Gern geheimnisvolle Titel gibt Christiane Karg ihren CDs, so als neuesten den synästesieträchtigen Parfum, der zugleich Kontinuität wie auch Abwechslung verspricht, denn gemeinsam dürfte den Tracks der berauschende, aber flüchtige Eindruck, den sie erzeugen bzw. hinterlassen, sein, weit dürfte die Spanne zwischen einem üppig-schwülen Shalimar und einem klassisch-edlen L’Air du Temps sein. Die Titel stammen aus dem Frankreich der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und sind Vertonungen von dem l’art pour l’art verpflichteten Texten, voller Symbole und weniger ein Geschehen als eine Stimmung wiedergebend.
Es beginnt mit Ravels Shéhérazade, ein Stoff, aus dem der Komponist eigentlich eine Oper machen wollte, von der nur die Ouvertüre fertiggestellt und als Steinbruch für drei sehr unterschiedliche Chansons benutzt wurde. In Asie nimmt der Sopran von Christiane Karg einen geheimnisvoll schwebenden Klang an und wetteifert an Farbenreichtum mit dem Orchester, klingt wie ein weiteres, besonders kostbares Instrument. La Flûte enchatée gibt er Sängerin die Möglichkeit, dem verhalten Heimlichen als Kontrast einen strahlenden Ton auf „joie“ entgegen zu setzen. Zum dritten Titel, L’Indifférent, weiß das Booklet eine interessante Geschichte über die unglückliche Liebe einer Dame der französischen Gesellschaft zu einem schwulen und deshalb abgeneigten Jüngling zu berichten.
Es folgen vier Lieder von Debussy auf Texte von Baudelaire, orchestriert von John Adams, beginnend mit Le Balcon, wo die Sängerin perfekt den Wechsel vom Parlando zum lyrischen Aufschwung beherrscht. Im Refrain von Le Jet d’Eau meint man in der Stimme das Funkeln von Wassertropfen in der Sonne zu sehen bzw. natürlich zu hören. Der Raffinesse in der Instrumentierung begegnet der Sopran in Recueillement mit einer feinen Verhaltenheit und Klarheit.
In frühen Liedern von Britten auf Texte von Hugo und Verlaine wird von der Sängerin das Verschwommene, eine Art „Zwischenstimmung“, sehr gut getroffen, das An- und Abschwellen des Tons in Sagesse ist besonders reizvoll, und in Chanson d’automne erfreuen raffinierte Pianissimi.
Charles Koechlin ist mit nur einem Track, Épiphamie, vertreten, und in ihm lässt der Sopran darüber staunen, wie klangvoll und dabei wie ein zartes Gespinst er über dem morbiden Klangteppich des Orchesters wie das zitierte fantôme léger lagern kann.
Drei Chansons von Duparc beschließen die CD, lassen in L’Invitation au voyage im zweiten Teil die Stimme schön aufblühen und ungewohnte Kontraste in Phidylé hören. Keine bessere Begleitung als die Bamberger Symphoniker, voller Sensibilität und atmosphärereich unter David Afkham, konnte sich die Sängerin wünschen, der einmal mehr eine wirklich kostbare, mit Geschmack wie Können gestaltete CD gelungen ist (Berlin Classics 0300832BC). Ingrid Wanja