Die meisten Opernhörer denken beim Stichwort „Griechische Sänger“ an Namen wie Maria Callas, Agnes Baltsa, Elena Souliotis, Kostas Paskalis oder Zachos Terzakis. Das Hamburger Archiv für Gesangskunst hat bei seiner Serie aber viel tiefer in die Historienkiste einer privaten Athener Sammlung gegriffen. Es werden rare Aufnahmen (überwiegend aus den zwanziger und dreißiger Jahren) von Sängerinnen und Sängern präsentiert, die weitgehend schon längst in Vergessenheit geraten oder im Westen unbekannt sind (daher das Zitat in der Überschrift…). Vor allem seltene Aufnahmen von Tenören finden sich in der Sammlung. Zudem ist diese Kollektion auch in vieler Hinsicht mit Maria Callas verbunden, denn viele dieser Sänger haben wie die Callas selbst in der Kriegs- und Nachkriegszeit in Athen gesungen, häufig auch neben und mit ihr.
So kann man Costa Milona (1889-1949), der es in Deutschland in den zwanziger Jahren zu einiger Popularität brachte, auf zwei CDs (hafg 10374, 10406) erleben. Eine eigentliche Bühnenkarriere hat er nicht gemacht, aber in Berlin lebend, hat er zahlreiche Schallplatten eingespielt und Rundfunkkonzerte (auch in Holland) gegeben. Seine Stimme ist irgendwie in der Nähe von Ferruccio Tagliavini anzusiedeln, ohne jedoch dessen Süße und Eleganz zu erreichen. Man gab ihm den Beinamen „Pocket Caruso“ – ein Vergleich, der aber hinkt, weil Carusos Stimme viel dunkler und schwerer war. Die Aufnahmen auf der ersten CD mit vorwiegend italienischen Arien entstanden zwischen 1922 und 1925. Dabei klingen manche Arien wie „De miei bollenti spiriti“ oder „Recondita armonia“ arg gedehnt. Auch als Canio ist er nicht unbedingt überzeugend. In Les Pêcheurs de Perles oder in Jocelyn hingegen ist er ganz in seinem Element. Arien dieser Art gestaltet er mit wunderbarer Leichtigkeit und lyrischem Zauberton. Bei dem neapolitanischen Lied „Pecche“ kommt auch endlich mal Leidenschaft ins Spiel. Die Aufnahmen der zweiten CD (1924-1930) vermitteln auch einen gemischten Eindruck. Für den Otello fehlt es an Durchschlagskraft, „Celeste Aida“ erklingt sehr schleppend. Und bei „Di tu se fedele“ (Ballo), das ihm stimmlich eigentlich gut liegt, fehlt es etwas an Eleganz. Als Turiddu nimmt er „O lala“ sehr schwärmerisch und überzeugend. Und auch der Werther ist eine Partie, die ihm sehr entgegenkommt.
Antonis Delendas/OBA
Eine weitere CD (hafg 10522) teilt sich Milona mit dem Tenor Antonis Delendas. Die Stimme von Milona wird hier (mit Arien von Gounod, Massenet, Mascagni und anderen) dramatischer geführt und scheint mehr Kern zu haben. Und die italienischen Canzonen singt er mit viel Gefühl. Dafür sind die alle 1934 entstandenen Aufnahmen von Antonis Delendas (1902-1966) mit Arien von Massenet, Mascagni, Leoncavallo und Puccini eher unattraktiv. Und nicht nur, weil sie von störendem Rumpeln „untermalt“ werden: Die Stimme klingt arg verfärbt und bei „Tiritomba“, man muss es so sagen, sogar unangenehm quäkig. Dabei hatte Delendas eine respektable Karriere in Deutschland, die ihn nach Kiel, Hamburg und Berlin führte. Und er war als Cavaradossi an der Seite von Maria Callas bei ihrer ersten Tosca.
Eine weitere CD (hafg 10523) vereinigt ebenfalls zwei Tenöre. Lyssandros Ioannides (1900-1970) hatte eine ansehnliche Karriere in Deutschland und der Schweiz, die ihn an die Opernhäuser von Düsseldorf, Dortmund, Hamburg, Berlin und Zürich führte. Bohème, Tosca, Traviata und Ballo gehörten u.a. zu seinem Repertoire. In einer Aufführung vom Land des Lächelns sang er sogar unter der Stabführung von Franz Lehár persönlich. Die hier versammelten Aufnahmen aus dem Jahtr 1935 zeigen eine Stimme mit männlichem Kern und feiner Pianotechnik, etwa in „E lucevan le stelle“. Dazu gibt es einen sehr elegant gesungenen Rigoletto-Duca und die mit Charme servierten Schlager „Ramona“ und „Ich küsse Ihre Hand, Madame“.
„Grüß´mir mein Wien“/Stellakis bei Telefunken/OBA
Der zweite Tenor ist Constantin Stellakis (1901-1980), der in Berlin für Telefunken in den Jahren 1932 und 1933 einige Aufnahmen einspielte, darunter (in deutscher Sprache) einige Kurzquerschnitte durch Cavalleria rusticana, Les contes d’ Hoffmann und Die Geisha. Seine Partner waren dabei u.a. Anni Konetzni, Gerhard Hüsch und Hildegard Ranczak. Seine kraftvolle Stimme klingt in diesen Aufnahmen etwas grell und erinnert entfernt an die von Jan Kiepura. Bei den bis 1940 entstandenen Aufnahmen mit Liedern von Tosti und anderen klingt die Stimme sehr angenehm und wird mit weniger Druck geführt.
Uneingeschränkte Freude bereiten die zwischen 1947 und 1955 entstandenen Aufnahmen (hafg 10409) mit Tano Ferentino (1919-1993). Dem in Wales geborenen und in Athen verstorbenen Tenor war zwar keine internationale Bühnenkarriere beschieden, obwohl Tullio Serafin ihn 1951 an das Teatro Colón holte, wo er in Don Pasquale und im Verdi-Requiem sang. Aber er bekam einen Schallplattenvertrag bei EMI/Columbia, dank dessen seine feine, lyrische Stimme erhalten geblieben ist. Der wurde zwar 1956 nicht verlängert, obwohl Ferentino erst 37 Jahre alt war und im Zenit seines Könnens stand. Auch Covent Garden, Sadler’s Wells und die BBC zeigten kein Interesse an dem Sänger. Dafür sang er bis Anfang der sechziger Jahre an den Welsh National Opera noch Partien wie Pinkerton, Turiddu, Alfredo, Duca, Faust oder Almaviva.
Tano Ferentino/OBA
Seine auf der CD versammelten Aufnahmen, bei der es auch am selben Tag aufgenommene Alternativversionen der gleichen Arie gibt, zeigen einen lyrischen Sänger mit hellem Timbre, guter Technik und geschmackvollem Gestaltungsvermögen. Nicht ohne Grund schrieb der bei einer Aufnahmesitzung anwesende und beeindruckte Beniamino Gigli „Für meinen Nachfolger“ als Widmung auf ein Foto. „Una furtiva lagrima“ oder „En fermant les yeux“ (Manon) sind jedenfalls exquisit. Auch Les Pêcheurs de Perles gehört zu den Höhepunkten. Mit dem aparten Lied „Marie“ ist eine Eigenkomposition von Tano Ferentino zu hören.
Epitropakis bei einer HMV-Aufnahmesitzung/hafg
Gleich CDs (hafg 10507, 10508, 10509) sind dem Tenor Petros Epitropakis (1894-1977) gewidmet. Er war der führende griechische Tenor zwischen den Weltkriegen und sang vorwiegend in Griechenland, wiederholt unter Mitropoulos. Partner waren Elvira de Hidalgo, Riccardo Stracciari, Nicola Moscona oder Elena Nicolaidi. Eine Einladung an die Metropolitan Opera als Cassio und Beppe hat er ausgeschlagen. In seinen späten Karrierejahren (bis 1959) sang er auch Operette – allein als Danilo stand er mehrere hundert Male auf der Bühne. Zu seinen bevorzugten Partien gehörten Almaviva, Duca, Alfredo und Edgardo. Epitropakis soll über 500 Einspielungen gemacht haben. Hier werden (überwiegend in griechischer Sprache gesungene) Aufnahmen aus der Dekade von 1926 bis 1936 präsentiert.
Auf der ersten CD finden sich Arien aus Lucia di Lammermoor, Rigoletto, Barbiere und Tosca sowie Canzonen von Bixio, Tosselli, Leoncavallo und anderen. Man hört eine höhensichere Tenorstimme, die er bei „E lucevan le stelle“ mit viel Gefühl und schönen decrescendi einsetzt. Manche Interpretation gerät etwas zu weinerlich, aber einen Schlager wie „Mein Herz ruft immer nur nach dir, Marita“ (von Robert Stolz) serviert er mit verführerischer Süße und viel mezza voce. Und ein so fröhliches, leichtes „Tiritomba“ hat man selten gehört! Auf den beiden anderen CDs sind ausschließlich Ausschnitte aus griechischen Operetten und populäre griechische Lieder zu hören. Die meisten davon sind sehr getragen und im Einzelfall auch reizvoll. Aber in ihrer Gesamtheit bleibt auch der Eindruck von Einförmigkeit hängen. Gleichwohl – eine bedeutender griechischer Sänger, dessen Stimme mit Gewinn zu hören ist.
Der Bariton Yiannis Angelopoulos (1881-1943; Kutsch-Riemens nennt 1890 als Geburtsdatum) ist in der Serie griechischer Sänger mit Arien von Verdi, Leoncavallo, Donizetti, Gounod sowie Liedern griechischer Komponisten vertreten (hafg 10488). Er war führender Bariton an der damals Königlichen Oper Athen, gastierte aber auch in Italien (u.a. Florenz, Palermo und Rom) sowie in Bukarest und Odessa. 1910 sang er seinen ersten Rigoletto, der seine berühmteste Partie werden sollte und die er auch an der Seite von Toti dal Monte sang. Während des Krieges weigerte er sich, vor deutschen und italienischen Soldaten zu singen und kehrte nach Griechenland zurück. Den zwischen 1930 und 1933 entstandenen Aufnahmen nach zu urteilen, war er eher ein lyrischer Kavaliersbariton, dem es für eine echte Verdi-Stimme an Kern und dunkler Farbe etwas mangelt. Der weiche Klang seiner Stimme kommt besonders bei „Di provenza“ zur Entfaltung; auch „Eri tu“ wird ausdrucksvoll gestaltet. Beim Pagliacci-Prolog wünscht man sich etwas fülligeres Volumen. In Donizettis Favorita nimmt er sich zu sehr zurück, die Arien werden zu sehr „gesäuselt“. Vom Repertoire sehr interessant sind die griechischen Lieder, teilweise mit Mandolinenbegleitung. Trotz der Einschränkungen – mit Angelopoulos lernt man eine kultiviert geführte Stimme kennen. Zumal der Sammler sich auch freut, aus Carrers Oper Marcos Botsaris hier eine der selten anzutreffenden Arien zu hören.
Der Mezzosopranistin Elena Nikolaidi (1909-2022) hingegen war eine wirklich große, internationale Karriere vergönnt. Amneris, Eboli und Klytämnestra waren die Partien, mit denen sie weltweit Erfolge feierte: Von 1937 bis 1948 an der Wiener Staatsoper, von 1950 bis 1956 an der Metropolitan Opera. Gastspiele führten sie nach Chicago und San Francisco sowie an das Opernhaus Covent Garden und an die Mailänder Scala. Die ihr gewidmete CD mit Aufnahmen von 1951 (hafg 10169) zeigt sie vor allem als Liedsängerin mit Werken von Mozart, Haydn, Schumann, Brahms, Schubert und Beethoven, darunter der Zyklus „An die ferne Geliebte“. Am Klavier begleitet wird sie von Jan Behr, der von 1962 bis 1977 als Dirigent an der Metropolitan Opera wirkte. Auch wenn es für Nikolaidi ein eher untypisches Programm ist, kommt die ausdrucksvolle, „pupurrot“ gefärbte Stimme bestens zum Ausdruck. Eine satte, sinnliche Stimme, die dann in den (leider wenigen) Opernausschnitten unter Fausto Cleva erst richtig loslegt: Das fulminate „O don fatale“, gefolgt von „Una macchia e qui tuttora“ aus Verdis Macbeth zeigen die ganze Ausdruckskraft der Nikolaidi. Und dass sie ihre Riesenstimme auch zu feinen Koloraturen zähmen konnte, beweist die Aufnahme von „Bel raggio lusinghier“ aus der Semiramide.
Sehr lohnend sind die Aufnahmen (hafg 10375) von Mireille Flery (1907-1999), der eine über drei Jahrzehnte andauernde Karriere beschieden war. Ihr Debüt hatte sie, noch als Studentin, als Mimì. Tosca, Butterfly, Rosina, Gilda, Violetta, Nedda und Santuzza waren ihre Rollen und zeigten ein breites Spektrum. Sie sang viel an kleineren Häusern in Italien, war aber in der Titelpartie von Catalanis Loreley auch an der Seite von Beniamino Gigli zu hören. Während des Krieges kehrte sie nach Griechenland zurück. Zwischen 1948 und 1953 sang sie wieder in Italien und in Paris, jetzt aber nur in Oratorien und in Beethovens 9. Symphonie. Gavazzeni, Schuricht, Furtwängler, Krips und Scherchen waren ihre Dirigenten. Die hier präsentierten Aufnahmen entstanden zwischen 1952 und 1957 und stammen aus Rundfunkübertragungen. Sie zeigen einen leicht ansprechenden Sopran mit sicherer Höhe und ausdrucksvollem Charme. Bei den Ausschnitten aus Wagner-Opern klingt die Stimme sehr hell, aber etwa in „Einsam in trüben Tagen“ (griechisch gesungen!) hat sie auch dunklere Farben zur Verfügung. Sehr eindruckvoll und mit verinnerlichtem Ausdruck gelingen ihr das „Lied von der Weide“ und das „Ave Maria“ aus Otello. Einen breiten Raum auf der CD nehmen die Lieder von Gabriel Fauré ein, die sie auch als kompetente Liedgestalterin ausweisen.
Auf einer weiteren CD (hafg 10407) werden die Sopranistin Maria Kerestetzi (1929-2002) und der Bassist Nicola Moscona (1907-1975) gekoppelt. Auch Kerestetzi (die man auch als Elettra aus dem Athener Idomeneo-Mitschnitt mit Steber und Paskalis unter Jonel Perlea kennt) sang vorwiegend in Griechenland, war aber von 1955 bis 1958 an der Mailänder Scala engagiert, wo sie u.a. die Pamina war. Gastspiele mit dem Ensemble der Scala führten sie nach Hamburg und London. Ihr Repertoire umfasste vor allem viel Verdi, daneben Verismo (Andrea Chénier, Cavalleria rusticana, Tosca), aber auch russische Oper und sogar die Elsa im Lohengrin. In den Aufnahmen (zwischen 1955 und 1960) zeigt sie sich als leidenschaftliche Gioconda, als emotionale Ballo-Amelia (mit Kostas Paskalis) und als zarte Desdemona. Besonders hervorzuheben ist das Duett aus Verdis La Forza del Destino mit Nicola Moscona. Diesen braucht man nicht vorzustellen (er war es auch, der die Callas an die Arena di Verona für deren erste Gioconda empfahl – man kannte sich aus Athen/ G. H.). Er war von 1937 bis 1961 einer der führenden Bässe der Metropolitan Opera und hat dort über 700 Vorstellungen gesungen. Für RCA hat er zahlreiche Einspielungen gemacht, oft unter Toscanini. Gastspiele führten ihn nach Chicago, an die Scala, nach Rom und an die Wiener Staatsoper. Mit den Arien aus Sonnambula, Don Giovanni und Simon Boccanegra (aus den fünfziger Jahren), in denen er die ganze Pracht und Fülle seines Basses verströmt, bestätigt er seinen Rang. Besondere Aufmerksamkeit gebührt einer Arie aus der selten gespielten Oper Salvator Rosa von Carlos Gomez.
Elvira de Hidalgo (1892-1980) fällt innerhalb dieser Serie etwas aus dem Rahmen, denn sie war eine spanische Sopranistin, die allerdings nach ihrer internationalen Karriere im Belcanto-Repertoire an großen Häusern (Metropolitan, Scala, Paris, London, Buenos Aires) in Griechenland lebte und von 1934 bis 1947 am Athener Konservatorium unterrichtete. Ihr Name ist eng mit dem von Maria Callas verbunden, die ihre Schülerin war. In den Aufnahmen aus dem Jahr 1934 (hafg 10377) finden sich keine Opern, nur Unterhaltungslieder wie „La Paloma“ oder „O sole mio“ (Stücke, die auch die junge Callas in dieser Zeit in Athen vor italienischen Soldaten sang). Auch eine Komposition ihres Tenorkollegen Petros Epitropakis ist darunter. Die Aufnahmen zeigen zwar einen beweglichen, dabei etwas piepsigen Koloratursopran (Erna Sack nicht unähnlich), sind aber kein Beleg dafür, warum de Hidalgo es zu internationaler Berühmtheit brachte. Vieles wirkt einfach so dahingeträllert und ermüdet das Ohr auf Dauer. Als historisches Dokument sind die Aufnahmen dennoch von Wert.
Maria Callas und Elvira de Hidalgo, Schülerin und Lehrerin Athen 1957/Petsalis Diomidis
Ebenfalls auf der Hidalgo-CD finden sich vier Duett-Aufnahmen von den Geschwistern Thaleia Mytaraki-Sabanieeva (1895-1965, auch als Thalia Sabanieva bekannt) und Anna Mytaraki-Kryona. Thaleia hatte eine lange Karriere von 1923 bis 1935 an der Metropolitan Opera und sang dort über hundert Vorstellungen mit Partnern wie Gigli und Martinelli (Butterfly, Mimì, Antonia, Ännchen und vieles mehr). Hier ist sie mit Aufnahmen aus dem Jahr 1929 zu hören, darunter zwei Ausschnitte aus Pique Dame: Zwei lyrische Stimmen, die in schönster Harmonie anmutig verschmelzen.
Unter dem Titel „The Vlachopoulos Family“ (hafg 10408) finden sich Aufnahmen aus dem Zeitraum von 1919 bis 1958. Sie stammen von dem Bassisten Michalis Vlachopoulos (1873-1956), seiner Ehefrau Eleni Vlachopoulou (1884-1933) und deren Tochter Zoe Vlachopoulou (1914-2004). Die Karriere von Michalis Vlachopoulos blieb auf Griechenland beschränkt, von Auftritten in Bukarest und Odessa abgesehen. Bei der ersten Holländer-Aufführung einer griechischen Opern-Company sang er den Daland. Einer internationalen Karriere verweigerte er sich aber, da er sich zu eng in seiner Heimat verwurzelt fühlte. Dabei hätte er durchaus das Zeug dazu gehabt, wie das sehr suggestiv dargestellte Ständchen aus Gounods Faust und die imposante „Infelice“-Arie aus Ernani belegen. Seine Frau Eleni ist nur mit zwei griechischen Liedern vertreten, die sie mit leicht ansprechendem Sopran serviert. Dabei hat sie (auch in Italien) als Norma und Forza-Leonora Erfolg gehabt. Tosca, Aida, Santuzza und Gioconda waren neben anderen ihre Hauptpartien.
„Fidelio“, Athen 1957: Martha Mödl und der Dirigent Horenstein in der Mitte umrahmt von Deszö Ernster, Zoe Vlachopoulos und Aristo Padazinakos/Archipel
Ergiebiger ist die Auswahl bei Zoe Vlachopoulou. Sie war Schülerin von Elvira de Hidalgo. In den Kriegsjahren 1941/42 während der deutschen Besetzung hat sie viel Operette gesungen. Ihre ersten Auftritte außerhalb Griechenlands hatte sie in Ankara und dem damaligen Konstantinopel. In Glyndebourne sang sie neben Kathleen Ferrier den Amor in Glucks Orfeo (was auch bei Decca herausgekommen ist). Eine Einladung von Rudolf Bing an die Metropolitan Opera als Mimi nahm sie nicht an. Internationale Auftritte hatte sie später in Moskau, Zagreb und Belgrad. Die Aufnahmen zeigen eine eher leichte, lyrische Stimme, mit der sie bei Massenets Manon und Donizettis Don Pasquale bestens aufgehoben ist, mit der sie aber dank ihrer emotionalen Kraft auch eine Butterfly bewegend gestaltet. Der zweite Akt findet sich hier, leicht gekürzt, in einer Live-Aufnahme von 1957. Besondere Höhepunkte sind die Duette aus Mefistofele und La Traviata mit dem ausgezeichneten Tano Ferentino
Diese Serie des Hamburger Archivs für Gesangskunst mit griechischen Sängern dürfte nicht nur für Spezialisten interessant sein. Abgesehen davon, dass sie viele musikalische Schätze zugänglich macht, beleuchtet sie die griechische Opernszene in bisher so nicht gekannter Vielfalt. Die Textbeilagen zu den CDs sind in englischer Sprache. Der Klang entspricht der jeweiligen Aufnahmezeit, ist aber meist zufriedenstellend restauriert. Wolfgang Denker