Wegweisung zum „Welterbe Opernhaus“. Nein, diesmal ist nicht das Festspielhaus oben auf dem Grünen Hügel gemeint, sondern die kleine 500-Plätze Preziose in der Innenstadt. Seit 2012 ist Bayreuth um eine von der UNESCO offiziell als Weltkulturerbe anerkannte Attraktion reicher. Kenner wussten freilich schon immer, dass das Markgräfliche Opernhaus die anderen erhaltenen Barocktheater in Deutschland, die Schlosstheater in Ludwigsburg und Sanssouci und das Eckhof-Theater, an theatralischer Pracht und feierlicher Vornehmheit übertrifft. Sofort wurde Giuseppe Galli Bibienas Opernhaus einer umfassenden, sechs Jahre dauernden Resaturierung unterzogen, in deren Verlauf für 30 Millionen Euro u.a. die Holzkonstruktion von den vielen Farb- und Lackschichten frei gelegt die bei der letzten Sanierung vor fast 80 Jahren mit falschen Lacken und Schutzmitteln begangenen Fehler behoben und in den Originalzustand von vor 270 Jahren versetzt wurde, als das Haus 1748 mit Hasses Artaserse eröffnet wurde. 30 Millionen. 90 Prozent Original. Fast unmittelbar nach der Fertigstellung und der Wiedereröffnung mit Hasses Artaserse durch die Münchner Everding Theaterakademie wurde das Markgräfliche Opernhaus am 1. Mai 2018 zum Austragungsort des Europakonzerts der Berliner Philharmoniker, in dessen Rahmen die bereits 2013 zu Wagners 200. Geburtstag zu Gala-Ehren gekommene Eva-Maria Westbroek zu Beethovens Leonoren-Ouvertüre Nr. 3, der Vierten und Die Geschöpfe des Prometheus die Wesendonck-Lieder beisteuerte, alles dirigiert von Paavo Järvi. Wer das nicht alles bereits im Fernsehen sah, kann es nun auf Bluray (Euroarts 2064504) nachholen.
Die Mitwirkenden werden verschmerzen, dass jeder nur auf das Theater, den Innenraum, den Stuck und die Malerei achtet, die sich die Schwester Friedrichs II., Wilhelmine von Preußen, in die fränkische Provinz bauen ließ. Überhaupt hat die Markgräfin dem Ort viel stärker den Stempel aufgedrückt als Richard Wagner, der das Theater im April 1871 erstmals besichtigte. Und sich dagegen entschied. Das im feinen Bayreuther Rokoko dekorierte Stadtschloss, die Eremitage samt Orangerie stammen von der kunstbeflissenen Dame, so erfahren wir aus dem touristischen Werbefilm, der dem Konzert nebst Interviews mit Westbroek und Järvi beigegeben ist. Darin erfahren wir noch mehr von Bayreuther Traditionspflege, beispielsweise von dem in 5. Generation geführten Becher-Bräu und der fast ebenso lange wie das Opernhaus existierenden Bäckerei Lang, die auch in der 13. Generation die alten Rezepte wie die gehaltvollen Kretzaweckla aus Hefeteig hochhält.
Im anthrazitfarbenen Paillettenkleid wetteifert Westbroeck mit den Lüstern an den Logenbrüstungen. Sie singt angemessen und passioniert, der Ton ist zu wuchtig, der Ansatz ungenau und die Diktion könnte feiner sein. Geschliffen in ihrer lichten Heiterkeit erklingt die Vierte, elegant abgehorcht in ihrer motivischen und rhythmischen Leichtigkeit. Doch der Star bleibt das Haus, das Wunder aus Holz und Leinwand. Da muss man hin. Derzeit sind nicht viele Veranstaltungen angesetzt. Dann eben zu Lang (Foto Wikipedia). Rolf Fath