, übersichtliche Tracklisten, vollständiges Libretto im Schuber, interessanter Einführungstext – und das zu einem fairen Preis. Ich weiß, ich klinge wie ein Teppichhändler beim Ausverkauf – aber da diese Art von Service so selten geworden ist, klinge ich gern so. (Friedrich von Flotow: Martha oder der Markt zu Richmond; mit AJ Glueckert, Maria Bengtsson, Björn Bürger, Katharina Magiera; Chor und Orchester der Oper Frankfurt/Main; Sebastian Weigle; Oehms Classics, 2 CD OC 972).  Matthias Käther

Auf 15 CDs: Warners  Gounod Edition

 

Passend zum Jubiläum des Komponisten 2018: Wehmütig, entsagungsvoll blickt Gretchen, im rosa Kleid auf der Gartenbank sitzend, am jungen Edelmann vorbei. Sie werden nicht zusammenkommen. Das Foto, für das Edda Moser und Nicolai Gedda anlässlich der Aufnahmesitzungen zu dieser frühen Faust-Quadrophonie-Aufnahme der Electrola 1973 in der Berliner Grunewaldkirche eigens in Fotostudio geeilt sind, sagt alles. Der Querschnitt, der zur Unterscheidung zum französischen Faust unter dem lange in Deutschland gebräuchlichen Namen Margarethe Eingang in The Gounod Edition von Warner Classics (15 CDs 0190295648890) gefunden hat, kann dem internationalen Publikum vorführen, wie originell deutsche Querschnitte in den 70er Jahren besetzt und konzipiert wurden. In 15 Nummern und fünfzig Minuten erzählt der von Helmut Storjohann und Christfried Bickenbach produzierte „Große Querschnitt in deutscher Sprache“ von Gretchen und Faust. Nicolai Gedda ist in jeder Phrase der promovierte Gelehrte, singt klug und eloquent, hochkultiviert und farbenreich, aber auch ein bisschen stocksteif, wodurch er Edda Mosers gezierte Margarethe nicht richtig aus der Reserve zu locken vermag. Kurt Moll ist ein wunderbarer Bass, doch nicht der abgefeimteste aller Mephistos, Dietrich Fischer-Dieskau ein doch sehr passender Valentin; Giuseppe Patané dirigierte das Radio-Symphonie-Orchester Berlin mit feuriger Zugkraft. In gleicher Besetzung entstand übrigens auch ein quadrophoner Don Carlos (sic).

Die etwas eklektische Gounod-Edition bei Warner

Die deutsche Margarethe ist eines der Petits Fours, mit der die Herausgeber die opernschwache Edition verzuckerten. Zu den Zuckerl gehören Saphos „Héro sur la tour solitaire“, das einer Entdeckung gleichkam, als die Erato-Aufnahme mit Marilyn Horne in den 1980er Jahren (unter dem entdeckungsfreudigen Lawrence Foster) herauskam. Wer das gehört hat, muss natürlich die gesamte Aufnahme mit der Grande-Duchesse, Dalila und Aubers Zerline haben. Die andere Sapho ist, mehr als Vierteljahrhundert zuvor aufgenommen, Régine Crespin mit „O ma lyre immortelle“. Auf CD 10 und 11 prallen bei Opera Arias und Songs Auffassungen und Generationen aufeinander, begegnen sich ausgewiesene Stilisten und Stimmbesitzer. Pierre Bernac, der Doyen des französischen Liedgesangs, ist mit „Au Rossignol“ vertreten (er wurde 1945 von Francis Poulenc belgeitet), dabei ist auch Gérard Souzay mit neun in den frühen 70er Jahren aufgenommenen Liedern (mit seinem Freund Dalton Baldwin), Dietrich Fischer-Dieskau steuert „Solitude“ bei, der ähnlich wie Souzay nahezu ausschließlich als Liedsänger tätige, aber kaum noch bekannte (bei Philips wurden einst seine schönen Fauré-, Duparc- und Ravel-Aufnahmen wiederveröffentlicht) hellbaritonal-feinsinnige Camille Maurane singt  u.a. „Venise“; José van Dam fällt im Vergleich fast etwas ab. Stärker das Gefälle bei den Tenören: Rolando Villazón, 2004 noch gut bei Stimme, breitbeinig und pauschal als mit Polyeucte und La Reine de Saba, José Carreras, 1994 traurig und live aus dem Wiener Musikverein, mit zwei kurzen Liedern, dazu der unvergessene Laurence Dale. Neben Horne und Crespin, ist die leuchtende Françoise Pollet mit La reine de Saba und Cinq-Mars vertreten – welche Diktion bei Crespin und Pollet (Texte gibt es im schmalen Beiheft, das uns mehr über die Aufnahmen und ihre Hintergründe als über Gounod erzählen könnte, natürlich nicht); Felicity Lott und Anna Murray erinnern mit drei Beiträgen an die schöne Zeit ihrer gemeinsamen Liederabende, und mit Gounods berühmtester Nummer, dem „Ave Maria“, ist auch Barbara Hendricks mit dünner Stimme dabei. Im Großen und Ganzen bewahrheitet sich die Aussage eines britischen Autors, “The voices Gounod knew were types particular to France, and the language he set with such lyrical eloquence and declamatory force is one that equally combines these qualities: French“.

 

Leider nicht dabei: die erste vollständige „Faust“_Einspielung bei EMI mit de los Angelkes und Gedda

Gounods Ruf verbreitete auch die Cäcilienmesse, die Messe solenelle de Sainte Cécilie, die in der Edition in einer Aufnahme von 1963 unter Jean-Claude Hartmann vertreten ist. Da hätte es im Erato-Katalog auch Neueres gegeben, doch die Besetzung vor allem mit Pilar Lorengar (gegenüber Barbara Hendricks) – dazu Heinz Hoppe, Franz Crass –  spricht für sich. Hendricks kommt aber mit dem nicht sehr anspruchsvollen Sopranpart im viktorianisch-frommen Oratorium Mors et Vita zu Wort, wo Michel Plasson mit Nadine Denize, John Aler und José van Dam eine opernhaft-leidenschaftliche Aufführung leitet. Plasson begegnet uns wieder bei den beiden Sinfonien von 1855. Zu diesem Zeitpunkt war Gounods Karriere trotz der überschaubaren Erfolge der Sapho und der Nonne sanglante 1851 und 1854 die entscheidende Abbiegung zur Oper genommen.

 

Man kann bedauern, dass Plasson bei Faust, den er allüberall dirigierte, mit seiner Einspielung von 1991 nicht zum Zuge kommt, auch nicht Gedda (welche schöne Gegenüberstellung hätte das ermöglicht), de los Angeles und Christoff unter Clytens 1958. Stattdessen hat man sich für die 1978 in der Pariser Salle Wagram entstandene Aufnahme unter Georges Prêtre mit Mirella Freni, Plácido Domingo und Nicolai Ghiaurov entschieden. Von Prêtre hätte man sich eine leidenschaftlichere, idiomatischere als diese von Nummer zu Nummer springende, gelegentlich triviale Aufführung erwarten dürfen; das Ballett ist angehängt, Plasson nahm übrigens zusätzlich drei vor der Uraufführung gestrichene Passagen auf. Domingo gibt eine seiner leidenschaftlichen Instant-Interpretationen, Ghiaurovs Mephisto bietet eine gute Verbindung von Witz und Bosheit, Freni vermittelt das Pathos der Marguerite und ist berührend in „Il était un roi de Thule“, bei Thomas Allen hört man gerne hin, sein grobkörniger Valentin ist mustergültig.

Und leider auch nicht dabei: die atmosphärische und erste Einspielung der „Mireille“ aus Aix-en-Provence unter Cluytens bei EMI

Auch im Fall der Mireille wäre die ältere Cluytens-Aufnahme von 1954 möglicherweise die bessere Wahl für diese provenzalische Liebesgeschichte gewesen. Dafür ist die Plasson-Aufnahme aus Toulouse von 1979 vollständiger. Freni ist als Mireille, die in Liebe zum armen Korbflechter Vincent entbrennt, ganz in ihrem Element, Alain Vanzo singt mal wieder den Vincent mit viel Stil und Stimme, als sinisterer Gegenspieler Ourrias gibt José van Dam eine vielschichtige Interpretation und mit Jane Rhodes, Gabriel Bacquier, Christine Barbaux , Michèle Command sind erste Sänger aus der zweiten Reihe versammelt. 1983 war José van Dam in Toulouse wieder mit dabei. Diesmal als nobler Frère Laurent in der sehr lohnenden Roméo et Juliette, wo Alfredo Kraus als Romeo mit eminenter Kultiviertheit und Technik, perfekter Atemführung und zauberischen Pianissimi eine seiner besten (wenngleich vielleicht nicht unbedingt idiomatischsten) Interpretationen gibt. Catherine Malfitano ist eine mehr als ausreichende Juliette. Michel Plasson, der gut zehn Jahre später nochmals Alagna und Gheorghiu auf den berühmtesten Balkon der Literaturgeschichte schickte, integrierte erstmals die Ballettmusik im fünften Akt und versammelte wieder ein französisches Ensemble.  Rolf Fath

 

Foto oben/  Gounod: Szene aus der Pariser Produktion von „Mireille“, 2010 im  Palais Garnier/ Foto A. Pouteney/ Opéra National de Paris;dazu auch die ausführliche  Rezension im italienischen Online-Magazin Tutti

 

„Mich interessiert Theater…“

 

Kurz vor Ende der ersten Spielzeit des neuen GMD und Operndirektors des TfN (Theater für Niedersachsen) Florian Ziemen ergab sich vor einer Vorstellung der „Blume von Hawaii“ die Gelegenheit, mit ihm ein Gespräch zu führen. Er hatte durch seinen besonders vielseitigen Spielplan und die Entdeckung der nahezu unbekannten „Adelia“ von Gaetano Donizetti überregionale Aufmerksamkeit erregt. Darüber und anderes mehr sprach Marion Eckels mit dem neuen Chef in Hildesheim.

 

Florian Ziemen/ Foto IVA KLjuce

Zunächst nach seinem Werdegang befragt, begann er äußerst lebhaft zu berichten:  Als gebürtiger Münchner habe ich auch dort studiert, war während des Studiums als Chorassistent an der Bayerischen Staatsoper beschäftigt und durfte in der damals frisch gegründeten August Everding Akademie viele Produktionen musikalisch leiten. Nach zwei weiteren Jahren an der Londoner Royal Academy of Music machte ich dort meinen Master im Dirigieren.

Musikalisch prägend waren Begegnungen mit Sir Colin Davis, Peter Maxwell Davis, Roger Norrington sowie Reinhard Goebel, mit dem er bis heute verbunden ist. Meine ersten Berufsjahre führten mich als Solorepetitor an das Aalto-Theater in Essen zu Stefan Soltesz, von dem ich sehr gefördert wurde; innerhalb der sieben Jahre stieg ich zum 2. Kapellmeister auf und durfte sehr viel dirigieren. Danach war ich 1. koordinierter Kapellmeister in Bremen und ging 2012 mit Michael Hofstetter als 1. Kapellmeister und stellvertretender GMD ans Stadttheater nach Gießen, also eine ganz klassische Kapellmeister-Laufbahn. Seit 2015 bin ich nebenbei Dozent für Orchesterdirigieren an der Hochschule der Künste in Bern.

Nach Hildesheim kam Ziemen praktisch durch seinen dortigen Vorgänger Werner Seitzer, der auf seine Arbeiten aufmerksam wurde, die sich durch aufführungspraktische Entdeckungslust und musikalische Frische auszeichneten. Seitzer lud ihn – quasi als Bewerbung – zur „Boccaccio“-Produktion ein. Alle waren sehr angetan – bis auf das Orchester, was zunächst zu großem Wirbel führte, als er trotzdem ernannt werden sollte. Das war natürlich sehr unangenehm und man überlegt sich dann eine Entscheidung eher zweimal. Ich bin meinem Gefühl gefolgt, dass ich es dennoch tun sollte – und das hat sich bestätigt. Jetzt bin ich unglaublich dankbar, dass das inzwischen alles Schnee von gestern ist. Wir haben uns noch im Vorfeld konstruktiv und vorsichtig angenähert und einen sehr guten Prozess durchlaufen, was dafür entscheidend war, dass es vom ersten Tag an hier ein wunderbares Zusammenwirken war. Die Arbeit macht viel Freude, das Arbeitsklima ist sehr gut. Wir haben einen ganz tollen Start gehabt; natürlich wird man sich gelegentlich wieder mal reiben, aber das gehört dazu. Mein Vertrag geht zunächst bis 2020, aber jetzt nach einem knappen Jahr fühle ich mich immer noch an einem Anfang.

Florian Ziemen in Aktion/ Foto: © TfN (Theater für Niedersachsen)

Florian Ziemen hatte bislang nebenbei noch etliche sinfonische Gastdirigate sowie Opern- und Operetten-Produktionen übernommen, bei den Grands Ballett Canadiens in Montreal war er seit vielen Jahren ständiger Gast. Wie sieht das jetzt neben der Doppelfunktion am TfN aus? In der Richtung mache ich im Moment gar nichts! Ich habe hier ein Gebilde übernommen, das Werner Seitzer in 33 Jahren aufgebaut hat. Es ist eine unheimlich anspruchsvolle Aufgabe, dies einerseits gut weiter zu führen und andererseits vielleicht auch einige Dinge mit neuen Impulsen zu versehen. Das ist absolut abendfüllend, da bleibt keine Zeit für anderes.

Impulsiv schließt er gleich eine lange Erklärung an, was er am Theater in Hildesheim weiter vorantreiben möchte:  Mich interessiert die Institution Theater sehr. Man kann die Frage stellen, ob eine Stadt wie Hildesheim ein Theater braucht. Meine Antwort ist natürlich: Ja!! Man muss das aber auch füllen. Was haben wir den Leuten zu bieten, die heutzutage mobil überall hinfahren können, und wie kann man ein Theater so entwickeln, dass es ein gemeinschaftlicher Ort ist und bleibt? Ich habe z. B. in London sehr stark erlebt, wie Oper dort etwas Fremdes, Exklusives ist, das nicht unbedingt zur Allgemeinheit dazugehört wie hier in Deutschland. Hier haben wir natürlich auch einen Erosionsprozess; es gibt nicht mehr so ein Bildungsbürgertum; auch die Generation wird schon älter, die gar nichts mehr mit klassischer Musik am Hut hat, sondern sich lieber Karten für das x-te Rolling-Stone-Revival kauft als für die Oper. Da muss man eine Antwort finden, wie die Faszination dafür zu wecken ist, dass sich eine Gemeinschaft, eine Stadt ein Theater leistet mit diesen großartigen Künsten, die zugänglich für alle sind, und was sich da in der Zukunft entwickeln kann.

Meine Antwort liegt gewissermaßen im Spielplan. Für mich kann es nicht der Weg sein, wenn wir das Gleiche machen wie Braunschweig oder Hannover, nur in „klein“. Dann ist man schnell überflüssig. Wir müssen unbedingt eine Ergänzung sein, d.h. gültig sein, so dass wir uns mit allen anderen vergleichen können. Wir müssen also Stücke bringen, die nicht gerade in der Nähe laufen, also auch seltene Stücke und solche, die per se interessant sind. Darüber möchte ich auch einen Stolz der Hildesheimer – selbst derer, die nicht kommen – auf ihr Haus ermöglichen, wenn hier Dinge geschehen, die es nur hier gibt und für die auch Menschen nach Hildesheim kommen.

 Mit den gelungenen Produktionen dieser Saison (2017/2018) von Weills „Mahagonny“, Telemanns „Orpheus oder die Beständigkeit der Liebe“ und Donizettis „Adelia“ bis zu Abrahams „Blume von Hawaii“ braucht sich Hildesheim wahrlich nicht zu verstecken. Für die neue Spielzeit stehen Mozarts „Hochzeit des Figaro“ in einer deutschen Singspiel-Fassung aus dem 18. Jahrhundert, Tschaikowskys „Pantöffelchen“, Offenbachs „Prinzessin von Trapezunt“ und Brittens „Tod in Venedig“ auf dem Plan. Das sind alles reizvolle Stücke, die in den nahe gelegenen Opernhäusern nicht gezeigt werden oder wurden.  Die Hoffnung wäre, auch als ein „kleines“ Haus einen Nimbus zu entwickeln, indem wir schlagkräftig  und kraftvoll sind und die Menschen gewinnen. Eine Sache, über die ich mich zum Beispiel ganz extrem freue: Ein kostenloses Hildesheimer Wochenblatt mit großem redaktionellem Teil neben den Anzeigen veröffentlichte immer nur Schauspiel- und Musical-Kritiken, aber keine von Opern, da sie dafür keinen Redakteur hatten. Gemeinsam hatten wir die Idee, doch eine Serie mit Leuten zu machen, die noch niemals in einer Oper waren. Das war ein fulminanter Erfolg, denn die „Erst-Gänger“ schrieben bisher eigentlich ausnahmslos, das sei ganz toll gewesen, das sei viel spannender als erwartet, das sollte man viel öfter machen etc.! Das ist genau die Botschaft die ich verbreiten möchte: den Leuten diesen Schatz, den sich eine Stadt mit 100 000 Einwohnern mit diesem Theater leistet, bewusst zu machen – denn sowas gibt es in dieser Dichte in keinem anderen Land der Welt. Ob wir das eine große Opernland in der Welt bleiben, hängt davon ab, ob wir ein Bewusstsein für diesen Schatz, dieses Erbe entwickeln; und insofern viel mehr von der Zukunft von Häusern wie Hildesheim als von Berlin – ein wahnsinnig spannender Gedanke.

Im Konzertbereich ist Florian Ziemen ebenfalls sehr aktiv. Zwar hat er in der letzten Saison nur zwei von fünf großen Sinfoniekonzerten dirigiert, dazu aber noch das Neujahrskonzert mit sieben Wiederholungen. Hier wollten wir etwas Neues wagen und haben das Konzert unter das zwiespältige Motto „Spiel, Zigeuner!“ gestellt. Der Anlass zu dieser Idee war, dass hier in Hildesheim die älteste Sinti-Ansiedlung Deutschlands war. Im ersten Teil gab es dann süffige Operetten-Highlights mit Orchester und Sängern und Sängerinnen des Theaters, nach der Pause hat Balogh Kalman, ein Roma aus Budapest und vor allem unglaublich guter Cymbalom-Spieler mit uns Brahms‘ ungarische Tänze und eigenen Stücke musiziert. Außerdem kamen dann noch die Gitarristen Kussi und Sascha Weiss vom Django Reinhardt-Festival, zwei Lokalstars, die dann alle zusammenspielten – das war ein Riesenerfolg.

Das Stadttheater Hildesheim/ Foto Andreas Hartmann/ fotoaha@aol.com/ © TfN (Theater für Niedersachsen)

Ein besonderes Anliegen ist Ziemen die stilistische und aufführungspraktische Wiedererschließung der Operette, was zu mehreren geradezu spektakulär aufgenommenen Produktionen führte. So bekamen wir auch noch eine fachgerechte Einführung in seine Gedanken zur „Blume von Hawaii“.   Paul Abraham hat sich sehr dafür interessiert, das Orchester zu demokratisieren und Dinge aus dem Jazz zu übernehmen. Er hat in der original notierten sogenannten „Zentralpartitur“ den Song so aufgeschrieben, dass alle Instrumente immer spielen, aber mit der Idee, dass man spontan mit den Instrumentengruppen variieren kann. Bisher gab es hier nur eine zwar rekonstruierte, ausgesetzte also quasi „vorgekaute“ Version vom Verlag. Ich habe gefragt, ob wir das nicht in dieser Freiheit, wie Abraham es gemeint hat, machen können, und wir haben jetzt als Erstaufführung einer Version machen können, die vieles davon miteinbringt und die wir in einem Werkstattprozess entwickeln konnten. Also wenn man die Ohren öffnet, hört man ganz besondere Orchesterklänge, mit Schlagzeug, improvisatorischen Elementen und vielen unterschiedlichen Orchesterfarben. Wahnsinnig schwierig ist es mit der Balance, denn wir machen das ohne Mikroports – meines Wissens sind wir da auch die Ersten. So ist es bei jeder Vorstellung ein großer Kampf, ob wir das auch leise genug hinbekommen, so dass die Bühne gut zu verstehen ist. Aber ich finde, dieses Ringen hat eine Kraft, die man von einem bequem laut spielenden Orchester und mikrofonierten Stimmen niemals bekommt. Insofern ist es, denke ich, etwas sehr Eigenes, was wir mit der „Blume von Hawaii“ entwickelt haben. Da man die „Zentralpartitur“ in der Nachkriegszeit nicht verstanden hat, wurde alles neu im Stil der Zeit bearbeitet, so gab es diese verkitschten Filme und Aufführungen. Die Bearbeitung merkt man auch am Gesangsstil. Der Beruf des Operettendarstellers, für den das geschrieben ist, ist ja ausgestorben. Ich finde es fast immer richtig, mit Sängern zu besetzen, denn Schauspieler sind mit ihrer Singstimme meist einfach nicht vertraut und versiert genug. Die Opernsänger aber müssen dann auch einen eigenen, persönlichen Weg finden, mit den Mitteln von Singen, Sprechen und Rufen ihre individuelle Art finden. Gleichzeitig muss die Stimme tragen, um mit Saxophon, Banjo, Schlagzeug und massivem Orchester mitzuhalten. Mit diesen Dingen beschäftige ich mich seit 10 Jahren sehr intensiv, das besondere und wunderbare ist ja, dass man hier eine ‚historische Aufführungspraxis‘ betreiben kann und dazu – anders als bei älterer Musik – Tondokumente hat!