Archiv für den Monat: April 2017

Romanzen und Lieder

 

Der Mezzosopranistin Cornelia Lanz sind thematische Bezüge ihrer Programme wichtig. So ist es nicht verwunderlich, dass sie ihre neue CD (HC16019) unter das Motto „Frauenrollen und Frauengestalten bei Schubert, Rossini und Verdi“ stellt und veritable Charaktere herausarbeitet. Da gelingt aus der ersten Schubert-Gruppe „Die junge Nonne“ besonders gestaltungsintensiv, und „Der Zwerg“ erzielt mit eingestreutem Sprechgesang deutliche Effekte. Was dieser klangvollen, gut durchgebildeten Stimme allerdings durchweg fehlt, ist saubere Intonation in der bequemen Mittellage; da zerfließen die sauberen Konturen der Töne zu häufig an der unteren Grenze, ohne Obertöne auszuloten. Das stört vor allem in den Mignon-Liedern, aber auch in Ellens Gesängen aus  „Das Fräulein am See“, die recht kopfgesteuert daher kommen.

Etwas Besonderes sind die vier Lieder aus „Sei Romanze“ von Verdi, die mit nur wenig Anklang an Opernhaftes gefällig präsentiert werden. Die „Ariette à l’ancienne“, eine von Rossinis „Pêches de viellesse“ („Alterssünden“) passt sehr gut in dieses Programm, während seine ca. 18-minütige Liedkantate „Giovanna d’Arco“ fast den Rahmen sprengt. Hier sind dann auch geläufige Koloraturen und ein großer Stimmumfang gefordert; Cornelia Lanz löst diese Aufgabe sehr solide. Insgesamt wird sie elegant unterstützt von Stefan Laux am Flügel, der nicht nur begleitet, sondern eigenständig fordert und ein gutes Miteinander herstellt.

Der Bariton Martin Hempel und die Pianistin Katharina Kegler legen eine teilweise interessante CD (HC16051) mit Schumann, Duparc, Martin und Schubert vor. Die „Dichterliebe“ ist mir allerdings zu brav, fast abgeklärt; da fehlt es an Drängendem bereits im „wunderschönen Monat Mai“. Recht intensiv dagegen gelingt „Und wüßten’s die Blumen…“, in dem noch im Nachspiel die Zerrissenheit des Herzens deutlich gemacht wird. Sehr differenziert erklingt auch „Ich hab im Traum geweinet“. Der weichen, extrem lyrischen Stimme liegen aber besonders die viel zu selten zu hörenden  Mélodies et Chansons von Duparc: Hier trifft Hempel den Kern und Gehalt der einzelnen kleinen Episoden sehr gut. Den Konzertzyklus „Sechs Monologe aus ‚Jedermann‘“ komponierte Frank Martin zwar für Orchester, so dass die Klavierbegleitung natürlich nicht alle farbigen Facetten ausschöpfen kann. Aber durch die ausgezeichnete Diktion des Sängers, bei dem man wirklich jedes Wort versteht, kommt die Wandlung des Jedermann gut zum Tragen; mangelt es beispielsweise bei „Ach Gott, wie graust mir vor dem Tod“ an schärferer Attacke, so kann er in den beiden abschließenden Gebeten noch einmal seine Stärken zeigen. Schuberts „Litanei“ setzt einen passenden Schlusspunkt.

Die beiden in Russland geborenen, aufgewachsenen und weitgehend ausgebildeten Künstlerinnen Julia Sukmanova (Sopran) und Elena Sukmanova (Klavier) haben eine neue CD (HC16024) mit Liedern von Sergei Rachmaninoff eingespielt.  24 seiner 82 im Zeitraum  von 1890 bis 1916 entstandenen Lieder haben sie ausgewählt, um so einen Überblick über die künstlerische Entwicklung seines Liedschaffens zu ermöglichen. In den meisten Liedern herrscht schwermütige Melodik vor; das beginnt schon mit der Puschkin-Vertonung aus op.4 „O schönes Mädchen“, die die ganze Tristesse und Verlorenheit des einsamen Landsitzes wiederspiegelt, wo das Lied entstand. Neben drei Liedern aus op.8, dessen „Die Frau des Soldaten“ z.B. typische Motive des russischen Klageliedes verwendet, bilden elf der zwölf in Bezug zu seinem Privatleben stehende Lieder aus op.14 den Kern der Aufnahme; daraus ragt „Die Frühlingsfluten“ hervor, das auch für die Pianistin Höchstschwierigkeiten enthält, die die beiden Künstlerinnen mit jubelndem Ausbruch eindrucksvoll meistern. Da im russischen Original gesungen wird, ist es sehr vorteilhaft, dass das Beiheft so ausführliche Erklärungen zu Rachmaninovs Kompositionen gibt, wenn schon keine Texte dabei sind. Allerdings ist darin auch das Lied „Diese sommerlichen Nächte“ aus op.14 beschrieben, das aber auf der Aufnahme nicht zu finden ist. Die weiteren Lieder aus op.21 (Thema: Ehe), op.26 (Bloße Kleinigkeiten) und op.38 (inhaltsschwere Texte) bilden noch enger gewachsene Einheiten zwischen Text und Musik. Julia Sukmanova breitet diesen russischen Bilderbogen mit großvolumigem, durch alle Lagen sauber geführten Sopram aus, während Elena Sukmanova durch differenzierten Anschlag und weit aufrauschende Melodien mit typischen Rachmaninov-Passagen überzeugt. Marion Eckels

Bemerkenswerte Debüts

 

Für das erste Solo-Album der französischen Sopranistin Stéphanie Varnerin hat man sich für eine Ersteinspielung entschieden: Kantaten von Carlo Francesco Cesarini (1665-1741), einem Kirchenmusiker, der vier Jahrzehnte in Rom tätig war und neben ca. 70 Kantaten auch zahllose Oratorien und auch wenige Bühnenwerke (u.a. einzelne Akte in Pasticcio-Opern) komponierte. Auf dieser CD erklingen sechs Kantaten, die zwischen 1700 und 1717 aufgeführt wurden, in der Regel Auftragswerke von Kardinal Pamphili für diverse Anlässe, für die der Kleriker teilweise selber die Texte verfasste. Die formale Struktur ist ohne Überraschungen, abwechselnd Rezitativ und Arie, die einzelnen Stücke haben direkten Bezug zum Opernschaffen der Zeit und könnten auch auf der Bühne zum Einsatz kommen, Cesarini zeigt deutlich theatralische Neigungen mit wechselnder Dynamik und Affekten, auch die Rezitative gehen über kontemplative und narrative Elemente hinaus. Die Kantaten stellen ruhelose Seelen ins Zentrum, die dies und jenes beklagen, unerwiderte Liebe, Eifersucht, Untreue, ergänzt durch pastorale Szenen, zwei Werke sind mythologisch (Arianna bzw. Fetonte). Soviel vorweg: Cesarini ist kein hidden champion, seine Kantaten sind geschmackvoll, sechs davon hintereinander bergen Momente der Monotonie. Dafür sind aber nicht die beteiligten Künstler verantwortlich, eher die Möglichkeiten im Rahmen der Produktion: ein wenig mehr instrumentale Vielfalt hätte den Höreindruck aufgewertet. L’Astrée ist das Kammerensemble der Accademia Montis Regalis, sie spielen die Kantaten mit fünf Musikern auf hohem Niveau, die musikalische Leitung von Giorgio Tabacco am Cembalo ergänzt zwei Violinen, Cello und Theorbe – alles bestens, doch 70 Minuten am Stück lassen etwas Abwechslung vermissen. Stéphanie Varnerin überzeugt stimmlich und darstellerisch, ihr Textverständnis ist hörbar, sie stellt dar und geht mit, ein attraktives, junges und feminines Timbre, weder unschuldig noch reif, aber leidenschaftlich und emotional – eine vielversprechende Stimme, die man gerne in anspruchsvolleren Stücken und live hören möchte. (Aparté AP136)

Ein vielversprechendes Solo-Debüt liefert auch der junge italienische Countertenor Carlo Vistoli, dessen CD Arias für Nicolino sich Rollen des Kastraten Nicolò Grimaldi (1673-1732), genannt Nicolino, widmet. Zu hören sind zwei Arien aus Arsace von Domenico Sarro, zwei Arien aus Salustia von Pergolesi (Nicolino starb allerdings vor der Premiere), eine Arie aus Il Cambise von Alessandro Scarlatti sowie vier Arien von Händel, der die Titelrollen in Rinaldo und Amadigi di Gaula für Nicolino komponierte. Vistoli zeichnet sich durch ein angenehmes, ungekünsteltes Timbre aus, er ist stimmlich agil und verfügt bereits über bemerkenswert viel Ausdrucksmöglichkeiten, Händels „Cara sposa“ eröffnet die CD elegisch, „Venti, turbini, prestate“ beschließt sie entschlossen, dazwischen wird geliebt und gehasst, gehofft und getrauert, dem Tod und dem Leben entgegen getreten. Die Werke umfassen einen Zeitraum von zwei Jahrzehnten, im Vergleich zu Rinaldo (1711) ist Nicolinos späte Rolle in Pergolesis Salustia (1732) tiefer gerutscht, der Komponist setzt stark auf Ausdruck, die Ratschlag-Arie „Al real piede ognora“ hat Würde, die Musik folgt dem Text und fordert Gestaltung vom Sänger, das dramatische „Per trucidar la perfida“ ist mit Helldunkel-Passagen. Vistoli kann hier eine angenehme Tiefenlage zeigen. Alessandro Scarlatti und Nicolino sollen eng befreundet gewesen sein, die Hauptrolle in Il Cambise (1719) war dem Kastraten auf  den Leib geschneidert, „Quando vedrai“ ist stimmungsvoll und dicht, die stolze Arie „Mi cinga la fama“ ist virtuos, schnelle Notenfolgen und Spitztöne lassen die Arie („trionfar“ ist ein Schlüsselwort) in sich selbst widerhallen. Ein Jahr zuvor hatte Domenico Sarro den Kastraten für die Titelrolle in Arsace besetzt, „Torno ai ceppi“ ist ein virtuoses Allegro mit schnelle Notenfolge und Koloraturen, das introspektive „Se penso a Statira“ mit kontemplativen Lento und attackierendem Presto. Vistoli meistert die unterschiedlichen Herausforderungen beeindruckend gut, auf einen Live-Eindruck und seine zukünftige Entwicklung darf man gespannt sein. Das Originalklang-Ensemble Talenti Vulcanici unter Dirigent Stefano Demicheli musiziert auf der Höhe der Zeit mit harmonischen Tempi ohne Manieriertheit, die orchestralen Intermezzi aus Rinaldo, Amadigi und Arsace binden sich reibungslos in die Abfolge ein. Die Aufnahme ist tontechnisch nicht ganz optimal, ein wenig zu viel Nachhall am Aufnahmeort in einer neapolitanischen Kirche trübt minimal die Hörfreude. (Arcana  A427) Marcus Budwitius

Endrik Wottrich

 

Mit Überraschung hörten wir vom frühen Tod des deutschen Sängers Endrik Wottrich mit nur 53 Jahren am 12. April 2017 in Berlin. In Celle geboren, studierte er Violine und Gesang in Würzburg und konnte durch ein Stipendium der Deutschen Studienstiftung seine Gesangsausbildung an der renommierten Juilliard-School in New York fortsetzen. Nach seinem Bühnendebüt am Staatstheater Wiesbaden, in der Partie des Cassio und während seines Engagements von 1993 bis 1999 an der Staatsoper Berlin, gab er 1996 seine Debüts an der Carnegie Hall unter Nikolaus Harnoncourt und bei den Bayreuther Festspielen als Junger Seemann/Tristan und Isolde und als David in Die Meistersinger von Nürnberg. Nicht nur für diese Rollen kehrte Wottrich in folgenden Jahren auf den Grünen Hügel zurück, so übernahm er zudem die Rollen des Froh, Walther von Stolzing, Erik und Parsifal.

Endrik Wottrich/ Foto Agentur Boris Orlon

Endrik Wottrich feierte Erfolge an den großen Opernhäusern weltweit wie der Semperoper in Dresden, dem Teatro alla Scala in Mailand als Tannhäuser, Covent Garden als Florestan 2007 und in der Rolle des Tambourmajor an der Bayerischen Staatsoper München und in Tokyo. Ferner gastierte er in Wien, Tampere und Israel und konzertierte regelmäßig mit den namhaftesten Orchestern wie den Berliner Philharmonikern, dem Chicago Symphony Orchestra und den Wiener Philharmonikern. Er arbeitete mit Dirigenten wie Claudio Abbado, Daniel Barenboim, Zubin Mehta, Philippe Herreweghe, Riccardo Muti und Christian Thielemann zusammen.

Neben seiner Tätigkeit als Sänger und zahlreichen Einspielungen, ist Endrik Wottrich seit 2002 Professor für Gesang an der Hochschule für Musik in Würzburg. Zu den Highlights der jüngsten Vergangenheit gehört u.a. die Rolle des Tambourmajor in einer konzertanten Aufführung des Wozzeck am Concertgebouw in Amsterdam. Aktuelle und zukünftige Projekte hätten u.a. den Siegmund in der Walküre unter der Leitung von Marc Minkowski in Posen sowie Engagements in Berlin, Leipzig und Mannheim beinhalten sollen. (Quelle Agentur Orlob/ Foto oben: Endrik Wottrich/ Foto Agentur Boris Orlob)

 

La Séduisante

 

Gern geheimnisvolle Titel gibt Christiane Karg ihren CDs, so als neuesten den synästesieträchtigen Parfum, der zugleich Kontinuität wie auch Abwechslung verspricht, denn gemeinsam dürfte den Tracks der berauschende, aber flüchtige Eindruck, den sie erzeugen bzw. hinterlassen, sein, weit dürfte die Spanne zwischen einem üppig-schwülen Shalimar und einem klassisch-edlen L’Air du Temps sein. Die Titel stammen aus dem Frankreich der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und sind Vertonungen von dem l’art pour l’art verpflichteten Texten, voller Symbole und weniger ein Geschehen als eine Stimmung wiedergebend.

Es beginnt mit Ravels Shéhérazade, ein Stoff, aus dem der Komponist eigentlich eine Oper machen wollte, von der nur die Ouvertüre fertiggestellt und als Steinbruch für drei sehr unterschiedliche Chansons benutzt wurde. In Asie nimmt der Sopran von Christiane Karg einen geheimnisvoll schwebenden Klang an und wetteifert an Farbenreichtum mit dem Orchester, klingt wie ein weiteres, besonders kostbares Instrument. La Flûte enchatée gibt er Sängerin die Möglichkeit, dem verhalten Heimlichen als Kontrast einen strahlenden Ton auf „joie“ entgegen zu setzen. Zum dritten Titel, L’Indifférent, weiß das Booklet eine interessante Geschichte über die unglückliche Liebe einer Dame der französischen Gesellschaft zu einem schwulen und deshalb abgeneigten Jüngling zu berichten.

Es folgen vier Lieder von Debussy auf Texte von Baudelaire, orchestriert von John Adams, beginnend mit Le Balcon, wo die Sängerin perfekt den Wechsel vom Parlando zum lyrischen Aufschwung beherrscht. Im Refrain von Le Jet d’Eau meint man in der Stimme das Funkeln von Wassertropfen in der Sonne zu sehen bzw. natürlich zu hören. Der Raffinesse in der Instrumentierung begegnet der Sopran in Recueillement mit einer feinen Verhaltenheit und Klarheit.

In frühen Liedern von Britten auf Texte von Hugo und Verlaine wird von der Sängerin das Verschwommene, eine Art „Zwischenstimmung“, sehr gut getroffen, das An- und Abschwellen des Tons in Sagesse ist besonders reizvoll, und in Chanson d’automne erfreuen raffinierte Pianissimi.

Charles Koechlin ist mit nur einem Track, Épiphamie, vertreten, und in ihm lässt der Sopran darüber staunen, wie klangvoll und dabei wie ein zartes Gespinst er über dem morbiden Klangteppich des Orchesters wie das zitierte fantôme léger lagern kann.

Drei Chansons von Duparc beschließen die CD, lassen in L’Invitation au voyage im zweiten Teil die Stimme schön aufblühen und ungewohnte Kontraste in Phidylé hören. Keine bessere Begleitung als die Bamberger Symphoniker, voller Sensibilität und atmosphärereich unter David  Afkham, konnte sich die Sängerin wünschen, der einmal mehr eine wirklich kostbare, mit Geschmack wie Können gestaltete CD gelungen ist (Berlin Classics 0300832BC)Ingrid Wanja         

Galeerenjahre

 

Der neben Meyerbeer meist gespielte französi­sche Opernkomponist im 19. Jahrhunderts war Jacques Francis Fromental Halévy, der am 27. Mai 1799 in Paris geboren wurde und 1862 in Nizza starb. Von den vierzig Opern Halévys waren die auch heute noch gespielten Bühnenwerke La Juive, Eclair, La Reine de Chypre und Charles VI, besonders erfolgreich, wie auch die von seinem Schwiegersohn Georges Bizet vollendete Noé. (La Reine de Chypre wird es im 2018 in Paris geben! (G. H.)

Richard Wagner (1813-1883) fertigte während seines ersten Pariser Aufenthaltes in den Jahren 1840 und 1841 für den Verleger Moritz Schle­singer diverse Arrangements und Klavierauszü­ge zu neu erschienenen Opern, darunter auch zu Gaetano Donizettis La Favorite, zu Aubers Zanetta und zu mehreren Opern von Halévy. Diesem letzteren  Komponisten, den er menschlich wie kompositorisch bis an sein Lebensende überaus geschätzt hat, ist Wagner wiederholt persönlich begegnet.

Anhand der Partitur des Le Guitarrero verfasste Wagner in den Monaten Februar bis April 1841 Klavierauszüge der Ouvertüre zu zwei und zu vier Händen sowie ein Arrangement der ge­samten Oper für Flöte und Streicher. Die Edi­tion dieses Arrangements gliedert die Oper in Ouvertüre und zwei Suiten mit je 6 Nummern. Mit seinen Arrangements verknappt Wagner die einzelnen Nummern, ohne musikalische Substanz zu opfern, wobei die Flöte in der Regel die Linie der Singstimme oder die des Hauptthemas über­nimmt.

In seinen „Pariser Berichten für die Dresdner Abendzeitung vom Februar 1841 attestiert Wag­ner der neuen Oper Halévys, der nach dem gro­ßen Erfolg der Juive an der Grand Opéra zu­nächst eine Reihe weniger erfolgreicher Opern herausgebracht hatte, einen besonderen Erfolg mit der Gattung der Komischen Oper an der Opéra-Comique.

Wagner klopft vergeblich an die französische Kasse/munichandco.blogspot.de

Diese nun bei VMS/ Zappel Music vorliegende Einspielung von Wagners Bearbeitung der Oper Le Guitarrero ist nicht nur in histori­scher Hinsicht aufschlussreich, etwa was das Oeuvre von Halévy und seine Rezeption anbe­langt. Wagners Pariser Opern-Bearbeitungen sind durchaus mit Überzeugung geschaffen, sie zeugen nicht nur von der musikalischen Fingerfertigkeit und Vielseitigkeit des Komponisten, sondern auch von seiner Meisterschaft, musik­dramatische Welten in reduzierter Form in den Konzertsaal oder in den häuslichen Salon zu übertragen.

Über seine Bearbeitung von Aubers Zanetta ou Jouer avec le feu (Zanetta oder Mit dem Feuer spielen ist gefährlich) hat Richard Wag­ner so gut wie nichts niedergeschrieben. Nur in einem Brief an Theodor Uhlig (nichtehelicher Sohn von Friedrich August II. von Sachsen, Gei­ger in der Dresdner Hofkapelle und Wagners bester Freund im Zürcher Exil) vom Mai 1852 kommt er darauf zu sprechen: „Schönsten dank für das Verzeichnis meiner musikalien: viel brauchen werd‘ ich’s allerdings nicht! Als ich vor 10 Jahren Paris verließ, schleppte ich die Hugenotten (Quatuor) Robert le diable (2 Violons), la Reine de Chypre und Zanetta mit, weil ich darnach und davon noch Arrangements zu machen hatte, die mir vorschußweise schon bezahlt waren: da mir diese arbeiten … aber unmöglich wurden, zahlte ich später die Vor­schüsse zurück, behielt aber die mustermusikalien, die Deine Phantasie jetzt allerdings grau­sam beschäftigt haben mögen. Dieß zu Deiner Beruhigung!“

Wagner, der „Held der kommenden Musik“/ Karikatur von Le Siflet (Privatsammlung)

Entgegen dieser Behauptung hat Wagner den Auftrag Schlesingers, für den er bereits in Paris einen Vorschuss erhalten hatte, im Juli 1842 in Deutschland ausgeführt. Aufgrund der äußeren Umstände der Erstellung seiner Bearbeitung unter finanziellem Druck, hat Richard Wagner sich offenbar nicht gern an die Zanetta erin­nert. Dies ändert jedoch nichts an der Qualität seiner Bearbeitung, wie auch an Wagners Wert­schätzung Aubers, die in seinen differenzierten Urteilen über dessen zahlreiche Opern zum Ausdruck kommt. Im ersten Teil von Wagners umfangreicher Abhandlung „Oper und Drama“ klassifiziert er die Autoren der Zanetta, Auber und Scribe: „Auf dem Theater der »Opera comi­que« war dieses unterhaltende, oft liebenswür­dige und geistvolle Genre heimisch, in welchem gerade dann immer das Beste geleistet wurde, wenn die Musik mit ungezwungener Natürlich­keit in die Dichtung eintreten konnte. Dieses Genre übersetzten nun Scribe und Auber in die pomphaftere Sprache der sogenannten großen Oper.“ Peter P. Pachl

 

Den vorliegenden Artikel sowie die nachfolgenden Inhaltsangaben/ musikalischen Anmerkungen entnahmen wir mit Dank an Peter P. Pachl der nachstehenden CD VMS 207. Richard Wagner: Opernbearbeitungen/ Arrangements d’opéras von Esprit Francis Auber  Zanetta ou Jouer avec le feu  sowie  Jacques Francis Fromental Halévy Le Guitarrero. Mit Adel Oborzil, Flöte;  Ulf Klausenitzer, Violine; Theo Nüßlein, Viola;  Wolfgang Nüßlein,Cello; P+C 2014 VMS/Zappel Music Eine Produktion von  pianopianissimo-musiktheater Produzent: Peter P. Pachl www.zappelmusic.com; Foto oben Karikatur zu Flotows „Martha“ von Liebig.

 

Auber: „Zanetta“, Opera-Comique 1840/ Figurine/Gallica/ BN

Die Handlungen der Opern: Esprit Francis Auber (Zanetta oder Mit dem Feuer spielen ist gefährlich) Personen: Carl VI., König beider Sizilien; Prinzessin Nisida, seine Schwester; Baron Rudolph de Montemart, Günstling des Königs; Freiherr Athanasius von Warendorf, Diplomat und Leibarzt des Kurfürsten von Bayern Zanetta, Tochter des Gärtners.  l.AKT Die königlichen Gärten in Palermo 1740. Eine Hofgesellschaft sitzt beim Frühstück. Darunter auch Athanasius und Rudolph. RW 1 Choeur: Bei Tische eröffnet der Freude das Herz Nach einem Loblied auf den Wein, der alle Trau­rigkeit vertreibt, trinken alle auf das Wohl ihrer Angebeteten, nur Rudolph erklärt, dass er noch keine Wahl getroffen habe. Darauf erhebt der Chor den Becher aufs Wohl jener Unbekannten, die Rudolph einst glücklich machen wird. Der König erscheint und entlässt Rudolph etwas ungnädig, der daraufhin beleidigt abzieht. Mit Athanasius allein, eröffnet diesem der König, dass er beobachtet habe, wie Rudolph der Gattin des Leibarztes nachstelle. Athanasius wischt diesen Verdacht beiseite, äußert aber gleichzei­tig die Vermutung, dass Rudolph eine Affäre mit Prinzessin Nisida, der Schwester des Königs, habe. Der König ist über diese mögliche Mesal­liance empört. Da erscheint Nisida und besingt in einer Arie ihre Sehnsucht nach ihrem Gelieb­ten, während sich Athanasius und der König im Buschwerk verstecken: Air: Es fließen leise murmelnd hin die Wellen RW 2 Der König und Athanasius versuchen ihr listig zu entlocken, ob sie eine Affäre mit Rudolph habe, indem Athanasius ihr vorlügt, dass Rudolph vom Pferd gefallen und tot sei; doch Nisida geht den Männern nicht auf den Leim: Trio: Oui si vous daignez m ‚apprendre/Wollt Ihr mir, gnädger Herr, vertraun Athanasius und Nisida gehen weg. Rudolph er­scheint, und der König wirft ihm eine Mesal­liance vor (wobei der die Frau von Athanasius meint, hinter der er selber her ist); Rudolph seinerseits aber glaubt, dass seine Affäre mit Nisida aufgedeckt wurde. Er gesteht dem König seine „unbesonnene, sträfliche Leidenschaft“, ohne aber einen Namen zu nennen. Nach und nach kann Rudolph dem eifersüchtigen König klar machen, dass er nicht der Gattin des Athanasius nachstelle, so dass Carl VI. sich nun ungehindert seiner Angebeteten erklären könne. RW 3 Nisida eilt herbei und erklärt ihrem geliebten Rudolph, dass er sich „offiziell“ in eine andere Dame am Hofe verlieben müsse, um so jeden Verdacht des Königs und des Leibarztes zu zer­streuen. Rudolph lehnt alle von Nisida vorge­schlagenen Hofdamen mit der Begründung ab, er habe dem König gegenüber von einer „sträf­lichen Leidenschaft“, also einer Mesalliance, ge­sprochen, deshalb komme nur eine „unstandes­gemäße Geliebte“ in Frage. Prompt naht diese in Person von Zanetta, der Tochter des Gärtners. Couplet: Darf es ein Gärtnermädchen wagen Nisida befiehlt Rudolph, Zanetta öffentlich im Park seine Liebe zu erklären; sie werde für die nötigen Augenzeugen sorgen.

Auber: „L´estoque“/ Figurine/ Opera Comique/ Figurine/Gallica/ BN

RW 4 Den Anweisungen der Prinzessin folgend, er­klärt Rudolph Zanetta seine Liebe. Der hinter einem Busch versteckte Athanasius ist ebenso mit dem zufrieden, was er gesehen hat, wie der hinzu kommende König (samt Hofstaat), dem Athanasius alles erzählt. Alle wissen nun von Rudolphs angeblicher Liebesgeschichte und amüsieren sich zu Zanettas Leidwesen darüber. Der Chor animiert angesichts des Frühlings­wetters: Geschwinde lasst die Segel schwellen und seid zur Meeresfahrt bereit. Final du ler Acte; 2. AKT Ein reiches, königliches Gemach. RW 5 Athanasius enthüllt dem König seine geheime Mission: er soll Prinzessin Nisida für den Kur­fürsten von Bayern und neuen deutschen Kai­ser als künftige Gemahlin testen. Der König verspricht Athanasius, seine Schwester umge­hend davon zu unterrichten. Athanasius geht weg. Rudolph kommt. Der König bittet seinen Freund um Verzeihung für die ungnädige Ent­lassung am Morgen; er sei sauer gewesen, weil er in Rudolph seinen Nebenbuhler gesehen habe. Er bittet Rudolph, ihm Athanasius die ganze Nacht vom Leib zu halten, damit er sich endlich ungestört dessen Frau nähern könne: Couplet: Dieser Mann ist wahrlich unerträglich. Der König gratuliert Rudolph im Weggehen zu seiner Zanetta, die gerade hereinspaziert. RW 6 Die glückliche Zanetta erzählt Rudolph, dass sie sich schon vor drei Jahren in ihn verliebt habe. Damals war er als Verwundeter aus dem Krieg zurückgekehrt und vor der Hütte ihres Vaters zusammengebrochen; sie hatte auf Weisung ih­res Vaters Rudolphs Wunden verbunden. Dafür und für andere hilfreiche Taten war ihr Vater dann zum Schlossgärtner bestellt worden. Zanetta bittet Rudolph, beim König zu erwir­ken, dass ihr Vater nun für all seine Verdienste in den Adelsstand erhoben werde. Rudolph sichert ihr das zu und fordert sie auf, eine Bittschrift zu verfassen und ihm zu bringen. König Carl ist bereit, seine Schwester dem Kurfürsten von Bayern zur Frau zu geben. Er ordnet an, dass sie „morgen Athanasius nach Deutschland begleiten müsse“. Nisida ist ver­zweifelt. Wie kann sie unbeobachtet mit ihrem Geliebten sprechen? Da kommt Hilfe in der Per­son von Zanetta, die Nisida bittet, die Erhebung ihres Vaters in den Adelsstand auf ihrer Bitt­schrift zu unterstützen. Nisida stimmt zu, weil sie so die Chance hat, Rudolph vor ihrer er­zwungenen Abreise auf dem Dokument die ge­heime Nachricht zukommen zu lassen, sich mit ihr nachts um zehn am Diana-Pavillon zu tref­fen. Duo: Was soll ich Arme wohl beginnen, um der Verbindung zu entrinnen?

Auber: „Fra Diavolo“/ Liebig

RW 7 Dummerweise bittet Zanetta auch Athanasius, die Erhebung ihres Vaters in den Adelsstand auf der Bittschrift zu unterstützen. Auf diese Weise erfährt Athanasius vom geplanten Rendezvous der Prinzessin mit Rudolph in der kommenden Nacht. Zanetta bringt Rudolph die Bittschrift mit der Nachricht der Prinzessin. Rudolph muss sich nun irgendwie vor dem abendlichen königli­chen Ball drücken, um sich mit Nisida treffen zu können: er spielt den Kranken. Der anwesen­de Athanasius diagnostiziert bei Rudolph gei­stesgegenwärtig eine fürchterlich ansteckende Krankheit: die Maladetta. Er verordnet strikte­ste Bettruhe. Zudem beordert er zwei Diener in den Park; sie sollen auf jeden schießen, der sich dem Diana-Pavillon nähert. Zanetta, die sich schon als Braut Rudolphs emp­findet, besucht den „Bettlägerigen“ und singt ihm ein trauriges Schlummerlied. So versäumt Rudolph den Zeitpunkt seines Stelldicheins mit der Prinzessin, aber auch Zanetta gelingt es nicht mehr, das von außen verriegelte Zimmer zu verlassen. Um ihrer Ehre willen fordert sie Rudolph auf, das Zimmer über den Balkon zu verlassen. Er folgt ihrer Bitte und geht; da fallen mehrere Schüsse; Zanetta fällt in Ohnmacht. Duo: Eh quoi! vouloir sans cesse partir/Nein, nicht länger darf ich weilen. 3. AKT Ein runder Pavillon nach italienischer Art. RW 8 Schwermütig bekennt Nisida: „Wenn man Rudolph braucht, ist er nie da!“ Die ganze Nacht hat sie vergeblich auf ihren Geliebten gewartet: Air: Wenn Lieb‘ ein Herz verwundet. RW 9 Der herbeieilende Athanasius fragt Nisida, ob sie in der Nacht Schüsse gehört habe; sie bejaht. Daraufhin berichtet er ihr, man habe auf einen Mann geschossen, der von einem Balkon herab oder an ihm hinauf gestiegen sei, und ihn dabei am Arm verwundet. Er ist davon überzeugt, dass es sich um Rudolph gehandelt habe. Der taucht jedoch unverletzt auf. Mit verletztem Arm naht hingegen der König, der auf dem Weg zu seinem nächtlichen Stelldichein angeschossen worden war. Auch Zanetta, die sich mit dem obligatorischen Blumenkörbchen nähert, ist verletzt: ihr Vater hat sie verprügelt, weil sie „die ganze Nacht im Zimmer Rudolphs zugebracht“: Quintett: Wohl hätt‘ ich einen Grund zu klagen. Nisida, obwohl in ihrem Stolz verletzt, verabre­det sich erneut mit Rudolph.

Dalayrac: „Camille ou le Souterrain“/ Figurine/ Opera-Comique ca. 1841/ Gallica/ BN

RW 10 Zanetta berichtet Rudolph, dass ihr Vater nicht an seine ehrlichen Absichten glaube und des­halb mit seiner Tochter den Königshof verlassen wolle. Rudolph verspricht ihr jedoch, die Reise gemeinsam mit ihr und ihrem Vater anzutreten. Auch die Prinzessin will heimlich mit Rudolph fliehen. Während draußen Zanetta tiriliert – das verabredete Zeichen, dass die Barke ihres Vaters zur Abfahrt bereit steht -, ist Rudolph hin- und her gerissen zwischen Ehrgefühl und Leiden­schaft. Schließlich gesteht er der Prinzessin, dass aus seiner vorgetäuschten Liebe zu Zanetta ein echtes Gefühl geworden sei. Der König, von einer Hofdame über die Flucht­pläne seiner Schwester unterrichtet, ertappt Rudolph, wie er vor Nisida auf den Knien liegt. Der König fordert sofortige Bestrafung dieser Mesalliance. Doch Zanetta rettet die Situation: „Mit mir, nicht mit der Prinzessin wollte Rudolph fliehen!“ Der schaltet schnell und erklärt, Nisida habe ihnen sehr geholfen, wes­wegen er ihr auf Knien gedankt habe. Erleichtert erhebt daraufhin der König Zanetta zur Marquise Blumenbach. Mit einem verächtlichen Blick auf Rudolph ver­abschiedet sich Prinzessin Nisida, tief getroffen und unglücklich: Ich werde diesen Kurfürsten von Bayern ehelichen, die deutsche Krone tra­gen.“ RW 11 Rudolph ist selig mit seiner Zanetta; für ihn fand das gefährliche Spiel mit dem Feuer doch noch ein glückliches Ende: Duo et Final: Euch winkt das Zepter und die Krone.

 

Halévy: „Le Guitarrero“, Opera Comique 1840/ Figurine/Gallica/ BN

Halévy: Le Guitarrero /Der Gitarrenspieler Personen: Don Alvaro de Zuniga, spanischer Besatzungs-Offizier; Ottavio, spanischer Offizier; Fabio, spanischer Offzier; Riccardo, Gitarrenspieler: Sara de Villareal, Tochter eines Edelmannes; Fra Lorenzo, spanischer Inquisitor; Martin de Ximena, portugiesischer Kaufmann; Manuela, Saras Tante. Die Handlung spielt 1640 in Santarem, einer Stadt am Ufer des Tejo in Portugal, zur Zeit der zu Ende gehenden spanischen Herrschaft. 1640 führte der portugiesische Herzog von Braganza eine Adelsrevolte gegen die Spanier an und rief sich als Johann IV. zum König aus. Er gründete die letzte portugiesische Dynastie, das Haus Bra­ganza, das von 1640 bis 1910 herrschte (zuletzt als Königshaus Sachsen-Coburg-Braganza) und von 1822-1889 auch in Brasilien regierte. l.AKT Vor dem Palais der Familie de Villareal RW 12: (Ouvertüre) RW 13: Introduction et Serenade Nr. 1 Ottavio, Don Alvar, Herrenchor der Offiziere: N’entends-tu pas, o maitresse/Hörst du nicht, geliebtes Wesen.  Der spanische Besatzungsoffizier Don Alvar de Zuniga ist eifersüchtig auf einen Gitarrenspie­ler, der vor dem Fenster seiner Angebeteten, der reichen Sara de Villareal, öfter Ständchen singt. Ottavio, ein anderer Offizier, versucht Don Alvar zu beruhigen: Sara de Villareal werde den Gitarrenspieler ebenso wenig erhören wie Don Alvar und die anderen Herren des Militärs. Serenade. Da naht Le Guitarrero, der fremde Gitarren­spieler, und singt vor Saras Fenster eine Sere­nade. Don Alvar erkennt im Nebenbuhler den armen Straßensänger Riccardo. Er verabredet sich mit ihm für die darauf folgende Stunde wieder vor dem Haus der Sara de Villareal. RW 14: Duo Nr. 2 Duett Riccardo/Don Alvar Entre nous fidele alliance/Unser treuer Bund. Don Alvar verspricht dem armen Riccardo bei ihrer Zusammenkunft Freundschaft, Adel und Reichtum. Nur dem Vorschlag des Offiziers, ihm auch eine Ehefrau zu verschaffen, widerspricht Riccardo heftig. Er ziehe die freie Liebe vor. In Wirklichkeit aber ist er unglücklich in Sara verliebt. Und genau mit der will Don Alvar ihn verkuppeln. Indem er Sara mit einem unstan­desgemäßen Mann verheiratet, will er sich an ihr rächen, weil sie ihm, dem spanischen Offizier, stets nur Ablehnung entgegengebracht hat. RW 15: Air Nr. 3 Arie Sara II existe un etre terrible protecteur magique et puissant/Es gibt einen großen, mächtigen Beschützer. Sara tritt auf. Sie empfindet den fremden Gitar­renspieler, den sie bisher noch nie zu Gesicht bekommen hat, instinktiv als ihren Beschützer. RW 16: Final Nr. 3b Finale Ottavio, Lorenzo, Fabio, Riccardo, Alvar, Her­renchor, Sara, Martin de Ximena, Chor der Bürger Voilà, ses valets, ses valets et ses pages/Da sind seine Diener, seine Diener und Pagen Die Obigen gesellen sich zu Sara, und wie mit Don Alvar und Riccardo (dem Alvaro alle mögli­chen Skrupel ausgeredet hat) verabredet, stellt Fra Lorenzo, der Inquisitor und spanische Gou­verneur von Santarem, Sara den mittellosen Gitarrenspieler als „Juan de Guymarens aus kö­niglichem Blute“ vor. Ein köstlicher Spaß für die Offiziere und offensichtlich eine angenehme Überraschung für Saras Tante Manuela (die mit den Spaniern kollaboriert), denn dieser Mann scheint ihrer Nichte zu gefallen. Saras Wangen brennen und ihr Herz klopft schneller, denn in ihrem ersten kurzen Gespräch erkennt sie Ri­ccardos Stimme als die des heimlich geliebten Gitarristen. In diesem Moment kommt der Kaufmann Mar­tin de Ximena vorbei, der den echten Juan de Guymarens kennt. Er lässt sich aber aus unbe­kannten Gründen auf das Verwirrspiel ein: er bestätigt, dass Riccardo von „königlichem Geblüt“ sei; Gewähr genug für Sara, in Riccardo, dem vermeintlichen Juan de Guymarens, den optimalen standesgemäßen Ehemann gefunden zu haben.

Halévy: „Le Guitarrero“, Opera- Comique 1840/ Figurine/Gallica/ BN

2. AKT Ein Saal im Hause Villareal RW 17: Air Nr. 4 Arie Riccardo D’un songe heureux/Ein glücklicher Traum. Riccardo ist selig: Sara liebt ihn, und bereits in einer Stunde wird er sie heiraten. In einem Dialog erfährt man, warum sich der Kaufmann de Ximena, der ja bei dem falschen Spiel mitmacht, in Santarem aufhält: er finan­ziert als Bankier den Aufstand der Portugiesen gegen Spanien, und Prinz Emanuel, Sohn des Herzogs von Braganza, soll den Coup in San­tarem anführen. RW 18: Duo Introduction et Serenade Nr. 5 Duett Riccardo/Sara Et par un mot peut-etre/Auf ein Wort vielleicht. Sara kommt und wundert sich über die Wortkargheit Riccardos und bedrückte Stimmung ihr gegenüber. Riccardo vermag der Geliebten die Aussage zu entlocken, edle Gesinnung stehe bei ihr noch über dem von ihr sehr geschätzten Adel, ja, sie würde den künfti­gen Gatten sogar noch mehr lieben, wenn er arm, heimatlos und verbannt wäre. Doch bevor es zu einer klärenden Aussprache der Liebenden kommen kann, erscheinen die Brautjungfern und nehmen Sara mit. RW 19: Sextuor Nr. 6 Sextett Manuela, Lorenzo, Alvar, Martin, Riccardo, Sara Voici Vinstant du mariage/Dies ist der Augen­blick der Vermählung. Die Hochzeitsgesellschaft ist versammelt. Fra Lorenzo, der Gouverneur, bekommt ein Schrei­ben aus Lissabon, das im mitteilt, Emanuel, der Sohn des Herzogs von Braganza, halte sich heimlich in Santarem auf, um den Aufstand gegen Spanien anzuführen. Fra Lorenzo beru­higt die Hochzeitsgesellschaft: man habe die politische Lage im Griff, die Hochzeit könne gefeiert werden. Beunruhigt ist hingegen der Bräutigam, der seiner Sara in einem Schreiben die Wahrheit über seine niedere Herkunft gestanden, aber noch keine Antwort erhalten hat. Don Alvar beruhigt Riccardo mit der Lüge, Sara habe sei­nen Brief vor aller Augen gelesen. In Wirklichkeit aber hat Tante Manuela das Schreiben abgefan­gen, das sie Sara erst nach der Trauung zu lesen geben will. Die Hochzeits-Gesellschaft zieht zur Kirche.

Halévy: „Le Guitarrero“, Opera- Comique 1840/ Figurine/Gallica/ BN

RW 20: Final Nr. 6 a Finale Chor, Fra Lorenzo, Manuela, Alvar, Sara, Riccardo Oui que les cloches retentissentJa, die Glocken erklingen. Der Chor besingt noch die glücklich vollzogene Trauung, als Fra Lorenzo allen enthüllt, dass der echte Juan de Guymarens in Wirklichkeit tot sei. Wer also ist der falsche Juan? Sara for­dert ihren Angetrauten auf, sich zu verteidigen, doch Don Alvar verkündet das Ende des Komödienspiels: Riccardo solle wieder zu sei­nem Bänkelsängerdasein zurückkehren. Ri­ccardos Bitte um Verzeihung schlägt Sara aus. Don Alvars Rache für Saras Abweisung ist ge­glückt: sie wurde durch die Hochzeit mit einem Mann von niederem Stande entehrt. Don Alvar ist sich sicher, dass die Ehe mit einem Bettler Saras stolzen Sinn brechen wird. 3. AKT Ein Saal im Hause Villareal RW 21: Air Nr. 7 Arie Sara Je n’ose lire dans mon äme/Ich darf auf mein Herz nicht hören. Sara ist hin- und her gerissen zwischen Liebe und verletztem Stolz. Gegen die Stimme ihres Herzens weiht sie sich dem Zorn und der Rache an Riccardo. RW 22: Romance Nr. 8 Arie Sara Je connais mes devoirs/Ich kenne meine Pflicht. In einer weiteren Arie, einer Romanze, weist Sara Riccardo auf ewig von sich; er solle in die Verbannung ziehen. RW 23: Chor Nr. 8b Ensemblestück und Chor: Sara, Manu­ela, Riccardo, Fra Lorenzo, Ottavio, Fabio, Alvar, Martin Mein Herr, was sagen sie. Der Kaufmann Martin de Ximena eröffnet Riccardo, dass nur mit dem Einsatz seines Lebens der Aufstand gegen die Spanier zu retten sei; den spanischen Offizieren gegenüber ent­hüllt er, dass Riccardo in Wirklichkeit Prinz Emanuel sei und die Adelsrevolte gegen Spani­en anführe. Daraufhin wird Riccardo verhaftet; Fra Lorenzo, der den Aufstand noch zu verhin­dern versucht, verurteilt Riccardo als vermeint­lichen Prinz und Anführer zum Tod. Saras Verwirrung ist komplett: den sie liebte und zu hassen glaubte, ist nun doch kein Bettler, sondern von hohem Adel. Nr. 9 Duett: Ja, von jetzt an Finale Sara, Riccardo – Manuela, Fra Lorenzo,Ottavio, Fabio, Alvar Ah mon Dieu, mon Dieu quelle nouvelle! 0 Gott, mein Gott, welche Neuigkeiten! Sara gesteht Riccardo, dass sie, während sie sich entschloss, an ihm Rache zu nehmen, ihn doch geliebt habe. Nun sei sie bereit, mit ihm in den Tod zu gehen. Da nähert sich das revoltierende Volk von Santarem dem Palais. Zu Riccardos Überraschung kniet das Volk vor ihm, dem Straßensänger, nieder und feiert ihn als Helden. Jetzt offenbart sich mitten unter dem Volk der wirkliche Prinz Emanuel und erhebt unter dem Jubel des Volkes den armen Straßensänger Ric­cardo zum Grafen von Santarem. So hat Le Guitarrero auf voller Linie gesiegt: als Künstler, als Liebender und als Mensch. Peter P. Pachl

 

 

Orient gegen Okzident

 

Armide ist die letzte beendete Oper von Jean-Baptiste Lully. Die „Tragédie en musique“ in fünf Akten und einem Prolog wurde 1686 uraufgeführt, im Jahr darauf starb der gebürtige Italiener in Paris. Das Thema aus Tassos „La Gerusalemme liberata“ wurde vielfach vertont, die Fassung des Librettisten Philippe Quinault inspirierte noch Haydn zu seiner Armida. Die Geschichte aus dem 1. Kreuzzug über den christlichen Ritter Renaud und die Zauberin Armide konzentriert sich auf die seelischen Zustände der Titelfigur, deren Hassliebe zu Renaud den Handlungsrahmen vorgibt: Dämonen werden beschworen, allegorische Figuren wie der Hass, aber auch „Un amant fortuné“ -ein glücklicher Liebender – treten auf. Leidenschaften und Idyllen, dunkle Streicher und pastorale Szenen, kontrastierende Affekte und psychologisches Gespür bilden die Elemente und Gegensätze in dieser wirkungsvollen Tragödie. Armide besitzt viele bemerkenswerte Szenen, der 5. Akt ist ein Höhepunkt – Armide und Renaud versichern sich ihrer Liebe, doch die Musik drückt schon Wehmut und Abschied aus, eine darauf folgende große Passacaglia leitet über zu einer allegorischen Utopie der glücklichen Liebe, die den Verlust des zu Pflicht und Ruhm in den Krieg zurückkehrenden Ritters umso trauriger wirken lässt. Armide beklagt erst verzweifelt Untreue und Verlust .- l’horreur de l’éternelle nuit“ – bevor der Hass durchbricht -„l’espoir de la vengeance“- in der Hoffnung auf Rache beschwört sie Dämonen und Orient und Okzident stehen sich erneut als Feinde gegenüber.

Die Herzogin von Trémoille von Jean Marc Nattier, 1741/ Wiki/ mit den Noten von Lullys „Armide“ auf dem Schoß

Dirigent Christophe Rousset.liefert mit Armide nach Bellérophon, Persée, Phaéton, Amadis und Roland einen weiteren gewichtigen Baustein in der Lully-Diskographie, die beiden nächsten Kandidaten auf seiner Wunschliste sind Isis und Alceste. Rousset bezeichnet Armide als Lullys kompletteste und schönste Oper – beim Zuhören ergibt sich schnell der Eindruck von großer qualitativer Homogenität. Les Talens Lyriques musizieren Lullys abwechslungsreiches Werk präzise, voller Spannung und barocker Atmosphäre. Die neun Solisten dieser Aufnahme wurden ohne Schwachpunkte besetzt. Armide ist eine zerrissene, tragische Figur und hat große Szenen zu singen, Marie-Adeline Henry überzeugt mit präsenter Stimme, die den Zwiespalt und die schwankenden Stimmungen stimmlich mit expressiver Färbung vermittelt, ihre Armide klingt nie eindimensional, sondern hat Konturen, ihr charaktervoller, dunkel gefärbter Sopran passt außerordentlich gut zur Vielschichtigkeit ihrer Figur. Renaud ist bei Antonio Figueroa in guten Händen. Die Rolle des Kreuzritters bleibt in der Handlung blass gegenüber der Zauberin, vielleicht liegt es daran, dass der gefällig klingende lyrische Tenor nicht ganz auf Augenhöhe mit seiner Partnerin zu wirken scheint. Hidraot – der König von Damaskus und Onkel von Armide – wird von Douglas Williams mit vornehmen Bassbariton gesungen, sehr schön erklingt der schlanke Tenor von Cyril Auvity in der Doppelrolle als Chevalier Danois und Amant fortuné. Weiterhin wird diese überzeugende Einspielung ergänzt durch Judith van Wanroij (La Gloire, Phénice, Mélisse, Une nymphe des eaux), Marie-Claude Chappuis (La Sagesse, Sidonie, Lucinde, Une bergère héroïque), Marc Mauillon (Aronte, la Haine), Etienne Bazola (Ubalde), Emiliano Gonzalez Toro (Artémidore) und den Choeur de Chambre de Namur. Es handelt sich um eine konzertante Live-Aufnahme aus der Grande Salle Pierre Boulez der Pariser Philharmonie vom Dezember 2015. Zuvor gab es eine szenische Aufführung an der Opéra National de Lorraine in Nancy anlässlich des 300. Todesjahres des Sonnenkönigs Ludwig XIV, ein Foto dieser Produktion befindet sich auf dem Cover. Das Beiheft mit Erläuterungen und Libretto ist in Französisch und Englisch enthalten. (2 CDs, Aparté Ap135) Marcus Budwitius

 

L´Espagne fait à Munich

 

So verhalten ironisierend sich spanischer Folklore-Elemente annehmend die Begleitung zu Maurice Ravels L’Heure Espagnole klingt, so ungehemmt eben diese Rhythmen auskostend ist Emmanuel Chabriers populäre üppige ( wie die von ihm gerühmten ausladenden Hinterteile der Spanierinnen) Espa͠na-Rapsodie für Orchester, beide auf einer CD vereint und vom Münchner Rundfunkorchester unter Asher Fisch bei BR-CDs dargeboten.

Die Geschichte von der liebeshungrigen Uhrmachermeistergattin, die die wöchentlich wiederkehrende Stunde, in der ihr Mann die Rathausuhr wartet, zu Sexabenteuern nutzt, wird nicht nur vom Orchester recht sparsam begleitet, sondern bietet auch den Sängern wenig Raum zu lyrischen Ausschweifungen, lässt sie vielmehr in einem knappen Parlandostil ihren Gefühlen Ausdruck verleihen. Diesen können der Mezzosopran, die beiden Tenöre und die zwei Baritone ohne Anstrengung pflegen, denn der Dirigent hält das Orchester betont zurück und im Hintergrund.

Gaëlle Arquez hat gegenüber dem vielfach gehörnten Gatten den angemessenen schnippischen Ton, weiß gegenüber dem Maultiertreiber Ramiro ihrem Mezzosopran einen verführerischen Klang zu verleihen und klingt, je mehr Liebhaber sich zur Unzeit in ihrem Haus einfinden, immer gehetzter und damit auch passend leicht scharf. Den nur kurz, vor allem im Finale, einer Habanera-Parodie, auftretenden Torquemada singt Mathias Vidal mit mildem, anonymem Ton. Viele unterschiedliche vokale Register kann hingegen der Ramiro von Alexandre Duhamel ziehen, erst seinen Bariton recht raubeinig eingesetzt, wird dieser mit zunehmendem Erliegen gegenüber den Reizen von Concepción  geschmeidiger und weicher. Von Anfang an so beschaffen ist die Stimme von Julien Behr, der mit hübschem lyrischem Tenor den Poeten Gonzalve singt. Lionel Lhote ist der schwerfällige Don Inigo Gomez, und sein Bariton klingt behäbig, ist weniger auf Schöngesang als auf Charakterisierung bedacht. Obwohl ein solches Stück natürlich seinen ganzen Reiz erst mit der dazu gehörenden Optik entfalten kann, gestalten die Sänger ihre Partien auch mit nur rein akustischen Mitteln so plastisch, dass das Anhören Vergnügen bereiten kann (BR 900317). Ingrid Wanja

Kristine Jepson

 

Mit Bedauern hörten wir vom Tod der amerikanischen Sängerin Kristine Jepson, die mit nur 54 Jahren ihrem Krebsleiden am 21. April 2017 in New York erlag. Als „Werther“-Charlotte in Frankfurt und in anderen Rollen an anderen deutschen Häusern wie Hamburg ist sie auch bei uns eine namhafte Mezzosopranistin gewesen. Im Folgenden eine Biographie. G. H. 

 

Kristine Jepson was born in Iowa and completed her musical studies at the University of Indiana at Bloomington.  Her performances as the Composer in Ariadne auf Naxos in Boston and as Sesto in La Clemenza di Tito with the St. Louis Opera established her as an important new artist and this was developed further when she appeared as Dorabella in Cosi Fan Tutte in Miami, as Elizabeth Proctor in The Crucible in Washington, as Judith in the Vancouver Opera’s production of Bluebeard’s Castle, as Annio in La clemenza di Tito in Dallas and Santiago, and as Rosina in Il Barbiere di Siviglia with the New York City Opera.  The 2000/2001 season was a pivotal one in the artist’s career as she then made several significant debuts: she bowed in Paris at the Bastille Opera in Faust, and at the San Francisco Opera as Sister Helen in the world premiere production of Jake Heggies‘ Dead Man Walking.

Kristine Jepson als Charlotte in Massenets „Werther“ an der Oper Frankfurt/ Szene mit Piotr Beczala/ Foto youtube-Trailer der Oper Frankfurt

Jepson made her Metropolitan Opera debut in Britten’s Death in Venice and has since returned to the company for many roles; first as Stephano in Romeo et Juliette and Cherubino in Le Nozze di Figaro (a role which she also has sung in Washington and Dallas), Idamante in Idomeneo, and subsequently for her first performances of Octavian in Der Rosenkavalier, and as the Composer in Ariadne auf Naxos.  In recent seasons she starred in two new productions at the Metropolitan Opera under James Levine appearing as Ascanio in the Metropolitan’s new production of Berlioz’s Benvenuto Cellini and Siebel in a new production of Faust.  She debuted in Amsterdam in concert as Erika in Radio Vara’s concert performance of Barber’s Vanessa opposite Carol Vaness.  She then made her stage debut in Amsterdam as Cecilio in Mozart’s Lucio Silla.  In the autumn of 2004 she bowed at the Royal Opera, Covent Garden as Dorabella.

Jepson has been a frequent guest in Santa Fe where she has been heard as the Composer in Ariadne auf Naxos, as Sesto in 2003 and as Nero in Handel’s Agrippina in 2004.  She has also been heard as Sister Helen in Dead Man Walking for the Pittsburgh Opera and Michigan Opera Theatre and as Dorabella in Cosi fan tutte for Opera Pacific.  She sang her first Adalgisa in  Norma for Cincinnati Opera, and also returned that year to Paris as Niklausse in Les Contes D’Hoffmann.  In the summer of 2005 Jepson debuted at the Aix en Provence as Sesto, and sang first performances of Charlotte in Werther in a new production for her debut at the Frankfurt Opera.  InFebruary of 2006 she debuted at the Gran Teatro del Liceu in Barcelona as Idamante in Idomeneo followed by her debut at the Semper Oper in Dresden in the European premiere of Dead Man Walking.  She returned to the Teatro alla Scala in Ariadne auf Naxos, as well as to the Semperoper Dresden for both Ariadne and Der Rosenkavalier and subsequently made her debut with the Seattle Opera in her first performances of Sesto in Giulio Cesare.

Kristine Jepson has appeared in leading theaters internationally including the Metropolitan Opera, Teatro alla Scala, Royal Opera, Covent Garden, Theatre Royale de la Monnaie, Opera National de Paris, Royal Opera, Covent Garden, Bavarian State Opera, Hamburg State Opera, Flemish Opera, San Francisco Opera. Canadian Opera Company, Santa Fe Opera and many others.  Jepson has won special acclaim for roles such as Sesto in Mozart’s La Clemenza di Tito, the Composer in Strauss’sAriadne auf Naxos and, Sister Helen in Dead Man Walking.  In December of 2000 Jepson sang her first performances as Octavian in Der Rosenkavalier at the Metropolitan Opera and was praised highly for her interpretation of this cornerstone of the mezzo repertoire.  She has since made her debuts at the Teatro alla Scala, Theatre de La Monnaie in Brussels, the Hamburg State Opera and Bavarian State Opera in Munich all as Octavian.

Kristine Jepson als Octavian mit Patricia Ciofi/ Sophie im „Rosenkavalier“ am San Carlo Genova/ Foto youtube-Trailer Teatro San Carlo Genova

Kristine Jepson began the 2008/2009 season as Mere Marie in Dialogues des Carmelites in Oviedo before returning to Covent Garden as Nicklausse in Les Contes D’Hoffmann.  Ms. Jepson joined the Detroit Symphony Orchestra conducted by James Conlon for Das Lied von der Erde.  She was scheduled to sing her first performances of Fricka in Das Rheingold and Die Walkuere at the Deutsche Oper Berlin under Donald Runnicles.

In the 2007/2008 season Kristine Jepson made her debut in Vienna in the Austrian Premiere of Dead Man Walking at the Theater an der Wien.  She then returned to the Teatro Alla Scala in Milan in a concert of Mendelssohn’s Lobgesang under Riccardo Chailly.  In February of 2008 Jepson debuted at the Teatro Carlo Felice in Genoa in Der Rosenkavalier.  She sang Adalgisa in Normaf or Opera Company of Philadelphia, and sang the Composer in Ariadne auf Naxos at Royal Opera, Covent Garden.  Other engagements during the course of the 2007/2008 season included concerts of Duparc in the Netherlands, as well as the United States premiere of Handel’s Giove in Argo with the Collegiate Chorale in Avery Fisher Hall.

Kris Jepson regularly appears in concert.  Recent appearances have included Mozart’s C Minor Mass and Schumann’s Das Paradis und die Peri at the Mostly Mozart Festival under Gerard Schwarz.  She has also performed this work at the Seattle Symphony and for her debut with the San Francisco Symphony.  She has sung often at the Cincinnati May Festival under James Conlon; most recently in Franz Liszt’s rarely performed oratorio. St. Stanislaus.

Other roles in the artist’s repertoire include the title roles in Gluck’s Orfeo ed Euridice, Handel’s Ariodante and Romeo in Bellini’s I Capuleti ed I Montecchi. Ms Jepson residesd in New York City and Santa Fe. (Quelle http://www.kristinejepson.com/ Foto oben: Kristine Jepson als Charlotte in Massenets „Werther“ an der Oper Frankfurt/ Foto youtube-Trailer der Oper Frankfurt)

 

Spiros Samaras „Rhea“

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Spiros Samara, Griechenlands großer Komponist, starb am 7. April  1917 – ein Anlass für den griechischen Dirigenten und Musikwissenschaftler Byron Fidetzis, mit zwei konzertanten Aifführungen das Andenken diesen bedeutenden Mann zu würdigen: am 12 Mai mit Mademoiselle de Belle Isle im Athener Megaron und am 19 Mai mit Rhea im alten Athener Opernhaus. Grund auch für uns, Spirios Samara noch einmal vorzustellen, denn außerhalb Griechenlands ist er einem Publikum kaum präsent. (Und als Nachtrag von 2023 gibt es den Hinweis auf die Samara-Oper Lionella, im Notenmaterial unvollendet und von Byron Fidetzis im Januar 2023 in Athen komplettiert und aufgeführt, bei youtube zu erleben. Für 2024 ist Samaras ebenfalls nicht vfollendete Oper Medgé geplant.)

Die Tatsache, dass Rhea die einzige Oper im internationalen Kanon ist, die das Thema der Wiedererstehung der Olympiade zum Thema hat, ließ sie eine ideale Wahl zur Aufführung bei den Olympischen Spielen in Athen 2004 sein. Und dazu ist sie auch noch als Oper ein Meisterwerk, das Zeugnis von einer der fruchtbarsten Epochen der griechischen und abendländischen Musik ablegt – dies zu einer Zeit, als Griechenland musikalisch eng mit ltalien verbunden war. Rhea ist eine Oper von internationalem Prestige, so würde man meinen.

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„Rhea“: Foto von Samara mit Widmung 1913/ Samara Archive

Im Theater van San Giacomo auf Samaras Geburtsinsel Korfu, eines der wichtigsten des westlichen Mittelmeeres, hatte es stets ein Hin und Her an Opernaufführungen nach 1771 durch bedeutende italienische Truppen gegeben, was einen farbenprächtigen kulturellen Trend zur Frage hatte. Oper schlug als west­europäisches Genre auf den übrigen ionischen lnseln ebenfalls Wurzeln und blieb dort auch während des Britischen Protektorats (1814 – 64) heimisch. Während dieser Periode kann man das zeitlich parallel  Zutagetreten von Dutzenden hochbegabter griechischer Komponisten beobachten – ein weltweit einzigartiges Phänomen –, als ob der Deckel einer Schachtel abgehoben  worden wäre. Der erste war Nikolaos Halikiopoulous-Mantzaros (1795 – 1872), der die Dichtung des Dionysios Solomons , „Hymne an die Freiheit“, in Musik setzte und der als Lehrer die Komponisten-Generation der lonischen lnseln auf das neapolitanische Konservatorium San Pietro a Maiella vorbereitete.  1840 war Korfu bereits reif genug für eine eigene Musikakademie internationalen Zuschnitts. Der Ecumenische Patriarch jedoch machte sich Sorgen, die lnseln seien unter den Einfluss der verderbten Franken gefallen. Die Akademie wurde hastig unter die Oberaufsicht des orthodoxen Klerus gebracht und verkümmerte nach dem Tode Mantzaros‘ zu einer unbedeutenden Banda-Schule, die nur noch bei Festlichkeiten spielte. Dem griechischen Klerus, der ganz vehement die westliche Musik bekämpfte, folgten später als Leitung der Akademie der Multimillionar Andreas Syngros und der Komponist Manolis Kalomiris, beide umtriebige Anhänger des ideologischen Konstruktes, das Griechenlands enge Verbindung zum Osten stützte.

„Rhea“: Dimitria Theodossiou sang die Titelpartie in Athen 2004/filmora

Beide bekämpften auch die lonischen lnselbewohner und eben Samara und brachten damit die griechische Musik um ihre internationale Komponente. Vor allem Syngros, der im Handel mit den Türken ein Vermögen verdient hatte und der durchaus als verlängerter Arm des untergehenden osmanischen Reiches angesehen werden kann, spielte mit seiner Hinhalte- und Verzögerungstaktik (er kaufte sogar das Athener Theater, um Samara nicht aufführen zu lassen) eine ganz unrühmliche Rolle. Und bis heute schwelt dieser Konflikt zwischen Verachtung der westlichen kulturellen Werte und der schon trotzigen Anklammerung Griechenlands an den Westen. Die griechische Gesellschaft scheint als Ganzes nicht sonderlich an ihren Wurzeln auch im Westen interessiert zu sein, wie der fast alleinige Kampf des Pioniers und Dirigenten Byron Fidetzis im Ringen um die Wiederentdeckung der inzwischen fast unbekannten griechischen Musik nach der Befreiung van den Türken demonstriert. Es ist ebenso bezeichnend, dass Fidetzis fast alle seine Wiederaufführungen und Einspielungen mit bulgarischen Musikern und Chören machen musste und dass nur sehr wenige griechische Sänger von Rang „zu Hause“ geblieben sind und für Aufnahmen dieser inzwischen vergessenen Werke zur Verfügung stehen.

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"Rhea": Katalog zur Ausstellung anlässlich der Aufführung 1994 auf Korfu/Sonzogno

„Rhea“: Katalog zur Ausstellung anlässlich der Aufführung 1994 auf Korfu, dazu auch das Bühnenbild oben/Sonzogno

Spyridon-Filiskos Samara, Sohn des Vizekonsuls Skariatos, wurde am 17. November 1861 auf Korfu geboren, wo er unter anderem van dem Komponisten Xyndas unterrichtet wurde. Auf dessen Rat ging er an das Athener Konservatorium (1875), als sein Vater das Familienverm6gen verschleudert hatte. Dank der Aufopferung der Mutter Fani Courtenay und seines liebevollen Lehrers für Komposition, Enrico Stancabianco, konnte er seine Studien beenden und wechselte 1882 nach Paris, wo er in Marquis de Saint lllaire und weiteren Adligen großzügige Mäzene für seine weiteren Studien und die ersten Veröffentlichungen fand. Theodore Dubois und Leo Délibes zählten zu seinen Lehrern. Kurz nach Kompositionsbeginn zu seiner Oper Medge (1885) erreichte ihn der Auftrag des Mailänder Musikverlegers Edoardo Sonzogno für eine Oper, Flora mirabilis, auf das Libretto seines langen Bewunderers und Puccini-Librettisten Ferdinando Fontana. Die Premiere am Mailänder Teatro Camano 1886 wurde zum Beginn einer internationalen brillanten Karriere. Samaras Werke wurden in aller Welt enthusiastisch begrüßt – in Ägypten, Argentinien, Österreich, Frankreich, Deutschland, Griechenland und besonders ltalien, Malta, Rumänien, Russland und sogar der Türkei (Ankara und Istanbul hatten gutgehende, westlich orientierte Opernhäuser). Seine musikalische Persönlichkeit, sein Talent im Erschaffen von Bühnendramen und -handlungen und seine Begabung für die Analyse nahmen Puccini, Leoncavallo und die italienische veristische Bewegung des Naturalismus in der Oper voraus.

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Rhea“: Figurinen zur Uraufführung/Sonzogno

Dem ersten Werk folgten weitere: Medgé (Rom 1888), Lionella (Scala 1891, verschollen). La Martire (Neapel 1894/ die Einfluss auf Puccinis La Bohème nahm), sowie die auf Shakespeare basierende La Furia domata/ Der Widerspenstigen Zähmung (Mailand 1895, verschollen) . 1891 kehrte Samara nach Paris zurück. Für die Wiedererweckung der Olympischen Spiele in Athen 1896 komponierte er eine Hymne, die später die offizielle der Spiele wurde (auf einen Text von Kostas Palamas). In der Folge wurden seine Libretti auf Französisch von Paul Milliet geschrieben: Une histoire d’amour (Mailand 1903), Mademoiselle de Belle Isle (nach Dumas, Genua 1905) und seine letzte vollständige Oper Rhea (in der Nachübersetzung ins ltalienische  durch  den  Komponisten  selbst).

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Diese letzte große Inspiration zeigt einen endlosen Musikfluss und scharf umrissene Einheiten (wunderbare Duette), ein komplexes System von Eröffnungsmotiven (vor allem des eifersüchtigen Schurken Guarcas) und das himmlische Intermezzo, das einen wirklich bleibenden Eindruck hinterlässt. 1911 hatte Samara, immer noch in Paris, den unvollendeten ersten Akt seiner Tigra nach einem Text von Simoni (Puccinis Librettisten) vorliegen. Nur seine enge Freundschaft zur königlichen Familie und das Versprechen, den kontroversen Vorgänger Georgios Nazos als Direktor des Athener Konservatoriums ablösen zu können, brachten Samara zurück in die Heimat. Nazos war ein unversöhnlicher Widersacher der lonischen Schule und von dem ,,Kollaborateur“ Syngros installiert worden. Nun rotteten sich Syngros‘ Gefolgsleute gegen Samara zusammen. Der junge Kalomiris griff ihn geradezu vitriolisch an, während Nazos – von stärkeren Schultern als denen des schwachen deutschen Königs Otto gestützt – unverändert feindlich blieb.

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Samaras Heirat mit Anna Antonopoulou zwang ihn, für den Lebensunterhalt der Familie Geld verdienen zu müssen – er komponierte drei Operetten (herrliche Musik auf schreckliche Libretti). Er schrieb auch die Musik zu seiner eigenen Vorlage Triumph 1915 und viele Lieder. 1943 zerstörte ein Luftangriff die Büros seines italienischen Verlagshauses Sonzogno in Mailand, wo die meisten seiner Werke lagerten. Nur seine Witwe besaß nun noch einiges in einem alten Koffer. Seine Wiederauferstehung als Komponist begann erst 1985, vor allem durch  die beispiellose Initiative von  Byron Fidetzis.

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Dirigent und Pionier der griechischen Musik, Byron Fidetzis/Lyra

Dirigent und Pionier der griechischen Musik, Byron Fidetzis/Lyra

Dokumentation: Fidetzis hat die „offizielle“ Einspielung der Rhea bei Lyra (vergriffen wie der gesamte Lyra-Katalog; erst in einer luxuriösen LP-Ausgabe und dann als CD nachgeschoben) als Mitschnitt aus Korfu 1984 aufgenommen. Die Wiederausgabe auf CD ist einer der Projekte zur Neubelebung der griechischen Oper durch Fidetzis & fils, über das in operalounge.de bereits berichtet wurde. Die ist neuerdings auch bei youtube zu hören. 1999 dirigierte Fidetzis erneut die Rhea mit Giulia Souglakou und dem heute berühmten Bassisten Tassis Christoyannis (damals noch Christoyannopoulos) in Athen, wovon bei Sammlern ein Live-Mitschnitt kursiert. Nikos Athineos schließlich leitete die bereits erwähnte Rhea bei den Olympischen Spielen 2004 mit Dimitria Theodossiou und Lucio Gallo (Guarca), auch hiervon existiert ein Mitschnitt. Dem Artikel liegt die Einführung von Yorgos Leotsakis im Programmheft zur halbszenischen Rhea beim Athen-Festival 2004 zugrunde. Übersetzung und Erweiterung/ Bearbeitung: Geerd Heinsen/ Bettina Mara

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"Rhea": Cover Klavierauszug "Flora mirabilis"/Sonzogno

„Rhea“: Cover Klavierauszug „Flora mirabilis“/Sonzogno

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Ganz kurz ein Blick auf weitere Dokumente von Samara: Die Mademoiselle de Belle Isle gab es als Mitschnitt bei Lyra von einem Konzert in Pasardijk/Bulgarien 1994 (Fidetzis/Arapi, Krilovici/ italienische Version von Amintore Galli nach Milliet auf die Komödie von Alexandre Dumas); La Martire ist 1990 ebenfalls in Pasardijk aufgenommen bei Lyra als CD erschienen (und liegt in der deutschen und damals viel im deutschsprachigen Raum gespielten Fassung bei Bote & Bock, heute Boosey & Hawk); ebenfalls bei Lyra gab es als CD La Biondinetta (1998 Pasardijk/Fidetzis mit Arapis und Stamboglis; erschienen bei Naxos) und nun auch bei youtube. Flora Mirabilis gibt es in Ausschnitten von 1979 unter Odisseus Dimitroadis mit Frangiskos Voutsinos (der in Belgien eine Karriere machte). Und schließlich kann man den ersten Akt von La Tigra bei youtube hören, erneut dirigiert Byron Fidetzis. Lionella ist nun – weie oben berichtete – bei youtube als Konzertmitschnitt von 2023 aus der Maria Callas Olypic Concert Hall verfügbar.

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„Rhea“: Figurinen zur Uraufführung/Sonzogno

Spiros Samara: Rhea, Dramma lirico in tre atti, Libretto von Paul Milliet, italienische Adaption vom Komponisten, Ort/Zeit Die Insel Chios in der östlichen Ägeis im 15. Jahrhundert; Uraufführung: Teatro alla Scala, Mailand November 1910Personen: Spinola (italienischer Gouverneur und Waffenmeister) – Bass, Lysias (athenischer Wettkämpfer) – Tenor, Guarca (venezianischer Vertrauter Spinolas und Kommandant der Insel) – Bariton, Rhea (Gattin des Spinola griechischer Herkunft) – Sopran, Dafne (Spinolas Tochter aus erster Ehe) – Sopran, Ein Semann – Tenor.

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„Rhea“: Cover Klavierauszug „La Martire“/Sonzogno

Inhalt/Erster Akt: Die Handlung spiel! auf der griechischen lnsel Chios im 14. Jahrhundert, die von den ltalienern besetzt und verwaltet wird. Im Stadion bejubelt die Menge den griechischen Athleten Lysias, der einen ltaliener im Ringkampf besiegt hat. Unter den Ehrengästen befinden sich der italienische Gouverneur Spinola, seine Frau Rhea, seine Tochter Dafne aus erster Ehe und sein Kommandant Guarca. Dafne überreicht dem Sieger den Lorbeerkranz. Rhea und Lysias waren einst Liebende, was nur Guarca ahnt. Lysias wispert Rhea zu, wie sehr er sich noch immer nach ihr sehnt. Spinola und Guarca, der ebenfalls in Rhea vernarrt ist, wollen mit Lysias eine Allianz gegen die Sarazenen besprechen . Guarca ist voller Argwohn und konfrontiert Rhea mit seinem Verdacht. Sie leugnet. Um sie zu kränken und zu testen, suggeriert er Spinola, seine Tochter mit Lysias zu verloben, um die Bindungen mit den Besetzern zu stärken. Guarca gibt Rhea einen Ring, den sie vor einiger Zeit verloren hatte. Er hat ihn mit tödlichem Gift füllen lassen, seine Liebesgabe für den Fall einer tödlichen Krankheit oder für unerträglichen Schmerz. Als sie davonläuft, bekräftigt er in einem Monolog seine Absicht, Lysias zu töten und Rhea um jeden Preis für sich zu gewinnen oder sie in den Selbstmord zu treiben (Ponchiellis Barnaba und Verdis Jago grüßen). Dafne erzählt er, Lysias sei ganz vernarrt in sie. Der Mond steigt auf – in einem wunderbaren Arioso besingt ihn Lysias, der auf Rhea wartet. Guarca beobachtet ihn und schäumt vor Eifersucht.

"Rhea": Cover Klavierauszug "Lionella"/Sonzogno

„Rhea“: Cover Klavierauszug „Lionella“/Sonzogno

Zweiter Akt – Intermezzo: Hymne an die Morgensonne. Spinola informiert seine Frau und seine freudig erregte Tochter von seinem Plan, Lysias mit Dafne zu vermählen. Rhea bleibt schweigsam. In der Ferne singt der ahnungslose Lysias und nähert sich. Er ist völlig überrascht von dem Vorschlag und betroffen von Rheas scheinbarer Gleichgültigkeit – er erklärt, er wolle nicht heiraten, weil er noch immer eine andere liebe. Spinola rät ihm Geduld. Allein gelassen, trifft Rhea auf Lysias, sie beteuern sich wieder ihre große Liebe. Am Morgen wird er auf sie am Strand warten und sie auf seinem Schiff mitnehmen. Sie schwört ihm zu kommen. Guarca hat alles mitangehört. Als Lysias geht, konfrontiert er sie mit seiner Wut und seinem Hass. Als er Hand an sie legen will, verletzt sie ihn mit einer Haarspange. Guarca rennt blutend davon .

Dritter Akt – Am Strand: Ein Seemann singt in der Ferne von seiner Liebe. Lysias wartet auf Rhea. Intermezzo und Morgendämmerung. In seinen Armen beteuert Rhea noch einmal ihre Liebe. Da stürzt Guarca hervor – die Zeit der Rache ist da. Lysias schiebt Rhea zur Seite und wirft sich auf Guarca, der ihn ersticht. Rhea erinnert sich an den Ring – sie öffnet die Gemme und atmet das tödliche Gift ein. In geistiger Verwirrung halt sie ekstatisch-sterbend den toten Lysias in ihren Armen. Die Mädchen und Dafne singen im Hintergrund. Als sie sich nähern, finden sie die Liebenden in enger Umarmung des Todes. Den Trauergesang übertönt im Orchester das Motiv des Lebens.  G. H.

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Eine vollständige Auflistung der bisherigen Beiträge findet sich auf dieser Serie hier.

Manfred Jung

 

Jahrzehntelang war Manfred Jung Heldentenor auf dem Grünen Hügel: In Bayreuth sang er den Siegfried, Mime und Parsifal. Jung – auch Ensemblemitglied an der Deutschen Oper am Rhein – war einer der gefragtesten Heldentenöre. Jetzt ist Jung am 16. 4. 2017 im Alter von 76 Jahren gestorben.Aus diesem Anlass wiederholen wir noch einmal das Portrait, das uns Ekkehard Pluta  zu seinem 75. Geburtstag 2015 schrieb. G. H.

 

Zwar ist und bleibt sein Name eng mit den Opern Richard Wagners und mit Bayreuth verbunden, doch ist der Sänger und Dirigent Manfred Jung (fünfundsiebzig am 09. Juli), ein so vielseitiger Musiker, dass man ihm mit dem Etikett „Wagner-Tenor“ nicht gerecht wird. Als gelernter Elektrotechniker kam der gebürtige Oberhausener als Beleuchter in Essen zum Theater, bevor er an der dortigen Folkwang-Hochschule das Gesangsstudium aufnahm. Bei den Bayreuther Festspielen war er erstmals 1963 tätig, auch hier als Beleuchter. Sieben Jahre später wurde er von Wilhelm Pitz in den Festspielchor aufgenommen. Dazwischen (1967) liegt ein Auftritt in der Stadthalle beim Jugendfestspieltreffen als Arindal in Wagners Früh-Oper Die Feen. Ekkehard Pluta zeichnet ein Portrait des vielseitigen Künstlers.

Manfred Jung: als Feenkönig von Purcell in Essen 1965/Jooss & Ponelle/Foto privat/Jung

Manfred Jung: als Feenkönig von Purcell in Essen 1965/Jooss & Ponelle/Foto privat/Jung

Jung begann seine Sängerkarriere im lyrischen Tenorfach, debütierte 1968 nach Abschluss seiner Studien in Essen an der Kölner Kammeroper und trat 1971 ein vier Jahre währendes Engagement in Dortmund an, wo er 27 Rollen erarbeiten konnte, darunter Tamino, Ernesto (Don Pasquale) Hans (Die verkaufte Braut) und Barinkay (Der Zigeunerbaron). Den Übergang ins lyrisch-dramatische Zwischenfach vollzog er dann im nächsten Engagement am Pfalztheater Kaiserslautern, wo Max und Don José zu seinen herausragenden Partien zählten. Schon damals gab er schon auswärtige Gastspiele, das bemerkenswerteste ist wohl das in Jerusalem, wo er in der Jüdin den Eléazar in hebräischer Sprache sang. Wie das geklungen hat, ist auf seiner Homepage nachzuhören (www-jung-manfred.de), die auch andere Fundstücke wie die Arien des Cavaradossi und des Lenski enthält.

Seinen Durchbruch erlebte Jung 1976, als er nach einem Gastspiel als Loge in der Deutschen Oper am Rhein von Grischa Barfuß einen Festvertrag erhielt, der bis zum Ende der Amtszeit dieses Intendanten (1988) währte. Im selben Jahr sang er seinen ersten Parsifal in Wuppertal und seinen ersten Siegfried (Götterdämmerung) in Saarbrücken. Auf Empfehlung von Eugen Jochum (nach einem Freischütz in Berlin) wurde er dann 1977 in derselben Partie von Wolfgang Wagner zu den Bayreuther Festspielen eingeladen, wo er im gerne so genannten Jahrhundert-„Ring“ von Patrice Chéreau und Pierre Boulez später auch noch den Jung-Siegfried (von René Kollo) übernahm. Beide Partien spielte er auch in der bis heute maßstäblichen (DVD-)Verfilmung dieser Produktion von 1979/80.

Manfred Jung als Canio in Gelsenkirchen 1976/Krämer/Foto privat/Jung

Manfred Jung als Canio in Gelsenkirchen 1976/Krämer/Foto privat/Jung

Nach dem Bayreuther Erfolg setzte eine internationale Karriere ein, die ihn erst als Siegmund in die Carnegie Hall (1980), die Jahre darauf als Siegfried und Tristan an die Metropolitan Opera führte. Vor allem als Wagner-Tenor war er in Wien, Paris, Brüssel, Madrid, Barcelona, Warschau (Everding-Ring) gefragt und in der Heimat regelmäßiger Gast an den Staatsopern von Hamburg, München und Stuttgart. Auch Bayreuth hielt er die Treue und rettete 1983 als Einspringer den Ring von Peter Hall und Georg Solti. Hausherr Wolfgang Wagner wusste solche Verlässlichkeit zu schätzen. Ohne einen Sänger wie Jung, der immer auf der Matte stehe, selbst wenn er einmal nicht gut disponiert sei, könne ein Festival wie das in Bayreuth gar nicht existieren, erklärte er freiweg in einem Interview. Auch sein Düsseldorfer Intendant Barfuß rühmte ihn als einen vorbildlichen Ensemblesänger ohne Starallüren.

In den 90er Jahren wechselte Jung vom heldischen mehr und mehr ins Charakterfach, vom Siegfried zum Mime, den er zunächst im Bayreuther Ring unter Alfred Kirchner und James Levine (1994-98) gestaltete, dann auch am Staatstheater Kassel, dessen Produktion in einer künstlerisch interessanten, klanglich sehr ansprechenden CD vorliegt. Als Aegisth und Herodes hatte er auch international große Erfolge, in der letztgenannten Partie war in Barcelona Fiorenza Cossotto seine Bühnen“gattin“ (das hätte ich gerne miterlebt!).

Manfred Jung: als Siegfried an der Met/Foto Met Opera Archive/Jung HP

Manfred Jung: als Siegfried an der Met/Foto Met Opera Archive/Jung HP

Ich habe Manfred Jung nur zweimal live auf der Bühne erlebt (Froh in Hamburg, Tristan in Stuttgart), und das ist ein paar Jahrzehnte her. Die Verfilmung des Chéreau-„Rings“ hat mich bei ihrem ersten Erscheinen sehr beeindruckt und sie tut es heute, beim Wieder-Hinein-Sehen, sogar noch mehr, denn sie zeigt viele Qualitäten, die in der heutigen Wagner-Regie und im heutigen Wagner-Gesang – nicht nur in Bayreuth – verloren gegangen sind.

Das ist besonders gut an Jungs Siegfried zu studieren, dem eine vollkommene Synthese von Sprache, Musik und Darstellung gelingt, wie sie Wagner vorgeschwebt haben dürfte. Die helle, schlanke Stimme ist noch eindeutig dem Zwischenfach zuzuordnen, verleugnet ihre Herkunft aus dem lyrischen nicht, hat andererseits schon die schneidende Schärfe des späteren Charaktertenors. Sie entwickelt aber auch trompetenhafte Strahlkraft in der Höhe, so dass sie heldentenoralen Ansprüchen genügen kann, die Schmiedelieder etwa werden mühelos gemeistert. Das Rollenporträt Jungs ist – durch die Regie, aber auch den Dirigenten Boulez unterstützt – reich an Zwischentönen, Siegfrieds Naivität wird mit vielen komödiantischen Details ausgestattet, das Schlussduett mit Brünnhilde hat die Intimität eines Kammerspiels. Wagner hat das so komponiert, aber die Dirigenten und die Sänger müssen es halt umsetzen. Jungs Textverständlichkeit ist im übrigen vorbildlich, da braucht man keine Unter-(oder Über-)titelung zum Verständnis – tempi passati!

 

Noch auf dem Höhepunkt seiner Sängerlaufbahn übernahm er 1989 die Leitung der Städtischen Chorgemeinschaft Herne, bei deren zahlreichen Konzerten er auch als Orchesterdirigent hervortrat, so in einer Aufführung der 9. Symphonie von Beethoven, in der Karl Ridderbusch den Basspart sang.  Seit neun Jahren nun ist Manfred Jung künstlerischer Leiter der Jungen Musiker Stiftung und in dieser Funktion gleichzeitig als Manager, Pädagoge und Dirigent tätig. Die in Liechtenstein gegründete Stiftung mit Sitz in Bayreuth betreibt die künstlerische und finanzielle Förderung begabter Sänger und Instrumentalisten durch Meisterklassen, Orchesterkurse, Wettbewerbe und Stipendien. Ich habe Jungs Arbeit in dieser Funktion über die Jahre mitverfolgt, als Beobachter, aber auch als Juror, und freue mich, bei dieser Gelegenheit ein paar Eindrücke wiedergeben zu können, die das Bild des Musikers um einige wesentliche Facetten ergänzen.

Manfred Jung: als Parsifal an der Met (wie oben)/Foto met Opera Archive/Jung HP

Manfred Jung: als Parsifal an der Met (wie oben)/Foto Met Opera Archive/Jung HP

Zwei bis dreimal im Jahr findet in Bayreuth eine fünftägige Meisterklasse statt, zu der sechs ausgewählte fortgeschrittene Studenten zugelassen sind, die für den Unterricht nichts bezahlen müssen. Als Lehrer waren in den letzten Jahren viele Sänger aufgeboten, die in Jungs aktiver Zeit im Opernbetrieb Rang und Namen hatten: Kurt Moll, René Kollo, Caterina Ligendza, Helen Donath, Brigitte Fassbaender, Hans Sotin, Harald Stamm, Anna Reynolds – die meisten verfügten über eine längere Erfahrung auch im Lehrbereich. Während die Kollegen im Saale vor Publikum ihre Gesangslektionen erteilen, nimmt sich Jung, selbst ein erfahrener Pädagoge, gern im Korrepetitions-Zimmer die gerade nicht beschäftigten Sänger gleichsam „privatissime“ zur Brust und analysiert die noch bestehenden Mängel ihrer Technik und ihres Vortrags. Anders als die meisten Gesangslehrer besteht er dabei zunächst einmal auf der skrupulösen Einhaltung des geschriebenen Notentextes, insbesondere auch der dynamischen Vorgaben. Das Piano scheint für die meisten Hochschul-Absolventen ein Fremdwort zu sein. Und bei Wettbewerben und Vorsingen gehen ja leider meist die Brüller als Sieger hervor. Doch Jung kennt in diesem Punkt keine Gnade, und das ist gut so. Auch die Textverständlichkeit steht bei ihm zuoberst auf der Agenda. In beiden Belangen scheinen ihm die Musikhochschulen keine ausreichenden Grundlagen mehr zu liefern. So quälend ein solches Jungsches Privatissimum für die jungen Sänger auch sein mag, am Ende steht doch immer die Erkenntnis, dass die genaue Umsetzung der geschriebenen Musik und des Textes bereits die halbe Interpretation ist; erst wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann man sich auf technische, stilistische und gesangsästhetische Fragen einlassen, zu denen Jung ebenfalls eine ganze Menge zu sagen hat, wobei auffällt, dass er dabei oft auf die Terminologie der Belcanto-Schule zurückgreift.

Besonders gern denke ich an die vielen Konzerte zurück, mit denen die zweimal jährlich stattfindenden Orchesterkurse für junge Instrumentalisten ihren Abschluss finden und für die Mitglieder renommierter Orchester als Lehrkräfte zur Verfügung stehen. Da kommen stets Talente zusammen, die noch unberührt sind von den Verschleißerscheinungen des Theater- und Konzertalltags und mit Begeisterung und musikantischer Frische ans Werk gehen. In der Probenarbeit bringt sie Jung, auch hier pingelig in der Umsetzung der Vortragsbezeichnungen, zuerst einmal dazu, einander zuzuhören. In einem großen Orchester muss jeder Musiker so sensibel reagieren wie in einer Kammermusik-Formation.  Das Ergebnis am Abend hat mich jedes Mal überzeugt.

logoIm Gedächtnis bleiben Entdeckungen wie das Melodram Medea von Georg Benda zum Nürnberger Gluck-Festival 2012 (mit Martina Gedeck in der Hauptrolle) oder das Violinkonzert von Siegfried Wagner 2013 in der Wartburg (mit dem fabelhaften jungen Geiger Tobias Feldmann). Die Oratorienabende – darunter Der Messias in der Basilika zu Kevelaer, Die Schöpfung in der Leipziger Nikolaikirche und die Johannes-Passion im Altenburger Dom – zeigten Jungs Fähigkeit als Dirigent, die richtige Klangbalance zwischen Orchester, Chor und Solisten herzustellen. Mit knapper, aber klarer Zeichengebung versenkt er sich in die Partituren, ausgreifende Armbewegungen macht er nur, um die Lautstärke abzudämpfen. Dabei steht der geistige oder religiöse Gehalt der Musik immer im Mittelpunkt. Jung macht keinen Hehl daraus, dass er sich keinen der glamourösen Pultstars zum Vorbild nimmt, sondern den alten Eugen Jochum, unter dessen Leitung er häufig gesungen hat.  In den letzten beiden Jahren hat Jung seine vielseitige Tätigkeit für die Stiftung einer schweren Krankheit abgetrotzt und nie einen Termin abgesagt. Meine besonderen Geburtstagswünsche gehen dahin, dass sich sein Gesundheitszustand weiter stabilisieren möge und ihm seine unverwüstliche Energie erhalten bleibe. Ekkehard Pluta

A little misfortune

 

Für seine beiden Töchter als weihnachtliche Unterhaltung schrieb William Makepeace Thackeray, vor allem bekannt für seinen Gesellschafsroman Vanity Fair, 1855 das burleske Feenmärchen The Rose and the Ring, von Literaturwissenschaftlern  als eine Mischung von Alice im Wunderland und The Rake’s  Progress angesehen. Einerseits spart es nicht mit wundersamen Geschehnissen, andererseits sind die Charaktere solche der Zeit des Dichters, die an Karikaturen heranreichen. Gleichermaßen mit Rose und Ring ewige Schönheit weiß die Fee Blackstick zu verschenken wie auch „a little misfortune“, das sich als Charakterbildungsmittel bewährt und damit als das eigentlich wertvollere Geschenk. Die Geschichte spielt in Asien, wo Prinz Giglio und Prinzessin Rosalba den schweren Prüfungen unterworfen werden: er wird quasi enterbt, sie im Wald ausgesetzt und später als Dienstmagd  Betsinda am Hof gehalten. Daneben gibt es noch ein eher komisches Prinzenpaar mit Angelica und Bulbo, der böse enterbende Onkel trägt den schönen Namen King Valoroso, zu den Strippenziehern in der intrigenreichen Geschichte gehören die Countess Gruffanuf und der Captain Hedzoff sowie der Count Hogginarmo. Das Ende fällt natürlich so aus, wie es Kinder sich wünschen.

Der englische Komponist  Nicholas Jackson, auch als Cembalo-Spieler bekannt, hat das Libretto zu seiner Oper, die nur teilweise die seine ist, geschrieben, die Musik besteht aus ausgewählten Cembalo-Sonaten von Domenico Scarlatti, für ein Kammerorchester arrangiert von Jackson, der auch das Concertante of London, ein Barock-Ensemble, dirigiert.

Die zweiaktige Oper ist auf nur einer CD untergekommen, was auch daran liegt, dass  zwischen den einzelnen Nummern, es sind insgesamt 27, eigentlich ein Erzähler zur Verknüpfung der Handlungsteile vorgesehen ist.  Auf der CD folgt ohne Unterbrechung eine der Sonaten nach der anderen. Bewundernswert ist, wie gut der Charakter der jeweiligen Sonate zum Charakter der die Arie singenden Person oder zum jeweiligen Stand der Handlung passt, wobei man sich  durchaus auch eine Orchestrierung für moderne Instrumente vorstellen kann.

Eine erstaunlich gute Besetzung konnte man auf der CD vereinen mit der sanft feenhaft sich in schwebenden Tönen ergehenden Robin Parton als Blackstick, die zugleich als Rosalba einen fein flirrenden Sopran einzusetzen weiß, mit der mädchenhaft frisch klingenden Katherine Crompton als Angelica und in beherzter Mezzowärme Katie Coventry als Gruffanuf.

Prinz Giglio (William Morgan) ist mit seinem hübschen lyrischen Tenor auch vokal dem Prinzen Bulbo und dem Count Hogginarmo (Edward Grint) überlegen, mit mulmigem Bass singt Michael Mofidian den Valoroso (Nimbus 6339). Ingrid Wanja

Faszination der „kleinen Sache“

 

Das Marienleben: Der Liederzyklus von Paul Hindemith nach dem gleichnamigen großen Gedicht aus mehreren Teilen von Rainer Maria Rilke hat seit jeher auf Sängerinnen eine starke Anziehungskraft ausgeübt. Rilke allerdings setzt im Titel zwischen Marien und Leben einen Bindestrich also Marien-Leben. Dabei dürfte auch eine inhaltliche Absicht im Spiele gewesen sein. Für den von einer strenggläubigen katholischen Mutter geprägten Dichter ist das Leben Marias nicht ausschließlich himmlischer, sondern auch betont irdischer Natur – von der Geburt bis zum Tod, der im Gedicht die größte dreigliedrige Strophe beansprucht. Inspiration empfing der weitgereiste Rilke aus Gemälden der italienischen Renaissance. Die Gottesmutter in den verschiedenen Phasen ihres irdischen und weltlichen Daseins ist eine zentrale Gestalt in der Kunst. Naxos hat jetzt eine neue Einsielung herausgebracht (8.573423). Während der Dichter sein Werk in diversen Briefen gern als „eine ganz kleine Sache“ oder als „kleine Nebenarbeit“ abtat, war Hindemith davon fasziniert. Paul Conway zitiert im Booklet-Text aus einem Brief des Komponisten an seinen Verleger, dass er bislang nicht besseres geschaffen habe als diese Lieder. Er arbeitete zwischen 1922 und 1923 daran. Das Gedicht Rilkes war zehn Jahre früher erschienen. „Die Zufriedenheit war indes nicht von langer Dauer“, so Conway. „Hindemith beschloss, das Werk zu überarbeiten, um den Gesang enger an den Text und die Klavierstimmer anzupassen und überdies den Zyklus stilistisch einheitlicher zu gestalten.“ Diese Arbeit beanspruchte nicht weniger als fünfundzwanzig Jahre und wurde 1948 abgeschlossen.

Für ihre Aufnahme wählt die Sopranistin Rachel Harnisch diese Version, die auch die größte Verbreitung fand. Begleitet wird sie von Jan Philip Schulze. Die Sängerin ist Schweizerin und steht am Beginn einer internationalen Karriere. Erfolge sicherte sie sich als sie als Pamina, Fiordiligi, Marzelline, Michaela und Rachel. Mit ihrem schwebenden Sopran bringt sie ideale Voraussetzungen für die Lieder mit. Wenn erforderlich, schwingt sie sich auch zu dramatischen Höhen auf. Sie klingt jung. Das ist auch ein Vorteil. Es hätte allerdings nicht geschadet, wäre noch mehr Wert auf die textliche Ausgestaltung und Verständlichkeit gelegt worden. Schließlich sind die Lieder so komponiert, dass die Stimme auch den Worten folgen kann. Hindemith hatte das immer im Auge. Die Lieder des Zyklus fliegen dem Zuhörer allerdings nicht mal eben so zu wie klar strukturierte Volkslieder oder Kirchengesänge für die Gemeinde. Zu empfehlen ist es, sich die Rilkesche Vorlage unterstützend heranzuziehen. Leider wird sie im Booklet nicht mitgeliefert. Sie ist aber – wenn in Buchform nicht zu Hand – im Internet zu finden.

Die Neufassung des Zyklus unterscheidet sich deutlich von der ursprünglichen Komposition. Lediglich das zwölfte Lied, „Stillung Mariae mit dem Auferstandenen“, blieb unverändert. Erstmals aufgeführt wurde sie von Annelies Kupper 1948 in Hannover. Davon hat sich auch eine Aufnahme beim Label Christophorus erhalten. Bei dieser Sängerin klingen die Lieder mütterlicher als bei der neuesten Einspielung. Die Produktion mit Erna Berger von 1953 wurde besonders berühmt, weil sie auch mehrfach als Schallplatte erschienen war. Aus ihrer Interpretation klingt ein überirdischer Ansatz. The Intense Media nahm einen CD-Umschnitt in seine Erna-Berger-Edition aus zehn CDs „Glockenklang der Seele“ auf. Noch zu haben ist auch die Einspielung von Gerda Lammers bei Cantate, während die Aufnahme mit Gundula Janowitz bei Jecklin Disco seit langem vergriffen scheint. Gerda Hartmann hat den Zyklus für Discover, Veronica Lenz-Kuhn für Thorofon, Maya Boog für cpo, Judith Kellock für Koch, Soile Isokoski für Ondine und Elisabeth Meyer-Topsoe für Danacord eingespielt. Eine orchestrierte Variante gibt es bei Finlandia mit Karita Mattila. Auch die erste Fassung von Hindemiths Marienleben ist aufgenommen worden – und zwar von Roxolana Roslak gemeinsam mit Glenn Gould bei Sony. Rüdiger Winter

Zwischen Oper und Oratorium

 

Viktorianische Empfindlichkeiten waren es, die Antonin Dvorák bewogen, seine 1885 für England komponierte Kantate für Soli, Chor und Orchester op. 69 Die Geisterbraut zu nennen. Der Titel der als Vorlage dienenden Ballade von Karel Jaromir Erben war „Svatebni Košile“, wörtlich: „Die Brauthemden“. Aus heutiger Sicht erscheint solche Prüderie unwirklich. Dieses Werk steht mit seinem seltsam zwitterhaften Charakter irgendwo zwischen kurzer Oper und Oratorium. Die Handlung entbehrt durchaus nicht des im neunzehnten Jahrhundert so beliebten Gruselfaktors, geht es doch um ein junges Mädchen, das von seinem untoten Geliebten nach einer wilden Jagd durch die Nacht beinahe zu einer mitternächtlichen Hochzeit auf einem gespenstischen Friedhof gedrängt wird. Sie selbst flehte um seine Rückkehr und wollte lieber sterben, als ohne ihn zu leben. Nach und nach entledigt sie sich des Gebetbuches, des Rosenkranzes und schließlich gar ihres goldenen Kreuzes. Erst zuletzt erkennt sie ihren Irrtum. Allein ihr unerschütterlicher Glaube, gipfelnd in einem stillen Gebet zur Jungfrau Maria, kann sie schließlich vor einem ähnlich furchtbaren Schicksal bewahren. Der moralisierende Stoff mag dem streng katholischen Dvorák entgegengekommen sein.

Das österreichische Plattenlabel Capriccio legt jetzt eine brandaktuelle Neueinspielung vor, die sich insgesamt grofler Meriten erfreut (C5315). Der Chor, hier die exzellente Wiener Singakademie (Einstudierung: Heinz Ferlesch), spielt eine ganz wesentliche Rolle und trägt, das Geschehen kommentierend, zur unheimlichen Atmosphäre gehörig bei. Expressiv und gefühlvoll in der Titelrolle die Sopranistin Simona Šaturová, verführerisch und gar nicht abschreckend der Tenor Pavel Breslik als der Tote. Deutlich ehrfurchtgebietender Adam Plachetka als wortgewaltiger Erzähler. Tatsächlich spielt eher der Bassbariton die männliche Hauptrolle.

Nach einer aufwühlenden Introduktion folgen insgesamt achtzehn nahtlos ineinander übergehende Vokalnummern. Prächtig und mit dem nötigen Temperament das ORF Radio-Symphonieorchester Wien unter seinem Chefdirigenten und künstlerischen Leiter Cornelius Meister, der mit seinem feurigen Dirigat den leidenschaftlichen Charakter der Kantate unterstreicht. Sehr gut auch der Klang dieser an zwei aufeinanderfolgenden Tagen im Juni 2016 im Wiener Konzerthaus entstandenen Live-Aufnahme. Weniger vorbildlich die Gestaltung des Booklets: Der Text ist nur auf Tschechisch und Englisch abgedruckt, die einzelnen Track-Namen gar nur in tschechischer Sprache. Auf Deutsch nur die knappe Werkeinführung und die Künstlerbiographien. Das geht bei einer österreichischen Produktion besser. Daniel Hauser

Grandioser Kitsch

 

Charles Gounod kennt man heute vor allem als Opernkomponisten – aber er hat sein Leben lang auch geistliche Musik geschrieben. Beim Label Erato ist nun eine seiner wichtigsten geistlichen Kompostionen wiedererschienen – unter der Leitung von Michel Plasson.

Mors et Vita ist Gounods zentrales Spätwerk, seine letzte große abendfüllende Komposition überhaupt. Gounod, einerseits ein diesseitiger Lebenskünstler, weltgewandt, Frauenheld, Opern-verliebt, andererseits schon seit Jugendtagen inbrünstig religiös bis zu Grenze der Manie, wandte sich nach diversen Opernflops in seinen späten Jahren endgültig der geistlichen Musik zu. Mors et Vita ist eine gigantische, fast dreistündige Kompilation von komponierten geistlichen Texten in lateinischer Sprache, ein Riesenwerk, das Solisten, Chor und Orchester ein Höchstmaß an Kunstfertigkeit abverlangt. Es ist ein opernhaftes Monster-Oratorium

Auch wenn sich der Booklet-Verfasser dieser Kult-Aufnahme aus den frühen Neunzigerjahren hier lang und breit über die große Tradition der geistlichen französischen Musik im späten 19. Jahrhundert auslässt, hört man hier doch vor allem den Opernkomponisten Gounod an jeder Wegbiegung. Das Werk steht eindeutig in einer weiteren großen Tradition: Alter katholischer Star-Komponist gönnt sich zum Lebensabend noch mal eine geistliche Revue. Sprich: Man hört da durchaus eine Linie von Haydns frivol-frischen späten Messen über Rossinis Messe solennelle bis zu Verdis großartigem Requiem.

Wie all diese Vorgänger bedient auch Gounod die große Geste, schreibt fast cineastische Breitwandmusik, ohne dabei unaufrichtig zu werden oder den Blick für raffinierte Details zu verlieren. Man glaubt ihm die Religiösität, fragt sich allerdings mitunter, warum wahrer Glaube so monströs als Spektakel inszeniert werden muss. Die Affekte sind zuweilen – trotz Passagen von wirklich überwältigender Schönheit! – spätromantisch-dick aufgetragen. Mit einem Wort: Grand Opéra in Latein. Und so legt Dirigentenlegende Michael Plasson das Werk auch an. Das ganze geriert sich erfreulich sinnenfreudig als Opernspektakel mit leicht religiös eingefärbtem Libretto. Schon die Auswahl der Sänger legt das nahe: mit dabei Rossini-Tenor John Aler und Bühnen-Stars wie José van Dam, Nadine Denize und Barbara Hendricks. Diese EMI-Studioaufnahme von 1992, ein echtes Highlight der Gounod-Discografie, war nach dem Erscheinen schnell vergriffen und wurde weil so lange vergriffen – auf diversen Internet-Verkaufs-Plattformen hoch gehandelt. Warner hatte 2012 das Klassik-Archiv der verblichenen EMI gekauft und macht das Werk jetzt mit dem originalen Cover wieder bei ihrer Tochterfirma Erato zu einem Preis zugänglich, der deutlich unter den unverschämten Offerten der Verkäufer lag. Wer dieses wirklich grandiose Oratorium bisher nicht gekauft hat – Gratulation! Er hat eine Menge Geld gespart. Und hat, wenn er es jetzt tut, einen der großen Gounod-Genüsse seines Lebens noch vor sich (Erato 0190295895143). Matthias Käther

Wenn Liebe in Hass umschlägt

 

Als Orpheus und Eurydike von Ernst Krenek am 23. August 1990 bei den Salzburger Festspielen aufgeführt wurde, war der Komponist noch selbst zugegen. Er wurde just am selben Tag Neunzig. Das Werk schrieb er als Dreiundzwanzigjähriger auf einen Text des Malers und Schriftstellers Oskar Kokoschka, der darin seine traumatischen Erlebnisse im Ersten Weltkrieg und die beschwerliche Beziehung zu Alma Mahler, der umtriebigen Witwe des Komponisten Gustav Mahler, verarbeitete. Kreneks Oper war in Salzburg eingebunden worden in einen konzertanten Orpheus-Zyklus in der Felsenreitschule. Vorausgegangen waren die Opern von Claudio Monteverdi, Christoph Willibald Gluck und Joseph Haydn. Eine festspielwürdige Idee, die in der Gegenwart seltener anzutreffen ist als in früheren Jahren.

Insofern wäre es reizvoll gewesen, hätte Orfeo, schon des eigenen Namens wegen in seiner Festspielreihe den gesamten Zyklus aufgegriffen und nicht nur das Werk von Krenek (C923 1621). Für sich genommen erweist es sich als ziemlich schwere Kost. Die Einbindung hätte ihm gut getan. Der Stoff hat über die Jahrhunderte zahlreiche Komponisten inspiriert, seit es die Oper als Kunstform gibt. Krenek war nicht der letzte in dieser langen Reihe, der sich ihm zuwandte. Hin und wieder taucht sein Werk auf Spielplänen auf. In Berlin hatte es vor sieben Jahren im Konzerthaus am Gendarmenmarkt ebenfalls eine konzertante Aufführung mit szenischen Elementen unter der Leitung von Lothar Zagrosek gegeben.

Im Booklet findet sich dankenswerter Weise das Libretto. Nur dadurch wird es möglich, dem Werk an den Lautsprechern zu folgen. Eine Inhaltangabe reichte nicht. Wer ohne Text zuhört, bleibt zwar immer wieder an starken Wortgebilden eindringlichen musikalischen Momenten hängen, ein tieferer Sinn lässt sich daraus kaum erfassen. Die Handlung endet in der Katastrophe. Eurydike gibt sich als die Geliebte des Hades zu erkennen. Orpheus irrt, von Wahnsinn geschlagen, umher. In den Ruinen seines verfallenen Hauses, das er einst mit der Geliebten bewohnte, findet er zwar seine Leier wieder. Doch das Spiel ist nicht mehr das, was die Menschen hören wollen. Er wird gebunden und kommt in der Schlinge zu Tode. Schon in einer anderen Welt erscheint ihm Eurydike als ihr eigener Geist. Orpheus: „Ich hasse dich.“ Mit einem Nachspiel schließt das Werk versöhnlich, gar ironisch: „Das ewige Licht leuchtet ihnen.“ Die Musik ist hell, schwebend – wie nicht von dieser Welt. Als würden sich Vögel singend in die Lüfte heben. Ein wunderbarer Opernschluss. Das Publikum scheint sehr gebannt gewesen zu sein.

In den zeitgenössischen Kritiken kommen die beteiligten Solisten sehr gut weg. Für Dunja Vejzovic, die die Eurydike sang, war Salzburg eine Art Heimspiel, seit sie dort unter Herbert von Karajan als Kundry und Ortrud aufgetreten war. Zitiert wird im Booklet Hans-Heinrich Jungheinrich, der an der dieser Sängerin „Glut und Farbe einer femme fatale“ hervorhebt, „die sich in ihren Gesängen zu rätselhafter matriarchalischer Großartigkeit aufrecke“. Dieser Eindruck teilt sich noch heute mit, wenn sie den nur etwas verständlicher hätte singen können. Über weite Strecken ist kein Wort zu verstehen. Ronald Hamilton, der Mitte der 1980er Jahre an der Ostberliner Deutschen Staatsoper den Stolzing in den Meistersingern von Nürnberg gegeben hatte und auch anderswo als Heldentenor in Erscheinung getreten ist, findet im Booklet keine wertende Erwähnung. Er tut sich schwer mit der Rolle, die er betont charaktervoll gestaltet. Großen Eindruck macht Celina Lindsley als Psyche. Bo Skovhus, inzwischen Don Giovanni, Amfortas, Wolfram oder Eugen Onegin, ist noch in ein zwei Nebenrollen, als Krieger und als Narr, mit dabei. Es singt der ORF-Chor. Das ORF-Symphonieorchester Wien wird von Pinchas Steinberg geleitet. Er habe den Nerv von Kreneks Musik genau getroffen, urteilte Musikkritiker Jungheinrich nach der Vorstellung. „Nichts verbreiterte sich zum leeren Effekt, alles blieb schlank, gelenkig, glasklar und strukturell durchleuchtet.“ Ein Eindruck, den auch die CD-Ausgabe in ihrem bestechenden Klang, widerspiegelt. Rüdiger Winter