Romanzen und Lieder

 

Der Mezzosopranistin Cornelia Lanz sind thematische Bezüge ihrer Programme wichtig. So ist es nicht verwunderlich, dass sie ihre neue CD (HC16019) unter das Motto „Frauenrollen und Frauengestalten bei Schubert, Rossini und Verdi“ stellt und veritable Charaktere herausarbeitet. Da gelingt aus der ersten Schubert-Gruppe „Die junge Nonne“ besonders gestaltungsintensiv, und „Der Zwerg“ erzielt mit eingestreutem Sprechgesang deutliche Effekte. Was dieser klangvollen, gut durchgebildeten Stimme allerdings durchweg fehlt, ist saubere Intonation in der bequemen Mittellage; da zerfließen die sauberen Konturen der Töne zu häufig an der unteren Grenze, ohne Obertöne auszuloten. Das stört vor allem in den Mignon-Liedern, aber auch in Ellens Gesängen aus  „Das Fräulein am See“, die recht kopfgesteuert daher kommen.

Etwas Besonderes sind die vier Lieder aus „Sei Romanze“ von Verdi, die mit nur wenig Anklang an Opernhaftes gefällig präsentiert werden. Die „Ariette à l’ancienne“, eine von Rossinis „Pêches de viellesse“ („Alterssünden“) passt sehr gut in dieses Programm, während seine ca. 18-minütige Liedkantate „Giovanna d’Arco“ fast den Rahmen sprengt. Hier sind dann auch geläufige Koloraturen und ein großer Stimmumfang gefordert; Cornelia Lanz löst diese Aufgabe sehr solide. Insgesamt wird sie elegant unterstützt von Stefan Laux am Flügel, der nicht nur begleitet, sondern eigenständig fordert und ein gutes Miteinander herstellt.

Der Bariton Martin Hempel und die Pianistin Katharina Kegler legen eine teilweise interessante CD (HC16051) mit Schumann, Duparc, Martin und Schubert vor. Die „Dichterliebe“ ist mir allerdings zu brav, fast abgeklärt; da fehlt es an Drängendem bereits im „wunderschönen Monat Mai“. Recht intensiv dagegen gelingt „Und wüßten’s die Blumen…“, in dem noch im Nachspiel die Zerrissenheit des Herzens deutlich gemacht wird. Sehr differenziert erklingt auch „Ich hab im Traum geweinet“. Der weichen, extrem lyrischen Stimme liegen aber besonders die viel zu selten zu hörenden  Mélodies et Chansons von Duparc: Hier trifft Hempel den Kern und Gehalt der einzelnen kleinen Episoden sehr gut. Den Konzertzyklus „Sechs Monologe aus ‚Jedermann‘“ komponierte Frank Martin zwar für Orchester, so dass die Klavierbegleitung natürlich nicht alle farbigen Facetten ausschöpfen kann. Aber durch die ausgezeichnete Diktion des Sängers, bei dem man wirklich jedes Wort versteht, kommt die Wandlung des Jedermann gut zum Tragen; mangelt es beispielsweise bei „Ach Gott, wie graust mir vor dem Tod“ an schärferer Attacke, so kann er in den beiden abschließenden Gebeten noch einmal seine Stärken zeigen. Schuberts „Litanei“ setzt einen passenden Schlusspunkt.

Die beiden in Russland geborenen, aufgewachsenen und weitgehend ausgebildeten Künstlerinnen Julia Sukmanova (Sopran) und Elena Sukmanova (Klavier) haben eine neue CD (HC16024) mit Liedern von Sergei Rachmaninoff eingespielt.  24 seiner 82 im Zeitraum  von 1890 bis 1916 entstandenen Lieder haben sie ausgewählt, um so einen Überblick über die künstlerische Entwicklung seines Liedschaffens zu ermöglichen. In den meisten Liedern herrscht schwermütige Melodik vor; das beginnt schon mit der Puschkin-Vertonung aus op.4 „O schönes Mädchen“, die die ganze Tristesse und Verlorenheit des einsamen Landsitzes wiederspiegelt, wo das Lied entstand. Neben drei Liedern aus op.8, dessen „Die Frau des Soldaten“ z.B. typische Motive des russischen Klageliedes verwendet, bilden elf der zwölf in Bezug zu seinem Privatleben stehende Lieder aus op.14 den Kern der Aufnahme; daraus ragt „Die Frühlingsfluten“ hervor, das auch für die Pianistin Höchstschwierigkeiten enthält, die die beiden Künstlerinnen mit jubelndem Ausbruch eindrucksvoll meistern. Da im russischen Original gesungen wird, ist es sehr vorteilhaft, dass das Beiheft so ausführliche Erklärungen zu Rachmaninovs Kompositionen gibt, wenn schon keine Texte dabei sind. Allerdings ist darin auch das Lied „Diese sommerlichen Nächte“ aus op.14 beschrieben, das aber auf der Aufnahme nicht zu finden ist. Die weiteren Lieder aus op.21 (Thema: Ehe), op.26 (Bloße Kleinigkeiten) und op.38 (inhaltsschwere Texte) bilden noch enger gewachsene Einheiten zwischen Text und Musik. Julia Sukmanova breitet diesen russischen Bilderbogen mit großvolumigem, durch alle Lagen sauber geführten Sopram aus, während Elena Sukmanova durch differenzierten Anschlag und weit aufrauschende Melodien mit typischen Rachmaninov-Passagen überzeugt. Marion Eckels