Archiv für den Monat: August 2013

Aus der Revolutionszeit

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Freude bei Freunden der französischen Romantik – der innovative Palazetto Bru Zane hat eine eigene Firma gegründet (bislang erschienen seine Aufnahmen wie zuletzt Catels Sémiramis bei Glossa wegen Hervé Niquet) und legt nun die ersten beiden wunderbaren Früchte der Bemühungen vor – wer hätte (außer ein paar Spezialisten) schon von Rodolphe Kreutzer  gehört?
Sein Mort d´Abel von 1810/1825 unter Guy Van Waas ist mit einer kompetenten Crew in Liège 2010 aufgenommen worden und liegt nun als dickes Buch mit 2 CDs vor. Leider kein deutscher Text, was ich den Beteiligten übelnehme, stellt doch Deutschland auf dem Markt neben Frankreich den wichtigsten Raum vor. Dennoch – ein wirkliches Ereignis. Das gilt auch für die erste offizielle französische Aufnahme des Amadis de Gaulle von Johann Christian Bach (1779), aufgenommen unter Didier Talpain in Prag – auch hier wirklich gute francophone Sänger und ein luxuröses Buch dazu mit zahlreichen Aufsätzen zum Thema – was leben wir in guten Zeiten.

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Und bei Glossa ist eine weitere Perle des erregenden französischen Repertoires der Revolutionszeit erschienen: Catels Oper Sémiramis unter der Gallionsfigur Henri Niquét, der jüngst in Nürnberg beim Gluck-Festival Vogels Toison d´Or aufführte (das ebenfalls bei Glossa erschien). Die spannungsvolle Musik der Übergangszeit zur Klassik ist von immensem Drive, von atemlosen Schüben der Emotionen, und die bekannte Geschichte der Königin Semiramis in Liebe zu ihrem eigenen Sohn (wie man sie ja auch von Rossini kennt) erfährt bei Catel eine packende Umsetzung. Gesungen wird mit Maria-Riccarda Wesseling, Gabrielle Philiponet, Mathias Vidal, Andrew Foster-Williams und Nicolas Maire weitgehend ebenso, zumal Niquét am Pult seines Choeur et Orchestre du Concert Spirituel in der Aufnahme aus Montpellier 2011 für flotte Tempi sorgt – außerordentlich habenswert (GCD 921025)/ Abb. Kreutzer von Riedel/ Wikipedia). G. H.

Karel Mirys Oper „Charles Quint“

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Hat je irgendwer von Karel/Charles Miry gehört? Das Online-Label 401dutchoperas hat das Konzert aus Gent vom April 2012 (Lyrica Gent unter Geert Soenen mit sehr kompetenten Solisten) mitgeschnitten und im Online-Download zum niedrigen Preis angeboten (s. unten). Es hat damit einen wirklich absolut unbekannten Komponisten zur Diskussion gestellt, der an Auber erinnert, die Grand Opéra Gounods anklingen lässt und wie ein Seismograph die (französischen) Opern der Zeit anzeigt. Der flämische Anteil Belgiens reklamiert ihn natürlich für sich, aber dennoch ist der in Gent am 14.8.1823 geborene und am 3.10.1889 eben hier gestorbene französisch (i.e. in Paris) ausgebildet worden, wenngleich der überwiegende Teil seiner Kompositionen vor allem im heiteren Sujet seiner eigenen Sprache verpflichtet ist. Die Auflistung bei Wikipedia ist in sofern kompliziert, als sie – ganz opportunistisch – die Titel nur in flämisch wiedergibt,

Karl V. mit seiner flämischen geliebten Johanna van der Ghest und ihrer gemeinsamen Tochter Johanna/Gemälde von Canéel/Museum Gent

Karl V. mit seiner flämischen geliebten Johanna van der Ghest und ihrer gemeinsamen Tochter Johanna/Gemälde von Canéel/Museum Gent

Charles V ist dennoch defintiv eine französischsprachige Oper ganz in der französischen Tradition. Der Sprachen- und Kulturstreit Belgiens wirft auch hier seinen Schatten auf die Dokumentation. Charles V war König von Frankreich (1500-1558), und die Handlung der von Miry vertonten Oper dreht sich um den Aufstand von 1537, als die Bevölkerung von Gent (das heutige Belgien gehörte in großen Teilen zuFrankreich) gegen die Fremdherrschaft durch die Franzosen aufstand und ihm den Tribut für seinen Krieg verweigerte, da ohnehin schon Hungersnöte im Lande herrschten. Charles unterdrückte den Aufstand und ließ die Aufständigen hinrichten. Der Librettist und Onkel Mirys, van Peene, führt eine fiktive Figur, den Tapisseriehändler van Gehst, ein, und der Konflikt zentriert um Charles’ Liebe zu Johanna van Gehst, dessen Tochter, die zudem – historisch belegt als Johanna van Gheynst – 1521 eine uneheliche Tochter mit Charles hatte.

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Es ist bezeichnend für einen nationalbewussten Flamen jener Zeit, ein Sujet zu wählen, das mit der wechselvollen Geschichte Belgiens zu tun hat, mit der Unterdrückung durch die Franzosen, später durch die Spanier – eben ein Land, das auch heute wegen der sprachlichen Zweigeteiltheit nicht zur Ruhe kommt. Insofern war die Aufführung in Gent 2011 auch ein politisches Signal. Aber einem Komponisten jener Zeit, zumal aus dem brabantisch/ flämischen Raum, blieb nur Paris als Ausbildungsstätte.

Nach ersten Unterweisungen in Gent selbst, dann in Brüssel am Königlichen Konservatorium ging der junge Miry mit einem Stipendium der Stadt nach Paris an das Conservatoire und kam um 1840 zurück in seine Heimatstadt. Er revanchierte sich für deren Großzügigkeit mit seiner „Gent Symphonie“ und bekam einen Posten als zweiter Dirigent an der Oper. Sein erstes Bühnenwerk ebendort entstand auf Anraten seines Onkels und späteren Librettisten Hippolyte van Peene (Eeen man te trouwen, 1845) in regionalem Dialekt, durchaus bedeutend in Hinsicht auf die nationale Unruhe im Flandern. Bis zum Charles V folgten weitere Werke in Flämisch, durchaus diese Stimmung unterstützend, so dass später Mirys ungeheuer populäres Lied Der flämische Löwe 1871 die Wahl zur Nationalhymne gewann. In der Folge dieser Popularität schrieb Miry 1856 seine Oper La Belgique ou la Règne de vingt ans wieder auf das Libretto von van Peene zum 25.Jubiläum der Regentschaft König Leopolds. 1864 folgte nun Charles V und war ein absoluter Erfolg. Miry war als nationaler Komponist etabliert. 1871 wurde das Genter Konservatorium zum Königlichen erhoben und Miry zum Direktor bestellt, ebenfalls in diesem Jahr übernimmt er auch die Position des Nationalen Inspektor der Musikinstitute und macht sich unschätzbare Verdienste um die Förderung der musikalischen Erziehung in Belgien.

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Im Ganzen muss ihm eine große Bedeutung für das Musikleben Belgiens in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts zugesprochen werden, seine Vertonungen von flämischen Texten machte ihn zum Leuchtturm flämischer Musikkultur, und seine Nationalhymne lässt ihn bis heute unvergessen sein.
In musikalischer Hinsicht sieht das vielleicht ein wenig differenzierter aus. Natürlich borgte Miry heftig von den französischen und italienischen Vorläufern und Zeitgenossen. Und ich selber finde Charles V in dieser Hinsicht keine wirklich genuine Oper, sondern eben ein Konglomerat und Seismograph der herrschenden Strömungen, zudem auch im Duktus nicht sonderlich individuell. Dennoch – er war der erste belgische Komponist, der flämische Libretti in Musik setze, der folkloristische Elemente in seine Opern integrierte, der versuchte, eine nationale (in diesem Sinne eben flämische) Musiksprache zu finden. Darin war er ein wirklicher Pionier und Vorläufer Peter Benoits, der deutlicher für die Flamen sprach. In Mirys Fall scheint es, als ob dieser weniger nationalistische als vielmehr literarische Inspiration aus den flämischen Texten bezogen hat. Er war kein Anti-Franzose, wandte sich niemals gegen die französische Sprache und Kultur und schrieb ein beträchtliches Quantum seiner Werke in eben dieser Sprache, namentlich die opéras comiques.

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Im Konzert: Vincent Bertrand, Amaryllis Gregoire und Dirigent Geert Soenen/401dutchoperas.nl

Im Konzert: Vincent Bertrand, Amaryllis Gregoire und Dirigent Geert Soenen/401dutchoperas.nl

Miry war ein Multitalent, wie René Seeghers/Jan Neckers in ihrem Aufsatz in der Beilage zum Charles V betonen, ein Komponist einer Fülle von verschiedenen Genres, von der Operette über die Oper bis zu Liedern, Kantaten, Kirchenmusik, Orchester- und Kammermusikstücken, Kinderliedern – was ihm wegen seines Engagements für die Jugend- Musikerziehung besonders am Herzen lag. Und so ist es kein Wunder, dass sich diese Junge Firma 401dutchoperas, unter der Ägide der beiden genannten Musikwissenschaftlern und Autoren der Förderung der belgischen Opern- und Gesangsszene verpflichtet fühlt, eben diese Oper von Karel Miry (eigentlich als Charles Léopold Miry getauft) herausgebracht hat. Es lohnt sich unbedingt, die Website aufzurufen (401dutchoperas.nl), denn neben der erwähnten Oper (die gegen wenig Geld zum downloaden dort steht und auch eine DVD mit Ausschnitten aus dem Genter Konzert bietet) gibt es weitere und vor allem einen ganz fabelhaften Katalog historischer belgischer Sänger, auch diese zu erwerben. Es fehlt hier der Platz, darauf einzugehen, aber für mich war die Begegnung mit diesem Blick auf flämische Musik und Kultur eine enorme Wissenserweiterung – man weiß einfach außerhalb Belgiens zu wenig über diesen kulturellen Aspekt mitten in Europa, wobei ein Blick aus unserem föderativ gut funktionierenden eigenen Land auch Verwunderung ob der Verhärtung im Nachbarland aufkommen lässt, aber wir haben als Deutsche auch nicht dessen Geschichte. Geerd Heinsen

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(Charles V, Grand Opéra in 3 Akten von Charles Léopold Miry auf das Libretto von Hippolyte van Peene, UA Grand Théâtre von Gent 1857, Konzertmitschnitt Gent 2012 mit Amaryllis Gregoire, Denzil Delaere, Vincent
Bertrand, Laurent Kuba und Florence Huchet, Opera-Belcantokoor Liane Soudan, Mannenkoor „De Oudenaardse Zangvereningen“, Symfonisch Jeugorkest Oost-Vlaanderen, Leitung Geert Soenen, download bei 401dutchoperas.com)

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Eine vollständige Auflistung der bisherigen Beiträge findet sich auf dieser Serie hier.

Gott! Welch Dunkel hier!

 

„Gott! Welch Dunkel hier“. Die ersten Worte der Florestan-Arie aus Beethovens Fidelio sind einer großen Dokumentation über den  Neubeginn der Dresdener Semperoper nach dem Ende des Zweiten Krieges vorangestellt – erschienen bei Profil / Hänssler (PH 10007). Treffender kann ein Motto nicht sein. In einer einzigen Nacht war die die als Elbflorenz besungene Stadt, wo Rienzi, Rosenkavalier und Elektra uraufgeführt wurden, in Schutt und Asche gesunken. Unter den Trümmern lagen mindestens 25 000 Tote. Das derart gemeuchelte Dresden hat sich seinem Schicksal nicht klagend ergeben. Es stieg noch Rauch aus den Trümmern als wieder Musik erklang.

Die aus drei CDs und einer DVD bestehende Dokumentation, an der die DEFA-Stiftung, das Deutsche Rundfunkarchiv (DRA) und der MDR beteiligt sind, zeichnet die Stunde null des Dresdener Opernleben genau nach. Mit 240 Seiten hat das elegant gestaltete Textheft Buchformat. Es umfasst Zeitzeugenberichte, Analysen, biografische Details, seltene Fotos, Faksimiles, Bühnenbilder – alles in gestochener Qualität. Auf der DVD ist sogar das Innere der Semperoper vor der Zerstörung im Film zu sehen, es kommen Joseph Keilberth, Christel Goltz und Lisa Otto zu Wort.

Aldenhoff als Florestan

Bernd Aldenhoff als Florestan

So authentisch sind auch die musikalischen Aufnahmen. Es handelt sich ohne Ausnahme um Produktionen bzw. Mitschnitte des Mitteldeutschen Rundfunks aus Dresden und Leipzig, die heute im DRA aufbewahrt werden. Bis auf dem Schlussgesang der Salome mit der Golz aus der berühmten Dresdener Gesamteinspielung dürfte das Gros bislang noch nicht an die Öffentlichkeit gelangt sein. Verdi, der an der Semperoper sehr gepflegt wurde, nimmt breiten Raum ein. Neben Salome ist Christel Goltz die Elisabeth im Don Carlos, Aida, die Leonore in der Macht des Schicksals und Amelia im Maskenball. Gottlob Frick tritt als Procida (Sizilianische Vesper) und als Sarastro auf. Mit seinem hellen Heldentenor ist Bernd Aldenhoff ebenfalls gleich mehrfach präsent – als Othello, Richard/Maskenball und als Radames. Er passt vorzüglich zur Goltz. Kurt Böhme fehlt eben so wenig wie Arno Schellenberg oder Hans Hopf. Eine der großen Hoffnungen der Opernbühne, der Bassbariton Werner Faulhaber, gibt Mozarts Figaro und den Heiratsvermittler Kezal. Keine dreißig Jahre alt, sollte er – kaum, dass die Aufnahmen im Kasten waren – wenig später bei einer Bergwanderung tödlich verunglücken. Tragik umweht auch die Aufnahmen mit der liebenswürdigen, früh verstorbenen Elfriede Trötschel, die als Susanna, Pamina, Mimi und Butterfly ihrem Ruhm gebührend oft zu hören ist. Nicht unerwähnt soll Dora Zschille bleiben, die im Nachkriegsdresden über viele Jahre hinweg das hochdramatische Fach vertrat. Nach ihr ist dort sogar eine Straße benannt. Sie singt die als Gebet bekannt gewordene Arie der Tosca „Nur der Schönheit weiht‘ ich mein Leben“.

Wer immer sich für Oper interessiert, dem sei diese Dokumentation aus dem Hause Günter Hänssler wärmstens empfohlen. Nicht nur wegen der seltenen historischen Aufnahmen in gutem Klang. Nicht nur wegen der schönen Fotos. Die Box, die ohne die Sachkunde und Leidenschaft ihres Herausgebers Steffen Lieberwirth vom MDR und seiner Helfer nicht denkbar ist, weist auf ganz neue Möglichkeiten für den Musikmarkt. Ein Rundfunkarchiv wird geöffnet, seine Schätze gelangen auf ganz legalem Wege dorthin, wo sie hingehören – an die Ohren einer interessierten Öffentlichkeit. Das ist auch Werbung für alle beteiligten Seiten, denn neben den schon eingangs genannten Partnern haben die Semperoper selbst, der NDR Kultur, der Deutschlandfunk, die Sächsische Landesbibliothek sowie die Staats- und Universitätsbibliothek Dresden das Ihre beigesteuert.

Fidelio Dresden

Noch ein Foto aus dem Textheft: Christel Goltz, Gottlob Frick und Elfride Trötschel (von links) in „Fidelio

Die Fortsetzung folgte prompt –  Vol. 2 der Hänssler-Semperoper-Edition (PH10033). Sie ist der Festaufführung von Beethovens „Fidelio“ anlässlich der Eröffnung des Großen Hauses der Staatstheater Dresden am 22. September 1948 gewidmet. Das einstige Schauspielhaus sollte bis zur Einweihung der wiederaufgebauten Semperoper 1985 Spielstätte für Opernaufführungen in der zerstörten Stadt sein. Der Mitschnitt der Aufführung hat sich nicht in Gänze erhalten. Er teilt damit das Schicksal einer späteren Rundfunkproduktion des Werkes in der DDR mit Hanne-Lore Kuhse  in der Titelrolle, von der wenigsten alle Szenen der Leonore noch vorhanden sind. Das ist bei dem frühen Mitschnitt leider nicht so. Die große Arie der Leonore – die Partie wurde von Christel Goltz gesungen – fehlt ebenso wie die Arie der Marzelline (Elfride Trötschel), deren Duett mit Jaquino (Erich Zimmermann), die Arie des Rocco (Gottlob Frick)  und der Gefangenenchor. Ohne Dialoge passt die Musik auf eine CD. Es muss eine packende Aufführung unter Leitung von Keilberth gewesen sein. Alle Mitwirkenden – zu nennen sind noch Aldenhoff als Florestan, Josef Herrmann als Pizarro und Heinrich Planzl als Fernando – sind sich der Bedeutung des großen Augenblicks bewusst. Mit solcher Hingabe dürfte diese Oper selten aufgeführt worden sein. Umso beklagenswerter ist es, dass nicht alles überliefert ist.

Die Entscheidung der Herausgeber, darunter wieder das Deutsche Rundfunkarchiv, der MDR, der NDR und die DEFA für den Torso ist dennoch richtig. Er genügt, um das kulturelle Ereignis in seiner historischen Bedeutung angemessen darzustellen, zumal es – wie vom Label bereits mehrfach praktiziert – eine ergänzende DVD gibt mit Berichten über die Aufführung, Erinnerungen von Zeitgenossen wie der Sängerin Lisa Otto, die seinerzeit in Dresden wirkte. Auch Project director Steffen Lieberwirth kommt zu Wort. Er erzählt die spannende Geschichte der Ouvertüre, die zunächst dem Archivmaterial nicht zugeordnet werden konnte, schließlich aber doch zweifelsfrei identifiziert wurde. Die Handschrift von Lieberwirth ist auch dieser Ausgabe anzumerken.

Rüdiger Winter

 

 

 

 

 

Donizettis „Duca d´Alba“/ II

 

Eine spannende Vorgeschichte hat die neue Aufnahme des Donizettianischen Duca d´Alba, der jüngst an der Vlaamse Opera erstmals im originalen Französisch (ergänzt/neukomponiert von Battistelli) aufgeführt wurde. Eigentlich war der für das Radio- Festival Montpellier 2007 geplant, aber die Edition wurde nicht fertig, und da schwenkte man kurzentschlossen auf die bekanntere italienische Version von Salvi um, wie sie bereits Maria Vitale bei der RAI 1951 gesungen hatte. Enrique Mazzola (Foto/RFM) leitet seine Kräfte im Duca d´Alba mit avec, kraftvoll und zupackend, wenngleich mit Inva Mula eher eine kleine Stimme für die Amelia bereitsteht. Auch Arturo Chácon-Cruz ist nicht wirklich ein Belcanto-Tenor, schiebt aber doch einen guten Job. Francesco Ellero d´Artegna macht aus der Procida-Partie des Sandoval (fast das gleiche Libretto wie Verdis Vêpres Siciliennes) düsteres Dräuen, und Franck Ferrari ist ein edler, sonorer Graf von Alba und verzweifelter Vater. Es ist schön, endlich eine neue Stereo-Aufnahme dieser Oper zu haben, wenngleich „nur“ in der weniger Donizetti-authentischen Version (Accord 480 0845), während man auf die originale französische weiter warten, und gute Kenntnisse in eben dieser Sprache für die beigelegte und sehr lässliche beigelegte DVD zu Werk und Aufführung haben muss.

G. H. 

Heimliches aus der DOB

 

Die Deutsche Oper öffnet weiter ihre Schränke, Hurra! Nach Don CarlosDon Giovanni und Fidelio kommt nun die Heimliche Ehe Cimarosas in der 1967 gesungenen Popelka-Version. Die Aufführung hat sich gut gehalten – das heutige Auge freut sich an Filippo Sanjusts genialer Szenerie, und Gustav Rudolf Sellners Regie ist noch immer schräg-lustig und erfrischend. Und was für eine Besetzung! Josef Greindl macht aus seinen unitaliensichen Tönen gar keinen Hehl und erschüttert als eitler Papa Geronimo das Zwerchfell, Barry MacDaniel (neben Erika Köth) ist sein wunderbar gesungenes und dazu hochattraktives Selbst, Donald Grobe sein Tenor-Partner wie in hunderten anderer Aufführungen. Lisa Otto zischt resch über die Bühne, und Patricia Johnson als männergeile Tante Fidalma erfüllt alle meine Erinnerungen an sie, was für eine Komödiantin (und bis heute für mich unübertroffene Marcellina!). Lorin Maazel dirigiert wie der Teufel diese in die Beine und die Tränen gehende Aufnahme, die nur in der gewissen schwarz-weißen Gräue ihr Alter nicht verleugnet. Aber welcher Spaß (Arthaus 101 625)!

G. H.

Alles ist Original

Der Dirigent Karl Richter scheint auf dem DVD-Musikmarkt eine tüchtige Lobby zu haben. Und das ist gut so – weil verdient. Nachdem bei Deutsche Grammophon die von ihm geleiteten großen Bach-Oratorien, die Brandenburgischen Konzerte und eine lebensbeschreibende Dokumentation zu haben sind, widmet sich das Label Conventus Musicus akribisch der wichtigsten Schaffensperiode des Dirigenten: Karl Richter in München 1951-1981. Einmal stehen sein Bach-Chor und sein Bach-Orchester im Mittelpunkt (CM 2131), der zweite Titel der kleinen Reihe widmet sich auf zwei DVDs in aller Ausführlichkeit den Solisten, Konzerten und Tourneen (CM 2130). In beiden Fällen ist Johannes Martin der Autor, dem das private Richter-Archiv offen stand. Entsprechend üppig ist die Ernte, die eingefahren wird. Überwältigend die Fülle der Live-Mitschnitte, die in breiten Passagen zitiert werden. Dazwischen erscheinen auf dem Bildschirm ganz seltene Fotos und private Filme, die den nach außen ehr verschlossen wirkenden Dirigenten ungemein locker und gelöst vorstellen. Es kommen Musiker und Sänger (darunter Antonia Fahberg, Hertta Töpper oder Ernst Haefliger) zu Wort, mit denen Richter oft und gern gearbeitet hat – und die allesamt etwas zu sagen haben.

Bei dieser Dokumentation kommen die Macher ganz ohne das heute üblich gewordene Beiwerk und ohne jeden Schnickschnack aus. Nichts wird nachgestellt. Alles ist Original. Hin und wieder fühlte ich mich an eine Diashow erinnert, die jedermann am heimischen PC selbst herstellen kann. Das scheint mir in der Absicht des Herausgebers zu liegen, der sich von filmischer Meterware deutlich absetzen will. Professionalität entsteht durch die Exklusivität des Materials und seiner Ordnung und nicht so sehr durch filmische Raffinesse, bei der der Inhalte schnell zur Nebensache wird. Aber die Zuschauer sollten schon wissen, wer die Fahrberg oder Haefliger sind, um diese DVDs genießen und würdigen zu können.

Rüdiger Winter

Flagstad-Hommage

 

Wie altes Gold leuchtet die Stimme der Kirsten Flagstad auf den späten Aufnahmen der Deccadie nun noch einmal und durch die Norwegischen Hymnen (in einer Radioaufnahme von 1960) ergänzt in einer bedeutenden Box (The Kirsten Flagstad Edition – The Decca Recordings) wiederaufgelegt worden sind. Nach der Indiskretion von Elisabeth Schwarzkopf (die ihr die hohen Cs im Furtwängler-Tristan sang und dann darüber plauderte) und einigen Querelen mit der EMI wechselte die tief verletzte Flagstad zur Decca, für die sie Soundzauberer John Culshaw gewann und für seinen Solti-Ring erwärmen konnte. Bedingung der Flagstad für diesen Wechsel war die Veröffentlichung der in Oslo in der Universität 1956 aufgenommenen Götterdämmerung, was Culshaw zähneknirschend in Kauf nahm, plante er doch einen eigenen Ring. Diese legendäre und lange verschwundene Aufnahme der (fast kompletten) Götterdämmerung unter Olvin Fjelstad mit der Flagstad (das herrliche Foto zeigt sie bei der Aufnahme/Flagstad Museum Hama mit Dank) als Brünnhilde, ihrer Schwester Karen Marie Flagstad, der ganz jungen Ingrid Bjoner und Set Svanholm ist zeitgleich nun bei Naxos (8.112066-69) genial überspielt herausgekommen, die Flagstad im Vollbesitz ihre gestalterischen Kräfte.

Aber es ist die Decca-Box (0028947839309), die auf 11 CDs mit ihren Schätzen die pastose,

Aufnahme zur Götterdämmerung in Oslo

Aufnahme zur Götterdämmerung in Oslo

majestätische und herrlich fließende Stimme wie dunkles Gold aufleuchten lässt – die unübertroffenen, tränenrührenden Grieg- und Sibeliuslieder, Mahlers Lieder, die Wesendoncklieder unter Knappertsbusch, die Wagner-Opern-Ausschnitte, die Vier ernsten Gesänge und Flagstads Würde in den Liedern von Schumann, Wolf oder Strauss, die ganz wunderbaren Geistlichen Arien und Lieder (einschließlich Bortniansky!). Bach und Händel, dazu hinzugekauft Norwegische Hymnen – welche Größe, welch uneitles Pathos. Ich bin mit diesen Aufnahmen aufgewachsen – diese und EMIs Dido und vielleicht auch Deccas Alceste zeigen die Flagstad als das, was sie vielleicht am ehesten war – eine Künstlerin des großen Herzens eher als eine Opernsängerin, wenngleich ich ihre Isolde nicht missen möchte. Was für eine Frau, was für eine Stimme!

Geerd Heinsen

Die ersten Töne vom Grünen Hügel

 

Auf zwölf CDs wird die Besetzung der Werke Richard Wagners auf dem Grünen Hügel bis zum Ende des nachhaltigen Wirkens seiner Witwe Cosima so vollständig wie nur möglich rekonstruiert. Im Zentrum stehen die legendären Aufnahmen der Gramophone and Typewriter Company (G&T), die 1904 in einem Bayreuther Hotel mit dem Ziel entstanden sind, Festspielsänger authentisch zu verewigen. Liegen von einem der Sänger oder einer der Sängerin keine Aufnahmen von in Bayreuth dargestellten Rollen im genannten Zeitraum vor, wird auf spätere Einspielungen beziehungsweise andere Titel, die nicht selten auch weit nach 1906 aufgenommen wurden, zurückgegriffen. Im Idealfalle aber – und das ist zum Glück ziemlich häufig der Fall – hören wir das, was Bayreuthbesucher schon um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert vernommen haben.

Johanna Gadski

Johanna Gadski

Das sehr umfangreiche und akribisch angelegte Beiheft – jetzt wesentlich professioneller gedruckt als bei der ersten Auflage – stellt dieses komplizierte Netzwerk einer wissenschaftlichen Arbeit gleich übersichtlich und gut nachvollziehbar dar. Um nur ein Beispiel zu nennen: Leopold Demuth hat den Hans Sachs in Bayreuth gesungen und ist mit dieser Rolle auch dokumentiert, wenngleich der Auftritt 1899 stattfand, die Platte aber erst im Mai 1909 – also drei Jahre nachdem Cosima die Festspielleitung an ihren Sohn Siegfried abgegeben hatte. Ein Blick  genügt, und wir wissen bestens Bescheid und müssen uns fortan nicht mehr durch einen Berg von Bayreuthliteratur, die sich nicht selten als unzuverlässig erweist, arbeiten. Für sich genommen, ist dies schon eine außerordentlich bedeutsame Leistung, die wir dem Herausgeber der Edition Michael Seil zu verdanken haben. Wer ist dieser Mann? Ein Lehrer für Erdkunde aus der Gegend um Heilbronn mit solider musikalischer Grundausbildung, der nebenbei auch noch singt – also „einer vom Fach“, wie er selbst sagt. Das ist ehr untertrieben, denn wir dürfen Seil getrost den Mann vom Fach nennen, wenn es um Wagner aus der Pionierzeit der Schallplatte geht. Die Edition beschäftigte ihn 14 Jahre lang. Das heißt: Er war erst 18, als er damit begann, alte Schellackplatten zusammenzutragen und in ein ordnendes Prinzip zu stellen. Inzwischen füllen diese Platten – wie er es launig ausdrückt – ein „halbes Haus“. Weltweite Kontakte wurden geknüpft, um Lücken zu schließen. Sammler öffneten bereitwillig ihre Archive. Ohne deren Hilfe wäre nicht möglich gewesen, was wir heute in Form dieser Sammlung in Händen halten. Seil weiß diese Unterstützung sehr zu schätzen. Das eigentliche Wunder aber – um im Wort des Anfangs zu bleiben – ist die akustische Qualität der mehr als 300 einzelnen Dokumente von 93 Sängern und vier Dirigenten. Dafür ist Christian Zwarg zuständig, der wie Seil musikalisch ausgebildet ist.

Erik Schmedes

Erik Schmedes

Die Arbeit beginnt damit, dass eine möglichst gut erhaltene Schelllackplatte des jeweiligen Stücks vorliegen oder erst aufgetrieben werden muss, die dann mit der Partitur abgeglichen wird. Ist dieses nicht eben geringe Problem gelöst, braucht es die richtige Abtastnadel – auch eine Wissenschaft für sich. Denn Nadel ist nicht gleich Nadel. Schier unübersehbar ist die Anzahl der Produkte. Die Platte muss schließlich genau zentriert, die richtige Umdrehungszahl – hier gibt es erhebliche Abweichungen – gefunden werden. Das braucht seine Zeit. Berücksichtigt werden wollen die akustischen Bedingungen in den einzelnen Aufnahmestudios. An Hand einer Spektralanalyse werden störende Nebengeräusche herausgefiltert und behutsam entfernt. Mit einer von Zwarg entwickelten Software lassen sich schließlich die bei der Einspielung entstandenen Verzerrungen zurückrechnen. Eine größtmögliche Annäherung an das Original scheint nunmehr gegeben. Besser geht es wohl nicht. Die Altvorderen rücken näher an uns heran. Wir hören sie neu und müssen Eindrücke, die wir aus anderen Sammlungen gewonnen haben, vergessen. Auch wenn das Knistern verschwunden ist, die historische Distanz wird nicht aufgehoben – soll sie bitte schön auch nicht. Sie wird plausibel und zwar in dem Sinne, dass wir uns wesentlich besser vorstellen können, wie damals gesungen wurde. Wichtiger ist allerdings die Frage, warum damals so und nicht anderes gesungen wurde. Auch dafür finden sich in der Edition genügend Beispiele. Richard Wagner zumal hat mit seinen Werken, die sich schon der Genrebezeichnung nach (Handlung, Bühnenfestspiel, Bühnenweihfestspiel etc.) vom Opernschaffen seiner Zeit deutlich abhoben, eine Revolution losgetreten. Was heute oft vergessen wird: Diese Werke sollten und mussten auch anderes dargeboten werden, und sie mussten vor allem deutlich vorgetragen werden, damit sich dem ungeübten Ohr die ganze Tiefe des symbollastigen Inhalts erschloss.

Wort und Ton fanden zu gesteigerter Gleichberechtigung, die es so niemals zuvor gegeben hatte. Deutlichkeit ging über alles. Wir kennen die Zitate.

Ein ganz anderer Gesangsstil musste her. Diese Herausforderung war von Sängern, die nur der Virtuosität verpflichtet und dem Theaterschlendrian des 19. Jahrhunderts verfallen waren, nicht zu leisten. Nur so erklärt sich der Plan für eine Stilbildungsschule, der aber auch deshalb scheitern musste, weil an die Stelle des kühnen Ansatzpunktes alsbald der ignorante Alleinvertretungsanspruch der orthodoxen Bayreuther Ideologen trat. Kurz um: Die Edition vermittelt, wie sich Sängerinnen und Sänger unter den Augen und Ohren der allmächtigen Wagner-Witwe und ihres Adlatus’ Julius Kniese in neuen Ausdrucksform versuchten. Das macht großen Eindruck, wenngleich etliche Versuche übertrieben scheinen und sich zu Recht den schon damals verbreiteten spöttischen Vorwurf der Konsonantenspuckerei verdienen. Wie dem auch sei: Die Sänger der Cosima-Ära haben Grenzen durchstoßen und den Weg zu neuen Ufern des Musiktheaters gewiesen. Die Edition von Zwarg und Seil, die nunmehr beim Label

Ernestine Schumann-Heink

Ernestine Schumann-Heink

Panclassics (PC 10288) neu herausgekommen ist, bleibt uns dafür keinen Beweis schuldig.Und das sind die Sänger: Georg Anthes, Josephine von Artner, Hermann Bachmann, Anna Bahr-Mildenburg, Alfred von Bary, Paul Bender, Rudolf Berger, Theodor Bertram, Willi Birrenkoven, Sophie Bischoff-David, Robert Blass, Emil Borgmann, Marianne Brandt, Ellen Brandt-Forster, Carl Braun, Hans Breuer, Otto Briesemeister, Alois Burgstaller, Peter Cornelius, Lorenz Corvinus, Max Davison, Leopold Demuth, Emmy Destinn, Marie Dietrich, Andreas Dippel, Ernest van Dyck, Emilie Feuge-Gleiss, Katharina Fleischer-Edel, Gertrude Foerstel, Moritz Frauscher, Olive Fremstad, Fritz Friedrichs, Johanna Gadski, Emil Gerhäuser, Carl Gillmeister, Pelagie Greef-Andriessen, Wilhelm Grüning, Ellen Gulbranson, Alois Hadwiger, Frieda Hempel, Agnes Herrmann, Emilie Herzog, Allan C. Hinckley, Luise Höfer, Adolf von Hübbenet, Giuseppe Kaschmann, Hans Keller, Beatrix Kernic, Hermine Kittel, Paul Knüpfer, Marie Knüpfer-Egli, Ernst Kraus, Felix von Kraus, Adrienne von Kraus-Osborne, Frieda Langendorff, Martha Leffler-Burckhard, Lilli Lehmann, Carl Lejdström, Max Lohfing, Dezsö Matray, Richard Mayr, Willy Merkel, Ottilie Metzger, Lillian Nordica, Alois Pennarini, Franz-Josef Petter, Olga Pewny, Thila Plaichinger, Leon Rains, Luise Reuss-Belce, Anton van Rooy, Cäcilie Rüsche-Endorf, Alma Saccur, Ida Salden, Karl Scheidemantel, Robert vom Scheidt, Erik Schmedes, Hermann Schramm, Hans Schütz, Ernestine Schumann-Heink, Katharina Senger-Bettaque, Anton Sistermans, Walter Soomer, Mihaly Takats, Milka Ternina, Josef Tyssen, Fanchette Verhunk, Ernst Wachter, Edyth Walker, Clarence Whitehill, Hermann Winkelmann, Erik Wirl, Konrad von Zawilowski.
Rüdiger Winter

Keiner wie er

 

Für dieses Buch musste der Berliner Musikschriftsteller Einhard Luther nicht in die Archive steigen, Zeitzeugen befragen und alle möglichen anderen Quellen anzapfen. Er schöpft aus seiner ganz persönlichen Erinnerung, seinen  Aufzeichnungen, seinem fotographischen Gedächtnis – kurz, aus dem unversiegbaren Funds seiner langjährigen Freundschaft mit dem Heldentenor Max Lorenz. Der steht im Mittelpunkt des Buches „Keiner wie er“. Der Verdacht, allzu große Nähe zur historischen Person, deren Leben und Wirken eine Biographie zum Gegenstand hat, birgt die Gefahr von Verblendung mit sich, kommt bei Luther gar nicht erst auf. Er wollte ein sehr persönliches Buch über Lorenz schreiben, das nicht nur den Künstler sondern auch den Menschen gebührend heraus stellt. Das ist vorzüglich gelungen. Zunächst lässt der Autor immer die gesicherten Fakten sprechen, die er dann mit viel Fleisch versieht und auch anekdotisch ausschmücken versteht. Zustande gekommen ist ein Buch, das aus dem Vollen schöpft, vor prallem Leben und Sinnlichkeit nur so strotzt.

Luther arbeitet sehr deutlich heraus, dass Lorenz seinen künstlerischen Weg mit einer Entschlossenheit und Unnachgiebigkeit ging wie sie nur den wirklich großen Talenten gegeben ist, weil die Entschlossenheit Teil des Talents ist.

Lorenz hat in dunkler Zeit Aufrichtigkeit und Zivilcourage gezeigt, fest zu seiner jüdischen Frau gehalten und sich wegen seiner Homosexualität nicht erpressen lassen.

Dass er im Dritten Reich dennoch die unangefochtene Nummer Eins in seinem Fach war, ist – und daran besteht nicht der geringste Zweifel – einzig seiner Leistung als Sänger geschuldet. Wagner-Aufführungen wären ohne ihn völlig unmöglich gewesen, so sehr verkörperte er stimmlich wie darstellerisch die tragischen Helden des Bayreuther Meisters. Keiner wie er!

In dem Buch wird das sehr ausführlich und genau geschildert, mit teilweise sehr seltenen Fotos auch üppig illustriert. Mir ist Max Lorenz, dessen Schallplatten einst den Grundstock für die eigenen Sammlung legten, durch die Lektüre noch näher gekommen, und ich habe alle seine Aufnahmen, die allerdings nur einen Abglanz seiner tatsächlichen Wirkung darstellen dürften, wieder gehört. Luther hat mir für manches Detail, manche Rolle, die auf Tonträgern erhalten ist, neue Einsichten beschert. Das geschieht bei ihm nicht akademisch und mit dem besserwisserisch erhobenen Zeigefinger.

Dieser Autor hat eine Lust am Erzählen, kommt wie jeder gute Erzähler vom Hundertsten ins Tausendste.

Einem durchaus ersten Unterfangen wie es die Biographie über einen Heldentenor darstellt, werden auch sehr vergnügliche Seiten abgewonnen. Das machte für mich das Buch so gut lesbar – und am Ende war ich traurig, als ich es durch hatte. Es hätte noch viel länger und umfangreicher sein können. Dennoch hatte ich nicht das Gefühl, dass nicht alles gesagt ist. Einhard Luther entlässt seine Leser in die Neugierde, sich mit neu gefundenen Einsichten dem Sänger wieder stärker zuzuwenden, die Platten und CDs hervorzuholen und das für sich selbst nachzuspüren, was man eben gelesen hat. Andere, die Lorenz weniger gut kennen, werden hoffentlich ermutigt, sich mit einem der letzten Heldentenöre, wenn nicht dem letzten, zu befassen. Der Autor setzt spezielles Insiderwissen nicht zwangsläufig voraus.

Die CD von Preiser

Die passende CD von Preiser

Keiner wie er!  Wie die Überschriften der einzelnen Kapitel, ist auch der Titel des Buches dem Werk Richard Wagners entlehnt. Die jeweiligen Zitate sind durch Faksimiles aus den Klavierauszügen belegt. „Keiner wie er so hold zu werben weiß!“ Mit diesen Worten reagiert der Chor auf der Festwiese der „Meistersinger“ beglückt auf Stolzings Preislied. Genau darauf bezieht sich der Buchtitel. „Keiner wie er“ kommt im Werk Wagners aber noch an einer anderen Stelle vor, nämlich im Schlussgesang der Brünnhilde, als sie Siegfrieds Treulosigkeit beklagt: „Die treueste Liebe trog keiner wie er!“ Zufall? Gewiss. Doch bei Einhard Luther, der die Operndichtungen Wagners bekanntlich nur so aus dem Ärmel schüttelt, kann man sich da nie ganz sicher sein. Das Buch erschien bei Pro Business GmbH, 191 Seiten, ISBN 978-3-86805-409-5. Passend dazu hat das Label Preiser eine CD mit gleichem Titel herausgebracht, auf der Lorenz in seltenen Live-Aufnahmen zu hören ist.

Rüdiger Winter

„Le Vaisseau fantôme“ von Dietsch II

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Über die Hintergründe zur Oper von Pierre-Louis Dietschs Oper Le Vaisseau fantôme führten ist hier an derer Stelle bereits berichtet worden – die Herren Dratwicki und Roesler taten dies im Programmheft zur konzertanten deutschen Erstaufführung im Juni im Konzerthaus, und ihre Texte finden sich bei der Vergessenen Oper. Bereits im Vorfeld gab es zwei Aufführungen des Werkes in Versailles und Wien durch Marc Minkowski, der ebendort den Dietsch und die Urfassung des Fliegenden Holländers von 1841 auch für naive einspielte, konzertant mitgeschnitten.

Louis Dietsch – Stich von Vahjer/Gallica

Und nach dem packenden Abend in Berlin muss ich sagen, dass es ein Jammer ist, dass eben dieser Abend nicht für eine CD gewählt wurde – die Solisten in Berlin waren einfach alle besser und zufriedenstellender. Da beginnt mit Enrique Mazzolas  stürmischer,. werkgerechterer Leitung und vor allem mit dem wirklich fabelhaften Orchester der Deutschen Oper, eben ein hochrangiges Opernorchester und kein Mehrzweckkörper wie Minkowskis Musiciens du Louvre Grenoble, und auch der dortige Chor aus Lettland war dem schlagkräftigen, sonoren Chor der Deutschen Oper Berlin weit unterlegen. Mazzola holte einfach alles aus der Musik heraus, die dann plötzlich nicht epigonal und billig klang. Man hörte gewiss viel Donizetti (Lucie de lammermoor und andere Werke hatten gerade in Paris Karriere gemacht), man hörte auch Barockes von Lully, aber man hörte eben auch Verdi, man hörte Rigoletto, Traviata und ganz sicher vieles aus dem Umkreis, dazu Boieldieus Dame blanche merhfach – ein bunter Reigen von Bekanntem in einem Strauss des Eigenen. Namentlich auch die zahlreichen Chöre ließen auf Dietschs Kirchentätigkeit rückschließen.

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Zu Dietsch/“Vaisseau“/Laura Aiken/Machreich Artists Management

Die stimmliche Besetzung ließ keine Wünsche offen – so stringent hab ich außer beim Attila darauf selten eine Oper gehört. Vor allem die zentrale Partie der Minna (später Senta) war im Gegensatz zu Minkowski exakt mit einem durchsetzungsfreudigen und hellem Sopran besetz. Die originale Laure Cinti-Damore war ein solche heller Sopran gewesen und sang die Marguérite in den Huguenots, kein mulschiger, dunkler und sehr unidiomatischer wie der von Sally Mathews in Wien und Versailles und leider auf der CD. Laura Aikin machte als Minna (später Senta) ihre Sache toll, ich hätte nicht gedacht, dass sie soviel power aufbieten kann, um die wirklich höllische Soloszene und das Duett im 3. Akt zu meistern. Ich klatschte mir die Hände wund. Der junge Josef Wagner war als Troil (Holländer) ein absoluter Gewinn, wunderbares Material, gutes Technik und eine sonore, herrliche Stimme – das wird was. Yosep Kang überraschte mit hellen, fast heldischen Töne als Erik mit guter Stimmführung, Magnus, Scriften (eingeschobene Charaktere, die nicht bei Wagner vorkommen) waren mit Jean-Francois Borras und Seth Carico bestens vertreten.

Zu Dietsch/“Vaisseau“/Yosep Kang/DOB

Und über Papa Barlow (Daland) freute ich mich besonders, denn ich liebe den eleganten Nicholas Cavallier sehr und erinnere mich an viele Abende mit ihm in Frankreich – ein wirklich guter und zudem idiomatischer Sänger. Aber die anderen (einschlißlich des Chores) brauchten sich sprachlich nicht verstecken – die Diktion war wirklich impeccable. So also erlebte man einen fast rauschhaften Opernabend im Konzert, eine Fülle an musikalischen und musikhistorischen Informationen – das hört man nicht oft. Zum Wagner-Jahr hatte sich die Deutsche Oper (neben dem nicht ganz so urigen Ur-Holländer 1841) wirklich was gegönnt, bravo! Geerd Heinsen

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Foto oben: „Vaisseau fantôme“, par Charles Temple Dix (vers 1860)/ Wikipedia; eine vollständige Auflistung der bisherigen Beiträge findet sich auf dieser Serie hier.

Geerd Heinsen

 

Operalounge.de-Gründer Geerd Heinsen (Jahrgang 1945) kommt aus einem musikalischen und musikausübenden Elternhaus, lernte Klavier spielen und sang während seiner Studentenzeit in zahlreichen Chören. Er ist promovierter Literaturwissenschaftler (Amerikanistik, Musik- und Theaterwissenschaft in Berlin, Wien, London und New York). Nach verschiedenen Tätigkeiten als Fashion-Model, Begleiter, Künstleragent, Sprachlehrer, Reiseführer, Schallplattenverkäufer, Übersetzer, Journalist für in- und ausländische Musikzeitschriften u. a. war er ab 1983 zwanzig Jahre lang Chefredakteur der in Berlin verlegten Publikation orpheus (nicht zu verwechseln mit der neuen Veröffentlichung gleichen Namens) und blieb auch nach seinem Ausscheiden dieser Musikzeitschrift als freier Redakteur und als Miteigentümer bis zu deren Ende 2012 verbunden, wenngleich er in dieser Zeit auch für andere Publikationen und als Juror arbeitete. Seine besondere musikalische Leidenschaft gilt (neben dem Musiktheater der Romantik) der Oper um die französische Revolutionszeit herum und der französischen Oper allgemein, natürlich aber auch Rossini, dem Belcanto und so gut wie allem Unbekannten. Daher ist die von ihm erdachte Rubrik Die vergessene Oper sein besonderer Tummelplatz.

Foronis „Cristina“

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2007 fand im schwedischen Vadstena, stets für Überraschungen gut, die Opernsensation für Belcantofreunde statt – Jacopo Foronis Schwedenepos Cristina Regina di Svezia. Hat irgendwer schon einmal den Namen des Komponisten gehört? Es gibt unter den Dokumenten eine Sinfonie und eine Ouvertüre von ihm, die unter Toscanini aufgeführt wurden und die seinen Namen in Italien lebendig gehalten haben, aber sonst? Die erste moderne Einspielung der Ouvertüre aus Schweden (Sterling) ist unter anderen Aufnahmen fast unkenntlich verpackt und bleibt unspektakulär. Aber ist es nicht ebenso erstaunlich wie beglückend, dass es immer wieder Opernausgrabungen gibt, die ein kleines Wunder zu Tage fördern? Nichts weniger ist diese Cristina von Foroni! Diese kraftvolle Oper geht in ihren Kunstgriffen, ihrer unglaublich dichten Orchestrierung und in ihrer Verwendung von zentraleuropäischen stilistischen Merkmalen weit über eine bloße Donizetti-Nachfolge hinaus und bietet Vor-Echos von Liszt, Berlioz und Wagner, während sich Verdi zur selben Zeit mit dem Stiffelio beschäftigte und seine Aida, sein Trovatore oder sein Otello noch im Nirwana schlummerten.

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Liine Carlsson als Königin Cristina/VOF

Liine Carlsson als Königin Cristina/VOF

Die Ausgrabung (und nun auch Studio-Einspielung nach einigen Durchläufen in Schweden) der Cristina ist deshalb so bedeutend, weil sie wieder einmal zwingend vor Augen führt, was 1850 in Europa neben Verdi im Musikalischen möglich war. Hier bot – wie seine Kollegen Apolloni, Ponchielli oder Gomes – wieder ein Komponist eine Alternative zum machtvollen Giganten, der uns quasi als einzig Bedeutender jener italienischen Epoche in Erinnerung zu sein scheint .Foronis Klangsprache (in seiner erst zweiten Oper!) erscheint von unglaublicher Dichte, von großer psychologischer Kraft, von meisterhafter Verwendung motivbetonter Thematik. Bereits die ausladende Ouvertüre präsentiert anschaulich die verschiedenen Motive, die dann als Handlungsmarkierungen später in den einzelnen Akten wieder auftauchen – die der Verschwörer, die der kontemplativen Momente ebenso wie die der wild auffahrenden Eifersucht Cristinas, die der liebevoll dahin fließenden Erinnerungen Gustavs, die des aufgeregten Hofes – jeder Handlungsstrang zeigt seine eigene Thematik.

Daniel Johansson als Gabriele/VOF

Daniel Johansson als Gabriele/VOF

Dazu kommen wirklich eindrucksvolle Orchesterfarben und -besetzungen – das Flirren der Flöten im Vorspiel zur Szene der Verschwörer, die dumpf-klagende Oboe und das Englischhorn beim Gewissenskonflikt der Königin, die schnell erregten pizzicati in der Liebesszene Gabriels und Marias. Die Partien selber sind sehr anspruchsvoll, namentlich die der Königin, die in den Anforderungen einer Norma oder Anna Bolena in nichts nachstehen, die aber auch ein kompaktes Orchester wie der Gioconda durchstehen muss. Interessant ist auch, dass Cristinas Nachfolger Gustavo ein Bariton ist. Der Tenor bleibt dem jungen, ungetreuen Gabriele als Liebhaber vorbehalten und erinnnert an Robert Devereux. Ganz sicher war Foroni Donizetti und Rossini verpflichtet – aber man hört eben auch das Kommende, etwa Liszts Heilige Elisabeth oder auch Berlioz, und klanglich ist Mendelssohn zu ahnen. 

Die Aufnahme bei Sterling (mit Aufsatz von Anders Wiklund und Libretto) folgt in der Besetzung im Wesentlichen der Aufführung in Vadstena – eine Veränderung betrifft den nun neu auftretenden Sänger hinter der Bühne ( à la Tell oder Beatrice di Tenda) beim Prodica- ähnlichen Landgang Gustavos. Gesungen wird bis auf eine Ausnahme ganz prächtig und bis auf die neue Sängerin der Nebenfigur Maria, Ann-Kristin Jones (ein Gewinn gegenüber der Vorgängerin), unverändert bewundernswert mit Kosma Ranuer/Oxenstierna, Iwar Bergkwist/Erik, Daniel Johansson/Gabriele (sogar besser hier), Fredrik Zetterström/Gustavo (dto.) und anderen mehr. Einzig die Titelsängerin Liine Carlsson zeigt, wie schnell eine Stimme unter Raubbau gerät, was ein Jammer ist. Das Göteborg Opera Ochestra und der fabelhafte Göteborg Opera Chorus haben vielleicht nicht die ganz so überspringende Begeisterung der jungen Leute von Vadstena, aber klingen unter Tobias Ringborg engagiert und klangschön. Ich habe mich lange nicht mehr so für eine Aufnahme und Oper begeistert – diese ist’s für die einsame Insel mit Elektroanschluss.

Und auch die Opernfestspiele von Wexford 2016 machten die Oper  – also gibt´s noch eine weitere Version. Felici noiGeerd Heinsen

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Jacopo Foroni: Cristina Regina di Svezia mit Liine Carlsson/Christina, Ann-Kristin Jones/Maria, Kosma Ranuer/Oxenstierna, Daniel Johansson/Gabriele, Fredrik Zetterström/Gustavo; Chor und Orchester der Oper Göteborg, Leitung – Tobias Ringborg 2 CD Sterling CDO 1091/92-2

 

Eine vollständige Auflistung der bisherigen Beiträge findet sich auf dieser Serie hier.

Verdienstvoll, aber redundant

 

David Chandler hat zwei interessante Bücher über Alfredo Catalani herausgegeben – Alfredo Catalani: Composer of Lucca und The First Lives of Alfredo Catalani. Hauptsächlich dreht es sich um manchmal lange, aus dem Italienischen übersetzte Artikel von Catalanis Zeitgenossen, geschrieben aus Anlass seines Todes oder eines Gedenkens viele Jahre später. Wo nötig hat Chandler diese Artikel annotiert, weil die Autoren manchmal diskret blieben, denn viele Hauptdarsteller aus dem Leben Catalanis lebten noch dreißig oder vierzig Jahre später. Nach der Lektüre dieser zwei Bücher erhält man ein neues und vollständigeres Bild des Komponisten. Verdi war am Anfang sein größter Feind. Für den Wagnerbewunderer Catalani ist er nur ein zweitrangiger Komponist, der vor allem viel der Politik zu verdanken hatte. Viele italienische Kritiker und Musiker stuften bis in die zwanziger Jahre Catalani höher als Puccini ein. Es ist kein Zufall, dass Toscanini die Namen seiner Kinder (Wally und Walter) in den Opern Catalanis gefunden hat. Man nahm manchmal Giulio Ricordi übel, dass er Catalani fallen ließ und Puccini bervorzugte, aber die Geschichte hat nun mal bewiesen, dass der jüngere Lucchese ein viel größerer Musiker war. Auffällig ist die Tatsache, dass manche jetzt obskure Titel am Anfang viel bekannter waren und mehr gespielt wurden als La Wally. Fünfundzwanzig Jahre nach seinem Tode erzählt ein Bekannter des Komponisten detailliert von den traurigen letzten Monaten seines Lebens. Chandler publiziert schon eine vollständige Diskografie (dank Bongiovanni sind auch weniger bekannte Stücke aufgenommen) im ersten Buch und lässt einen Kenner im zweiten Teil die historische Bedeutung der Arien besprechen. Und doch bleibt der Leser unbefriedigt. Zu viele der originellen Texte überlappen sich, auch wenn die Details unterschiedlich sind. Der erste Teil enthält eigentlich drei Biographien. Der zweite Teil ebenso, aber mit interessanten Neuigkeiten. Nach 332 Seiten fragt sich der Leser, warum Chandler, wenn er schon über alle diese Texte verfügt, sich nicht bemüht hat, eine eigene vollständige Biographie zu schreiben, so dass diese vielen Wiederholungen hätten vermieden werden können (Durrant Publishing ISBN 978-1-905946-09-9 und 978-1-905946-26-6).

Jan Neckers 

„Les Grecs ont disparu…“

 

Die meisten Opernhörer denken beim Stichwort „Griechische Sänger“ an Namen wie Maria Callas,  Agnes Baltsa, Elena Souliotis, Kostas Paskalis oder Zachos Terzakis. Das Hamburger Archiv für Gesangskunst hat bei seiner Serie aber viel tiefer in die Historienkiste einer privaten Athener Sammlung gegriffen. Es werden rare Aufnahmen (überwiegend aus den zwanziger und dreißiger Jahren) von Sängerinnen und Sängern präsentiert, die weitgehend schon längst in Vergessenheit geraten oder im Westen unbekannt sind (daher das Zitat in der Überschrift…). Vor allem seltene Aufnahmen von Tenören finden sich in der Sammlung. Zudem ist diese Kollektion auch in vieler Hinsicht mit Maria Callas verbunden, denn viele dieser Sänger haben wie die Callas selbst in der Kriegs- und Nachkriegszeit in Athen gesungen, häufig auch neben und mit ihr.

 

Unbenannt-Scannen-08So kann man Costa Milona (1889-1949), der es in Deutschland in den zwanziger Jahren zu einiger Popularität brachte, auf zwei CDs (hafg 10374, 10406) erleben. Eine eigentliche Bühnenkarriere hat er nicht gemacht, aber in Berlin lebend, hat er zahlreiche Schallplatten eingespielt und Rundfunkkonzerte (auch in Holland) gegeben. Seine Stimme ist irgendwie in der Nähe von Ferruccio Tagliavini anzusiedeln, ohne jedoch dessen Süße und Eleganz zu erreichen. Man gab ihm den Beinamen „Pocket Caruso“ – ein Vergleich, der aber hinkt, weil Carusos Stimme viel dunkler und schwerer war. Die Aufnahmen auf der ersten CD mit vorwiegend italienischen Arien entstanden zwischen 1922 und 1925. Dabei klingen manche Arien wie „De miei bollenti spiriti“ oder „Recondita armonia“ arg gedehnt. Auch als Canio ist er nicht unbedingt überzeugend. In Les Pêcheurs de Perles oder in Jocelyn hingegen ist er ganz in seinem Element. Arien dieser Art gestaltet er mit wunderbarer Leichtigkeit und lyrischem Zauberton. Bei dem neapolitanischen Lied „Pecche“ kommt auch endlich mal Leidenschaft ins Spiel. Die Aufnahmen der zweiten CD (1924-1930) vermitteln auch einen gemischten Eindruck. Für den Otello fehlt es an Durchschlagskraft, „Celeste Aida“ erklingt sehr schleppend. Und bei „Di tu se fedele“ (Ballo), das ihm stimmlich eigentlich gut liegt, fehlt es etwas an Eleganz. Als Turiddu nimmt er „O lala“ sehr schwärmerisch und überzeugend. Und auch der Werther ist eine Partie, die ihm sehr entgegenkommt.

 

Antonis Delendas/OBA

Antonis Delendas/OBA

Eine weitere CD (hafg 10522) teilt sich Milona mit dem Tenor Antonis Delendas. Die Stimme von Milona wird hier (mit Arien von Gounod, Massenet, Mascagni und anderen) dramatischer geführt und scheint mehr Kern zu haben. Und die italienischen Canzonen singt er mit viel Gefühl. Dafür sind die alle 1934 entstandenen Aufnahmen von Antonis Delendas (1902-1966) mit Arien von Massenet, Mascagni, Leoncavallo und Puccini eher unattraktiv. Und nicht nur, weil sie von störendem Rumpeln „untermalt“ werden: Die Stimme klingt arg verfärbt und bei „Tiritomba“, man muss es so sagen, sogar unangenehm quäkig. Dabei hatte Delendas eine respektable Karriere in Deutschland, die ihn nach Kiel, Hamburg und Berlin führte. Und er war als Cavaradossi an der Seite von Maria Callas bei ihrer ersten Tosca.

 

Unbenannt-Scannen-06Eine weitere CD (hafg 10523) vereinigt ebenfalls zwei Tenöre. Lyssandros Ioannides (1900-1970) hatte eine ansehnliche Karriere in Deutschland und der Schweiz, die ihn an die Opernhäuser von Düsseldorf, Dortmund, Hamburg, Berlin und Zürich führte. Bohème, Tosca, Traviata und Ballo gehörten u.a. zu seinem Repertoire. In einer Aufführung vom  Land des Lächelns sang er sogar unter der Stabführung von Franz Lehár persönlich. Die hier versammelten Aufnahmen aus dem Jahtr 1935 zeigen eine Stimme mit männlichem Kern und feiner Pianotechnik, etwa in „E lucevan le stelle“. Dazu gibt es einen sehr elegant gesungenen Rigoletto-Duca und die mit Charme servierten Schlager „Ramona“ und „Ich küsse Ihre Hand, Madame“.

"Grüß´mir die Frau´n"/Stellakis bei Telefunken/OBA

„Grüß´mir mein Wien“/Stellakis bei Telefunken/OBA

Der zweite Tenor ist Constantin Stellakis (1901-1980), der in Berlin für Telefunken in den Jahren 1932 und 1933 einige Aufnahmen einspielte, darunter (in deutscher Sprache) einige Kurzquerschnitte durch Cavalleria rusticana, Les contes d’ Hoffmann und Die Geisha. Seine Partner waren dabei u.a. Anni Konetzni, Gerhard Hüsch und Hildegard Ranczak. Seine kraftvolle Stimme klingt in diesen Aufnahmen etwas grell und erinnert entfernt an die von Jan Kiepura. Bei den bis 1940 entstandenen Aufnahmen mit Liedern von Tosti und anderen klingt die Stimme sehr angenehm und wird mit weniger Druck geführt.

 

Unbenannt-Scannen-11Uneingeschränkte Freude bereiten die zwischen 1947 und 1955 entstandenen Aufnahmen (hafg 10409) mit Tano Ferentino (1919-1993). Dem in  Wales geborenen und in Athen verstorbenen Tenor war zwar keine internationale Bühnenkarriere beschieden, obwohl Tullio Serafin ihn 1951 an das Teatro Colón holte, wo er in Don Pasquale und im Verdi-Requiem sang. Aber er bekam einen Schallplattenvertrag bei EMI/Columbia, dank dessen seine feine, lyrische Stimme erhalten geblieben ist. Der wurde zwar 1956 nicht verlängert, obwohl Ferentino erst 37 Jahre alt war und im Zenit seines Könnens stand. Auch Covent Garden, Sadler’s Wells und die BBC zeigten kein Interesse an dem Sänger. Dafür sang er bis Anfang der sechziger Jahre an den Welsh National Opera noch Partien wie Pinkerton, Turiddu, Alfredo, Duca, Faust oder Almaviva.

Tano Ferentino/OBA

Tano Ferentino/OBA

Seine auf der CD versammelten Aufnahmen, bei der es auch am selben Tag aufgenommene Alternativversionen der gleichen Arie gibt, zeigen einen lyrischen Sänger mit hellem Timbre, guter Technik und geschmackvollem Gestaltungsvermögen. Nicht ohne Grund schrieb der bei einer Aufnahmesitzung anwesende und beeindruckte Beniamino Gigli „Für meinen Nachfolger“ als Widmung auf ein Foto. „Una furtiva lagrima“ oder „En fermant les yeux“ (Manon) sind jedenfalls exquisit. Auch Les Pêcheurs de Perles  gehört zu den Höhepunkten. Mit dem aparten Lied „Marie“ ist eine Eigenkomposition von Tano Ferentino zu hören.

 

Epitropakis beim einer HMV-Aufnahmesitzung/hafg

Epitropakis bei einer HMV-Aufnahmesitzung/hafg

Gleich CDs (hafg 10507, 10508, 10509) sind dem Tenor Petros Epitropakis (1894-1977) gewidmet. Er war der führende griechische Tenor zwischen den Weltkriegen und sang vorwiegend in Griechenland, wiederholt unter Mitropoulos. Partner waren Elvira de Hidalgo, Riccardo Stracciari, Nicola Moscona oder Elena Nicolaidi. Eine Einladung an die Metropolitan Opera als Cassio und Beppe hat er ausgeschlagen. In seinen späten Karrierejahren (bis 1959) sang er auch Operette – allein als Danilo stand er mehrere hundert Male auf der Bühne. Zu seinen bevorzugten Partien gehörten Almaviva, Duca, Alfredo und Edgardo. Epitropakis soll über 500 Einspielungen gemacht haben. Hier werden (überwiegend in griechischer Sprache gesungene) Aufnahmen aus der Dekade von 1926 bis 1936 präsentiert.

epitrtopaskisAuf der ersten CD finden sich Arien aus Lucia di Lammermoor, Rigoletto, Barbiere und Tosca sowie Canzonen von Bixio, Tosselli, Leoncavallo und anderen. Man hört eine höhensichere Tenorstimme, die er bei „E lucevan le stelle“ mit viel Gefühl und schönen decrescendi einsetzt. Manche Interpretation gerät etwas zu weinerlich, aber einen Schlager wie „Mein Herz ruft immer nur nach dir, Marita“ (von Robert Stolz) serviert er mit verführerischer Süße und viel mezza voce. Und ein so fröhliches, leichtes „Tiritomba“ hat man selten gehört! Auf den beiden anderen CDs sind ausschließlich Ausschnitte aus griechischen Operetten und populäre griechische Lieder zu hören. Die meisten davon sind sehr getragen und im Einzelfall auch reizvoll. Aber in ihrer Gesamtheit bleibt auch der Eindruck von Einförmigkeit hängen. Gleichwohl – eine bedeutender griechischer Sänger, dessen Stimme mit Gewinn zu hören ist.

 

angelopoulouDer Bariton Yiannis Angelopoulos (1881-1943; Kutsch-Riemens nennt 1890 als Geburtsdatum) ist in der Serie griechischer Sänger mit Arien von Verdi, Leoncavallo, Donizetti, Gounod sowie Liedern griechischer Komponisten vertreten (hafg 10488). Er war führender Bariton an der damals Königlichen Oper Athen, gastierte aber auch in Italien (u.a. Florenz, Palermo und Rom) sowie in Bukarest und Odessa. 1910 sang er seinen ersten Rigoletto, der seine berühmteste Partie werden sollte und die er auch an der Seite von Toti dal Monte sang. Während des Krieges weigerte er sich, vor deutschen und italienischen Soldaten zu singen und kehrte nach Griechenland zurück. Den zwischen 1930 und 1933 entstandenen Aufnahmen nach zu urteilen, war er eher ein lyrischer Kavaliersbariton, dem es für eine echte Verdi-Stimme an Kern und dunkler Farbe etwas mangelt. Der weiche Klang seiner Stimme kommt besonders bei „Di provenza“ zur Entfaltung; auch „Eri tu“ wird ausdrucksvoll gestaltet. Beim Pagliacci-Prolog wünscht man sich etwas fülligeres Volumen. In Donizettis Favorita nimmt er sich zu sehr zurück, die Arien werden zu sehr „gesäuselt“. Vom Repertoire sehr interessant sind die griechischen Lieder, teilweise mit Mandolinenbegleitung. Trotz der Einschränkungen – mit Angelopoulos lernt man eine kultiviert geführte Stimme kennen. Zumal der Sammler sich auch freut, aus Carrers Oper Marcos Botsaris hier eine der selten anzutreffenden Arien zu hören.

 

nicolaidi hfg cverDer Mezzosopranistin Elena Nikolaidi (1909-2022) hingegen war eine wirklich große, internationale Karriere vergönnt.  Amneris, Eboli und Klytämnestra waren die Partien, mit denen sie weltweit Erfolge feierte: Von 1937 bis 1948 an der Wiener Staatsoper, von 1950 bis 1956 an der Metropolitan Opera. Gastspiele führten sie nach Chicago und San Francisco sowie an das Opernhaus  Covent Garden und an die Mailänder Scala. Die ihr gewidmete CD mit Aufnahmen von 1951 (hafg 10169) zeigt sie vor allem als Liedsängerin mit Werken von Mozart, Haydn, Schumann, Brahms, Schubert und Beethoven, darunter der Zyklus „An die ferne Geliebte“. Am Klavier begleitet wird sie von Jan Behr, der von 1962 bis 1977 als Dirigent an der Metropolitan Opera wirkte. Auch wenn es für Nikolaidi ein eher untypisches Programm ist, kommt die ausdrucksvolle, „pupurrot“ gefärbte Stimme bestens zum Ausdruck. Eine satte, sinnliche Stimme, die dann in den (leider wenigen) Opernausschnitten unter Fausto Cleva erst richtig loslegt: Das fulminate „O don fatale“, gefolgt von „Una macchia e qui tuttora“ aus Verdis Macbeth zeigen die ganze Ausdruckskraft der Nikolaidi. Und dass sie ihre Riesenstimme auch zu feinen Koloraturen zähmen konnte, beweist die Aufnahme von „Bel raggio lusinghier“ aus der Semiramide.

 

flerySehr lohnend sind die Aufnahmen (hafg 10375) von Mireille Flery (1907-1999), der eine über drei Jahrzehnte andauernde Karriere beschieden war. Ihr Debüt hatte sie, noch als Studentin, als Mimì. Tosca, Butterfly, Rosina, Gilda, Violetta, Nedda und Santuzza waren ihre Rollen und zeigten ein breites Spektrum. Sie sang viel an kleineren Häusern in Italien, war aber in der Titelpartie von Catalanis Loreley auch an der Seite von Beniamino Gigli zu hören. Während des Krieges kehrte sie nach Griechenland zurück. Zwischen 1948 und 1953 sang sie wieder in Italien und in Paris, jetzt aber nur in Oratorien und in Beethovens 9. Symphonie. Gavazzeni, Schuricht, Furtwängler, Krips und Scherchen waren ihre Dirigenten. Die hier präsentierten Aufnahmen entstanden zwischen 1952 und 1957 und stammen aus Rundfunkübertragungen. Sie zeigen einen leicht ansprechenden Sopran mit sicherer Höhe und ausdrucksvollem Charme. Bei den Ausschnitten aus Wagner-Opern klingt die Stimme sehr hell, aber etwa in „Einsam in trüben Tagen“ (griechisch gesungen!) hat sie auch dunklere Farben zur Verfügung. Sehr eindruckvoll und mit verinnerlichtem Ausdruck gelingen ihr das „Lied von der Weide“ und das „Ave Maria“ aus Otello. Einen breiten Raum auf der CD nehmen die Lieder von Gabriel Fauré ein, die sie auch als kompetente Liedgestalterin ausweisen.

 

Unbenannt-Scannen-10Auf einer weiteren CD (hafg 10407) werden die Sopranistin Maria Kerestetzi (1929-2002) und der Bassist Nicola Moscona (1907-1975) gekoppelt. Auch  Kerestetzi (die man auch als Elettra aus dem Athener Idomeneo-Mitschnitt mit Steber und Paskalis unter Jonel Perlea kennt) sang vorwiegend in Griechenland, war aber von 1955 bis 1958 an der Mailänder Scala engagiert, wo sie u.a. die Pamina war. Gastspiele mit dem Ensemble der Scala führten sie nach Hamburg und London. Ihr Repertoire umfasste vor allem viel Verdi, daneben Verismo (Andrea Chénier, Cavalleria rusticana, Tosca), aber auch russische Oper und sogar die Elsa im Lohengrin. In den Aufnahmen (zwischen 1955 und 1960) zeigt sie sich als leidenschaftliche Gioconda, als emotionale Ballo-Amelia (mit Kostas Paskalis) und als zarte Desdemona. Besonders hervorzuheben ist das Duett aus Verdis La Forza del Destino mit  Nicola Moscona. Diesen braucht man nicht vorzustellen (er war es auch, der die Callas an die Arena di Verona für deren erste Gioconda empfahl – man kannte sich aus Athen/ G. H.). Er war von 1937 bis 1961 einer der führenden Bässe der Metropolitan Opera und hat dort über 700 Vorstellungen gesungen. Für RCA hat er zahlreiche Einspielungen gemacht, oft unter Toscanini. Gastspiele führten ihn nach Chicago, an die Scala, nach Rom und an die Wiener Staatsoper. Mit den Arien aus Sonnambula, Don Giovanni und Simon Boccanegra (aus den fünfziger Jahren), in denen er die ganze Pracht und Fülle seines Basses verströmt, bestätigt er seinen Rang. Besondere Aufmerksamkeit gebührt einer Arie aus der selten gespielten Oper Salvator Rosa von Carlos Gomez.

 

hidalgoElvira de Hidalgo (1892-1980) fällt innerhalb dieser Serie etwas aus dem Rahmen, denn sie war eine spanische Sopranistin, die allerdings nach ihrer internationalen Karriere  im Belcanto-Repertoire an großen Häusern (Metropolitan, Scala, Paris, London, Buenos Aires) in Griechenland lebte und von 1934 bis 1947 am Athener Konservatorium unterrichtete. Ihr Name ist eng mit dem von Maria Callas verbunden, die ihre Schülerin war. In den Aufnahmen aus dem Jahr 1934 (hafg 10377) finden sich keine Opern, nur Unterhaltungslieder wie „La Paloma“ oder „O sole mio“ (Stücke, die auch die junge Callas in dieser Zeit in Athen vor italienischen Soldaten sang). Auch eine Komposition ihres Tenorkollegen Petros Epitropakis ist darunter. Die Aufnahmen zeigen zwar einen beweglichen, dabei etwas piepsigen Koloratursopran (Erna Sack nicht unähnlich), sind aber kein Beleg dafür, warum de Hidalgo es zu internationaler Berühmtheit brachte. Vieles wirkt einfach so dahingeträllert und ermüdet das Ohr auf Dauer. Als historisches Dokument sind die Aufnahmen dennoch von Wert.

Maria Callas und Elvira de Hidalgo, Schülerin und Lehrerin Athen 1957/Petsalis Diomidis

Maria Callas und Elvira de Hidalgo, Schülerin und Lehrerin Athen 1957/Petsalis Diomidis

Ebenfalls auf der Hidalgo-CD finden sich vier Duett-Aufnahmen von den Geschwistern Thaleia Mytaraki-Sabanieeva (1895-1965, auch als Thalia Sabanieva bekannt) und Anna Mytaraki-Kryona. Thaleia hatte eine lange Karriere von 1923 bis 1935 an der Metropolitan Opera und sang dort über hundert Vorstellungen mit Partnern wie Gigli und Martinelli (Butterfly, Mimì, Antonia, Ännchen und vieles mehr). Hier ist sie mit Aufnahmen aus dem Jahr 1929 zu hören, darunter zwei Ausschnitte aus Pique Dame: Zwei lyrische Stimmen, die in schönster Harmonie anmutig verschmelzen.

 

Unbenannt-Scannen-09Unter dem Titel „The Vlachopoulos Family“ (hafg 10408) finden sich Aufnahmen aus dem Zeitraum von 1919 bis 1958. Sie stammen von dem Bassisten Michalis Vlachopoulos (1873-1956), seiner Ehefrau Eleni Vlachopoulou (1884-1933) und deren Tochter Zoe Vlachopoulou (1914-2004). Die Karriere von Michalis Vlachopoulos blieb auf Griechenland beschränkt, von Auftritten in Bukarest und Odessa abgesehen. Bei der ersten Holländer-Aufführung einer griechischen Opern-Company sang er den Daland. Einer internationalen Karriere verweigerte er sich aber, da er sich zu eng in seiner Heimat verwurzelt fühlte. Dabei hätte er durchaus das Zeug dazu gehabt, wie das sehr suggestiv dargestellte Ständchen aus Gounods Faust und die imposante „Infelice“-Arie aus Ernani belegen. Seine Frau Eleni ist nur mit zwei griechischen Liedern vertreten, die sie mit leicht ansprechendem Sopran serviert. Dabei hat sie (auch in Italien) als Norma und Forza-Leonora Erfolg gehabt. Tosca, Aida, Santuzza und Gioconda waren neben anderen ihre Hauptpartien.

"Fidelio", Athen 1957: Martha Mödl und der Dirigent Horenstein in der Mitte umrahmt von Deszö Ernster, Zoe Vlachopoulos und Aristo Padazinakos/Archipel

„Fidelio“, Athen 1957: Martha Mödl und der Dirigent Horenstein in der Mitte umrahmt von Deszö Ernster, Zoe Vlachopoulos und Aristo Padazinakos/Archipel

Ergiebiger ist die Auswahl bei Zoe Vlachopoulou. Sie war Schülerin von Elvira de Hidalgo. In den Kriegsjahren 1941/42 während der deutschen Besetzung hat sie viel Operette gesungen.  Ihre ersten Auftritte außerhalb Griechenlands hatte sie in Ankara und dem damaligen Konstantinopel.  In Glyndebourne sang sie neben Kathleen Ferrier den Amor in Glucks Orfeo (was auch bei Decca herausgekommen ist). Eine Einladung von Rudolf Bing an die Metropolitan Opera als Mimi nahm sie nicht an. Internationale Auftritte hatte sie später in Moskau, Zagreb und Belgrad. Die Aufnahmen zeigen eine eher leichte, lyrische Stimme, mit der sie bei Massenets Manon und Donizettis Don Pasquale bestens aufgehoben ist, mit der sie aber dank ihrer emotionalen Kraft auch eine Butterfly bewegend gestaltet. Der zweite Akt findet sich hier, leicht gekürzt, in einer Live-Aufnahme von 1957. Besondere Höhepunkte sind die Duette aus Mefistofele und La Traviata mit dem ausgezeichneten Tano Ferentino

Diese Serie des Hamburger Archivs für Gesangskunst mit griechischen Sängern dürfte nicht nur für Spezialisten interessant sein. Abgesehen davon, dass sie viele musikalische Schätze zugänglich macht, beleuchtet sie die griechische Opernszene in bisher so nicht gekannter Vielfalt. Die Textbeilagen zu den CDs sind in englischer Sprache. Der Klang entspricht der jeweiligen Aufnahmezeit, ist aber meist zufriedenstellend restauriert. Wolfgang Denker