90 Minuten Unterhaltung

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Durchaus keine Garantie dafür, die Lachmuskeln des Hörers zu strapazieren, gibt die Gattungsbezeichnung farsa, nach deren einer Uraufführung der Mutter Rossinis vom aufführenden Impresario sehr nachträglich zur Geburt des gerade seinen Ruhm beginnenden Komponisten gratuliert wurde. Es geht um L’inagnno felice mit durchaus ernstem Inhalt, der Wiederzusammenführung eines edlen Paares, das einst durch höfische Intrigen voneinander getrennt wurde, indem der Gatte die des Ehebruchs beschuldigte Gattin auf hoher See aussetzen ließ, ein Steiger sie rettete und als „Nichte“ in seinen Haushalt aufnahm und im Verlauf der Handlung erlebt, wie die beiden Liebenden einander wiederfinden, alle Missverständnisse aufgeklärt werden und dem lieto fine nichts mehr im Weg steht. Das der Doppel-CD beiliegende Booklet berichtet ausführlich über die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte des Stücks, das etwa gleichzeitig mit dem frivolen und deshalb bald auf den Index gesetzten L’equivovo stravagante  komponiert wurde.

Nicht nur Pesaro und Bad Wildbad nahmen und nehmen sich unbekannterer Werke des Schwans von Pesaro an, sondern in diesem Fall auch das Reate Festival von Rieti, einer kleinen Stadt im nördlichen Lazio, nahe Umbrien, wo auch in diesem Herbst wieder ein Festival, allerdings für zeitgenössische Musik, stattfindet, während die vorliegende Aufnahme aus dem Jahre 2023 stammt. Das Verdienst der vorliegenden Doppel-CD gebührt dem Label cpo, das einen Vertrag mit dem die Sänger begleitenden Orchester THERESIA abgeschlossen hat.

Dirigent der Aufnahme ist der rossinierfahrene Alessandro De Marchi, der das mit leicht metallischem Klang aufwartende Orchester zügig vorantreibt, für ein sehr poetisch klingendes Finale sorgt und den der Partitur innewohnenden Esprit sehr schön zur Geltung bringt. Gut aufgehoben konnten sich hörbar die Sänger fühlen, die es in der auch für eine personen- und damit kostensparende Farsa ungewöhnlichen Zusammenstellung Sopran, Tenor, drei Bässe gibt.

Lieblich, weich und angenehm gerundet ist der Sopran von Miriam Albano, der sich schillernd zwischen Sopran- und Mezzoqualitäten bewegt, facettenreich die anspruchsvolle Partie der Isabella durchmisst und der dem Tenorpartner an Ausdrucksmöglichkeiten und Facettenreichtum weit überlegen ist. In der großen Arie „Al più dolce e caro oggetto“ überzeugt die Sängerin auch durch eine großzügige Phrasierung. Am besten in den markant dargebotenen Rezitativen macht sich der Tenor Antonio Garés, dessen Timbre ihn eher in Richtung Charaktertenor weist und der einen einmal gefundenen gerundeten Klang der Stimme nicht bis zum Ende einer Phrase durchhalten kann.

Angemessen unterschiedlich ist das Hörbild, das die drei Bässe vermitteln. Dem Bösewicht Ormondo wird von Giuseppe Toia dunkle Geschmeidigkeit verliehen, während der harmlosere Batone durch Luigi De Donato eher mit vokalen Buffoqualitäten ausgestattet wird. Mit sehr guter Diktion, mit Farbe und Buffo-Schalk in der Stimme, eher wie ein Bassbariton klingend, steuert Matteo Loi als Tarabotto  nachdrücklich eine dritte Variation einer tiefen Stimme bei.

Neunzig Minuten guter Unterhaltung werden durch die CDs garantiert, durch den einführenden gehaltvollen Text von Rossini-Spezialist Reto Müller bereichert durch mehr Wissen über Rossini und die Gattung Farsa (cpo 555 222-2). Ingrid Wanja