Archiv des Autors: Rüdiger Winter

Ein Mitschnitt wie aus dem Studio

Sebastian Weigle gilt als Sachwalter der Opern von Richard Strauss. Wo immer er diese Werke dirigiert, sind ihm freundliche Kritiken sicher. Die Frau ohne Schatten, 2003 an der Oper Frankfurt von Christof Nel in Szene gesetzt und von Weigle musikalisch betreut, brachte ihm die Auszeichnung als Dirigent des Jahres ein. Mit einer Wiederaufnahe im Herbst 2014 hat er an diesen Erfolg anschließen können. Ein Mitschnitt, der jetzt beim Label OehmsClassics herausgekommen ist (OC 964), legt davon Zeugnis ab. Wie dem Booklet zu entnehmen ist, wurde eine ganze Serie, die sich über zwei Monate erstreckte, aufgenommen. Techniker an den Mischpulten konnten sich daraus bedienen. Sie bevorzugten eine radikale Variante. Publikumsgeräusche sind eliminiert. Es wird weder gehustet, geräuspert oder geraschelt, und gibt keinen Beifall, was etwas schade ist. Aktschlüsse im Opernhaus geben dem Publikum die Möglichkeit, sich von Spannungen durch einen Aufschrei der Begeisterung zu befreien oder aber eine weniger gelungene Leistung mit einen scharfen Buhkonzert zu quittieren. So ist das seit jeher auf dem Theater. Ich habe noch keine Frau ohne Schatten erlebt, bei der es nach dem Ende des zweiten Aufzuges keine lautstarke Entladung im Publikum gegeben hätte – so wie ein Donnerschlag nach einem gewaltigen Blitz. „Übermächte, sind im Spiel! Her zu mir!“ Auf die Beschwörung der Amme, zu der das Färberhaus in Stücke gerissen wird, folgt nun Stille wie nach den Vier letzten Liedern. Da fehlt mir was. Das ist wie Strandspaziergang ohne Meeresrauschen. So zu tun, als sei die Liveaufnahme dem Studio entsprungen, erweist sich wieder einmal als die unvollkommenste Lösung bei der Verwertung von Mitschnitten.

Dennoch. Die zusammengestückelte Aufführung sitzt. Es läuft alles glatt. Mit seiner Interpretation hat Weigle die inzwischen sehr lange Liste von Mitschnitten und Studioproduktionen des Werkes, das seinen Ausnahmewert und Festspielcharakter längst eingebüßt hat, bereichert. Wer eine Neigung zu diesem schwierigen Stück besitzt, wird um die Anschaffung nicht herum kommen. Sie lohnt sich. Auch wegen der Sänger, die einen guten Job machen, auch wenn ich mir hier und da etwas mehr Farbe, Persönlichkeit und Individualität gewünscht hätte. Als kaiserliches Paar treten Burkhard Fritz und Tamara Wilson auf, ihre Pendant aus der arbeitenden Bevölkerung sind Terje Stensvold und Sabine Hogrefe als Barak und seine Frau. Die Amme wird von Tanja Ariane Baumgartner gesungen, der Geisterbote von Dietrich Volle. Alle sind bestens aufgelegt, scheuen aber das Risiko. Als wollten sie keine Fehler und ja alles richtig machen. Vielleicht haben den Sängern die Mikrophone zu sehr im Nacken gesessen. Bei allem Respekt vor der vorzüglichen Gesamtleistung, die Produktion wirkt weichgespült.

Weigle gelingt eine sehr geschlossene Darbietung, die niemals in Einzelteile zerfällt, obwohl das Werk von vielen Einzelteilen lebt, sinfonischen wie sängerischen. Er hält den viel beschworenen Bogen, wählt ein Tempo ohne Hast, welches es den Sängern gestattet, ihre Partien verständlich auszusingen. Sie werden das sehr zu schätzen gewusst haben. Es gibt immer Stellen und Szenen, auf die das Publikum im Saal oder am Lautsprecher gebannt wartet. Ob es nun der Gesang der Wächter zum Ende des ersten Aufzuges ist oder die Violine vor dem großen Auftritt der Kaiserin im dritten. Weigle isoliert diese betörenden Momente nicht, nimmt sie als Teil des Ganzen. Plötzlich sind sie da. Etwas weniger spektakulär und prominent, weil das, was sie vorbereitet, auch nicht vernachlässigt wird. Dieser Dirigent richtet alle Aufmerksamkeit aufs Ganze. Deshalb klingt seine Aufnahme sehr geschlossen.

Striche habe ich nicht ausmachen können. Es wird die komplette Fassung gespielt, einschließlich des vollständigen Melodrams der Kaiserin. Das ist so vorbildlich wie riskant, weil die Sänger auch hörbar an ihre Grenzen kommen, je weiter der Abend voran schreitet. Stehen sie erst einmal auf der Bühne, können ihnen weder Techniker mit ihren Mischpulten, noch der Dirigent Weigle selbst helfen. Sie müssen da durch. Über weite Strecken herrscht eine vorbildliche Wortverständlichkeit, wie das bei diesem Werk leider nicht immer der Fall ist. Im hochdramatischen Hin und Her zwischen Kaiserin, Amme, Barak, dessen Frau und mehreren geheimnisvollen Erscheinungen in dritten Aufzug ist dann kaum mehr etwas zu verstehen. Es geht drunter und drüber, wie in der sich zuspitzenden Handlung selbst. Auch ein nachträglich bearbeitetet Mitschnitt kommt hier an seine Grenzen. Produktionen aus dem Studio klingen naturgemäß klarer, weil es bei der Aufnahme bessere Möglichkeiten gibt, die Stimmen auseinander zu halten, zu experimentieren, wenn etwas nicht auf Anhieb gelingt. Ein Mitschnitt bleibt ein Mitschnitt.      Rüdiger Winter

„Mozarts göttliches Lächeln“

 

Diesem Leuchtenden begegnet zu sein, ihn ein Stück seines Weges begleitet zu haben, ist ein Geschenk, das man nur mit Dankbarkeit empfangen kann.“ Mit diesen Worten von 1964 wird Dietrich Fischer-Dieskau im Booklet der 37-CD-Box mit sämtlichen Opern und Vokalwerken zitiert, die Ferenc Fricsay für die Deutsche Grammophon aufgenommen hat. Fischer-Dieskau fühlte sich dem Dirigenten völlig zu Recht verpflichtet. Er hat ihn zu einigen seiner schönsten Einspielungen verholfen. Nie hörte ich den Bariton freier, gelöster und natürlicher singen als unter Fricsay, der auch seine Soloplatte mit französischen und italienischen Arten leitete. Als ich mir jetzt seinen Don Giovanni, Papageno und den Gluckschen Orpheus wieder anhörte, fand ich das eindrucksvoll bestätigt. Die Opern sind zwischen 1955 und 1958 eingespielt worden. Dem Conte di Almaviva im Figaro konnte ich meine frühere Begeisterung nicht mehr ganz so vorbehaltlos abgewinnen. Die Stimme ist etwas spröder und härter geworden. Koloraturen gehen dem Sänger nicht mehr wie von selbst über die Lippen. Fischer-Dieskau singt mehr mit dem Verstand, sein Interpretationsansatz ist intellektueller. Produziert wurde der Figaro 1960. In der Karriere von Fischer-Dieskau vollzieht sich um diese Zeit eine Wende. Er verliert nach meinem Eindruck seine stimmliche Unschuld.

Fricsay - Opernedition DGMit der neuen Box (00289 479 4641) vollendet die Deutsche Grammophon ein ehrgeiziges Projekt, das im vergangenen Jahr mit der Wiederveröffentlichung aller sinfonischen Werke auf 45 CDs begann (0289 479 2691). 2014 wäre Fricsay hundert Jahre alt geworden. Eine Vorstellung, die bei einem Mann, der keine Fünfzig wurde, schwer fällt. Fricsay ist immer jung geblieben. Nun sind noch einmal 37 CDs dazu gekommen, so dass sich die gesammelten Werke auf 82 CDs erhöhen. Nicht mitgerechnet sind Produktionen beim Rundfunk und weitere Mitschnitte, die bei anderen Labels wie Audite und Hänssler herausgekommen sind. Audite hat sogar eine eigene Edition mit mindestens zehn Alben aufgelegt. Es ist nicht auszuschließen, dass noch mehr hinzukommt. Zuletzt legte Orfeo Frank Martins Zaubertrank aus Salzburg vor. Fricsay hatte dieses musikdramatische Werk, halb Oper, halb Oratorium, bei den Festspielen 1949 mit Maria Cebotari und Julius Patzak in den Hauptrollen zur Aufführung gebracht. Im Großen und Ganzen wurde der Nachlass des Dirigenten gut erschlossen. Dessen Lordsiegelbewahrer ist und bleibt die Deutsche Grammophon, mit der Fricsay bereits 1948 einen Exklusivvertrag abgeschlossen hatte, an dessen Beginn Tschaikowskys 5. Sinfonie mit den Berliner Philharmonikern stand. Damit war zugleich das Ende der Schalllackplattenära gekommen.

Fricsay Don Giovanni DGIn vielerlei Hinsicht ist Fricsay ein Neuerer gewesen – künstlerisch wie technisch. Als hätte er ein Fenster aufgestoßen, durch das ein ganz frischer Wind hereinwehte. Die unmittelbaren Erinnerungen verblassen. Zeitzeugen wachsen nicht nach. Wer ihn noch in der Oper oder im Konzert erlebt hat, vergisst das jedoch nie. Ein alter Freund, auf dessen musikalisches Urteil ich sehr viel gebe, berichtete immer wieder, dass Fricsay ihn regelrecht elektrisiert habe. Man sei nicht wieder von ihm losgekommen, ganz gleich, welches Werk auf dem Programm stand. Mozart oder Strawinsky. Das Entscheidende sei immer die Musik gewesen. Dennoch hat Fricsay – wie alle Dirigenten – Vorlieben gepflegt. Mozart war sein Ein und Alles. Er scheut sich nicht, das in sehr euphorische Worte zu kleiden. „Mozart ist einer der Größten, der je auf dieser Erde gelebt hat“, sagt er in einem akustischen Selbstporträt von 1962, das der Edition beigefügt ist. Aus Fricsays Mund klingt dieses Werturteil wie der Weisheit letzter Schluss, absolut stimmig und völlig unanfechtbar. Mit Mozart werde ein Musiker nie fertig. Wenn man nur für diesen einen Komponisten auf die Welt gekommen wäre, hätte das Leben schon einen Sinn, so Fricsay.

Fricsay Zauberflöte DGMit vierzehn CDs beansprucht Wolfgang Amadeus Mozart denn auch fast die Hälfte des Platzes, den die Edition zu bieten hat. Don Giovanni war schon im Zusammenhang mit Fischer-Dieskau in der Titelrolle genannt. Mit Sena Jurinac (Anna) und Maria Stader (Elvira) entschied sich Fricsay für ausgesprochen lyrische Stimmen. Irmgard Seefried als Zerlina konnte ihre Erfahrungen aus dem Wiener Mozart-Ensemble beisteuern. Ernst Haefliger, der Don Ottavio, war Fricsays Entdeckung und sein Ideal eines Mozart-Tenors. Er setzte ihn auch als Belmonte in der Entführung aus dem Serail, als Tamino in der Zauberflöte und als Idamante bei der Salzburger Produktion von Idomeneo von 1961 ein. Alle drei Opern sind in der Sammlung enthalten, Idomeneo als Mitschnitt, die übrigen aus dem Studio. In den italienisch komponierten Opern, die auch in der Originalsprache gesungen werden, fällt die rasante Gestaltung der Rezitative auf. Sie sind wie aus einem Guss, stehen gestalterisch den Arien, Duetten und Ensembles um nichts nach. Bei den Aufnahmen muss allergrößte Sorgfalt darauf verwendet worden sein, ohne, dass die harte Arbeit zu spüren ist. Alles fließt ganz unbeschwert dahin. Es grenzt an Wunder, wie sich Inhalte und Handlungsverläufe auch demjenigen erschließen, der des Italienischen nicht mächtig ist. Selten war ich von Rezitativen so hingerissen wie im Don Giovanni und im Figaro. Leider gibt es keine Cosi fan tutte. Sie war in Salzburg geplant, sollte auch eingespielt werden. Fricsay wäre genau der Richtige für dieses hintersinnige Werk gewesen. Mit welchen göttlichem Lächeln habe Mozart darin die Liebe behandelt, sagte er in seinem Interview. „Mozart flüstert uns zu, mit der Liebe ist es nicht leicht umzugehen.Man lache, aber es treffe einen ins Herz.

Fricsay Arien mit FiDi DGNeben den Opern findet sich auch die berühmte Einspielung der Großen Messe in c-Moll von 1959 mit dem beglückenden „Laudamus te“ des Soprans der Stader in der Box. Für mich durch ihre Klarheit und Leuchtkraft eine der bedeutendsten Mozart-Einspielungen. Mit dieser Aufnahme habe ich Mozart lieben gelernt. So muss es klingen. Ich komme von der Aufnahme nicht los, obwohl die Messe seither vielfach eingespielt worden ist. Sie ist mein Maßstab, klingt in meinem Ohren völlig zeitlos. Sie könnte gestern aufgenommen worden sein, wenn es denn einen geben würde, der es Fricsay gleich tut, in seiner Liga spielte. Als Langspielplatte gelangte diese Messe in einer ungarischen Pressung auch in den Osten. Später entdeckte ich sogar eine sowjetische Pressung in einer sehr abgelegenen sibirischen Stadt. Mitten im Kalten Krieg. Mir kam es immer so vor, als habe Fricsay mit seinem Mozart den Eisernen Vorhang überwunden, bevor der tatsächlich in sich zusammenfiel. Auch das Requiem darf nicht fehlen. Es ist die sehr frühe Aufnahme mit Elisabeth Grümmer, Gertrude Pitzínger, Helmut Krebs und Hans Hotter, die stilistisch nicht an die Messe herankommt, zumal Hotter viel zu mächtig klingt und mit seiner Wotanstimme fast den Rahmen sprengt.

Mit dem Namen Ferenc Fricsay ist der Übergang vom Mono- ins Stereozeitalter verknüpft. 1958 kamen die ersten Stereo-Platten auf den Markt. Diese technische Revolution schlägt in der Sammlung bereits hörbar durch, wenngleich die meisten Einspielungen noch in Mono sind. In einem Werk, nämlich der Studio-Produktion von Haydns Jahreszeiten aus dem Jahr 1961, geht der Umbruch sogar mittendurch. Frühling, Sommer, Herbst, sind noch in Mono, der letzte Teil, der Winter, bereits in Stereo. Das dürfte Seltenheitswert haben in der Geschichte der Tonträger. Mir ist kein anderes Beispiel bekannt. Nicht in allen alten Ausgaben ist das so deutlich gekennzeichnet wie in der exakten Dokumentation der Edition. Die erste Einspielung des Oratoriums stammt von 1952 und ist demzufolge durchweg in Mono. Sie hebt sich durch ihre Besetzung mit Elfride Trötschel, Walther Ludwig und Josef Greindl heraus. In einem Internet-Klassikforum verbreitete sich unlängst ein Sammler mit der Auffassung, dass ihm Monoaufnahmen gar nicht erst ins Haus kämen. Stereo müsse es sein. Mit ihm möchte ich nicht tauschen. Ich würde mich ja um den halben Fricsay bringen. Meine geliebte Messe könnte ich behalten, die ist nämlich Stereo. Interessiert hat mich das nie wirklich, weil es mir nicht wichtig war, hinter Fricsay und Mozart zurückstand. Erst jetzt, als ich die Messe wieder höre, werde ich mir des sicher nicht unwichtigen Details bewusst. Gewiss soll und muss Musik auch gut klingen. Im Falle von Fricsay gelten für mich andere Maßstäbe, treten die technischen Aspekte etwas zurück. Keine Aufnahme wird allein dadurch genialer, dass sie in Stereo produziert ist.

Fricsay Holländer DGDie Herausgeber gönnen sich den Luxus, den Jahreszeiten gleich auch das Requiem von Giuseppe Verdi zweifach anzubieten, einmal aus dem Studio (1953), das oft die Berliner Jesus-Christus-Kirche war, und dann noch als Live-Mitschnitt von 1960, gekoppelt mit den Quattro pezzi sacri. Zwischen beiden Dokumenten liegen sieben Jahre, für Fricsay entscheidende Jahre. Immer ist Maria Stader der Sopran. Marianna Radev, zu scharf in der ersten Aufnahme wird später durch die fulminante und sinnliche Oralia Dominguez ersetzt. Helmut Krebs und Gabor Carelli, die Tenöre, sind ihren Aufgaben im Vergleich mit der harten Konkurrenz bei diesem Werk nicht gewachsen, was so auch für die Bassisten Kim Borg und Ivan Sardi gilt. Es fehlt ganz einfach an stimmlichem Glanz. Nur aus dem Aufnahmejahr 1954 heraus, ist auch das Stabat Mater von Rossini zu verstehen. Mit dem Tenorpart tut sich Haefliger diesmal schwer. Ich zögere nicht, den Verdi und den Rossini mit dem Etikett „streng historisch“ zu versehen. Denn das sind sie. Heute wirkt dieser Versuch, beide Werke dem deutschen Publikum näher zu bringen, über weite Strecken naiv und harmlos.

Auffällig ist Fricsays Hinwendung zu Werken, die seinerzeit im deutschsprachigen Raum wenig bekannt waren. Dazu gehört Béla Bartóks Herzog Blaubarts Burg. Unter Fricsays Leitung haben sich zwei Dokumente erhalten. Am Beginn steht der Mitschnitt einer konzertanten Aufführung 1953 in Stockholm mit Birgt Nilsson und Bernhard Sönnerstedt. Bemerkenswert ist, dass der Ungar Fricsay das Werk seines Landsmannes in Schweden deutsch singen lässt. In dieser Fassung nahm er die Oper auch 1958 mit der Töpper und Fischer-Dieskau für die Deutsche Grammophon auf. In die Kategorie von Stücken, die dem Label nicht die größten Umsätze beschert haben dürften, gehören auch Oedipus Rex von Igor Stravinsky mit der Stammbesetzung Haefliger, Töpper, Sardi sowie Zoltán Kodálys Psalmus Hungaricus, Studio und live, beide Male mit Haefliger. In der Edition und mit zeitlichem Abstand haben diese Werke, die heutzutage zum Standardrepertoire gehören, ihren revolutionären Schrecken verloren. Sie sind Klassiker geworden. Fricsay hat damit das musikalische Angebot stark bereichert und inspiriert.

Fricsay Fidelio DGWas noch? Der Fidelio mit Leonie Rysanek und Haefliger soll nicht unerwähnt bleiben, auch wenn er fast in jedem Plattenregal steht, früher in einer schönen Plattenbox, stabil wie der Einlegeboden für einen Kleiderschrank, dann in vielen unterschiedlichen CD-Alben, jetzt – wie alle anderen Titel der Edition auch – der originalen Erstausgabe optisch nachgestaltet. Bei Wagners Fliegendem Holländer von 1952 mit Josef Metternich ist es Zeit, endlich wieder einmal daran zu erinnern, dass es sich um eine Maßstäbe setzende Grammophon-Produktion handelt. Zu oft ist sie bei Billiglabels verramscht worden. Es war die erste, ausschließlich für den Plattenmarkt entstandene Aufnahme.

Entzücken und Wehmut zugleich überkommt mich bei der Fledermaus von Johann Strauß, die ich mir auf einen Ritt wieder anhören musste. Erst einmal im Player, findet sich einfach keine Gelegenheit, die Aufnahme anzuhalten. Fricsay schüttelt sie, mit einer Prise Mozart und Rossini versehen, ganz locker aus dem Ärmel. Ach, wäre ihm doch mehr Zeit für Operetten geblieben. Seine Diskographie wäre noch reicher, wenn sich das überhaupt vorstellen lässt. Kaum Wünsche lässt die Besetzung offen. Anny Schlemm als Rosalinde und Rita Streich als Adele sind wie geboren für das Genre. Helmut Krebs fühlt sich als Alfred viel wohler denn als Tenor, der im Verdi-Requiem das „Ingemisco“ zu bestehen hat. Und dann erst Peter Anders als Eisenstein. Fricsay muss ihn geschätzt haben, denn er hatte ihm auch als Solist für einen Strauß-Abend 1951 im Berliner Titania-Palast verpflichtet, der inzwischen bei Audite herauskam. Peter Anders ist neben der Cebotari und der Trötschel der dritte Künstler, der früh aus dem Leben gehen musste – genauso wie der Maestro, der mit allen dreien erfolgreich zusammenarbeitete. Es gibt da keinen ernstzunehmenden Zusammenhang. Außer, man glaubt daran, dass die Götter jene schon in jungen Jahren zu sich holen, die sie am meisten lieben. Mir scheint, diese neue Ausgabe der Fledermaus klingt besser als die bisherigen. Leichte Übersteuerungen sind wie weggeblasen. Das Klangbild ist ausgeglichen, die von dem einst allmächtigen Berliner Generalintendanten Heinz Tietjen betreute Rezitativfassung vermittelt durch geschickte Platzierung der Mitwirkenden einen Anflug von Stereophonie. Eine schöne Illusion.   Rüdiger Winter

Hinzuweisen ist auf die Bonus-DVD in der Edition. Fricsay probt und dirigiert in den Filmdokumenten mit dem Radio-Symphonie-Orchester Berlin den Zauberlehrling von Paul Lukas und die Háry János Suite seines Lehrers Zoltán Kodály. Foto oben youtube.

La Gloria d`Italia….

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Nur ein kleiner Kreis ausgewählter Sammler und aficionados weiß, dass die Amerikanerin Anne McKnight als Anna De Cavalieri in die italienische Nachkriegsgeschichte des Gesangs eingegangen ist und sich dort als bemerkenswerter spinto-Sopran einen leuchtenden Namen gemacht hat (das Foto oben zeigt sie im Kostüm der Turandot/HeiB). Sie starb am 29. August 2012 in ihrem langjährigen Wohnort Lugano und hatte dort ihren Lebensabend – nach einer erfüllten Karriere fast nur in Italien – verbracht. In der Tat gilt sie – wie ihre Soprankollegin Südtirolerin Ina del Campo oder die ältere Amerikanerin Dusolina Giannini – als Italienerin, war sie doch die ideale Verkörperung des italienischen melodramma und eine der in jener Zeit zahlreichen erstklassigen Sängerinnen für das große Repertoire wie die Frazzoni, Guerrini, Mancini oder auch Pobbe. Ihre kraftvolle, hochindividuelle und sofort wiedererkennbare Stimme hatte absolut keine Mühe mit ihren Partien, von denen sie zahlreiche im Gepäck hatte: Wally, Sakuntala, Elena/Boito, Turandot/Busoni und Puccini, Rossana/Alfano, Lucrezia/Respighi oder Loreley, aber eben auch Aida und das klassische Fach. Bemerkenswert und für mich die schönste (und weitgehend einzige offizielle) Aufnahme ist ihre Armide von Gluck, die sie bei der RAI einspielte (und die auf Melodram als LP erschien), aber sie gab auch dessen Alceste, sang in vielen Uraufführungen mit und war eben diese risikofreudige Mischung aus amerikanischer Unvoreingenommenheit und italienischer Tradition. Als Anne McKnight wurde sie am 27.August 1924 in Aurora/Illinois geboren, nahm Unterricht bei den renommierten Lehrern Gilderoy Scott und Evan Evans und später bei Giuseppe Pais in Italien. Ihre Anfänge begannen unter ihrem eigenen Namen an der New York City Opera als Marschallin(!); 1961 sang sie die Turandot (auf dem Foto im Kopfschmuck der Partie/Heinsen/Wilhelm) und Tosca in Rio. Dann kam das Engagement nach Italien, wo sie in Folge fast ausschließlich auftrat – neben einigen Einladungen in Brüssel 1964 als Tosca und als Norma in Toulouse 1964. „Zu Hause“, in Italien, sang sie vor allem für die RAI und dort viele moderne Werke, aber eben auch in allen Häusern von Brescia bis Turin, Cremona und Padua, vor allem in Rom. Sie war dort Tosca, Matilde/Tell, Turandot/Puccini, Fedora und viele andere Opernheldinnen mehr. Sie hat meines Wissens als offizielles Dokument nur die Armide bei Melodram hinterlassen, aber die zahlreichen Rundfunkmitschnitte kursieren unter Sammlern und hinterlassen ein memento einer großen, wirklich bedeutenden spinto-Sängerin, wie es sie heute nicht mehr gibt.

Caterina Mancini als Norma an der Scala 1958/HeiB

Caterina Mancini als Norma an der Scala 1958/HeiB

Nur wenige kennen noch das bizarre Foto der dicken Frau mit der Handtasche, eingerahmt voneiner ähnlich umfangreichen Dame und in der Mitte ein beleibter alter Herr mit einer Hose fast unterm Kinn – Caterina Mancini neben Lucia Danieli und dem Dirigenten Tullio Serafin im Pausenchat bei den Philips-Aufnahmen zu Rossinis Mosè 1956. Die Biederkeit der Optik täuscht, denn mit Caterina Mancini steht/sitzt eine der wichtigsten Nachkriegssängerinnen Italiens vor uns, die wie Maria Vitale nur wegen der glamouröseren Kolleginnen Tebaldi, Stella oder Callas ins Vergessen geraten ist. Sie starb am 21.Januar dieses Jahres (geboren wie ihre Kollegin oben ebenfalls 1924, am 10.November). Wie die Kolleginnen Vitale, Frazzoni und andere bereits genannte war auch sie der Felsen, auf dem das Opernleben der Nachkriegszeit in Italien ruhte, sie war die große Protagonistin der Verdi-Gedenkfeiern 1951 und nahm bei der RAI (weitgehend übernommen durch die Cetra, heute Warner) einen riesigen Verdi-Katalog auf, den sie sich mit Maria Vitale teilte. Vieles aber hat nicht den Weg auf die CD gefunden und kursiert nur unter den Fans, namentlich Attila oder Oberto mit ihr zeugen von der großen, üppigen und schönen Stimme, die sich furchtlos durch Abigaille ebenso durcharbeitete wie durch die Norma Tosca oder Santuzza (beide bei Philips/LPs). Ihr triumphales memento ist eine Forza als Soundtrack des Opernfilms bei der RAI Anfang 50 und ein Mitschnitt aus Philadelphia in derselben Partie (mit Prevedi). Eine absolut tolle, hinreißende „Allzweckwaffe“ ist hier zu hören, eine Stimme und Sängerin, die an heutigen Theatern die meisten Partien bestreiten könnte und die in ihrer Heimat in den 50ern/60ern in so populären Häusern wie Neapel oder Palermo und eben viel beim Radio sang. Ein später Nabucco aus Hilversum (auf CD) soll nicht unerwähnt bleiben, auch nicht ihre Amelia in der Erstaufführung von Donizettis Duca d´Alba 1951 oder ihre Elisabetta von Rossini zu Ehren der Krönung der britischen Monarchin 1953 (beide Melodram etc.). Die Mancini wurde in Genzano bei Rom geboren und starb in der Ewigen Stadt. Sie debütierte als Verdis Giselda 1950 in Florenz, an der Scala 1951 als Lucrezia Borgia. Sie nahm an der Verdi- Renaissance teil, sang aber eben auch viele spinto-Partien wie Gioconda oder Tosca. Ab 1960 zog sie sich aus gesundheitlichen Gründen allmählichvon der Bühne zurück und lebte in Rom, 1963 sang sie den Altpart (!) im Messias an der Dallas Opera anlässlich der Gedenkfeier für Kennedy. Mehrere Anfragen zu einem Interview scheiterten an ihrem schlechten Gesundheitszustand – nun starb sie im Januar letzten Jahres – was für ein Verlust. Auch mit ihr ging eine ganze Ära von erfülltem, erfühltem und hochindividuellem Gesang zu Ende.

Ebe Stignani als Santuzza an der Met/HeiB

Ebe Stignani als Santuzza an der Met/HeiB

Die große Ebe Stignani wäre in diesem Jahr, am 10.Juli, 101 Jahre alt geworden (sie starb am 5. Oktober 1974) – und auch an sie muss erinnert werden, denn sie war in ihrer langlebigen Karriere die „italienische Oper“ schlechthin. Noch neben der 30 Jahre jüngeren Callas ist sie 1951 auf einem Norma-Foto zu sehen (in London), wo die jüngere sie als „Oh giovinetta“ anredet, was sicher ein Lächeln auf die Gesichter des Londoner Publikums zauberte. Aber ihre sopranlastige helle Mezzostimme war und ist für die Adalgisa so viel mehr geeignet als die robust-dunklen „Mutterstimmen“ der vielen Kolleginnen in dieser Partie (bis heute). Ihre Langlebigkeit war durchaus auch für jüngere Kolleginnen ein Fluch, denn die Simionato erzählt, wie lange sie gebraucht hatte, bis endlich die Stignani abtrat und den Platz für eine Nachfolgerin freimachte, was sie dann auch geworden ist. Die Stignani wurde in Neapel geboren, ging dort ans Konservatorium, debütierte um 1925 als Amneris, war dann an der Scala Eboli unter Toscanini und blieb dem Hause treu bis zum Ende ihrer Karriere, sie sang alle großen italienischen Mezzopartien, aber auch Ortrud, Brangäne oder Dalila (in Italienisch) unter De Sabata. Außerhalb Italiens trat sie vermehrt in San Francisco auf, auch an der Met als Amneris und 1952/57 neben Maria Callas als Adalgisa in Covent Garden (und in der für mich wirklich besten Callas-Norma bei der RAI 1955). Die für jene Zeit obligate Südamerikatour jener Jahre führte sie nach Buenos Aires, aber sie sang auch in den europäischen Hauptstädten, sogar in Berlin (1933, 1937 und 1941 im Rahmen der entente cordial mit Italien). Neben den traditionellen Rollen ihres Faches war sie auch in zeitgenössischen Werken zu hören – Respighis Lucrezia oder Lattuadas Cathos zählten zu ihren Erfolgen. 1958 nahm sie ihren Bühnenabschied und lebte in Imola, wo sie verheiratet war und einen Sohn hatte. Ihre Stimme scheint mir in den zahlreichen Dokumenten (bei Cetra, EMI und auf dem grauen Markt) eine sehr flexible, umfangreiche zu sein, sopranbetont und von gutem Atem und erstklassiger Technik getragen. Der Ton selbst kann unangenehm sein, kann auch scharf werden, aber sie kann ebenso weite Kantilenen spinnen und dramatisch außerordentlich zupacken, wie als Dalila mit tollen Glottis. Ihre Eboli ist gefährlich, man möchte ihr nicht im dunklen Garten begegnen, ihre Adalgisa (Callas oder Cigna wesentlich früher) zeigt, dass sich die helle Mezzostimme über die langen Jahre kaum veränderte und ihre Jugendlichkeit bewahrt hatte. Auch die Stignani gehört zu jener Gruppe legendärer italienischer Sänger, die mir als jungem Mann am Beginn meiner Sammlerkarriere beispielhaft die Lust zur Oper beigebracht hat. Fortunati noi! G. H.

Fehltritt mit Carmen

 

Der heute sicher nicht mehr sehr vielen bekannte Dirigent Leo Blech wurde 87 Jahre alt. Sein langes, an Ereignissen reiches Leben auf nur hundert Seiten abhandeln zu wollen, scheint ein Ding der Unmöglichkeit. Dazu noch im Format A 6. Die Schriftenreihe Jüdische Miniaturen gibt aber nun mal nicht mehr Platz her. So sind die Vorgaben. Es blieb also keine Wahl. Verknappung und Konzentration können auch von Vorteil sein. So ein Büchlein lässt sich gut verstauen, man ist schnell durch, findet Stellen und Sätze, die einem wichtig und nachdankenswert erscheinen, leicht wieder, merkt sich Einzelheiten, gelungene wie weniger gelungene. Fast jeder Satz ist ein Fakt. Ich habe das im Verlag Hentrich & Hentrich unter Schirmherrschaft des Centrum Judaicum erschienen Büchlein über den Komponisten, Kapellmeister und Generalmusikdirektor mit Erbauung und Gewinn gelesen. Auch deshalb gern gelesen, weil es an einigen Stellen zum Widerspruch herausfordert. Solche Bücher sind mir die liebsten.

2013 wurde das Grab von Leo Blech in Berlin eingepennt, der Stein später an anderer Stelle wieder aufgestellt. Foto: Sommerroggen

2013 wurde das Grab von Leo Blech in Berlin eingeebnet, der Stein später an anderer Stelle wieder aufgestellt. Foto: Sommeregger

Der Einstieg von Herausgeberin Jutta Lambrecht ist kämpferisch. Zu Recht. 2013 hatte Berlin unter dem Motto „Zerstörte Vielfalt“ auch im öffentlichen Straßenbild jener jüdischen Künstler gedacht, die während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ausgegrenzt, verfolgt und ermordet wurden. Blech war einer von ihnen. Und genau in diesem Jahr wurde sein Grab auf dem idyllischen Friedhof an der Berliner Heerstraße, wo auch Dietrich Fischer-Dieskau, Frida Leider, Margarete Klose und Frieda Hempel ihre letzten Ruhestätten haben, dem Erdboden gleichgemacht. Der Stein – wie es im Text noch gnädig heißt – „abgesägt und hingeworfen gegenüber auf der Wiese“. Man könnte es auch viel deutlicher formulieren. Ungläubigkeit machte sich breit, Protest regte sich. Auch ich habe damals fassungslos an diesem Ort gestanden, an dem sich ein völlig emotionsloser Verwaltungsakt auf unterster Ebene vollzogen hatte. Liegefristen waren ausgelaufen. Ein Grab wird „aufgelassen“, heißt es in Amtsdeutsch. Behördliche Erklärungsversuche blieben halbherzig. Dem Protest ist es zu verdanken, dass der Stein wieder aufgerichtet wurde. Nun steht er da, fünf Meter weiter und nicht am originalen Ort und ist allein schon dadurch eine Mahnung der besonderen Art. Bürokratie verfolgte Blech noch über seinen Tod hinaus. Plötzlich war mir wieder deutlich geworden, wie hohl Gedenken an Opfer sein kann, wenn es zum Ritual erstarrt, sich selbstständig macht und nicht mit konkreten Inhalten ausgefüllt wird.

So sieht der Grabstein von Leo Blech und seiner Frau Martha jetzt aus. Besucher legen oft Blumen nieder. Foto: Winter

So sieht der Grabstein von Leo Blech und seiner Frau Martha auf dem Friedhof an der Heerstraße jetzt aus. Besucher legen oft Blumen nieder. Foto: Winter

Das kleine Buch will ein Denkmal der besonderen Art sein, eines, das man auch bei sich tragen kann. Ist es Oberflächlichkeit, ist es der Verknappung geschuldet? Manche Fakten werden einfach nicht hinreichend ausgebreitet und hinterfragt. Im Lebensabriss zu Blech, den Peter Sühring beigesteuert hat, erscheint auch der einflussreiche Lehrer, der Komponist Engelbert Humperdinck, dieser „letzte Privatsekretär und Assistent“ Wagners „mit so eigenen Kopf“ dass er diesem – gemeint ist Wagner – „ab und an etwas zu Ende komponieren durfte – beispielsweise die Verwandlungsmusik im Parsifal“. Das ist genauso zweifelhaft wie die Feststellung historisch falsch ist, dass die glanzvolle Ära an der Berliner Staatsoper Unter den Linden durch „die Übergabe der politischen Macht an die NSDAP“ zu Ende ging. Wer hat da was übergeben? Kürze rächt sich auch, weil sich die komplizierten Themen im Lebenslauf von Leo Blech offenkundig doch nicht so rasch und flott abhandeln lassen. Das gilt auch für die Umstände seiner Emigration. Bis 1937 wirkte Blech als Generalmusikdirektor an der Staatsoper in Berlin und ging erst 1938 ins Exil nach Riga – von dort aus über Berlin nach Schweden. Nun muss sich kein rassistisch Verfolgter für die Umstände seiner Flucht rechtfertigen. Das ganz bestimmt nicht.

Wenn aber fast achtzig Jahre später ein so dramatisches Kapitel eines Lebens nacherzählt wird, sollten die Fakten schon etwas deutlicher hervortreten. Fest steht, dass Blech 1941 nach dem Überfall durch Truppen Hitlerdeutschland Riga verließ. Seine Deportation soll unmittelbar bevorgestanden haben. Dass er sich dieser mit einem per Kurier übermittelten Hilfeersuchen beim Berliner Generalintendanten Heinz Tietjen, den „letzten noch lebenden Preußischen Generalmusikdirektor zu retten, entziehen konnte, wirkt in dieser Verkürzung zu glatt. Als ob sich Barbaren um Ämter und große Verdienste von gestern geschert hätten. Jedenfalls bekam Blech freies Geleit. In der schwedischen Botschaft in Berlin, so ist zu lesen, nahmen er und seine Frau ihre Visa in Empfang. In anderen Quellen ist davon die Rede, Blech habe von seiner Abreise nach Stockholm auch noch an seiner einstigen Wirkungsstätte, der Staatsoper, Station gemacht. Das entspricht offenbar nicht den Tatsachen.

In der Biographie der Sängerin Marta Fuchs gibt es auch einen interessanten Hinweis auf Leo Blech.

In der Biographie der Sängerin Marta Fuchs gibt es auch einen interessanten Hinweis auf Leo Blech.

In den Buch „Marta Fuchs – Das schwäbische Götterkind“ von Roswitha von dem Borne und Johannes Lenz, 2010 im Stuttgarter Mayer-Verlag erschienen (ISBN 978-386783-010-2), ist zu lesen: „Am 1. Juni 1933 erfolgte die Kündigung aller jüdischen Mitglieder der Berliner Staatsoper – außer Leo Blech, Alexander Kipnis und Emanuel List, die Hitler Winifred Wagner für Bayreuth versprochen hatte.“ Diese Spur, die mir interessant und plausibel erscheint, fand ich nirgendwo sonst verfolgt – auch nicht in dem neuen Büchlein. Sollte sie doch ins Leere laufen? Und noch ein Satz, der in seiner schwer erträglichen Harmlosigkeit und Naivität völlig fehl am Platz ist in dieser Miniatur. Sühring beschreibt die Aufnahme Blechs nach seiner Rückkehr aus dem Exil: „Das Berliner Opernpublikum bereitete ihm einen stürmischen Empfang, so, als sei seit der letzten La-Bohéme-Aufführung unter Blech im Jahr 1937 nichts passiert, oder gerade weil dazwischen so viel Schlechtes passiert war und Blech trotzdem zu seinem Berliner Publikum zurückgekehrt ist.

Kommt Sühring im Lebensabriss auf den Komponisten Leo Blech zu sprechen, hat er viel mitzuteilen. Leser gewinnen sogar einen Eindruck davon, wie einzelne Werke geklungen haben. Auf Tondokumenten lässt sich kaum etwas nachhören. In gut sortierten privaten Sammlungen findet sich der Einakter Versiegelt, 1954 beim damaligen NWDR eingespielt unter der Leitung von Herbert Sandberg, dem Schwiegersohn von Blech. Für die Rolle der Else war aus Stockholm die junge Elisabeth Söderström angereist. Das Werk erstreckt sich über weite Strecken im Parlandostil, hält aber immer wieder zu hinreißen melodischen Einfällen inne.

In ihren Memoiren beschreibt Birgit Nilsson auch ihre Begegnung mit Blech. Ihre Kritik soll dem Dirigenten abträglich gewesen sein.

In ihren Memoiren beschreibt Birgit Nilsson auch ihre Begegnung mit Blech. Ihre Kritik soll dem Dirigenten abträglich gewesen sein.

Das Kapital über die Zeit in Schweden bezieht seine Schwäche vor allem aus dem zweifelhaften Konstrukt, dass „eine eventuelle negative Färbung von Blechs Ruf in Schweden“ der Sängerin Birgit Nilsson zuzuschreiben sei. Warum? Sie hat in ihren 1997 in deutscher Übersetzung im Wolfgang Krüger Verlag (ISBN 3-8105-1310-5) erschienen Memoiren „La Nilsson“ die gemeinsame Arbeit mit Blech bei einer Aufführung von Webers Freischütz geschildert und soll diese Episode immer wieder auch gesprächsweise wiederholt haben. Sie stand am Beginn ihrer glanzvollen Karriere und sang erstmals auf der Bühne die Agathe im Freischütz – von Angst und Lampenfiber geschüttelt. Am Pult Leo Blech. In der großen Arie „betrog“ sie – wie es heißt – den „Maestro“ um „eine Viertelnote“. Daraufhin krachte es. Eine Erfahrung, die auch andere Sänger mit Blech machten. Am Ende erlösende Versöhnung. Blech erinnerte sich nach seiner Rückkehr aus dem Exil mit Freude an die Nilsson, und wünschte sie sich 1951 bei einer konzertanten Aufführung des ersten Aufzuges der Walküre im Berliner Titania-Palast als Sieglinde. Es war ihr erstes Auslandsgastspiel. Übrigens werden die Leo-Blech-Episoden in dem Buch von der Nilsson glänzend erzählt. Ich frage mich ernsthaft, wie sie nach so langer Zeit noch nachwirken sollen auf die Erinnerung an Blech in Schweden? Das Kapitel bei Blech ist auch sprachlich dünn. Für die Übersetzung der zehn Seiten mit teilweise sehr langen Sätzen aus dem Schwedischen mussten drei (!) Personen eingesetzt werden. Respekt vor der fremden Leistung hätte es geboten, auch noch Susanne Dahmann, die das Buch der Nilsson ins Deutsche übertragen hat, als Vierte zu nennen. Die Zitate daraus folgen nämlich Wort für Wort ihrer Übersetzung, ohne dass es kenntlich gemacht wird.

Leo Blech auf einer Fotografie, die in der Sammlung Manskopf der Frankfurter Universitätsbibliothek aufbewahrt wird.

Der junge Leo Blech auf einer Fotografie, die in der Sammlung Manskopf der Frankfurter Universitätsbibliothek aufbewahrt wird.

Seine größten Stärken offenbart das Buch, wenn Leo Blech selbst zu Wort kommt. Rüdiger Albrecht durchforstete Interviews in Rundfunk- und Zeitungsarchiven, die nach Blechs Rückkehr 1949 (im Buch etwas technokratisch Remigration genannt) entstanden. Daraus hat er Zitate zusammengestellt und redaktionell in Zusammenhänge gebracht. Das liest sich sehr gut. Blech nach Beendigung seiner Karriere 1953: „Mein Schluss am Pult, der war ja Carmen. Da machte ich einen Fehltritt, in meinem Alter soll man das nicht und mit Carmen schon gar nicht. Und da stürzte ich doch am Pult und hatte einen Bluterguss am Knie. Das war wie eine Warnung, jetzt ist Zeit, Schluss zu machen. Und ich muss mir sagen, nach 62 Jahren … nach 62 Jahren strammer Arbeit hatte ich ein Recht, aufzuhören.“ Höchst informativ ist auch das Kapitel „Leo Blech und die Schallplatte“ von Peter Sommeregger, der auch Erinnerungen von Zeitzeugen – darunter Frida Leider, Erna Berger und Helge Rosvaenge – zusammengestellt hat. Angesicht des großen Umfangs der Diskographie konnten nur die wichtigsten Einspielungen erwähnt werden. Sammler dürften sich zu weiterführenden Recherchen ermuntert fühlen. Für mich das interessanteste Blech-Dokument, das in der Diskographie nicht noch einmal erwähnt wird, weil zuvor schon an anderer Stelle genannt, ist die filmische Aufnahme des Meistersinger-Vorspiels. Es kann – wie auch in einer Fußnote vermerkt – im Internet auf youtube angesehen und angehört werden. Die Korrektur des dort genannten Aufnahmejahres 1929 in jetzt 1932 ist notwendig.

Ganz nebenbei ist die Miniatur mit ihren hundert kleinformatigen Seiten ein Lehrstück über die Entstehung und Herstellung mancher Bücher im Jahr 2015 in Deutschland. Der Band mit der Nummer 173 (ISBN 978-3-95565-091-9) ist hübsch gestaltet und mit zahlreichen Fotos ausgestattet. Er wirkten fünf Autoren und vier Übersetzer mit. Obwohl in einem seriösen Verlag erschienen, mussten die Druckkosten offenbar privat aufgebracht werden. Namentlich werden dafür fast siebzig Spender genannt, darunter das Joseph-Schmidt-Archiv, die Mariann Steegmann Foundation, der Ortus-Verlag sowie die Staatskapelle Berlin. Arme, bemitleidenswerte Autoren, für die am wenigsten abfallen dürfte. Trotz kleiner Einwendungen, ist dieser Neuerscheinung eine große Verbreitung zu wünschen.  Rüdiger Winter

Löbejün findet Anschluss an die Welt

 

Den Kirchturm von St. Petri zu Löbejün erwähnt Carl Loewe bereits im zweiten Satz seiner Selbstbiographie. In dessen Schatten stand das Haus, in dem er am 30. November 1796 zur Welt gekommen ist. Es existiert nur noch auf einer Zeichnung, die seine Tochter Julie bei einem Besuch 1885 angefertigt hat. Da war Loewe lange tot. Er starb am 20. April 1869 in Kiel. Vom gewaltigen Turm dürfte das bescheidene Kantorenhäuschen, in dem auch der Schulunterricht stattfand, fast erdrückt worden sein. Ganz in der Nähe öffneten sich die unheimlichen Gruben und Schächte, aus denen Steinkohle ans Licht gefördert wurde. Ein Jahr vor Loewes Geburt wurde die erste Dampfmaschine aufgestellt. In das mittelalterliche Glockengeläut mischten sich die neuen Töne des aufkommenden Industriezeitalters. In Balladen und Liedern, die sein Hauptwerk bilden, läutet und hämmert es. Glocken, Kirchen, Türme sind allgegenwärtig. Ein ganzer Liederkreis ist mit Der Bergmann überschrieben. Und noch zum Ende seines Lebens hin verschmelzen in der Ballade Agnete, opus 134, die Erinnerung an die geliebte Mutter mit dem Wunsch, „noch einmal der Orgel, der Kirchglocken Klang“ zu hören. Loewe dürfte in seinem Balladen und Lieder mehr preisgegeben haben von sich, als das relativ dürre biografische Material hergibt. Auf die Forschung wartet noch ein großes Betätigungsfeld. Bis heute hat sich niemand an eine Biographie gemacht, die diesen Namen verdient.

Das Loewe-Haus in Löbejün im Schatten der mächtigen Kirche St. Petri.

Das Loewe-Haus (links) auf seinem mächtigen Fundament im Schatten der Kirche St. Petri/ Winter

Wer sich für Loewe interessiert, für den ist seine Geburtsstadt die erste Adresse. Am bequemsten ist die Anreise mit dem Auto. Busse nach Halle, der nächstgelegenen Großstadt, fahren nicht im Stundentakt. Einen Bahnanschluss gibt es längst nicht mehr. Löbejün ist abgehängt. Doch nicht immer braucht es Schienen und Straßen. Ein berühmter Sohn verbindet auch das kleinste Städtchen ganz automatisch mit dem Rest der Welt. In Löbejün, das heute mit Wettin eine Gemeinde bildet, hat die Internationale Carl Loewe Gesellschaft ihren Sitz. Im Laufe der Zeit haben zahlreiche Besucher, darunter viel Prominenz, den Weg in das beschauliche Städtchen gefunden. Namhafte Künstler treten bei den Festtagen, die seit 2002 alle zwei Jahre stattfinden, auf – Kurt Moll, Roman Trekel, Iris Vermillon, der auf Loewe spezialisierte Pianist Cord Garben, der die Solisten der Gesamteinspielung aller Lieder und Balladen bei cpo begleitet. Selbst der scheue Dietrich Fischer-Dieskau, der sich sehr verdient gemacht hat um Loewe, ist noch in seinen späten Jahren gemeinsam mit seiner Frau, der Opernsängerin Julia Varady, angereist, um bei den Festtagen 2004 die Ehrenmitgliedschaft der Gesellschaft entgegenzunehmen. Sogar Udo Jürgens, der mit seinen eigenen Kompositionen Säle füllte wie einst auch Loewe, stand auf der Gästeliste. Das Festival hat sich etabliert, zumal sehr attraktive Spielstätten zur Verfügung stehen, um die manch größere Stadt Löbejün beneiden dürfte. Das Geld, das dafür in die Hand genommen wurde – ob aus der Landeskasse, aus Föderdertöpfen und von freigiebigen Sponsoren – ist gut angelegt.

Schatzmeisterin Heidelore Rathgen im Gespräch mit dem Sänger Haakon Schaub und Operalounge-Chefredakteur Geerd Heinsen (rechts).

Schatzmeisterin Heidelore Rathgen im Gespräch mit dem Sänger Haakon Schaub und Operalounge-Chefredakteur Geerd Heinsen (rechts) / Winter

Schatzmeisterin Heidelore Rathgen ist eine perfekte Gastgeberin. Sie führt die Besucher wie durch den eigenen Besitz. Das ist verständlich. In Löbejün hat der Erfolg viele Väter – und Mütter. Schaut her, das haben wir geschaffen. Ein neues Selbstbewusstsein ist entstanden. Löbejün lebt mehr denn je mit und für Loewe. Als promovierte Mathematikerin kann die Schatzmeisterin rechnen und mit Geld umgehen. Mit wem sie verhandelt, der geht als Kämpfer für Loewe aus dem Gespräch. Wäre ich dem Werk Loewes nicht längst sehr zugetan, in Löbejün hätte ich allein durch diesen Besuch meinen neuen Lieblingskomponisten gefunden. Löbejün steckt an. Es haben sich Bürger zusammengetan, die dem Andenken an den berühmtesten Sohn der Stadt viel Zeit, Energie und Sachverstand widmen. Sie leben für Loewe, der allgegenwärtig ist. Eine Straße trägt seinen Namen. Vor dem Rathaus steht die monumentale Büste aus einheimischem Porphyr. Sie ist der Ersatz für jene Bronze von 1896, die im Kriegsjahr 1942 eingeschmolzen wurde. Die originale Form hatte sich erhalten.

Das Denkmal des Komponisten auf dem Marktplatz wurde dem ursprünglichen Bronzeguss nachgebildet.

Das Denkmal des Komponisten auf dem Marktplatz wurde dem ursprünglichen Bronzeguss nachgebildet/ Winter

Der rote Stein ist weithin sichtbar in der mit auf- und absteigenden Straßen und Wegen durchzogenen Stadt. Auch vom Vorplatz des Carl-Loewe-Museum, das die Zentrale der Gesellschaft bildet. Es ist in jenem Backsteinbau untergebracht, der 1886 auf 1887 auf den Grundmauern des ursprünglichen Geburtshauses errichtet wurde. Hell und freundlich empfängt das Museum seine Gäste, als wäre der Schatten der Kirche geschrumpft. Bei der Sanierung – so dezent wie geschmackvoll gelungen – wurde ganze Arbeit geleistet. So schnell bröckelt kein Putz mehr. Der Muff des Schulhauses ist verflogen. Licht und frische Luft brechen herein – und tun vor allem Loewe gut. Vergangenheit trifft hier auf Gegenwart und Zukunft. Es ist kein Museum im herkömmlichen Sinn. Es gibt keinen Stuhl, auf dem Loewe gesessen, kein Bett, in dem er geschlafen, kein Klavier, an dem er nachweislich gespielt hat. Einrichtungsgegenstände aus der Zeit des Komponisten, eine Büste, einige originale Autographen, Bilder und Gedrucktes wollen anregen, Atmosphäre schaffen und kein museales Abbild seines Daseins darstellen, was auch gar nicht möglich wäre. Loewe verbrachte den größten Teil seines Lebens als Musikdirektor in Stettin und zog erst als kranker Mann nach Kiel, wo eine Tochter lebte. Der Nachlass ist verstreut.

 

Auf dem Grammophon aus der Sammlung des schottischen Historiker Ian Lilburn werden Loewe-Platten gespielt.

Auf dem Grammophon aus der Sammlung des schottischen Historikers Ian Lilburn werden vorzugsweise Loewe-Schelllack-Platten gespielt/ Winter

Die Schatzkammer beherbergt der Dachboden. Auf zweitausend verschiedenen Tonträgern – darunter 550 Schelllackplatten – sind Kompositionen von Loewe festgehalten. Meistens Lieder und Balladen. Der Präsident der Gesellschaft, Andreas Porsche, im zivilen Beruf Arzt, spricht von der „weltweit größten und umfangreichsten“ Sammlung dieser Art. Die Fülle lässt nicht den geringsten Zweifel an dieser Aussage zu. Zusammengetragen wurde sie von dem aus Schottland stammende Historiker Ian Lilburn, der in London lebte und dort 2013 gestorben ist. Lilburn weilte selbst noch mehrfach in Löbejün, wo er das Andenken an den Komponisten bestens aufgehoben fand. Deshalb überließ er dem Museum seine Sammlung, die ein einzigartiges Zeugnis der Leidenschaft darstellt. Besucher erfahren, wie dieser Mann einst in seinem Londoner Haus Loewe vor ausgesuchten Gästen zelebriert hat. Sein Erbe, wozu auch Abspielgeräte und eine handgeschrieben Diskographie gehören, lassen noch in Löbejün eine Ahnung davon aufkommen.

Eine Auswahl auf zwei CDs ist von der Gesellschaft inzwischen als so genannten Lilburn Collection aufgelegt worden, die nur im Museumsshop gekauft und bestellt werden kann. Sie macht sowohl äußerlich als inhaltlich sehr viel her, ist die denkbar beste Ehrung des freigiebigen Spenders aus dem fernen London. Für mich zählt sie letztlich noch mehr als die Benennung des Museumsvorplatzes nach Lilburn. Tontechnisch wurde die Edition von Christian Zwarg betreut, den jeder Sammler kennt, der sich mit historischen Aufnahmen beschäftigt. Zwarg lässt das originale Klangbild unangetastet, befreit die Quellen bei der Übertragung auf CD lediglich von starkem Knistern oder Verzerrungen. Aufnahmen, die durch seine Hände gehen, dürften eine ziemlich genaue Vorstellung vom künstlerischen Impetus eines Sängers in seiner Zeit vermitteln. Die älteste Aufnahme der Collection entstand 1904. Am Klavier begleitet von Bruno Seidler-Winkler, der auch als Dirigent wirkte, singt der Bariton Hermann Gura die Ballade Der Edelfalk. Er ist der Sohn von Eugen Gura, dem ersten Gunther in Richard Wagners Götterdämmerung 1876 in Bayreuth. Von ihm wird noch die Rede sein. Versammelt sind dreißig Sängerinnen und Sänger, die sich in der Schelllackära mit Loewe beschäftigt haben, darunter Paul Bender, Robert Büssel, Carl Rost, Paul Knüpfer, Arthur van Eweyk, Martin Abendroth, Cornelius Bronsgeest, Heinrich Schlusnus, Gerhard Hüsch, Wilhelm Rode, Sigrid Onegin und Lula Mysz-Gmeiner, die Schwiegermutter von Peter Anders, in dessen Repertoire Loewe nur eine nebensächliche Rolle spielte. In Wirklichkeit ist die Namensliste viel länger.

Ene Auswahl aus der Sammlung von Ian Lilburn wurde von der Carl-Loewe-Gesellschaft als  Collection herausgegeben.

Ene Auswahl aus der Sammlung von Ian Lilburn wurde von der Carl-Loewe-Gesellschaft als Collection herausgegeben/ Winter

Bei der Auswahl wurde auf Vielseitigkeit Wert gelegt. Nicht nur die Selbstläufer wie Die Uhr oder Archibald Douglas, sondern auch Die Dorfkirche oder Die Mutter an der Wiege. Im Schelllackzeitalter war die Lowe-Interpretation stark durch Wagner geprägt, wie er im Bayreuth der Cosima-Ära zelebriert wurde. Deklamatorisch, getragen, mitunter schleppend. Balladen gerieten in vielen Einspielungen zu Musikdramen en miniature, zumal sie gern in Orchesterfassungen geboten werden, deren Herkunft meist unbestimmt ist. Eines der grellsten Beispiele dafür ist Die Uhr mit Richard Tauber, der sich nicht aus seinem Lehár-Korsett befreien kann. Zwischentöne oder ironische Anspielungen, wie sie sich bei Loewe zuhauf finden, gehen zu oft in der Bedeutungsschwere unter. Historische Aufnahmen können historischer nicht klingen, wie eingehüllt in einem Schwall von Mottenpulver. Dass Loewe zeitweise fast dem Vergessen anheimfiel, erklärt sich für mich auch aus der Art, wie er jahrzehntelang vorgetragen wurde und auf Schallplatten in die bürgerlichen Wohnstuben der Kaiserzeit Einzug hielt. Es gibt sogar Platten, auf denen nur der Klavierpart eingespielt wurde – sozusagen zum Mitsingen für jedermann.

Mit der Aufnahme aller Lieder und Balladen hat das Label cpo Pionierarbeit geleistet.

Mit der Aufnahme aller Lieder und Balladen hat das Label cpo Pionierarbeit für Loewe geleistet. Die Edition enthält 344 Titel. Die meisten sind Premieren.

Wie Wagner selbst ihn gesungen haben wollte und selbst gesungen hat, ist nur mittelbar nachzuvollziehen. Er schätze vornehmlich den dramatischen Gehalt. Im Januar 1881 vermerkt Frau Cosima in ihrem Tagebuch: „R. trägt einige Balladen von Loewe vor, wie er sagt, um zu zeigen, was an uns Germanen verlorengegangen ist.“ Loewe galt etwas in Wahnfried. Noch in Venedig, drei Monate vor seinem Tod, fantasierte er auf einem neuen Flügel und ließ dabei auch – wie es Cosima ausdrückt – den „Jüngling von Elvershöh“ mit einfließen. Gemeint ist die frühe Ballade Elvershöh, die noch an anderer Stelle des umfangreichen Tagesbuchs erwähnt wird wie auch Herr Oluf, Der Wirtin Töchterlein und der in seiner Dramatik an Shakespeare erinnernde Edward nach einer Übersetzung von Herder aus dem Schottischen. Ein unheimliches Dialogstück zwischen Mutter und Sohn, ähnlich der Ballade Walpurgisnacht, die bei Cosima den Titel „Hexen“ trägt. So wird sie – diesmal ein Zwiegespräch zwischen Mutter und Tochter – auch in einigen älteren Ausgaben bezeichnet. Loewe selbst soll diesen Namen auch gebraucht haben.

Eine wichtige Quelle in diesem Zusammenhang ist die Autobiographie Mein Leben von Lilli Lehmann, die bei der ersten geschlossenen Aufführung des Ring des Nibelungen 1876 in Bayreuth die Woglinde sang: „Bei Wagner kamen wir … allabendlich zusammen … nur Liszt nebst den nächsten Bayreuther Freunden waren diesem Kreise zugestellt. Gura sang viel Löw’sche Balladen, die Wagner ganz besonders liebte. Hier war es auch, wo er mir Löwes Ballade Walpurgisnacht vorsang, deren Bedeutung er besonders hervorhob und Jos. Rubinstein aufstehen hieß, um sie selbst zu begleiten, weil er (gemeint ist Rubinstein) den Geist des Gedichts resp. der Komposition nicht richtig erfasste.“ Wagner habe sich verwundert gezeigt, dass die Ballade „nie gesungen würde, die doch mächtig sei, und legte sie mir besonders ans Herz“. Obwohl die Lehmann mehr als zehn Lieder aufgenommen hat, Loewe ist leider nicht dabei.

Der Berliner Bassbarition Haakon Schaub singt "vom Geländer". Die-"Erlkönig"-Noten wurden am Museum in Metall gestochen.

Der Berliner Bassbarition Haakon Schaub gibt vom Geländer „Erkennungshilfe“: Die-„Erlkönig“-Noten wurden am Platz vor dem Museum in Metall gestochen.

Es gehört zu den unerklärlichen Merkwürdigkeiten der Loewe-Rezeption, dass die Walpurgisnacht – ohne Zweifel eine seiner bedeutendsten Schöpfungen – erst um das Jahr 2000 herum für die cpo-Gesamtaufnahme von der Sopranistin Gabriele Rossmanith eingespielt wurde. Eine andere Aufnahme konnte ich nicht auftreiben, was übrigens auch für das berührende Weihnachtslied Des fremden Kindes heiliger Christ gilt, das einzig 1937 von Karl Erb eingespielt wurde und nun erstmals wieder in der Edition ebenfalls mit Gabriele Rossmanith auftaucht. Loewe galt immer als Männerdomäne. cpo hat durch seine Ausgrabungen auch mit diesem Klischee gebrochen. An der Edition sind acht Sängerinnen mit 168 von 344 Nummern beteiligt. Das ist faktisch Parität. Ein Blick in die Vergangenheit ergibt ein ganz anderes Bild. In etwa habe ich 1300 verschiedene Aufnahmen erfasst und verglichen. Spitzenreiter ist nach meinen Berechnungen – berücksichtigt wurden nur die Studioaufnahmen – Tom der Reimer mit nahezu fünfzig verschiedenen Produktionen, gefolgt von Odins Meeresritt und Die Uhr (je 42, Karl Valentins skurrile Verballhornung nicht mitgerechnet), Prinz Eugen (34), Heinrich der Vogler (33), Archibald Douglas (28), Der Nöck (25). Von Dietrich Fischer-Dieskau stammen die meisten Aufnahmen. Ich habe 61 gezählt. Allein deshalb wurde er in Löbejün völlig zu Recht geehrt. Hermann Prey, der auch mehrere Landspielplatten hinterließ, kommt auf 48. Ihm folgt Josef Greindl mit 45, dann Hans Hotter mit 41. Erfreulich ist, dass ein noch sehr aktiver Sänger – nämlich der bereits genannte Roman Trekel – mit der Aufnahmen von 39 Liedern und Balladen auf dem nächsten Platz liegt. Noch spielt keine Frau in dieser Liga.

So sah das ursprüngliche Geburtshaus von Carl Loewe in Löbejün aus. Es hat sich als Zeichnung seiner Tochter Julie erhalten und wird im Museum gezeigt.

So sah das ursprüngliche Geburtshaus von Carl Loewe in Löbejün aus. Es hat sich als Zeichnung seiner Tochter Julie erhalten und wird im Museum gezeigt.

Mit einem zeitgemäßen Angebot, das Anerkennung und Aufmerksamkeit verdient, ist die Sächsische Landes-, Staats- und Universitätsbibliothek (Slub) in Dresden an die Öffentlichkeit getreten. Sie hat ihren Bestand an Schelllackplatten digitalisiert und das Archiv der Stimmen online gestellt, darunter mehr als hundert Titel von Carl Loewe. Es gibt zahlreiche Überschneidungen mit den Löbejüner Beständen, was ganz normal ist. Loewe-Platten waren weit verbreitet. Mein ganz persönliches Aha-Erlebnis auf dieser Plattform ist Ernst Busch, der „Barrikaden-Tauber“, der also doch nicht nur Arbeiterkampflieder gesungen, in Filmen gespielt und auf der Bühne des Berliner Ensembles gestanden hat. Busch sang auch Loewe – das Hochzeitlied und Der alte Goethe sind 1949 in der Gründerzeit des DDR-Labels Eterna aufgenommen worden.

1996, zum 200. Geburtstag Loewes, gab es in Halle eine wissenschaftliche Konferenz, deren Ergebnisse in der Schriftenreihe des Händel-Hauses veröffentlicht wurden. Das gehaltvolle Buch ist noch erhältlich und wird auch in Löbejün im Museums-Shop angeboten (ISBN 9-910019-11-0). Forschungsergebnisse wirken nach. Es wurden einzelne Balladen und Werkgruppen untersucht, Vergleiche mit anderen Komponisten angestellt, die erhellenden familiengeschichtlichen Aspekte durch den in Löbejün lebenden Loewe-Forscher Henry Joachim Kühn, der auch noch weitere bedeutsame Publikationen veröffentlicht hat, beleuchtet usw. usf. Keinem Experten aber war die Verbreitung der Werke von Carl Loewe auf Tonträgern ein gesondertes Thema wert. Dabei gibt es genügend Stoff her, auch für die Forschung auf diesem Gebiet. Kann ein Komponist nicht gehört werden, verfällt er erbarmungslos dem Vergessen. Loewe war diesem Schicksal nahe und ist ihm hoffentlich für immer entronnen. Die Wissenschaft allein kann Musik nicht retten. Sie muss klingen, ob auf Tonträgern oder im Konzertsaal. In Löbejün ist beides gegeben.        Rüdiger Winter

 

Ein Schaukasten des Museum ist dem Spender der umfangreichen Sammlung von Tonträgern mit Werken Carl Loewes gewidmet: Ian Lilburn. Auf dem großen Foto oben Bücher, Platten und Cds aus den Beständen des Autors dieses Beitrages zu sehen. Fotos: Winter

Ein Schaukasten des Museum ist dem Spender der umfangreichen Sammlung von Tonträgern mit Werken Carl Loewes gewidmet: Ian Lilburn. Auf dem großen Foto oben sind Bücher, Platten und CDs aus den Beständen des Autors dieses Beitrages zu sehen/ Fotos: Winter

 

Unvergleichlich

 

Unvergleichliche Sena Jurinac. Bei Immortal Performances liegt das aufregende Album mit bislang unveröffentlichten Erstaufnahmen vor – Lieder zum Klavier aus Zagreb 1944 auf Lackfolie erhalten (ein betörendes Nebbie Respighis oder auch zwei Wesendoncklieder), dazu weitere Testaufnahmen für die EMI aus London 1950 mit Moore am Klavier (unglaublich intensiv die noch ganz helle Stimme in Mendelssohn-Liedern oder in Schuberts Forelle) und – mir bislang nicht bekannt – die „Vier letzten Lieder“ unter Busch vom Dänischen Rundfunk 1951, die Stimme hier leuchtend-mädchenhaft und erfüllt in jeder Phrase.

Die berühmte EMI-Aufahme: "Idomeneo" im Querschnitt unter Fritz Busch mit Sena Jurinac, Richard Lewis, Birtgit Nilsson und Léopold Simoneau/Foto AngusMCBean/Glyndebourne Archive

Die berühmte EMI-Aufahme: „Idomeneo“ im Querschnitt unter Fritz Busch mit Sena Jurinac, Richard Lewis, Birtgit Nilsson und Léopold Simoneau/Foto AngusMCBean/Glyndebourne Archive

Angekoppelt sind wenig bekannte Ausschnitte aus Operetten und Opern aus den frühen Fünfzigern, angeführt von dem absolut bezaubernden Couplet aus Gasparone (allein schon deswegen würde ich diese Ausgabe kaufen), dazu weiteres vom deutschen Rundfunk der frühen Jahre (Fledermaus, Figaro, Manon) sowie die Duette und Arien unter Ackermann vom SWR 1952 mit Peter Anders. Ach, es ist eine köstliche Lust, diese wunderbare Stimme in diesen frühen Aufnahmen zu hören – diese Süße und dieses Versprechen auf (dann auch eingetretenes) Großes gehen ans Herz. Danke dafür  und meine uneingeschränkte Empfehlung (immortalperformances.org IPCD1013/1-2).

 

Das gilt auch für die gerade mir wieder in die Hand geratene Così fan tutte bei Immortal Performances (vorher bei anderen, aber nun dank der Zusammenarbeit mit dem Brüder-Busch-Archiv und der Karlsruher Max-Reger-Stiftung absolut und gewinnbringend anhörbar) aus London, als bei den Proms 1951 die Glyndebourne-Equipe unter Fritz Busch eine konzertante Vorstellung ihrer legendären Aufführung aus den Susasex Downs gab. Was für eine Besetzung! Sena Jurinac, die wirklich Unvergleichliche, hier ganz am Anfang ihrer Karriere, jung und noch hell im Ton, den sie wenig später mit einem dunkleren, pathosreicheren eintauschte.Diese Fiordiligi volle Poesie und auch einer gewissen Unschuld, voller Würde und Leuchtkraft schließt sich an die obigen Lieder an und stellt wie diese  für mich kostbare un d beglückende Dokumente einer in meinem Herzen ruhenden Sängerin dar. Ihr damaliger Ehemann Sesto Bruscantini macht einen merkurialischen Don Alfonso in gewohnter Spielfreudigkeit und beispielhafter Diktion. Marko Rothmüller, nach England emigrierter Bariton, übertzeugt mit gutsitzendem, markantem Ton. Richard Lewis war nie mein Ding, und auch hier finde ich ihn als Guglielmo steif und troppo brittico, Alice Howland war mir vorher kein Begriff, und sie ist kein Vergleich zur späteren Kollegin Blanche Thebohm, singt aber ordentlich wie auch die etwas piepsige Isa Quensel als qirlige Despina (das ist ja das Attribut, das man immer für diese Partie aufbringt). Chor und Orchester profitieren von Fritz Buschs überragender Leitung – Brio und Agogik paaren sich mit dunklem Schwung, der aus der Così ein Drama macht, ohne die helleren Seiten zu vernachlässigen. Absolut und unbedingt habenswert (2CD Immortal Performances IPCD 1004-2 mit informativer Ausstattung in Englisch). G. H.

 

Und apropos: Erstmals ungekürzt auf CD kam 2013 die ganz wunderbare Aufnahme des Mozartschen Glyndebourne-Figaro von 1955 bei EMI heraus und nun hoffentlich wieder bei Warner erscheinend (ungekürzt, weil nun die original eingespielte Basilio-Arie enthalten ist – die im Booklet der LP-Ausgabe angegebene Marcellina-Arie hingegen wurde nicht aufgenommen oder zumindest nicht veröffentlicht, was wirklich schade ist), und weil auf 3 CDs nun also aufgefüllt mit den Sinfonien 38 und 39, die Vittorio Gui ebenso wie die Oper energisch, unvergleichlich kraftvoll-männlich, federnd, witzig und wie ein Ping-Pong-Tennis-Spiel dirigiert. Im Dialog fliegen die Erwiderungen und Dialoge wie auf der Bühne hin und her, und man goutiert die dichte Tonregie des Regisseurs Carl Ebert, der die Glyndebourne-Produktion kongenial auf der damaligen LP (eine der ersten Stereo-Aufnahmen der EMI) als lebendiges Theater umsetzte. Gesungen wird – bis auf den kleinen Ölfleck der Rise Stevens als matronaler Cherubino – absolut prachtvoll. Ich stehe nicht an zu sagen, dass dies der Figaro aller Träume ist, denn Sena Jurinac (hier als Contessa in der besagten Produktion/OBA), Sesto Bruscantini, Franco Albanese, Hughues Cuenod (irre ölig als Basilio), Monica Sinclair (dto als köstlichste Marcellina) sowie Jeanette Sinclair sind nicht zu überbieten. Graziella Sciutti wurde gegen die Bühnen-Susanna der Elena Rizzieri ausgetauscht – hier flutscht die Sprache nur so. Die Tempi – brisk, aber nicht schnell – und der ganze musikalische Duktus schaffen eine ganz eigene Atmosphäre, der (im Stil der Zeit – und sehr willkommen angesichts mancher steriler Aufnahmen heute – mit Türenschlagen und Fensterscheiben-Klirren) man gebannt lauscht, von der man einfach gepackt ist. Ich kenne kaum einen anderen Figaro so spannend und so gut gesungen/dirigiert – bitte Warner: schnell wieder herausbringen!  G. H. 

Homestory mit Suchtfaktor

 

Diese Musik strotzt nur so vor Selbstbewusstsein. Alles, was an der Symphonia Domestica von Anfang an bemängelt wurde, kann auch zu ihren Gunsten ausgelegt werden. Einer der ersten und prominentesten Kritiker war der französische Schriftsteller und Weltbürger Romain Rolland. Sein Einwand nach der Uraufführung 1904, Strauss habe sich wieder nur mit der eigenen Person beschäftigt, geistert seither durch die Literatur und hat auch Eingang ins Booklet zu einer neuen Einspielung unter Marek Janowski gefunden. Sie ist beim Label Pentatone erschienen, einem Zusammenschluss von Deutschlandradio Kultur, Rundfunk-Sinfonieorchester und Rundfunkchor Berlin (PTC 5186 507). Übrigens hatte Strauss auf den Einwand von Rolland sehr gelassen reagiert: „Ich sehe nicht ein, warum ich keine Sinfonie auf mich machen sollte. Ich finde mich ebenso interessant wie Napoleon und Alexander. Beide Sätze sind in die Musikgeschichte eingegangen.

Strauss gewährte mit dem Werk tatsächlich Einblicke in seine Familienleben, eine Art musikalische Homestory, wie sie heutzutage gern in Zeitungen und im Fernsehen angeboten werden. Insofern empfinde ich dieses Werk als durchaus modern und zeitgemäß. Als Arbeitstitel ist „Mein Heim. Ein sinfonisches Selbst- und Familienporträt“ überliefert.“ Alle Mitwirkenden sind mit einem eigenen Thema versehen. Der Komponist widmete die Symphonia seiner „lieben Frau und unserem Jungen“. Dazu passt das wunderbare Foto der Familie auf dem Cover. Es dürfte um 1905 entstanden sein und gleicht in Arrangement und Kolorit einem Jugendstilkunstwerk. Rolland riet Strauss brieflich, das Werk doch ohne Programm aufzuführen. Darauf entgegnete Strauss, wer „wirklich Musik zu hören verstehe, brauche es wahrscheinlich gar nicht“. Im Booklet ist das alles nachzulesen. Strauss dürfte Recht behalten haben. Vom ursprünglichen Drum und Dran ist nur mehr der Titel übrig geblieben. Die Musikwissenschaft rümpft gelegentlich noch immer die Nase. Ungeachtet dessen setzte sich das Stück durch, erscheint regelmäßig auf Konzertprogrammen und wurde oft eingespielt. Kaum ein Dirigent hat einen Bogen darum geschlagen, selbst Furtwängler nicht. Aktuell sind viel mehr als zwanzig verschiedene Einspielungen auf dem Markt.

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Nun also die von Janowski geleitete Produktion. Der Chef des Rundfunk-Sinfonieorchesters hat sich in jüngster Zeit verstärkt mit Strauss beschäftigt und in Berlin auch Elektra und Daphne konzertant aufgeführt. Seine Interpretation empfiehlt sich allein schon durch das betörende Klangbild. So schön kann Musik von der CD klingen – wenn es denn eine so genannte Hybrid Multichannel SACD ist. Bei diesem Aufnahmeverfahren wird eine höhere digitale Auflösung des Audiosignals verwendet als bei der herkömmlichen Audio-CD. Raumklang lässt sich ohne Datenreduktion speichern. Das Ergebnis ist noch genauer, noch detailreicher, noch differenzierter. Für die Klangfarben von Strauss nahezu ideal. Nur ersetzt auch das ausgebuffteste technische Verfahren nicht den Mann am Pult und sein Orchester, das ebenfalls aus Menschen besteht. Sie müssen sich aber darüber im Klaren sein, was möglich ist bei der Aufnahme. Janowski spart nicht mit Pathos, poltert, wo es etwas zu poltern gibt, kann ironisch sein und kostet die idyllischen Momente genüsslich aus. Unter seinen Händen gerät das Stück zu blankem Genuss mit Suchtfaktor.

Ergänzt wird das Programm mit dem Poem für Männerchor und Orchester Die Tageszeiten aus dem Jahr 1927, mit dem Janowski, sein Orchester und der der Rundfunkchor Berlin auch nicht allein sind auf dem Markt. Es verwendet Verse von Joseph von Eichendorff und wurde vom Wiener Schubertbund in Auftrag gegeben. Dem Vernehmen nach soll sich Strauss zunächst an der gewünschten Textauswahl gestoßen haben, weil wenige sich einige Jahre zuvor Hans Pfitzner für seine Kantate Von deutscher Seele ebenfalls bei Eichendorff bedient hatte. Umso verwunderlicher ist es, dass dem einleitenden originalen Gedicht Der Morgen noch der kleine Vers „Wenn der Hahn kräht“ vorangestellt ist, der sich bei Pfitzner auch findet. Ansonsten gibt es keine textlichen Überschneidungen. Der Zyklus ist Spätromantik vom Feinsten und nimmt Stimmungen vorweg, die erst viel später im Gesang der Wächter in der Frau ohne Schatten, in Daphne oder in den Vier letzten Liedern aufklingen. Rüdiger Winter

Der einsame Held

 

Jon Vickers ist tot. Er starb am 11. Juli 2015 in seiner kanadischen Heimat. Vickers litt an Alzheimer. Seine Familie hat das nicht verschwiegen. Ich hole mir wieder seine Aufnahmen hervor. Dazu muss ich auf die Knie gehen. Denn Vickers steht ganz unten im Regal, weil sein Name mit V beginnt. Ich tue es gern, weil es mir eine angemessene Körperhaltung scheint, seinem Andenken zu huldigen. Seit langem denke ich immer über ein anderes Ordnungsprinzip nach. Jene Sänger, die mir wichtig sind, müssen endlich weiter nach oben, auf Augenhöhe. Jetzt wird mir wieder klar, wie sinnvoll das wäre. Einer wie Vickers gehört nicht ins Souterrain. Was also wieder hören? Siegmund, Tristan, Énée, Samson? Oder doch lieber den Messiah? Auch den Gerontios von Elgar habe ich mir lange nicht vorgenommen, die Winterreise ebenfalls nicht. Ich höre Schumanns Dichterliebe. In deutscher Sprache, mitgeschnitten bei einem Konzert 1967 in New York. Genau danach ist mir. Wieder staune ich, wie flexibel dieser Tenor mit seiner voluminösen Stimme umgehen konnte. Er nimmt sich ganz zurück, dreht die Stimme zu Flüstertönen herunter, macht sie so zart und zerbrechlich, dass aus Musik Farbe wird. Ist das nun Poesie oder Technik? Es wird wohl eine Mischung aus beidem sein. Zumindest ist dieses lyrische Vermögen bei Vickers umso erstaunlicher, weil der Sänger ja eher mit dem hochdramatischen Fach in Verbindung gebracht wird. Seine Ausbrüche ließen die größten Häuser erschüttern. Schumann ist davon weit entfernt. Er geht nach innen, nicht nach außen.

Diese CD mit italienischen Arien, jetzt beim Label VAI, trug zum Ruhm des Sängers entscheidend bei.

Diese ehemalige RCA-CD mit italienischen Arien, jetzt beim Label VAI, trug zum Ruhm des Sängers entscheidend bei.

Ich schätzte Vickers über die Maßen. Nicht sofort und auf Anhieb war das so – aber mit der Zeit immer stärker. Warum? Weil er seinen Rollen ein unverwechselbares Siegel einbrannte, sich nicht um Vorbilder scherte und immer aufs Ganze ging. Ich höre da einen unbeugsamen Willen, mit dem er sich in den Mittelpunkt jeder Aufnahme oder Aufführung zu singen versuchte. Das macht ihn nicht immer sympathisch. Seine Partnerinnen und Partner hatten es gewiss schwer, dagegen anzusingen, mit etwas Gleichwertigem aufzuwarten. Gleichwertig im Sinne von Ekstase, Individualität, Unverwechselbarkeit und eiserner Entschlossenheit. Schöngesang allein konnte ihn nicht ausstechen. Es mussten andere Kaliber sein. Vielleicht war ihm ja nur die Callas gewachsen. Sie soll ihn sehr geschätzt haben. Beide sind mehrfach gemeinsam in der italienischen Fassung von Cherubinis Medea aufgetreten. 1958 in Dallas, 1959 in London, 1961 an der Mailänder Scala. Davon sind Mitschnitte erhalten.

Otello ist von Desdemonas Untreue besessen - Screenshot aus dem Film.

Otello ist von Desdemonas Untreue besessen – Screenshot aus dem Film von Herbert von Karajan.

Vickers stand damals am Anfang seiner internationalen Karrieren, die 1957 mit Gustavo in Verdis Ballo in maschera in Covent Garden begonnen hatte. Erst fünf Jahre später gelangte ein Mitschnitt ins Radio, der inzwischen auf CD in der Heritage Series des Royal Opera House herausgekommen ist. Vickers, den ich nur von seinen Aufnahmen kenne, sticht immer heraus. Ein Ton genügt. Noch bevor man zur Kenntnis genommen hat, wer noch mitsingt, Vickers ist schon da. Manchmal kommt es mir vor, als sei er zu egoistisch gewesen im Ensemble, habe auf seine Partner nicht genug Rücksicht genommen. Er ist mehr Solist und Einzelkämpfer denn jemand, der sich harmonisch in eine Szene einordnet, in der mehrere gleichzeitig singend zusammenwachsen. Selbst bei Duetten gibt es diese Neigung, sich selbstständig zu machen. In Wahrheit dürfte er nicht anders gekonnt haben. Seine Wucht der Interpretation ist raumverdrängend. In den dramatischen Steigerungen wie in der Zurücknahme. Es ist immer hundert Prozent Vickers. Nie weniger. Allenfalls mehr.

Otello mit Mirella Freni als Desdemona – für die Unitel-DG von Herbert von Karajan in Szene gesetzt.

Wenn ich an Vickers denke, denke ich an seinen Tristan, an die letzten Minuten des zweiten Aufzuges – wenn der ratlose Marke am Ende seiner berühmten Klage dem “geheimnisvollen Grund“, nachsinnt, warum Tristan ausgerechnet ihn verriet. Und jetzt kommt es: „O König, das kann ich dir nicht sagen / und was du frägst, das kannst du nie erfahren. / Wohin nun Tristan scheidet / willst du, Isold’, ihm folgen? / Es ist das dunkel / nächt’ge Land / daraus die Mutter mich entstand…“ Für mich muss es die EMI-Studioproduktion unter Herbert von Karajan von 1972 sein. Alle anderen Aufnahmen – es gibt an die zehn Mitschnitte – kommen da nicht heran. Sie allein schafft es, dass das Werk genau an der Stelle ins Transzendentale abhebt. Zumindest habe ich es immer so empfunden. Ich kenne und höre keine Isolde, die ihm gleichwertig gewesen ist. Birgit Nilsson war es allenfalls durch stimmliches Volumen, Kraft und Ausdauer. Beide waren gut aufeinander eingespielt. Ins Land, das Tristan meint, in dem der Sonne Licht nicht scheint, vermochte sie ihm nicht zu folgen. Von Helga Dernesch, Gwyneth Jones, Janis Martin, Berit Lindholm, Janice Yoes oder Roberta Knie ganz zu schweigen. Vickers bleibt stets einsam und auf sich gestellt. Ohne Zweifel wäre ihm vielleicht die Mödl in ihren besten Jahren als Isolde gewachsen gewesen. Was seine Anhänger schätzen an seinem Tristan, störte seine Kritiker, für die er zu brachial gewesen ist. Einen Weg dazwischen findet der englische Komponist Robin Holloway, den Jürgen Kesting in seinem Standardwerk über die großen Sänger zitiert: „Er ist absolut authentisch und auf extreme Weise schmerzlich – das Rasen eines verwundeten Tieres, was Melchior sein könnte, wäre er nicht so ununterdrückbar gutgelaunt.“ Es könne nicht den geringsten Zweifel geben am Rand dieser Tour de force, aber es bleibe ein Extrem – etwas Einzigartiges, als ob die Geschichte dieses eine Mal wahr wäre. Und nun der entscheidende Satz: „Ich kann keinen höheren Tribut zollen; aber ich möchte das nie wieder hören müssen.“ Das sitzt. In ihrer Zuspitzung ist das eine der treffendsten Äußerungen über Vickers, die ich kenne.

Das große Foto oben ist ein Screnshot auf der Pagliacci-Verfilmung unter der Leitung von Karajan.

Das Foto oben ist ein Screenshot aus der „Pagliacci“-Verfilmung unter der Leitung von Karajan bei Unitel-DG

Selbst kam ich über Umwege zu Vickers. Er ist – so meine Erfahrung – nichts für junge Ohren. Nachdem ich mich an Windgassen und Melchior gewöhnt hatte, die doch immer auch so schön singen, brachte jener mein ganz persönliches Weltbild vom Wagnergesang ins Wanken. Er holte mich heraus aus dem Elfenbeinturm des Vorgefassten und eröffnete mir eine viel tiefer gehende Vorstellung künstlerischer Gestaltungsmöglichkeiten. Vickers verunsicherte mich. Er lehrte mich, dass Zuhören mitunter sehr unbequem sein kann. Ich fühle mich bei ihm immer genötigt, über das, was ich gerade gehört habe, nachzudenken oder mit Gleichgesinnten zu diskutieren. Das Letzte, was er mir vermittelte, ist Genuss. Ich finde ihn anstrengend. Er taugt nicht zur Projektionsfläche und ist kein gefundenes Fressen für Fanclubs.

Menschen, die Opern hören und sich mit Sängern gut auskennen, vergleichen gern. Sie wollen herausfinden, wer am besten ist. Dabei kommen ganz unterschiedliche Sachen heraus. Im dem Maße, wie solche Vergleiche Spaß machen, hinken sie. Manchmal kommt es mir so vor, als ob es gewisse Gemeinsamkeiten zwischen Vickers und Max Lorenz gibt. Sonst fiele mir niemand ein. Beide haben Tristan, Siegmund und Parsifal gesungen, auch Otello. Aus der Wiener Staatsoper hat sich von 1942 das so genannte Racheduett mit Lorenz und Mathieu Ahlersmeyer als Jago erhalten. Hinter dem Vorhang einer abenteuerlichen Akustik stürzt sich dieser Otello fast schon in selbstmörderischer Absicht hinunter in die Tiefen seiner Verzweiflung, und löst genau das aus, was Holloway über Vickers schreibt. Lorenz reißt so stark mit, dass man es fast nicht aushält und sich nur davor retten kann, dass man es nie wieder hört. Wie Lorenz ist Vickers der verletzte, der verwundete Held.

CD Walküre Leinsdorf Vickers

Der Siegmund in dieser DECCA-Studioproduktion der „Walküre“ gilt als eine der besten Leistungen von Vickers.

Vickers hat eine beachtliche Zahl von Tondokumenten hinterlassen, meistens Mitschnitte. Nicht alle sind ganz legal auf Tonträger gelangt. Mit sechzehn oder gar noch mehr Aufnahmen, ist der Siegmund in der Walküre Spitzenreiter. Meine Wahl fällt auf die Studioaufnahme der Decca unter Erich Leinsdorf von 1961. Das Pendent dazu ist der von Georg Solti geleitete Londoner Mitschnitt aus demselben Jahr, der erst kürzlich offizielle bei Testament herausgegeben wurde. Noch immer ist nachzuvollziehen, warum Vickers damals so aufhorchen hinterließ. Sein Porträt der Rolle, das so tief blicken lässt in die Seele eines Verfolgten, hat mit den Jahren nichts von seiner packenden Intensität verloren. Er verzichtet auf jedwedes Machogehabe. Beide Dokumente sind Vickers pur. Eine ganze Aufführungsserie von 1975 aus der Met ist darunter. Zweimal ist noch Birgit Nilsson die Sieglinde. Wagner vom Meter. Wer soll das alles hören? Wenngleich viele Sammlerherzen da höher schlagen. Gewiss. Aber macht es wirklich Sinn, wenn auch noch der so und so vielte Mitschnitt im heimischen Regal landet? Opern werden doch nicht aufgeführt, damit sich auch noch der hundertste Mitschnitt auf den Ramschtischen oder bei elektronischen Tauschbörsen wiederfindet.

Im Melodram „Enoch Arden“ von Richard Strauss, das bei VAI erschien, tritt Vickrs als Erzähler in Erscheinung.

Ich kann verstehen, wenn sich Sänger selbst nicht für ihre Aufnahmen interessieren und die Sammelei lieber ihren Fans überlassen. Mitschnitte dokumentieren in ihren Voyeurismus auch die Schwächen, Patzer, die Müdigkeit und den Überdruss, sich schon wieder ins selbe Kostüm zwängen zu müssen. Auch Vickers ist nicht einen Tag wie den anderen. Das macht ihn mir menschlich. Er kann an Grenzen kommen, zumal er ja auf diesen Tonbändern nicht zu sehen ist. Zuviel Vickers in schlechten Tagen ist der Verehrung abträglich. Ich kann ihn nur dosiert hören. Tristan und Isolde wurde schon erwähnt. Fidelio und Samson et Dalila  sind auch mehrfach vorhanden, Aida und Carmen ebenfalls. Bei diesen Werken neige ich letztlich zu den Aufnahmen im Studio, weil sie die überbordende Wucht und Raubeinigkeit dieses Tenors besser integrieren und – wenn nötig – abmildern. Hole ich mir nach einer gewissen Abstinenz mal wieder den Pagliacci-Film Karajans hervor, rührt mich dieser Canio in seiner selbstzerstörerischen Verzweiflung zu Tränen. Mehr noch als der Otello, ebenfalls von Karajan opulent in Szene gesetzt – im Vergleich mit dem unverwüstlichen Leoncavallo-Dauerbenner aber deutlich konservativer. Die Troyens von Berlioz unter Colin Davis bei Philips möchte ich nicht missen. Den Peter Grimes von Britten auch nicht. Vickers hat mit dazu beigetragen, dass diese Werke ihren Platz auf den Spielplänen gefunden haben, obwohl Tenöre in seiner Nachfolge beide Figuren weiter verfeinerten. Von Vickers sind Impulse ausgegangen.

The best of: Die EMI hatte auf dieser CD Ausschnitte aus diversen Aufnahmen zusammen gestellt.

The best of: Die EMI hatte auf dieser CD Ausschnitte aus diversen Aufnahmen zusammen gestellt.

Jetzt, nach seinem Tod, dürfte noch manches hinzukommen. So lehrt es die Erfahrung. Vielleicht der Duca in Rigoletto, der Ferrando in der Cosi oder der Alfred in der Fledermaus? Diese Rollen hat er auch gesungen in seiner frühen kanadischen Zeit, als er noch Zweifel hatte, ob er es je zu etwas bringen würde als Sänger. Es ist nicht auszuschließen, dass sich Mitschnitte erhalten haben, zumal an den Produktionen auch der Rundfunk beteiligt war. In amerikanischen Sammlerkreisen soll sein Sergej in Schostakowitschs Lady Macbeth von Mzensk von 1964 aus San Francisco mit Marie Collier in der Titelrolle kursieren. Etwas mehr Vielseitigkeit könnte der Vickers-Rezeption nicht schaden. Mit dem Laca in Jenufa brach er 1974 an der Met aus dem Kanon der traditionellen schweren Heldenpartien aus. An diesem Haus landete er 1978 noch einen ganz unerwarteten Coup mit dem Wenzel in der Verkauften Braut (in Englisch). Bei seinem Erscheinen schüttet sich das Publikum aus vor Lachen. Es ist ein trügerischer Spaß. Sobald Vickers nämlich den Mund aufmacht, wird einem selbst in diesem rein akustischen Dokument klar, dass es gar nichts zu lachen gab. Rüdiger Winter

Lohengrin und das blaue Himmelbett

Peter Anders Ein Stern in dunkler Zeit. In gut gemeinter Absicht wird dieses poetische Etikett dem Sänger nachträglich angeheftet. Als müsse eine Entschuldigung dafür her, dass seine beispiellose Karriere während des Nationalsozialismus begann. Wann denn sonnst? Anders, 1908 in Essen geboren, debütierte 1932 in Heidelberg, kam 1928 nach München und wurde im ersten Kriegsjahr 1939 an die Berliner Staatsoper berufen. Dort eilte er von Erfolg zu Erfolg. Er war ein Liebling des Publikums. Ich bezweifle stark, dass er – wie ein Stern – Licht in das düstere Dasein der Unterdrückten und Verfolgten bringen wollte. Das wäre in seinem Fall zuviel verlangt. Er wollte singen, sonst nichts. In der 10-CD-Collection von Membran (233506) sind etliche Aufnahmen aus seinen frühen Jahren zusammengestellt worden. Sie klingen flott, verbreiten gute Laune. Der Kanonendonner und die Schlachtfelder sind weit weg. Melodienfolgen aus Lehár Lustiger Witwe (1935) und Kálmans Csárdásfürstin (1934) sind dabei. In seinem jugendlichen Überschwang scheint Anders wie geboren für dieses Fach. Überhaupt ist Franz Lehár, der der heimliche Lieblinskomponist Hitlers war, auffällig stark präsent. Als Potpourris wurden Mitte der dreißiger Jahre lockere Zusammenstellungen mit Titeln wie Rendezvous bei Lehár oder Peter Anders bei Franz Lehár produziert. Verführerisch lockt das „Blaue Himmelbett„. Dazu wurden auch schon mal die Berliner Philharmoniker bemüht. Querschnitte durch Bettelstudent (gleich zweimal, 1934 und 1936) von Millöcker und Fledermaus von Strauß runden das ausgesprochen heitere Angebot aus „dunkler Zeit“ ab. Anders hat die richtigen Partnerinnen. Mit der Finnin Aulikki Rautawaara (Csárdásfürstin) und Erna Berger (Fledermaus) wirft er sich die musikalischen Bälle nur so zu.

Die auf zwei CDs verteilten Lieder sind ein Kapitel für sich. In der Mehrzahl wird Anders dabei von Michael Raucheisen begleitet. Aufnahmedaten lassen einen heute noch verwundert zurück – 1943, 1944 1945. Während Berlin in Schutt und Asche versank und die sowjetischen Panzer auf die Stadt zurollten, wurden in den Kellern des Funkhauses Lieder aufgenommen. Nicht nur mit Anders, der allerding sehr gut zu tun hatte. An der als Raucheisen-Edition erst nach dem Krieg veröffentlichten Sammlung wirkten an die fünfzig Sänger mit. Darunter einige, die Hitler und Goebels noch 1944 auf ihre so genannte „Gottbegnadeten-Liste“ gesetzt hatten. Das waren Künstler, die das Regime für unverzichtbar erachtete. Anders konnte seine Karriere nach Kriegsende rasch fortsetzen. Viel Zeit blieb ihm nicht bis zu seinem tragischen Tod 1954. Es waren seine wichtigsten Jahre, die Jahre der Reife. Sie sind bei der Auswahl gehörig berücksichtigt – auch mit dem Vorstoß auf neue Betätigungsfelder. Dazu gehörten der Stolzing in den Meistersingern und der Lohengrin.

Meine Liebe zum Gesang hat viele Namen, einer ist Peter Anders. Seit ich bewusst Musik köre, höre ich seine Aufnahmen. Auch wenn für diesen oder jenen Sänger im Laufe der Zeit die einst noch so heiße Begeisterung abkühlt, Anders ist immer präsent. Er hat seinen unverrückbaren Platz. Ich will mir überhaupt nicht vorstellen, wie es denn wäre, wenn es ihn nicht gegeben hätte. Nun hat es ihn aber gegeben, und das ist ein Glück für mich und für alle, die ihn ebenso lieben. Das Interesse an diesem Sänger mit der elementaren, unverkennbaren Stimme ist unverwüstlich. Peter Anders am besten zu gedenken heißt, seine Aufnahmen immer wieder neu aufzulegen und in großen Auflagen zu verbreiten. Seine Stimme ist nicht nur etwas für Kenner und kein Geheimtipp. Sie verträgt ein großes Publikum.

1-Membran-Box 2 Peter AndersDas Label Membran hat sich bei der der Pflege seines Andenkens von niemandem überbieten lassen. Davon zeugt auch die Box Peter Anders – Die unvergessene Stimme mit ebenfalls zehn CDs (LC 12281). Es handelt sich um die in der Aufmachung etwas abgespeckte Wiederauflage der Ausgabe im stattlichen Buchformat gelegentlich des 100. Geburtstages des Sängers im Jahr 2008. Wozu Sammler Jahre brauchten, findet sich hier in beiden Editionen auf einen Schlag wohl geordnet beisammen. Dazu noch in sehr ordentlicher Tonqualität. Soll ich nun neidisch sein, dass hier dem Käufer so mir nichts dir nichts in den Schoß fällt, was ich nur mit  Bienenfleiß und Hartnäckigkeit zusammen gebracht habe? Nein und abermals nein! Ich möchte nicht jene Glücksmomente vermissen, wenn einem plötzlich wieder ein lange gesuchtes Lied oder eine akustischer Filmauftritt in die Hände fiel. Mit diesen Boxen liegen weit mehr als die Hälfte aller 450 Titel vor, die Anders auf Tonträgern für Plattenmarkt und Rundfunk hinterlassen hat – und das zu sehr moderaten Preis. Die Boxen sind also kein Luxus von der Anschaffung her, sie sind Luxus durch Inhalt.

Anders überrumpelt seine Hörer mit unendlichem Charme genau so wie er sie mit schneidender Schärfe treffen kann. Es tut weh, wenn er etwa in der Winterreise (in der Edition findet sich die spätere Einspielung mit Günther Weissenborn) Zwiesprache mit seinem Unglück hält, das plötzlich zum Unglück aller Menschen wird, die ihm zuhören. Er ist niemals akademisch, er singt den Moment. Manchmal setzt er alles auf eine Karten, übermütig und strotzend vor Wagemut. Er ist stimmlich ein unerschrockener Tausendsassa. Seine Aufnahmen wirken nicht blutleer von zu vielen Proben. Sie sind knackig und voller Saft. Peter Anders – der Radioliebling, im Traumland der Operette, der Opern- und der Konzertsänger. In diesen Kategorien wird die Fülle dargeboten. Das macht Sinn und erleichtert den Zugriff, da es musikalisch kaum ein Revier gibt, in dem Anders nicht mit Lust und Können wilderte. Von Granada bis zu Othellos Tod, sein ganzes Repertoire ist ausgebreitet. Florestan, Lohengrin, Apollo, Bacchus, Faust, Tamino, Zarewitsch… Ich vermisse nichts. Ganz im Gegenteil, was immer ich von Peter Anders höre, es ist in diesem Moment mein Lieblingsstück. Und wenn es das LiedDie Frau der Frauen ist, bei dem er gurrt wie Zarah Leander. Für mich ist er in allen Kategorien gleich gut aufgestellt und aufgelegt, weil er in der Praxis Musik nicht in Klassen oder Wertigkeit einteilt. Er verwendet auf den Filmschlager nicht weniger Mühe und Können als auf die Gralserzählung. Mir ist er dadurch sehr sympathisch. Anders gilt als Sympathieträger schlechthin. Nicht, dass er so einfach gute Laune verbreiten würde und für Stimmung im Saale sorgte. In seinem Falle wären das schon Unterstellungen. Dieser Sänger ist sympathisch, weil er Musik völlig unprätentiös und uneitel herüber bringt. Es geht nicht um ihn, es geht um das jeweilige Stück. Im Ensemble drängelt er sich niemals vor, er füllt seinen Platz aus und nimmt niemanden etwas weg, was er auch gar nicht nötig hätte.

Die Sensation von rund zwölf Stunden Musik, auf die es die Edition bringt, sind 28 (!) Sekunden Siegmund.Wälse! Wälse! Wo ist dein Schwert? Dein starkes Schwert, das im Sturm ich schwänge?  Mehr nicht. Die kurze Sequenz mit Klavierbegleitung (Hans Geisendörfer, der mit Anders im Unglücksauto saß, in dem ihn der Tod einholte) ist 1954 für den Schulfunk des Nordwestdeutschen Rundfunks Hamburg als Beispiel für das Sängerfach jugendlicher oder italienischer Heldentenor entstanden und auch gesendet worden, dann im Archiv gelandet. Anders hat die Rolle 1953 in Hamburg gesungen. Für einen Mitschnitt würde ich sonst etwas geben. Ich wäre auch gern ein gehöriges Stück älter, nur, damit ich ihn damals selbst hätte hören können in Wagners Walküre. Nun bin ich auf Ahnungen und diese wenigen Sekunden angewiesen. Auch wer nicht dabei war, die Stimme aber gut kennt, der war sich immer völlig sicher, dass Anders als Siegmund ein Ideal verkörpert haben muss. In den Wälse-Rufen ist etwas von Verzweiflung, etwas Flehendes. Dieser junge Mann ist kein sportlicher Schlagmichtot, er hat eine geschundene Seele. Er ist ein Verfolgter, ein Opfer. Seine Wunden, die er seiner Schwester Sieglinde weisen soll, hat er auch an der Seele. Anders hätte als Siegmund Musikgeschichte schreiben können. 28 Sekunden Musik reichen, dass einem plötzlich der Verlust wieder bewusst wird, den dieser sinnlose Unfalltod bedeutet.      Rüdiger Winter

Ein Mönch sehnt sich nach Liebe

 

Es ist die alte Geschichte. Amarus weiß nicht, wer sein Vater und seine Mutter waren. Er ist ein Findelkind und lebt in einem Kloster. Sein Name bedeutet Bitternis. Ein Engel prophezeit ihm, dass er des Todes sei, sollte er nur ein einziges Mal vergessen, das Öl für das Ewige Licht nachzufüllen. Eines Morgens, als er seinen Dienst versehen will, findet er ein Liebespaar in Andacht vor dem Altarbild. Eine große Sehnsucht nach eigenem Glück ergreift ihn. Amarus vergisst seinen heiligen Dienst und folgt den Liebenden hinaus ins Freie. Das Licht erlischt. Später finden ihn die Mönche tot. Das ist der Inhalt der lyrische Kantate Amarus für Soli Chor und Orchester von Leoš Janáček. Er komponierte das Werk 1897. Es steht am Beginn der Serie seiner erfolgreichsten Werke. Praga Digitals im Vertrieb von harmonia mundi hat eine Einspielung unter Václav Neumann herausgebracht, die am 28. März 1974 im Prager Smetana-Saal in Stereo mitgeschnitten wurde (PRD 250 308). Für eine Liveaufnahme klingt das Dokument ganz vorzüglich. Zunächst hatte ich auf Studio getippt. Dann aber ist hier und da ein Räuspern zu vernehmen. Gelegentlich summt der Maestro mit. Der Text geht auf eine Dichtung von Jaroslav Vrchlický, der als Schüler von Victor Hugo gilt. Er verfasste Opernlibretti, darunter zu Dvoráks Oper Armida und übersetzte Werke der Weltliteratur wie Goethes Faust und die Göttliche Komödie von Dante ins Tschechische.

Lyrisch wie es der Titel verspricht, ist auch der musikalische Grundgehalt. Betörend der Beginn. Einsamkeit und Sehnsucht sind selten so eindringlich in musikalische Form gebracht worden. Sofort werden die Zuhörer in das Geschehen hineingezogen und nehmen Anteil, als seien sie selbst betroffen. Was den späteren Meisterwerken vorbehalten ist, hier klingt es bereits unverwechselbar an. Hundert Prozent Janácek! Die Originalsprache bleibt auch bei diesem sehr poetischen Werk eine Hürde für den Zugang. Inzwischen hat sie sich zwar weltweit für Janáceks Opern durchgesetzt. Den Einzelheiten in Handlung und Ausdruck kann aber nur derjenigen folgen, der die Sprache kennt. So ist das auch bei Amarus.

Die Solisten der Aufnahme, der Tenor Vilém Přibyl und die Mezzosopranistin Věra Soukupová sind Muttersprachler. Sie garantieren Authentizität. Beide haben einen guten Namen, weit über die Grenzen ihres Heimatlandes hinaus. Sie sind auch in westeuropäischen Städten aufgetreten. Neumann gilt weltweit als Sachwalter für tschechische Musik. Bei ihm ist das Werk in den besten Händen. Es singt der Philharmonische Chor Prag, es spielt die Tschechische Philharmonie. Neumann leitet außerdem die Orchestersuite aus der Oper Das schlaue Füchslein sowie das Vorspiel zum Spätwerk Aus einem Totenhaus, dem sich ebenfalls noch die Suite anschließt, diesmal unter der Leitung von František Jílek. In den Suiten entfällt das Sprachproblem. Ich liebe sie auch deshalb sehr. Die Musik kann sich völlig frei von Verständigungsproblemen entfalten. Das gilt übrigens nicht nur für Janáček.   Rüdiger Winter

Bel Ami trifft auf Hans Sachs

Hermann Prey war Berliner. Beim Label Capriccio (C7202) erinnert er sich musikalisch an seine Heimatstadt – an den Frühling in Berlin, die Berliner Luft, die Linden, die Kleine Bank am Großen Stern, an die Spree, die immer noch durch Berlin fließt. Das war in Schöneberg – und nicht in Hohenschönhausen, wo der Sänger 1929 in der Oberseestraße zur Welt gekommen ist. Der Ortsteil, noch immer als „Platte“ verschrien, weil dort so viele DDR-Neubauten auf einem Haufen stehen, gehörte damals schon zu Groß-Berlin. Plattenbauten gab es noch nicht. Wo Prey aufwuchs, war und ist es noch heute schön grün, der Obersee gleich um die Ecke. Er dürfte diese Bilder immer vor Augen gehabt haben. Sonst würde nicht plötzlich ein Lied in dieser mit Große Berlin-Revue betitelten CD auftauchen, das da thematisch nicht hingehört. Es lächelt der See, komponiert von Friedrich Curschmann (1805 bis 1841) auf die einleitenden Verse zu Schillers Wilhelm Tell: Es lächelt der See, er ladet zum Bade, / Der Knabe schlief ein am grünen Gestade, / Da hört er ein Klingen, / Wie Flöten so süß, / Wie Stimmen der Engel / Im Paradies. / Und wie er erwachet in seliger Lust, / Da spülen die Wasser ihm um die Brust, / Und es ruft aus den Tiefen: / Lieb Knabe, bist mein! / Ich locke den Schläfer, / Ich zieh ihn herein.

Nur noch antiquarisch erhältlich: Hermann Preys "Premierenfieber" bei Kindler

Nur noch antiquarisch erhältlich: Hermann Preys „Premierenfieber“ bei Kindler, später bei dtv

In seiner Autobiographie Premierenfieber (1981 zuerst bei Kindler/ ISBN 978-3463008219 erschienen, dann bei dtv), findet sich die Kindheit genau beschrieben. Obwohl Prey von 1962 bis zu seinem Tod 1998 in Krailling, einem Vorort von München, lebte und auch dort begraben ist, hatte er immer einen Draht nach Berlin. Noch 1997 war er in die nun wieder vereinte Stadt gekommen, um bei einem Benefizkonzert in der Staatsoper für ein Kinderheim in Hohenschönhausen zu singen. Er wirkte hinter der Bühne angeschlagen. Aber als er auf das Podium trat, war er immer noch der Charmeur, der stimmlich nicht zu altern schien. Eine Verwandlung, an die ich mich sehr genau und sehr gern erinnere. Sie sagt viel aus über Künstlertum im Allgemeinen und Prey im Besonderen. Auf dem Programm stand Schuberts Schöne Müllerin. Den Liederzyklus beherrschte er auch im Schlaf.

Jene CD mit den alten Berliner Liedern aber, die 1988 im fernen Köln beim WDR eingespielt wurden, kommt viel zu spät. Solche Programme waren spätestens mit Marlene Dietrich, die sich noch im Alter gern an Berlin erinnerte, durch. Unter Preys musikalischen Zuckerguss entpuppt sich die Ware als altbacken. Er verfällt seiner eigenen Sentimentalität, kann keine ironische Distanz schaffen. Die aber wäre dringend nötig, um solche Lieder in die Gegenwart zu holen. Mit den Titeln auf der nächsten CD dieser Edition kann ich mich in der Interpretation von Prey auch nicht anfreunden, zumal Paul Kuhn mit seinem Ensemble den altmodischen Eindruck noch verstärkt. Das Telefon, das nachts ging, nehme ich Prey nicht ab. Den Bel Ami auch nicht, und warum bitte Müsste man Klavier spielen können? Dann doch lieber die Originale mit der Leander, Willi Forst oder Johannes Heesters.

Die drei verbleibenden CDs sind Hermann Prey pur, auch wenn sie weder Überraschungen noch Neuigkeiten oder Entdeckungen zu bieten haben. Endlich ist er in seinem Element. Die Ausschnitte aus der Capriccio-Gesamtaufnahme von Nesslers Trompeter von Säckingen mit dem Kölner Rundfunkchor und dem WDR-Rundfunkorchester unter Helmuth Froschauer von 1994 kommen zwar – was Preys Werner Kirchhofer anbelangt – mit dem frühen Electrola-Querschnitt aus dem Jahr 1958 nicht mit. Sie offenbaren aber genau das, was ich bei der Müllerin 1997 in Berlin wahrgenommen habe – die Fähigkeit des Sängers, seinen Bariton jungendlich und geschmeidig zu halten.

1-Lp Hermann Prey und Kurt Wöss

Deutsches Repertoire – von Hermann Prey und Kurt Wöss in Bratislava auf Platte gebannt und beim dortigen Label Opus zuerst erschienen

 

Noch heute sehe die die Langspielplatte German Romantic Opera vor mir, die 1983 in Bratislava produziert wurde. Der österreichische Dirigent Kurt Wöss war dazu ins Nachbarland gereist und hatte Prey mitgenommen. Es wirkten der Chor und die Philharmonie von Bratislava mit. Das Programm war deutsch, urdeutsch: Conradin Kreutzer, Albert Lortzig, Richard Wagner. Mit dem Fliedermonolog aus den Meistersingern von Nürnberg versuchte Prey wenigstens mit dieser einen Szene im Studio Sachs gegen den üblichen Beckmesser zu tauschen, was bei dieser Szene sogar ganz gut gelingt. Betörend schön in ihrer großen Ruhe und liedhaften Innigkeit finde ich nach wie vor die drei Szenen des Wolfram aus dem Tannhäuser.

Schließlich darf auch der Liedinterpret nicht fehlen. Prey hat dieses Genre sein Leben lang mit großem Erfolg bedient und sogar eine eigene umfängliche Edition herausgebracht, die vom Minnegesang bis zur Moderne reichte. Sie hätte eine Neuauflage eins zu eins verdient. Capriccio hat Lieder von Ludwig van Beethoven, darunter die Ferne Geliebte, Johannes Brahms und Carl Loewe entschieden. Von Loewe brachte Prey im Laufe seiner Karriere gleich mehrere Platten bzw. CDs heraus. Er hat neben Dietrich Fischer-Dieskau einen wichtigen Beitrag geleistet, um einen neues Zugang zu diesem Komponisten zu finden. Erlkönig, Der Fischer, Der Totentanz und Der Zauberlehrling einer Capriccio-CD entlehnt, die ausschließlich Lieder und Balladen nach Texten von Goethe enthielt. Goethe war einer der bevorzugten Dichter von Loewe.        Rüdiger Winter

Immer schön lächeln

Nicolai Gedda – My favourite operetta heroes: Das wären der Sándor Barinkay im Zigeunerbaron von Johann Strauß sowie René, der Graf von Luxemburg, Prinz Sou-Cong im Land des Lächelns, Nicolo Paganini und der Zarewitsch von Franz Lehár? Was Warner Classics auf dem Titel einer neuen Box (825646127030) mit diesen fünf Operetten dem Sänger in den Mund legt, wird durch keine Quellenangabe belegt. Es steht einfach nur so da. Hat er es nun gesagt? Mein Gefühl und meine eigenen Recherchen sprechen dagegen. Gedda, der am 11. Juli Neunzig wird, dürfte milde lächelnd darüber hinweg sehen. Seine Sache sind solche marktschreierischen Verabsolutierungen nicht. Er wird auch seinen Frieden damit gemacht haben, dass er noch im hohen Alter von einem Label vermarktet wird, was es zu seiner Zeit so nicht gab. Er hat alle seine Operetten bei der EMI aufgenommen. Im Kleingedruckten auf der Rückseite der Box wird das auch mit dem schlichten Hinweis auf das ehemalige Electrola-Label erwähnt. In diesem Zusammenhang ist nun plötzlich ganz allgemein von den schönsten Operettenpartien Geddas die Rede. Darüber darf gestritten werden. Gedda hat im Laufe seiner langen Karriere Operetten am Meter aufgenommen. Die lustige Witwe gleich dreimal. Auf der Bühne ist er in diesem Fach eher selten in Erscheinung getreten. Aus der Metropolitan Opera hat sich ein englisch gesungener Zigeunerbaron von 1959 mit Lisa Della Casa als Saffi erhalten, der etwas gestelzt klingt.

Es begann damit, dass es sich der allmächtige EMI-Produzent Walter Legge Anfang der 1950er Jahre in den Kopf gesetzt hatte, mustergültige Aufnahmen von Operetten vorzulegen. Mit dem noch nicht dreißigjährigen Gedda hatte Legge dafür einen idealen Partner für Elisabeth Schwarzkopf, die er 1953 geheiratet hatte, gefunden. Sie war genau zehn Jahre älter und nach eigenem Bekunden sofort genau so hingerissen von Geddas Stimme wie Legge. Jugend traf auf Erfahrung und Ruhm. Das passte. Denn die Schwarzkopf hatte zu dieser Zeit schon einen Namen, während Gedda seine ersten Erfahrungen auf der Opernbühne vornehmlich in Stockholm gesammelt hatte, wo er eine lokale Erscheinung gewesen ist. Mir fällt eine Anekdote ein. Legge soll Gedda zufällig im Radio gehört haben. Er griff zum Telefon, um seine Frau zu bitten, ebenfalls das Apparat einzuschalten. Die verbat sich die Störung mit dem Hinweis daraus, dass sie gerade eine wunderbare Stimme im Radio höre – Gedda! Ein Resümee dieser fruchtbaren Zusammenarbeit zog der Sänger 1988 in einem Interview mit der Zeitschrift Opernwelt: Alle meine Aufnahmen bei der EMI halte ich für wertvoll. Weil sie meist von Walter Legge produziert worden sind. Er wird in die Schallplattengeschichte als einer der größten Produzenten eingehen. Wenn ich zum Beispiel an die Operetten denke, die ich mit ihm aufgenommen habe, sie waren schon eine Klasse für sich. Selbst jetzt kann man sie noch anhören und Freude an ihnen finden.

Legge hat Gedda entdeckt und gefördert, wofür dieser im Gegensatz zu anderen immer dankbar gewesen ist. Das nimmt mich auch für Gedda ein. 1953 wurden in der Londoner Kingsway Hall unter Otto Ackermann zunächst Das Land des Lächelns und Die lustige Witwe eingespielt, im Jahr darauf mit dem selben Dirigenten Wiener Blut, Der Zigeunerbaron und Eine Nacht in Venedig. Das rasante Finale dieser frühen Operetten-Serie bildete Die Fledermaus mit Herbert von Karajan am Pult. Die Fassungen folgen meistens nicht dem Original. Aufgenommen wurde in Mono. Das schreckt heutzutage Hörer oft ab. Mich nicht, denn ich habe nicht die Wahl. In diesen Aufnahmen triumphiert die Kunst über die Technik. In Wien hatte Clemens Krauss schon 1950 mit Fledermaus und Zigeunerbaron einen Operetten-Neuanfang nach dem Krieg für die Decca versucht, der allerdings wesentlich konservativer ausgefallen ist als das, was Legge mit Ackermann, Karajan und seinen Solisten glückte. Die verlassen ausgefahrene Gleise. Sie geben der Operette jene Sinnlichkeit zurück, die der Gattung eigen ist. Erstarrungen lösen sich. Es knistert wieder. Und das alles im Studio.

1-CD Paganini Gedda

Eine Perücke macht noch keinen Paganini: Die CD-Hüllen in der Box sind den originalen Plattencovern nachempfunden

Die fünf Electrola-Produktionen (i. e. also die späteren, nach der EMI London-Phase, in Köln und München aufgenommen), die sich nun in der Warner-Box finden, kommen da nicht mit. Sie sind letztlich Massenware für ein sehr breites Publikum, das immer schon gern Operette gehört hat. Nach meinem Eindruck fallen sie in alte Muster zurück. Ungewollt sagen die originalen Cover, denen die Hüllen für die einzelnen CDs im Innern der Box nachempfunden sind, darüber sehr viel aus. Zarewitsch als Tscherkesse verkleidet, Paganini mit wüster Zottelperücke… Kostüme machen noch keine perfekte Aufnahme. Alle Wirkung einer Studioproduktion sollten von der Musik ausgehen, nicht von Bildern und fragwürdigen Kostümen. Alle Titel sind weit verbreitet, nach dem Ende der Schallplatte gleich auf CD übernommen worden. Ihr Vorzug ist der bessere Klang, das breite Stereo, das der Zeit, in der sie eingespielt wurden, nämlich zwischen 1967 und 1977, akustischen Ausdruck verlieh. Dialoge gleichen Hörspielen. Mindestens zwei Lautsprecher schaffen im Wohnzimmer Theateratmosphäre. Es macht Spaß, die Lautstärkeregler mal so richtig aufzudrehen. Die Stimmung ist aber derber, direkter geworden. Duft, Raffinesse und Sinnlichkeit sind verflogen.

Nun werden die Werke wieder mehr beim Wort genommen. Gute Laune macht sich breit. Immer schön lächlen! Ha, ha, ha, ha, lacht auch der Chor. Dabei wird unter Willy Mattes (Zarewitsch, Graf von Luxemburg, Land des Lächelns), Franz Allers (Zigeunerbaron) und Willi Boskovsky (Paganini) sehr gut musiziert. Geddas Partnerinnen sind allesamt erste Wahl in ihrer Zeit: Anneliese Rothenberger (Lisa und Fürstin Anna Elisa), Rita Streich (Olga und Arsena), Grace Bumbry (Saffi). Lucia Popp, die jüngste von allen, entzückt als Angèle Didier. Kurt Böhme spart als Zsupán nicht am Schweinespeck. Es gibt rasante Ensembles, dann aber wieder scheinen Szenen und Arien in Einzelteile zu zerfallen. Und Gedda selbst, dem diese Box zum Geburtstag geschenkt wird? Stimmlich ist er perfekter als am Anfang, im Ausdruck hat er aber die Unschuld verloren. Noch immer ist dieses Timbre unverwechselbar, unverwechselbar schön. Aber er singt alles gleich, als seien die unzähligen Partien, die er seither in mehreren Sprachen gesungen hat, zu einer einzigen verschmolzen. Rüdiger Winter

Die fleissige Witwe

Es ist eine erfreuliche Tatsache, dass es endlich eine ernst zu nehmende Biographie der Witwe Mozarts gibt. Die Musikwissenschaftlerin Gesa Finke hat mit dem vorliegenden Band die leicht veränderte Druckfassung ihrer 2012 von der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg angenommenen Dissertation vorgelegt und diese nun im Böhlau Verlag herausgebracht. Diesem Umstand ist es geschuldet, dass die eigentliche Biographie in einen wissenschaftlichen Kontext eingebunden ist, der den rein biographisch interessierten Leser fast erschreckt und die Lektüre des hervorragend recherchierten Buches nicht erleichtert So wird z. B. auf den ersten ca. 80 Seiten über die musikkulturelle Erinnerung um 1800 referiert, mit reichlich interessanten historischen Aspekten, aber es erfordert Geduld, sich bis zum Punkt vorzuarbeiten, an dem Constanze Mozart als Persönlichkeit vorgestellt und behandelt wird. Sicherlich erfährt man viel Wissenswertes über die Zeit und die Lebensumstände des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts, aber der wissenschaftliche Apparat will auch durchgearbeitet werden.

Wichtig ist das Buch, weil es gründlich mit den Vorurteilen der größtenteils verkitschten und süßlichen Mozart-Literatur des 19. und frühen 20. Jahrhunderts aufräumt. Die leichtfertige, oberflächliche Person, die da zumeist vorgestellt wurde, hat so nicht existiert. Wenig bekannt ist die Tatsache, dass Constanze nach dem frühen und unerwarteten Tod ihres Mannes nicht nur sich selbst, sondern auch zwei eheliche Söhne im Kindesalter durchzubringen hatte. Über Mozarts problematisches Finanzgebaren wurde viel Zutreffendes geschrieben, seine Witwe stand tatsächlich materiell mit dem Rücken zur Wand. Es spricht für ihr Verantwortungsgefühl gegenüber dem reichen Werk ihres Mannes, dass sie nicht versuchte, aus den zahlreich vorhandenen Autographen schnellen Profit zu schlagen, sondern von Anbeginn an für eine seriöse Herausgabe einer Gesamtausgabe der Werke Mozarts warb und stritt. Hilfreich war für sie dabei, dass ihr in dem Mozart-Forscher Georg Nikolaus Nissen, einem dänischen Diplomaten, ein kluger Berater zur Seite stand. Dass dieser später ihr zweiter Ehemann wurde, mit dem sie eine wohl glückliche Ehe führte, verbesserte natürlich Constanzes Lebensumstände erheblich. Mehrere Jahre lebte das Ehepaar in Kopenhagen, bevor es sich nach ausgedehnten Reisen in Salzburg niederließ.

Wenig bekannt ist, dass Constanze Mozart in Wien einen eigenen musikalischen Salon führte, in dessen Rahmen bedeutende Musiker auftraten, unter ihnen Beethoven. Die Vertragsverhandlungen mit den Verlegern Breitkopf & Härtel und Johann Anton Andre werden ausführlich behandelt und geben ein hoch interessantes Bild der Vermarktung von Musik in dieser Zeit. Überhaupt besticht die Autorin durch eine Fülle von Milieubeschreibungen, die jene Zeit und ihr Musikverständnis anschaulich abbilden. Ein ausführliches Kapitel widmet Finke der Entstehung der ersten Biographie Mozarts aus Nissens Feder, an deren Entstehung Constanze aber naturgemäß intensiv beteiligt war. Das Buch beschreibt auch noch die Umstände der Errichtung eines Mozart-Denkmals in Salzburg und der Gründung des Mozarteums. Besonders interessant ist die Auflistung aller Konzertaufführungen von oder für Constanze Mozart. In den ersten Jahren nach Mozarts Tod hatte seine Witwe ausgedehnte Konzertreisen unternommen. Als begabte Sopranistin trug sie in zahlreichen Konzerten mit wechselnden Partnern Werke ihres Mannes vor, was ihr Geld für den Lebensunterhalt einbrachte und für die posthume Rezeptionsgeschichte des Mozartschen Oeuvres wichtig war.   Peter Sommeregger

Gesa Finke: Die Komponistenwitwe Constanze Mozart. Musik bewahren und Erinnerung gestalten, Böhlau Verlag, 308 Seiten, ISBN-13: 978-3412210823

Aus den Archiven: „Die Zauberin“

Mit zwei seiner preiswerten Boxen feiert The Intense Media den Komponisten Peter Tschaikowsky zu seinem 175. Geburtstag. Zusammen genommen sind das zwanzig CDs. Gemessen an dem, was aus diesem Anlass sonst noch auf den Markt gelangte, ist das sehr viel für ein einziges Label. Nun handelt es sich hier nicht um Neuproduktionen. Es wird ausschließlich nur in Archive gegriffen. Immerhin.  Schließlich muss man ja wissen, was es so alles zu heben gibt. Die Auswahl kann sich sehen – und hören lassen. The Most Popular Ballets & Opera ist eine Box betitelt (600223). Da kann nichts schief gehen. Bei Tschaikowsky ist vieles beliebt und populär. Nur die Die Zauberin nicht. Sie macht die Auswahl eher ungewöhnlich. Der Oper kann eine Neuauflage nicht schaden, denn sie wird selten gespielt und ist noch seltener aufgenommen. In jüngster Zeit wurden in Erfurt, Baden-Baden und Wien Belebungsversuche unternommen. Es bleibt fraglich, ob ihnen Wirkung beschieden sein wird. Denn das symbolträchtige Stück mit einem Schuss Schneewittchen hat es in sich und endet auf sehr unwahrscheinliche Weise. Die als Pilgerin verkleidete Fürstin Eupraxia trifft im Wald ganz zufällig auf Kuma, die Wirtshausbesitzerin, der Zauberkräfte nachgesagt werden und die sie für Nebenbuhlerin ihres Gatten, des Fürsten Kurtjatew, hält. Sie verabreicht ihr tödliches Gift. In Wahrheit aber ist Kuma die Geliebte ihres Sohnes Juri, wird aber gleichzeitig vom fürstlichen Vater begehrt. Der nun ersticht deshalb in rasender Eifersucht den eigenen Sohn und verfällt dem Wahnsinn.

Es gibt von dieser Oper nicht viele Aufnahmen. In der Box findet sich die erste, 1954 entstandene Einspielung mit Chor und Orchester des Moskauer Rundfunks unter Samuel Samosud. Für mich ist sie sehr stimmungsvoll und unverwechselbar in ihrem typisch russischen Idiom.  Die Geschichte kommt wie ein Märchen mit wunderbarer lyrischer Musik herüber. Für die damalige Zeit ist die Besetzung mit Natalia Sokolowa (Kuma), Veronika Borissenko (Fürstin), Georgi Nelepp (Juri) und Mikhail Kisselew (Fürst) höchst luxuriös. Alle vier vermitteln einen noch im 19. Jahrhundert verhafteten Gesangstil, der sich erst nach dem Fall des Eisernen Vorhangs verlor. Obwohl nur ein Jahr später eingespielt, bringt die noch nicht ganz dreißigjährige Galina Wischnewskaja einen moderneren Zug in die Aufnahme von Eugen Onegin. Sie ist die Tatjana und für mich nach wie vor das Idealbild dieser Rolle. Mit Sergei Lemeschew als Lenski kommt ein Tenor ins Spiel, der mit Nelepp und Iwan Koslowski das legendäre, fast gleichaltrige russische Tenor-Dreigestirn bildete. Koslowski, 1900 geboren, war der Älteste, gefolgt von Lemeschew (1902) und Nelepp (1904). Die Titelrolle wird von Eugeni Bjelow gesungen, der Fürst von Iwan Petrow. Die Aufnahme ist unlängst auch beim originalen Label Melodija neu aufgelegt und bei dieser Gelegenheit von meinem Kollegen Rolf Fath bei operalounge.de besprochen worden.

Untrennbar mit dem Namen Tschaikowski verbunden sind seine drei großen Ballette. Schwanensee und Nussknacker werden vom L’Orchestre de la Suisse Romande unter Ernest Ansermet (1958/1959) sowie Dornröschen vom Minneapolis Symphony Orchestra unter Antal Dorati (1955) gespielt.

CD - Tschaikowsky Edition MembranDie andere Box (600211) enthält die sechs Sinfonien, beiden Klavierkonzerte, das Violinkonzert und diverse Orchesterstücke. Mehr passt nicht hinein. An Aufnahmen aus allen Zeiten mangelt es nicht. Tschaikowsky, der alle Genres bediente, ist hervorragend dokumentiert. Es ist eine gute Idee, mit der Zusammenstellung einen Querschnitt durch die Aufnahmegeschichte der Orchesterwerke anzubieten. Die älteste Aufnahme, nämlich die sinfonische Ballade Der Woyvode – Tschaikowski verarbeitete das Thema auch in seiner gleichnamigen ersten Oper – entstand 1941 mit dem NBC Symphony Orchestra unter Arturo Toscanini. Die jüngste ist die 1. Sinfonie von 2001 mit dem sehr poetischen Titel „Winterträume“, ein Opus voller Überraschungen, dirigiert von Herbert Blomstedt. Es spielt das Sinfonieorchester des Südwestfunks Baden-Baden. Plötzlich wird klar, aus welcher Tradition Schostakowitsch kommt. Zwischen der Ballade und der Sinfonie liegen sechzig Jahre Annäherung an das Schaffen dieses Komponisten, um den kein Dirigent herumgekommen ist. Drei Namen sind schon gefallen. Georg Solti ist als nächster zu nennen. Er leitet die 2. Sinfonie. Wasilij Boyanov, im Westen wenig bekannt, hat mit der Dritten ein Heimspiel (1958). Wilhelm Furtwängler (1951) dirigiert die Vierte, Herbert von Karajan (1952/1953) die Fünfte. Die Pathétique, das so genannte Requiem, ist bei Evgeny Mravinsky (1956) in bester Obhut. Im Beginn ist die Nähe zum Vorspiel des dritten Tristan-Aufzuges unüberhörbar. Unter Mravinskys Händen klingen die Streicher unheimlich tief und dunkel. Er wühlt auf, ohne zu übertreiben.

CD Eugen Onegin (Querschnitt Memnbran)Bekanntes und Unbekanntes, Nähe und Ferne, Vertrautheit und Fremdheit – bei Tschaikowsky liegen die Pole mal nah, mal weit auseinander. Diese Intense-Media-Edition offenbart viele Facetten seines universellen Werkes. In diesem Kontext wird sogar der alles überstrahlende Beginn des b-Moll-Klavierkonzertes, den jedes Kind kennt, erträglicher. Schon deshalb finde ich diese Neuerscheinung höchst erbaulich und erfrischend. Und Van Cliburn schlägt ja auch ganz neue Töne an, die einem noch heute, mehr als fünfzig Jahre nach seinem kometenhaften Aufstieg, ins Ohr fahren. Der 23jährige Pianist aus Texas hatte 1958, mitten im Kalten Krieg, den Internationalen Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau gewonnen und war von da an weltberühmt. Genau in diesem Jahr entstand die Einspielung mit den RCA Symphony Orchestra unter Kiril Kondraschin. Sie hat Kultstatus. Wo das Klavierkonzert ist, sind auch das Capriccio Italien (Antal Dorati mit den Minneapolis Symphony Orchestra/1954) und der Slawische Marsch (Royal Philharmonic Orchestra, dirigiert von Yehudi Menuhin/1994) nicht weit. In den Marsch hat Tschaikowsky ebenso wie in die Ouvertüre 1812 zum Kanonendonner die Zarenhymne eingebaut. Der Marsch ging später immer irgendwie durch bei den sowjetischen Machthabern, die vaterländische Konzertouvertüre in ihrer ursprünglichen Form nicht. Hier wurde die Hymne kurzerhand durch eine Melodie aus Glinkas Iwan Susanin (Ein Leben für den Zaren) ersetzt und dergestalt auch oft eingespielt. Schlecht klingt das nicht. Dorati lässt in seiner Produktion aber das Original spielen (ebenfalls Minneapolis/1954). Für die lärmende Francesca da Rimini ist Leopold Stokowski am Pult der New Yorker Philharmoniker (1947) genau richtig.

Tschaikowsky und Josif Kotek: Das Bild stammt aus dem jahr 1877 und zeigt tschaikowsky mit seinem vertrauten, dem Geiger Josif Kotek (1855 bis1885). Der war ein russischer Violinist und enger Vertrauter Tschaikowskis. Wiki: "Kotek studierte unter Jan Hřímalý am Moskauer Konservatorium Violine, sowie Musiktheorie und Komposition bei Tschaikowski und graduierte 1876. Auf Empfehlung von Nikolai Rubinstein wurde er von Nadeschda Filaretowna von Meck engagiert und spielte privat für sie auf ihrem Gut in Clarens. Dort half er Tschaikowski bei der Ausarbeitung seines Violinkonzertes, insbesondere bei der Ausgestaltung der Solopartien. Außer der gemeinsamen Arbeit verband die beiden auch eine romantische Liebesbeziehung." Nach dem Ende der Beziehung zog Kotek 1882 nach Berlin, studierte dort bei Joseph Joachim und Friedrich Kiel an der Königlich Akademischen Hochschule für ausübende Tonkunst. Anschließend lehrte auch dort. 1884 erkrankte er an Tuberkulose und kehrte nach Davos zurück, wo er am 4. Januar 1885 verstarb/ Foto Wiki

Tschaikowsky und Iosif Kotek/Wiki

Eines der persönlichsten Werke Tschaikowskys ist seine Manfred-Sinfonie nach Lord Byron. Angeregt hatte dazu hatte ihn der komponierende Dirigent Mili Balakirew. Zunächst lehnt er ab, auch aus Respekt vor dem verehrten Robert Schumann, der sich demselben Stoff in einem dramatischen Poem mit Musik zugewandt hatte. Der Stimmungswandel setzte ein, als Tschaikowsky im Oktober 1984 nach Davos gerufen wurde, wo der erst dreißigjährige Geiger Iosif Kotek mit Tuberkulose im Sterben lag. Beide hatten sich auf dem Gut der Frau von Meck kennengelernt und unterhielten zeitweise eine leidenschaftliche Beziehung. Jedem der vier Sätze schickt der Komponist eine kurze Inhaltangabe voraus, die in der schlicht und knapp gehaltenen Edition allerdings keine Erwähnung findet. Gleich zu Beginn heißt es: „Manfred irrt in den Alpen umher. Sein Leben ist zerschlagen, viele brennende Fragen bleiben unbeantwortet, nichts ist ihm geblieben außer den Erinnerungen. Paul Kletzki dirigiert das Philharmonia Orchestra (1954). Dass Kletzki mit den biographischen Hintergründen des Stückes vertraut war, ist eher unwahrscheinlich. Vieles liegt ja heute noch im Dunkeln – und in Russland unter Verschluss. Er war aber selbst ein Verfolgter, der vor den Nationalsozialisten fliehen musste. Schon deshalb vermag er die Not, die Sehnsucht und die Verzweiflung, die in der Musik stecken, zum Klingen zu bringen.

Immer noch im Programm hat das Label die hinlänglich bekannte Szenenfolge durch die Oper Eugen Onegin in deutscher Sprache von 1954 (Membran 231853). George London singt die Titelrolle, Valeri Bak die Tatjana, Anton Dermota den Lenski und Gottlob Frick den Gremin. Am Pult steht Richard Kraus, der in der Box mit den Orchesterwerken das 2. Klavierkonzert mit Shura Cherkassky und den Berliner Philharmonikern leitet (1955). Rüdiger Winter

„Palestrina“ im Schnelldurchlauf

Bei Hans Pfitzner kommt vieles sehr spät. Auch die Klavier-Paraphrasen zu seinen musikdramatischen Werken. Für den Regisseur und Musikschriftsteller Peter P. Pachl scheint darin ein ganz besonderer Reiz zu liegen, denn er hat sich mit Hingabe für eine Produktion dieser Klaviermusik verwendet. Sie ist beim Label Thorofon auf CD erschienen (CTH2620). Der arme Heinrich, Die Rose vom Liebesgarten, Das Christelflein, Palestrina, Das Herz. Nichts fehlt. Die Bearbeitungen stammen nicht von Pfitzner selbst, der – was seinen Palestrina anbelangte – zunächst auch Vorbehalte dagegen hegte. Solche Paraphrasen erfreuten sich zu Liszts Zeiten größter Beliebtheit und verschwanden nach und nach aus den Konzertsälen und Musiksalons. Mit Pfitzner lebte dieses populäre Genre noch einmal auf. Otto Singer (1863–1931), der Sohn des gleichnamigen Komponisten, hatte dafür eine besondere Begabung. Seine Bearbeitungen von Palestrina und Christelflein gehören für mich zu den Höhepunkten der CD, weil sie den Tonfall und die Ausmaße dieser musikdramatischen Werke erfassen, als seien sie von Anfang an für dieses eine Instrument geschaffen worden. Die Paraphrasen unterscheiden sich im Umfang beträchtlich. Mit einer halben Stunde kommt Die Rose vom Liebesgarten am besten weg, weil hier zwei Bearbeitungen von Wilhelm Lehnert und Rudolf Siegel zusammengeführt wurden. Der Palestrina-Schnelldurchlauf dauert siebzehn Minuten, was auch seine Vorteile hat. Wissenschaftlich hat sich Hans Rectanus, der an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg Musik lehrte, mit Pfitzner beschäftigt. Er steuerte für das vorbildlich gestaltete Booklet seine Forschungsergebnisse bei.  Solist der Paraphrasen ist Ulrich Urban, ein weitgereister Pianist, der mit deutschen Rundfunkorchestern mehr als zwanzig Klavierkonzerte eingespielt hat und an der Musikhochschule Leipzig, wo er auch studiert hat, Klavier lehrt. Pfitzner hat auch ihn intensiv beschäftigt. Im Booklet kommt er darüber mit Pachl ins Gespräch.  R.W.

 

Der junge Hans Pfitzner/Manskopf (s. unten)

Der junge Hans Pfitzner/Manskopf (s. unten)

Peter P. Pachl: Vor der Verbreitung des Grammophons und des Rundfunks dienten den Komponisten des 19. und 20. Jahrhunderts Klavierfassungen zur Popularisierung. Dazu gehörten insbesondere auch die Klavierauszüge, die sowohl mit als auch ohne Text zum Zwecke der heimischen Realisierung (ohne Gesang) erschienen. Bereits Richard Wagner sorgte mit Einzelausgaben, die – wie etwa beim Brautchor aus Lohengrin für Sologesang – auch als Bearbeitungen angesehen werden können, für eine Popularisierung, und Hans Pfitzner folgte ihm ein halbes Jahrhundert später mit der frühen Vorveröffentlichung vom „Lied des Engels“ aus dem Christelflein. Selbst als Schallplatte und Rundfunk bereits Opernaufführungen in die Wohnstube tragen konnten, hielt die Produktion von Klavierfassungen zur Popularisierung neuer Kompositionen noch an. So schuf Ignaz Strasfogel kunstvolle Klaviertranskriptionen besonders wirkungsvoller Szenen aus Franz Schrekers Opern, aber auch dessen kompletter Kammersymphonie. Franz Reuss und später Karl Kittel schufen aneinander gereihte Ohrwürmer aus den Opern Siegfried Wagners für Klavier solo, sowohl in pianistisch schwierigen als auch vereinfachten, leichter spielbaren Versionen. In dieses Feld gehören wohl auch die Paraphrasen aus Hans Pfitzners Bühnenwerken? Ulrich Urban: Zweifellos. Pfitzner hat seine fünf Opern stets als besonders wichtige Stationen seines Gesamtwerkes angesehen, und es erscheint sinnvoll, sie auf eine solche Weise vorzustellen – sie sind auf dieser CD vollzählig vertreten. Damit bedeutet die Bezeichnung „Paraphrase“ auch so viel wie eine Kurzfassung. Aus den Daten der Drucklegung kann man sehen, dass die Bearbeitungen beinahe unmittelbar bzw. nur wenige Jahre nach der Vollendung der jeweiligen Oper entstanden sind. Die Verfasser dürften mit der Originalgestalt der Werke bestens vertraut gewesen sein, denn es wurden in echt Pfitznerschem Tonfall die durchaus wichtigsten und prägenden musikalischen Themen sinnvoll zusammengestellt.

 

Peter P. Pachl/PPP

Peter P. Pachl/PPP

Peter P. Pachl: Aber sie waren doch auch Werbeträger für Pfitzners musikdramatisches Oeuvre? Ulrich Urban: Soweit wir wissen, ging das stärkere Interesse an der Verbreitung dieser Notenhefte von den Verlagen aus. Diese waren natürlich bestrebt, die Opern einem größeren Kreis von Musikfreunden bekannt zu machen. Aber auch der stets kritische Pfitzner zeigte sich grundsätzlich offen für die Bearbeitungen. Solcherart Werbung kann man bei wohl allen Opernkomponisten zu dieser Zeit beobachten. Otto Singer, der „berühmte Klavierauszügler“ (wie ihn die Neue Zeitschrift für Musik in den Zwanzigerjahren genannt hat), der sich beispielsweise um Richard Strauss sehr verdient gemacht, ist auf dieser Einspielung mit zwei Beträgen vertreten.

Peter P. Pachl: Es fällt auf, dass solche Klavierfassungen ab Mitte der zwanziger Jahre immer seltener wurden. Das hängt offensichtlich mit der mehr und mehr verbesserten Aufnahmetechnik und dem Beginn des Rundfunks zusammen, welcher sich ja von Beginn an in weit ausgeprägterem Maße als Kulturinstitut verstand denn heutzutage. Pfitzner trat im neuen Medium als Interpret seiner eigenen Werke bereits frühzeitig in Erscheinung, denken wir etwa an den Trauermarsch aus der Rose vom Liebesgarten, aufgenommen im Jahre 1927. Was aber macht diese Paraphrasen, die damals – um mit Pfitzners Palestrina zu sprechen – für „überwunden“ galten, für heute wieder interessant? Ulrich Urban: Sie wurden Anfang des vorigen Jahrhunderts zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten gedruckt. Und wir haben sie jetzt, obwohl sie nur mit großen Anstrengungen aufzufinden waren, wohl zum ersten Mal zusammengefasst vorliegen: wir können diese komprimierte Form aller Opern vorstellen und damit neugierig machen auf einen Theaterbesuch. Die Bühnenwerke, zu deren Realisierung zumeist ein beträchtlicher Aufwand erforderlich ist, werden doch mit einiger Regelmäßigkeit, wenn auch nicht allzu oft, in den Musikzentren gespielt.

Peter P. Pachl: Bleiben wir bei deren musikalischen Substanz. Bei der Begegnung mit den Kurzversionen – oder Ausschnitten – für Klavier erscheint es mir durchaus möglich, den jeweiligen musikdramatischen Verlauf nachzuempfinden: So ist beim Armen Heinrich deutlich das Leiden, der Weg nach Italien und die Errettung herauszuhören und in der Rose vom Liebengarten der in dieses Bühnenwerk eingewebte Naturton. Das Christelflein besticht in der hier für Klavier übertragenen Version, die insofern der Urfassung des Märchen-Melodrams folgt, als die für Pfitzners Bearbeitung zur Spieloper neu komponierten Teile von Otto Singer unberücksichtigt geblieben sind. In diesem direkt auf Weihnachten bezogenen Bühnenwerk treffen die Bereiche von Elementargeist (Elflein), populärer Sagenfigur (Knecht Ruprecht) und belebter Natur (Tannengreis) auf die erwartungsfrohe Stimmung der Menschen und schließlich auf das Christkindchen selbst. Palestrina, Hans Pfitzners meistgespielte Oper, arbeitet die schicksalhafte Spannung um Tradition und Fortschritt musikalisch sehr plastisch nach, während die „Liebesmelodie“ aus Das Herz musikalisch überlagert ist von der das Drama durchziehenden Frage der Gewalt über Leben und Tod. Soweit können die Paraphrasen durchaus nachvollziehbar die Grundstimmungen von Pfitzners Bühnenwerken vermitteln, dennoch ziehe ich eine vollständige szenische Realisierung der Partituren vor.  Ulrich Urban: Hier denke ich noch immer an den Besuch einer Aufführung des Herz in der Regie von Peter P. Pachl. Es ist wohl schon zwei Jahrzehnte her, aber es gibt zum Glück eine CD-Einspielung dieser Produktion unter dem Dirigat von Rolf Reuter. Wie selten jedoch besteht die Möglichkeit, diese Oper komplett im Theater zu erleben?

 

Der Pianist Ulrich Urban. Foto: Booklet

Der Pianist Ulrich Urban. Foto: Booklet

Peter P. Pachl: Und ich erinnere mich gerne an die erste Begegnung mit zwei Pfitznerschen Klavier-Paraphrasen, als Ulrich Urban diese in einem Konzert in Schondorf am Ammersee erstmals öffentlich zum Vortrag gebracht hat. Ulrich Urban: Das war damals in einem Gespräch mit Hans Rectanus angeregt worden. Wir bedauerten, außer den beiden Zyklen op. 47 und 51 keine Klaviermusik von Hans Pfitzner zu haben. Aber Rectanus wusste guten Rat: Er besaß einige Drucke der völlig vergessenen Paraphrasen, die er auf sehr abenteuerliche Weise besorgt hatte, und so starteten wir bei einer Pfitzner-Tagung in Schondorf den Versuch, diese Stücke auch aufzuführen. Dabei stellte sich heraus, dass sie von ihrer reinen Substanz her für Kenner der Bühnenwerke Hans Pfitzners einen besonderen Erinnerungswert besitzen, aber auch musikalisch so zu überzeugen vermögen, als handele es sich dabei um originäre und durchaus bedeutende Klaviermusik.

Peter P. Pachl: Haben Sie die Inhomogenität des musikalischen Materials anfangs nicht als befremdlich empfunden? Ulrich Urban: Ein solcher Eindruck hat sich bald nach der ersten Sichtung des Materials verflüchtigt. Dagegen wurden beim Zusammenfassen der zahlreichen Einzelstücke doch sehr abgerundete Gebilde sicht- bzw. hörbar. Dies war bereits durch die enge Anlehnung an die Originale bedingt. Obendrein habe ich mir gelegentlich erlaubt, weitere charakteristische Stimmen aus der Partitur hinzuzufügen, auf welche die Bearbeiter aus Gründen der Spielbarkeit verzichtet hatten. Zutaten der Bearbeiter beschränken sich im Allgemeinen auf einzelne Übergänge, die jedoch zumeist aus originalen kompositorischen Elementen Pfitzners hergeleitet sind. Die so gebildete Reihung einzelner Stücke basiert ja auf dem Operngeschehen, gilt durchaus als Prinzip der musikalischen Form und ist hier stärker vertreten, als die gewohnten klassisch-musterhaften Abläufe. Ein innerer Zusammenhalt stellt sich durch Pfitzners Genialität ein: denn die als höchst unterschiedlich wahrgenommenen Themen weisen in der Tiefe ihrer Struktur Gemeinsamkeiten auf. Wenn diese sich auch beim erstmaligem Hören kaum mitteilen, führen sie aber zu innerer Geschlossenheit.

Peter P. Pachl: Wie erfolgt denn die Vermittlung der Gesangslinien, und auf welche Weise kann der Pianist der Wiedergabe des spätromantischen Orchesterklanges nahekommen? Ulrich Urban: Die Gesangsstimmen sind in diesen Kompositionen in den Klaviersatz eingearbeitet, sollten jedoch als führende Partien hervorgehoben und dominant gespielt werden. Es gibt aber auch Situationen, in welchen der orchestrale Ausdruck an Bedeutung gewinnt und sinfonische Ausmaße erreicht. Viele der Orchesterfarben der Partitur kann das Klavier schon recht gut wiedergeben, etwa einen Satz hoher Flöten, das glanzvolle Orchester-Tutti, dunkle Blechbläserakkorde, auch einzelne Soli von Trompete, Horn, Violine und Harfe. Letztere hat besonders typische Anteile an Pfitzners Klanggeschehen und ist außerdem von der Tonerzeugung her dem Klavier am ehesten verwandt. Als schönes Beispiel hierzu kann der von einer Harfe bestimmte Mittelteil der „Liebesmelodie“ aus dem Herz dienen.

Peter P. Pachl: Abgesehen von der Ähnlichkeit zur Harfe ist das Klavier in seiner speziellen Eigenart durchaus weniger Melodieinstrument als alle anderen, bei der Realisierung der Opernpartituren hörbaren Orchesterstimmen und ihrer Verläufe. Ulrich Urban: Bemühungen um die gesangliche Linearität auf dem Klavier sind geradezu legendär und bereits seit Bach aktuell. Aber auf modernen Instrumenten haben sich die Möglichkeiten bedeutend verbessert. Zudem bietet das Klavier hinsichtlich schneller Figuration eindeutige Vorzüge.

Peter P. Pachl: Was war nun als Interpret Ihre vorrangige Absicht: das Verständnis für Pfitzner generell oder durch den Hinweis auf den Melodiereichtum in seinen Opernpartituren den Bekanntheitsgrad seiner Bühnenwerke zu erhöhen?´Ulrich Urban: Beides! Und die Zuversicht, dass diese Paraphrasen, auf dem Klavier gespielt, sehr wohl mit ihrem Eigenwert bestehen können.

Hans Rectanus: Verklungene Musik – die versunkene Welt der Potpourris, Paraphrasen und anderen „Melodiensträußchen“ aus Pfitzners Opern Bearbeitungen haben in der Musik eine lange Tradition, die bis zu den Anfängen unserer Musikgeschichte zurückreicht: Die Komponisten aller Epochen haben eigene und fremde Werke bearbeitet, sie für neue Funktionen arrangiert und ihnen damit neue Verwendungsmöglichkeiten und neue Märkte mit neuen Käufer- und Hörerschichten erschlossen. Bach hat eigene und fremde Werke bearbeitet und Themen von anderen (Vivaldi u.a.) verwendet, Mozarts Zauberflöte gibt es in kaum zählbaren Besetzungen, über Beethoven und Brahms reicht die Reihe bis in unser Jahrhundert. Auch Pfitzner hatte keine Scheu, entweder selbst eigene oder fremde Werke (Marschner, Loewe, E.T.A. Hoffmann) zu bearbeiten oder es zuzulassen, dass andere dies für ihn taten: Die Liste der ‚Fremdbearbeiter‘ ist erstaunlich lang. Er selbst hat über 20 seiner Klavierlieder instrumentiert, das Duo op. 43 (1937) ist gleich in zwei Versionen erschienen (mit Orchester- oder Klavierbegleitung), und Gretel, Hauptperson seines gleichnamigen ‚Liederhits‘ (op. 11/5; 1901) wollte er „Horden von Männern“ überlassen (als Männerchor erklingen lassen).

1-Pfitzner nachdenklichWas jedoch die hier erstmals eingespielten Klavierbearbeitungen – mit Ausnahme der zuletzt erklingenden „Liebesmelodie“ aus Pfitzners letzter Oper Das Herz – von einer üblichen Bearbeitung unterscheidet, ist die Tatsache, dass die Originalkomposition fundamental in ihrer kompositorischen Struktur verändert und vor allem komprimiert wird, so dass diese ‚Musik über Musik‘ je nach der musikalisch-kompositorischen Qualifikation des Bearbeiters entweder zu einer ‚Quasi-Neukomposition‘ mit eigenständigem Charakter oder schlimmstenfalls zu einem zusammengestückelten Machwerk werden kann. In ersterem Fall kann es sein, dass der kreative ‚Zweitkomponist‘ von dem Primärkomponisten geradezu als Konkurrent angesehen wird, wie es Pfitzner im Zusammenhang mit der Kontroverse über die Christelflein-Paraphrase gegenüber Otto Singer, einem der fähigsten und anerkanntesten Bearbeiter, wohl empfand. Dieser wolle seine Musik verbessern und sich von der Buchstabentreue gegenüber dem (Original)-Werk emanzipieren, weil er seine Paraphrase als selbstständiges Kunstwerk ansehen möchte.

Damit ist die Bandbreite dieser Bearbeitungen und gleichzeitig ihre Problematik angesprochen: Auf der einen Seite stehen einfache ‚potpourrihafte‘ Aneinanderreihungen der Themen mit kurzen modulierenden Überleitungen, die oft nur aus wenigen Akkorden bestehen oder ganz fehlen, auf der anderen Seite eigenständige Bearbeitungen mit neuer Formgebung, orientiert an den klanglichen Möglichkeiten des Klaviers, mit oft tiefgreifenden Eingriffen in die Struktur des Originalwerks. Der Adressatenkreis ist das Klavier spielende bürgerliche Haus, wo auf diese Weise erste Kontakte zu dem paraphrasierten Werk geknüpft werden konnten, sei es als klangliche ‚Voraus-Information‘ im Hinblick auf den bevorstehenden Opern- oder Konzertbesuch oder als ‚Nach-Hören‘ der gerade erlebten Aufführung. Primär letzteres hat Otto Singer im Sinn, wenn er Pfitzner wissen lässt: „Der Zweck derartiger Paraphrasen ist, Dilettanten in möglichst angenehmer, mundgerechter Form Erinnerungen an die Melodien des paraphrasierten Werkes zugeben. Ein ernster Musiker wird ja immer vorziehen, sich den Klavierauszug anzuschaffen.“ Meist sorgten die Verleger dafür, dass diese Bearbeitungen möglichst zeitgleich mit der Uraufführung des jeweiligen Werks oder besser noch vor dieser auf dem Notenmarkt greifbar waren.

Der Arme Heinrich, Angereihte Stücke für Klavier, Verlag Max Brockhaus, Leipzig 1911 Pfitzners Opernerstling, immer ein rechtes Sorgenkind, nimmt innerhalb seines Opernschaffens eine Sonderstellung ein. Um zwei Jahre nach Vollendung des Werkes (1893) überhaupt Aussicht auf eine Aufführung zu haben, nahm der junge Komponist als ‚überzähliger‘, unbezahlter Hilfskapellmeister eine Stelle am Mainzer Stadttheater an, und als schließlich die Premiere 1895 anberaumt war, musste diese dann wegen der Absage des Sängers der Titelpartie verschoben werden. Es war auch weiterhin schwierig, das Stück an den Bühnen anzubringen, meist gab es nur wenige Folgeaufführungen, so dass die besondere Fürsorge verständlich wird, die der Komponist auch noch lange nach der Uraufführung gerade diesem Werk angedeihen ließ. Kein anderes Werk wurde so oft und so grundlegend umgearbeitet wie dieses: Das Textbuch erlebte fünf, der Klavierauszug gar acht Auflagen. Die vierte erschien 1911 und brachte weitgehende, umfassende und tiefgreifende Änderungen: Aus der bisher zweiaktigen Fassung wurde eine dreiaktige, Tempo- und Ausdrucksbezeichnungen veränderten sich und über 50 Metronomzahlen präzisierten die Tempoangaben; von den insgesamt 159 Seiten des Klavierauszugs weisen über 130 Veränderungen auf. Hermann Büchel fertigte dann 1911 einen „Klavierauszug zu zwei Händen mit überlegtem Text“ an, der sich eng an den Klavierauszug Pfitzners anlehnte. Immer noch im gleichen Jahr erschienen auch die „Angereihten Stücke für Klavier“, allerdings ohne Verfasserangabe. Die Autorschaft Büchels dürfte allerdings eindeutig geklärt sein: Pfitzner bestätigt in einem Brief, dass Büchel sein Honorar für die „angereihten Stücke“ erhalten habe und lobte dessen Arbeit („gut gelungen“), an anderer Stelle bezeichnete er Büchel als „den rechten Mann“ für eine solche Bearbeitung. Um 1922 erschien, wiederum ohne Verfasserangabe, eine von 303 auf 186 Takte gekürzte Fassung der nun „Potpourri“ genannten Büchel-Bearbeitung in der Reihe Sang und Klang im 19. und 20. Jahrhundert, einer populären Sammlung von bekannten Einzelnummern aus Oper, Operette, Lied, Salonmusik usw., in der sich noch weitere Pfitzner-Kompositionen finden: neben fünf Liedern Ausschnitte aus dem Christelflein und der Rose vom Liebesgarten.

1-Pfitzner ohne BrilleDie Rose vom Liebesgarten, Potpourri I für Klavier zu zwei Händen von Wilhelm Lenert; Potpourri II für Klavier zu zwei Händen von Rudolf Siegel, beide Verlag Max Brockhaus, Leipzig 1906 (Originalausgabe Musikverlag Julius Feuchtinger, Stuttgart 1903) Dass von Pfitzners zweiter Oper zwei Jahre nach der Uraufführung Ende 1901 in Elberfeld und zwei Jahre vor der ‚eigentlichen‘ Premiere 1905 an der Wiener Hofoper unter Gustav Mahler gleich zwei „Potpourris“ erschienen sind, zeigt an, wie sehr der Komponist diesem Werk zum Durchbruch verhelfen wollte. Nach dem Übergang aller bei Feuchtinger erschienenen Pfitznerwerke im Jahre 1906 an Brockhaus wurde auf dem neuen Titelblatt des neuen Verlegers die Bezeichnung „Potpourri“ durch „Angereihte Stücke“ ersetzt. Die Bearbeiter waren Wilhelm Lenert, der Pfitzner aus seiner Zeit als Lehrer am Sternschen Konservatorium bekannt war und der dort ab 1898 studierte, und Rudolf Siegel, den Pfitzner ebenfalls in seiner Berliner Zeit kennengelernt hatte. Siegel, ein Schüler von Humperdinck (der die Verbindung zu Pfitzner herstellte), führte 1911 den Armen Heinrich im Münchner Prinzregententheater auf. Der Schwerpunkt des ersten Teils (Potpourri I) ist ganz der Melodienseligkeit der Chor- und Tanzszenen aus dem Vorspiel und ersten Akt und der heiter gelösten Atmosphäre, dem „munteren Getümmel“  – bestimmt von der Grundtonart D-Dur – verpflichtet. Teil II ist kontrastreicher angelegt, da hier auch die finstere Welt des Nachtwunderers und am Schluss der Trauermarsch (Beginn des Nachspiels der Oper) erklingt.

Palestrina, Paraphrase für Klavier von Otto Singer – Das Christelflein, Paraphrase für Klavier von Otto Singer, beide im Verlag Adolph Fürstner, Berlin 1918 Mit den beiden Paraphrasen zu Palestrina und Christelflein begann die Zusammenarbeit mit der damaligen ‚Nummer Eins‘ der Musikbearbeiter: Otto Singer (1863-1931). Die Verbindung stellte der Verleger Fürstner her, der neben Brockhaus nicht nur Pfitzners Hauptverleger, sondern auch der von R. Strauss war, zu dessen Opern und symphonischen Dichtungen Singer neben den Klavierauszügen auch weitere Klavierbearbeitungen erstellt hat. Fürstner gab zunächst die Palestrina-Paraphrase in Auftrag, ohne Rücksprache mit Pfitzner zu nehmen, der deshalb etwas ungehalten reagierte: „Durch die Zeitung erfuhr ich, dass in Ihrem Verlag ein ‚Potpourri‘ aus ‚Palestrina‘ erschienen ist […] der Gedanke, von diesem Werk ein ‚Melodiensträußchen‘ zu versenden, ist mir nicht gerade eingehend“. Nach Erhalt von einigen Freiexemplaren fand er jedoch die Bearbeitung „nicht ungeschickt gemacht“ und war damit einverstanden, dass Singer auch eine solche zum Christelflein zusammenstellen würde. Als er aber diese nach drei Monaten erhält, reagiert er empört, ist „geradezu entsetzt“ und hat eine Fülle von Änderungswünschen, die sich auf die Auswahl der Themen, ihre Veränderung durch Singer und abweichende Tonartenwahl beziehen: „Alles in allem scheint mir das ganze Vorgehen des Bearbeiters auf der Ansicht zu beruhen, dass meine Musik verbessert werden müsste“. Der selbstbewusste Bearbeiter aber ist nicht bereit, allen Änderungswünschen Pfitzners nachzukommen und belehrt den Komponisten in einem ausführlichen Brief über das Wesen einer Paraphrase: Sie sei eine freie Bearbeitung, bei der es im Ermessen des Bearbeiters läge, Zutaten, Ausschmückungen und klangliche Vervollständigungen des Klaviersatzes anzubringen. In seiner Antwort gibt Pfitzner zwar zu erkennen, dass er keine Rechte mehr an dem Werke habe, verlangt aber wenigstens die Wiederherstellung seiner Originalthemen in ihrer melodischen, harmonischen und rhythmischen Faktur; dies und anderes („keine eingeschobenen 5/4-Takte“) scheint Singer dann doch noch geändert zu haben, jedoch bleibt die Weigerung bestehen, eine vollständig umgearbeitete Paraphrase nach Pfitzners Vorschlägen unter seinem Namen herauszugeben, so dass Pfitzner seinen Widerstand gegen den Druck aufgeben muss: „Der Verlag und Druck der Singerschen Paraphrase geschieht auf Ihre und Herrn Singers Verantwortung. Ideell protestiere ich natürlich nach wie vor durchaus“.

Aus heutiger Sicht sind beide Singer-Paraphrasen überzeugend gestaltet, so u.a. die Übergänge zwischen den einzelnen Melodien, die meist aus dem thematischen Material des gerade gehörten bestehen und nicht ‚nur‘ aus einigen (oder gar keinen) Modulationsakkorden, wie dies in der Büchel-Bearbeitung des Armen Heinrich des Öfteren der Fall ist. Singer geht allerdings sehr eigenständig mit dem gegebenen thematischen Material um, was z. B. die Fortführungen mancher Originalthemen betrifft; so greift Singer am Schluss der Palestrina-Paraphrase auf das die Oper eröffnende Quint-Quart-Motiv zurück und schafft so einen thematischen Rahmen, der im Original nicht vorkommt. Zudem sind „Melodiensträußchen“ aus einer heterogenen Nummernoper wie dem Christelflein mit oft weit auseinander liegenden Tonarten und sehr kontrastierenden musikalischen Eigenschaften sicher besonders schwer zu einer überzeugenden Einheit zu binden. Singers Ausführungen und Entgegnungen auf Pfitzners Kritik belegen, dass er sich durchaus der Problematik dieser Art von Bearbeitung bewusst war.

1-Pfitzner als junger MannDas Herz, Liebesmelodie für Klavier, Vorspiel zu Akt II und 29 Takte Akt III (Klavierauszug Ziffer 55 bis 58), Klavierauszug von Felix Wolfes, Verlag Adolph Fürstner, Berlin 1931 Das als „Liebesmelodie“ bekannte Klavierstück besteht aus dem 72-taktigen Vorspiel zum zweiten Akt von Pfitzners letzter Oper Das Herz (1931) und einer nach Dur gewendeten 29-taktigen „Coda“ aus dem Finale der Oper (III. Akt, Klavierauszug Ziffer 55 bis 58). Die insgesamt 111 Takte in der Klavierauszugfassung von Felix Wolfes entsprechen der orchestralen „Liebesmelodie“ aus dem 1932 erschienenen zweiteiligen Orchesterstück Hoffest und Liebesmelodie, in dem letztere Bezeichnung erstmals verwendet wird. Nach dem Zeugnis des Münchner Freundeskreises um 1930, allen voran Helmut Grohe und Paul Winter, die beide am Klavier die Oper erstmals vierhändig aus dem Autograph in Anwesenheit des Komponisten gespielt haben, hat dieser gerade diese Musik insbesondere auf seine 1926 verstorbene Frau Mimi bezogen und ihr gewidmet, ohne dies durch eine ‚offizielle‘ Widmung zu dokumentieren. Die von Pfitzner autorisierte Klavierfassung ist bereits von dem Münchner Pianisten Julius Müller-Landau in den vierziger Jahren gespielt worden und am 9.10.1949 im Salzburger Mozarteum in Anwesenheit des Komponisten erklungen, interpretiert von Gilbert Schuchter, der das Stück als „vom Komponisten autorisierte Klavierfassung“ Ende der sechziger Jahre im Rahmen seiner Pfitzner-Schallplatte eingespielt hat. Ende der dreißiger Jahre hat Pfitzner diese Musik mit dem Philharmonischen Orchester Berlin aufgenommen und 1937 für Hans von Benda und dessen Berliner Kammerorchester „mit nur einem Horn und einer Klarinette“ bearbeitet.

Die virtuosen Opernparaphrasen im Stile von Franz Liszt verschwanden als typische musikalische Erscheinungsformen des 19. Jahrhunderts um die Jahrhundertwende aus dem Konzertsaal; zugleich endete auch, spätestens mit den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts, die Zeit der Opern-Potpourris für Klavier, die fast immer auf Initiative der Verleger im Rahmen der vertraglich vereinbarten ‚Verwertungsrechte‘ in Auftrag gegeben wurden, um ein neues Werk zu propagieren, dies immer unter Berücksichtigung des spieltechnischen Leistungsvermögens der ‚Kenner und Liebhaber‘ und auch unter marktgemäßen Gesichtspunkten, wie die erstaunlich niedrigen Preise gegenüber den zugehörigen Klavierauszügen zeigen. Im Zeitalter der original besetzten Kompositionen, der Urtextausgaben und einer von bestimmten Kreisen geforderten ‚historischen Aufführungspraxis‘ sind Paraphrase und Potpourri suspekt geworden und leben nur noch in der U- und POP-Musik als Medley unangefochten weiter. Die um die 100 Jahre alte ‚Musik aus zweiter Hand‘ der Lenert, Siegel, Büchel und Singer sind zudem längst aus den Verlagsprogrammen und damit vom Notenmarkt verschwunden. Das ‚Nach- und Voraus-Hören‘ der Werke übernahmen ab Mitte der zwanziger Jahre zunehmend die neuen Medien der technisch vermittelten Musik wie Rundfunk und Schallplatte. Nach den um 1930 erscheinenden ‚Heim- und Kurzopern‘, den ‚Opernquerschnitten‘ und dem Siegeszug der Langspielplatte, des Tonbandes und der Musik-Kassette sowie letztendlich der CD und DVD mit den Gesamtaufnahmen von Opern und anderen Musikwerken, war das Kennenlernen und das unbegrenzte Wiederholen von Musik für jeden Musikliebhaber möglich geworden.

1-Pfitzner manskopfVerklungene Musik also? Versungen und vertan? Vielleicht nicht ganz, denn möglicherweise richtet eines Tages die Musikwissenschaft ihre Aufmerksamkeit auf diese bisher von ihr kaum zur Kenntnis genommene Gattung, trotz der hohn- und spottdurchtränkten Verdikte von Schopenhauer, die Pfitzner nachweislich kannte („eine aus Fetzen, die man honetten Leuten vom Rocke abgeschnitten, zusammengeflickte Harlekinsjacke“), Schönberg („erstarrtes Kaffeegeschwätz, ein Nichts, aus vielen Etwas bestehend“) sowie vielen anderen. Vielleicht wird einmal den zahllosen Potpourris und Paraphrasen, angereihten Stücken und Perlen, den Fantasien und Reminiszenzen eine ebenso überzeugende Darstellung zuteil wie der in gleicher Weise von vielen verachteten ‚Salonmusik‘. Die Schlussbemerkung in einem Standardwerk zur Bearbeitung schließt dies zumindest nicht aus: „Und vielleicht ist die Zeit nicht mehr fern, da die Bearbeitungen des 19. Jahrhunderts [und mit ihnen auch die der ersten beiden Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts, HR]) als Originale [Hervorhebung HR] wieder entdeckt werden.“ (Silke Leopold [Hg.], Musikalische Metamorphosen – Formen und Geschichte der Bearbeitung, Kassel u. a. 1992)

Die Texte wurden uns freundlicherweise von Peter P. Pachl und Hans Rectanus zur Verfügung gestellt. Beide sind Präsidiumsmitglieder der Hans Pfitzner Gesellschaft. Die Fotos des Komponisten stammen aus der Porträtsammlung Manskopf der UB der Goethe-Universitat Frankfurt am Main.