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Als Mezzosopranistin hat man es in Sachen Liebe auf der Bühne nicht immer leicht: Die großen Romanzen werden den Sopranistinnen zugeteilt, und wenn die liebende prima donna dann doch mal Mezzo ist, wird sie am Ende der Oper verlassen oder – eterni dei! – umgebracht (Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel). Die südafrikanische Mezzosopranistin Megan Kahts und ihr Ensemble, das Carestini Ensemble Wien, haben dieser Liebe ohne Happy End ihr neues Album gewidmet: In dolce abbandono heißt es (SM 459, 4260123644598).
Im Mittelpunkt des Albums stehen, eingerahmt von den Händel-Arien Ombra mai fu und Verdi prati, zwei beliebte Opernstoffe, hier aber im Gewand zweier dramatischer Solokantaten: Armida abbandonata von Händel und Arianna a Naxos von Haydn (nicht in der bekannteren Fassung für Hammerklavier und Gesang, sondern in einer Bearbeitung für Gesang und Instrumentalensemble eines Haydn-Zeitgenossen). Zweimal geballte Verzweiflung zweier vom Liebsten verlassenen Frauen – typisch Mezzo könnte man sagen.
Die Sängerin Megan Kahts war selbst übrigens nicht immer Mezzosopran. Nach ihrer Laufbahn als Klavier spielendes und singendes Wunderkind in Pretoria studierte Sie Gesang in Wien und begann ihre Karriere als Sopranistin. Wenn man sie heute hört, ist das kaum vorstellbar. Sie hat eine voluminöse Mittellage, eine klangvolle Tiefe und insgesamt sehr wenig sopranhaftes Timbre. Die tiefen Register liegen ihr mit Abstand am besten: Wenn sie als Armida mit viel Pathos ihrem abgängigen Geliebten alles an Meeresungeheuern an den Hals wünscht, was der Ozean so zu bieten hat (O voi dell’incostante e procelloso mare), ist das durchaus eindrucksvoll – mit dieser Armida würde ich mich nicht anlegen. Als Arianna, die gar nicht weiß, welche Enttäuschung ihr bevorsteht, umschmeichelt die Sängerin mit samtiger und klarer Stimme den Liebsten, der da leider schon längst das Weite gesucht hat (Teseo mio ben). (Quelle no-te)
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Elegante Megan Kahts/Foto Xavier Saer
Zu dieser interessanten Neuaufnahme gibt es ein Gespräch der Sängerin mit der Journalistin Ruth Wiedwald. Thematik und Relevanz der Werke: Sie widmen sich in „In dolce abbandono“ den großen Verlassenen der Musikgeschichte. Was hat Sie zu dieser thematischen Auswahl inspiriert? Eigentlich einfach die Liebe zu der Musik dieser zwei Kantaten, muss ich ehrlich gestehen. Die Haydn-Kantate Arianna a Naxos hatte ich schon öfters gesungen und die Händel-Kantate Armida abbandonata wollte ich auch unbedingt noch lernen. Händel und Haydn sind zwei meiner Lieblingskomponisten und bei großen dramatischen Solokantaten für eine weibliche Sängerin muss es ja um große Gefühle gehen – das Verlassensein ist ein Katalysator für eine emotionale Achterbahnfahrt und bietet natürlich die Möglichkeit zu einem tollen dramatischen Monolog und zu fantastisch berührenden musikalischen Vertonungen an. Also habe ich die Musik, nicht unbedingt das Thema, ausgewählt. Außerdem haben diese Frauen Erlösung, Erneuerung, neue Zukünfte gefunden… die Szenen, die wir interpretieren, sind nicht das „Ende der Geschichte“ – nur ein kurzer Fokus auf die Verzweiflung. Ich werfe Licht auf harte menschliche Emotionen – das, was vor dem Happy End eigentlich passiert ist.
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Warum denken Sie, dass diese antiken Geschichten und Emotionen immer noch relevant sind für heutige Zuhörer? Weil wir Menschen sind, genauso wie sie es waren, und auch große Gefühle empfinden. Auch heute werden wir immer noch auf unterschiedliche Arten und Weisen verlassen. Ja, wir Frauen sind vielleicht nicht mehr so hilflos und es passiert uns vielleicht nicht mehr so, wie bei Arianna und Armida, dass wir im Wald im Schlaf plötzlich von dem Geliebten, der auf einem Schiff geflüchtet ist, im Stich gelassen werden – aber emotional, im übertragenden Sinne, passiert es uns Menschen auch heute immer wieder, dass unsere Freunde oder Partner oder Familie uns, aus welchen Gründen auch immer, sitzen lassen und das kann genau so stark weh tun. Wir können uns emotional mit diesen Frauen identifizieren und erleben denselben emotionalen Prozess nach dem Schock der Verlassenheit. Ich bin aber schon sehr froh, dass wir heute generell nicht mehr langfristig so hilflos bleiben müssen. Darum kämpfen Frauen aus manchen Kulturen ja immer noch.
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Megan Kahts fotographiert von Carolyn Gregorowski (Kleider von Immagika Creative Designs)
Welche universellen menschlichen Themen und Konflikte finden Sie besonders stark in den Geschichten von Armida und Arianna verkörpert? Besonders stark und eindrucksvoll sind die seelischen Konflikte dieser Frauen und wie sie aus schweren Herausforderungen herauswachsen und Erneuerung finden. Armida findet einen neuen Weg, nachdem sie beim ersten Versuch mit Rinaldo gescheitert ist. Nachdem Theseus sie verlassen hat, wird Ariadne von Dionysos gefunden und erhoben – Hoffnung gibt es immer, selbst in den dunkelsten Momenten des Lebens. Durch ihr Leid und ihren Schmerz haben sie sich selbst erkennen und transformieren können.
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Was können wir aus diesen antiken Geschichten über die Natur von Liebe, Verlust und menschliche Stärke lernen, die heute noch so relevant sind? Zur Liebe gehören Verlust und Verlassenheit – das sind Emotionen, die jeder Mensch im Laufe seines Lebens durchmacht, unabhängig von der Epoche oder den Umständen. Diese Geschichten sprechen eine universelle Sprache, die tief in unser Menschsein eingreift. Sie zeigen uns, dass die Herausforderungen und Gefühle, denen wir heute gegenüberstehen, schon immer Teil der menschlichen Erfahrung waren. Indem wir uns mit diesen alten Erzählungen auseinandersetzen, können wir Parallelen zu unserem eigenen Leben ziehen und erkennen, dass wir nicht alleine in unseren Gefühlen und Erfahrungen sind. Großes Leid und große Verwirrung gab es in der Liebe immer schon und wir werden gestärkt, indem wir den Mut haben, auf diese schweren emotionalen Zustände einzugehen und zuzulassen, dass die uns transformieren.
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Megan Kahts fotographiert von Carolyn Gregorowski (Kleider von Immagika Creative Designs)
Musikalische Interpretation und Vorbereitung. Wie haben Sie sich stimmlich und emotional auf die Interpretation von Händels „Armida abbandonata“ und Haydns „Arianna a Naxos“ vorbereitet? Für mich ist der Ausgangspunkt beim Einstudieren eines neuen Werks, dass man sich in die Musik verliebt, und dann kommt der Text dazu – in den verliebt man sich vielleicht auch. Man soll sich so sehr mit der Musik identifizieren können, dass die Zuhörer den Eindruck bekommen, man improvisiert und komponiert die Musik in genau dem Moment selbst.
Ich arbeite zuerst technisch und stelle sicher, dass alle Phrasen gut, flexibel und frei im Hals und im Körper „sitzen“ – oder vibrieren. Dann gehe ich auf den Text und auf den Harmonien ein und spüre in die verschiedenen vorhandenen Farben rein, um alle Ausdrucksmittel zur Geltung zu bringen. Mit dem Stil der unterschiedlichen Komponisten Händel und Haydn und mit der italienischen Sprache hatte ich schließlich auch noch gute Unterstützung.
Rein stimmlich, also rein stimm-technisch, sind die zwei Kantaten ziemlich unterschiedlich, weil die Komponisten der zwei Kantaten unterschiedlich für die Stimme geschrieben haben. Erstens liegt die Tessitura der Händel-Kantate etwas höher als die der Haydn-Kantate. Und zweitens ist Händel energetisch – da kann man sich vokal eher „reinschmeißen“ – wo man sich beim Haydn, nach meinem Gefühl, eher etwas zurückhält, um eine saubere klassische Linie zu führen. Beide Kantaten sind sehr exponiert und man muss die Stimme schön führen, aber Händel ist immer sportlicher – deshalb auch mein Lieblingskomponist zum Singen.
Haydn klingt vielleicht „simpler“ in der Gesangslinie, aber es gibt so viele Schichten in seiner Musik und es braucht Zeit, die Musik in sich reifen zu lassen und Haydns Aussage völlig zu verstehen. Die Phrasen müssen schön, fein, elegant geführt werden, aber sie sind besonders ausdrucksstark, denn die Musik enthält viel Ironie hinter diesem „Süßen“. Sie ist theatralisch – Haydn öffnet uns den Vorhang und wir gleiten langsam in Ariannas Welt ein. Bei Händel sind wir sofort mitten im Geschehen.
Megan Kahts fotographiert von Carolyn Gregorowski (Kleider von Immagika Creative Designs)
Ich bin generell äußerst selbstkritisch und es passiert mir häufig, dass ich selber von einem Stück so ganz berührt bin, dass ich erstmal kaum singen kann oder kaum wagen kann, diese Perfektion auszudrücken. So war es auch bei diesen wunderbaren Stücken. Vor allem war am Ende das Musizieren mit meinen Kollegen im Ensemble die pure Freude. Da kann man noch weiter mit der emotionalen Interpretation gehen, mit so guten Musikern und mit so vielen instrumentalen Farben um sich herum.
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Ihr Mezzosopran wird als tendenziell hoch beschrieben. Wie beeinflusst diese stimmliche Charakteristik Ihre Interpretation der barocken Werke? Wir Mezzosoprane sind Chamäleons. Ich passe mich der Partie an. Aber, dass meine Stimme hoch liegt (und ich auch eine gute Tiefe habe) ist meistens wirklich zu meinem Vorteil, denn ich kann auch manche Sopran- und Zwischenfachpartien singen. Es öffnet mir viele Türen, so dass ich nicht in einer Fach-Schublade stecken bleibe.
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Wie haben Sie Ihre stimmliche Flexibilität entwickelt, um mühelos zwischen hellen und dunklen Nuancen zu wechseln? Ich hatte mehrere fantastische LehrerInnen, und genieße technische Arbeit an die Stimme sehr – immer schon. Und es geht auf lange Zeiten in Übungszimmern zurück, in denen ich sorgfältig über viele Jahre an allen Elementen gefeilt habe. Ich bin eine Malerin und suche Farben in meiner Stimme.
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Megan Kahts/Foto Xavier Saer
Wie gelingt es Ihnen, die Balance zwischen historischer Authentizität und zeitgenössischer Relevanz in Ihrer Interpretation zu finden? Auch wenn ich mal einen „geraden“ Ton singe, muss die Stimme immer im Körper bleiben. Ein Klang ohne Körper dahinter ist nichts für mich. Man versucht, alle Aspekte der historischen Aufführungspraxis miteinzubeziehen, aber letztendlich lebt man in der realen Welt mit einer realen Stimme und arbeitet mit dem, was man hat und mit den Einflüssen, die um einen herum sind – wir haben keine Aufnahmen der originalen Händel- oder Haydnsänger. Natürlich lese und studiere ich die originalen Quellen darüber, wie diese Musik aufzuführen ist, und baue eine sehr starke Fantasie auf – ich weiß genau, wie ich möchte, dass eine Phrase erklingt – aber auch da wird die Phrase von alleine so rausfließen mit einem Hauch des aktuellen „Zeitgeists“ denke ich.
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Historische Aufführungspraxis: Inwiefern beeinflusst die historische Aufführungspraxis Ihre Herangehensweise an die emotionale Tiefe der Stücke? Durch das Lesen der Quellen über die Aufführungspraxis dieser Stücke und die Auseinandersetzung mit den historischen Kontexten, in denen die Musik komponiert wurde, wird meine ganze interpretatorische Welt neu bemalt. Man versteht die Musik plötzlich sehr viel besser und die Strukturen und Figuren fühlen sich plötzlich sinnvoll und authentisch an. Das Studieren der alten Quellen hat mich sehr stark inspiriert – a breath of fresh air. Man kann emotional viel tiefer in ein Stück reingehen wenn man von einigen Fragen befreit ist und vieles besser versteht. Der Zugang zu dieser Musik ist viel offener, weil man näher an die „Wahrheit“ herankommt.
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Welche Herausforderungen stellt die Zusammenarbeit mit einem Ensemble auf historischen Instrumenten an Sie als Sängerin? Bei einem Barockensemble ist die Stimmung immer ein großer Aspekt der Aufführung. In diesem Fall liegt die Stimmung etwas tiefer und angenehmer als unsere Moderne. Für mich ist das Musizieren mit Barock-Instrumentalisten sehr befriedigend, erstens weil der Klang der Instrumente mir sehr gut gefällt und zweitens, weil wir uns alle mit dem Stil und der Aufführungspraxis dieser Werke besonders stark beschäftigt haben – daher fühlen wir uns alle auf derselben „Wellenlänge“ sozusagen. Die einzigen Herausforderungen, würde ich sagen, wäre, dass die Instrumente sich schnell verstimmen und nicht so stabil sind wie moderne Instrumente – bei einer Aufnahme muss man daher für das Stimmen extra Zeit einbauen.
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Megan Kahts fotographiert von Carolyn Gregorowski (Kleider von Immagika Creative Designs)
Wie sehen Sie die Rolle der historischen Aufführungspraxis in der heutigen Musiklandschaft? Welche Bedeutung hat sie für zeitgenössische Hörer? Sie ist sehr wichtig und betrifft jede Epoche… die historische Aufführungspraxis ist ein Weg, den man mit einem Werk geht, ein Annähern an die ursprüngliche Idee, ein Hinterfragen der Traditionen. Zuerst lang überlegen, sich mit den relevanten Kontexten auseinandersetzen, und dann musizieren – „conscious music making“. Das bringt Frische, etwas Neues, mehr Sinn in die Sache rein. Ich finde, dass das die Zukunft des Musizierens ist – wir werden „woke“ und flexibel.
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Wie beeinflusst die historische Aufführungspraxis Ihre Herangehensweise an klassische Opernrollen, auch jene außerhalb der Barockära? Ich gehe bewusster an den Stoff heran, denn ich suche, woher die Ursprünge des Werkes kommen. Man sollte nie oberflächlich arbeiten – das hat wenig Sinn und wird auch langweilig. Je tiefer man gräbt, desto höher kann man dann fliegen. Wenn die Basis gut erforscht ist, kann man ruhiger und freier musizieren.
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Megan Kahts fotographiert von Carolyn Gregorowski (Kleider von Immagika Creative Designs)
Carestini Ensemble und künstlerische Vision. Sie haben das Carestini Ensemble Wien selbst gegründet. Welche künstlerische Vision stand hinter dieser Entscheidung? Ich arbeite viel mit meinem Cembalisten Reinhard Führer, und wir wollten ein Ensemble bauen, das die Werke auf „unsere“ Art interpretieren kann, bzw. aus Kollegen, mit denen wir schon arbeiten und uns gut verstehen. Wir wollten eine harmonische und reibungslose Zusammenarbeit, und das entsteht durch die richtige Balance von Persönlichkeiten – darauf sind wir stolz. Unsere Vision ist es, im Ensemble ein musikalisches Zuhause zu finden, und Werke aufzuführen, die wir gerne spielen wollen. Jedes Ensemblemitglied spielt absolut solistisch und kammermusikalisch – wir sind kein Orchester und daher ist jeder auch viel selbständiger und präsenter als in einem größeren Ensemble.
Man kann sich als Sängerin oft ziemlich einsam fühlen und so schaffe ich es, „like-minded“ Musikerkollegen um mich herum zu haben, denen es auch sehr viel Spaß macht, miteinander und mit mir zu arbeiten. Wir möchten eine freudige und positive Zusammenarbeit genießen, die uns als Künstler aufbaut, und wir wollen selbständig bestimmen, was wir spielen und was für uns passt. Es ist mein eigenes Baby und ich finde, wir sind stark und haben Potenzial – das wollen wir zur Geltung bringen.
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„In dolce abbandono“ Was möchten Sie mit dieser Aufnahme beim Publikum bewirken? Erstens möchte ich mich einem breiteren Publikum, als jenem, das es bei einem Livekonzert gibt, präsentieren. Dann möchte ich die Menschen ein reichhaltiges Hörerlebnis anbieten und ihre Gefühle berühren. Deswegen kann man sich das Album auch mit Dolby Atmos anhören. Ich lade die ZuhörerInnen ein, mit uns auf eine emotionale Reise zu kommen. Ich möchte sie von ihrem sonstigen Alltag für einen Moment entführen, und einen positiven Einfluss auf ihren emotionalen Zustand haben. Das Publikum soll mit uns „grooven“ und sich inspirieren lassen.
Megan Kahts/Foto Damian Posse
In der Haydn-Kantate gibt es in einem der Rezitative eine Zeile, wo Arianna erkennt, dass Theseus wirklich weg ist: „e qui mi lascia in abbandono“. Man erkennt es – und was macht man damit? Das ist der Ausgangspunkt für alle Bewegung. Aber wie Haydn diese Zeile so „süß“ vertont hat ja auch eine gewisse ironische Aussage, meiner Meinung nach. Sie wurde verlassen: aber sie ist auch frei. Das Wort „abandonment“ auf English heißt sowohl Verlassenheit als auch Hingabe. Also für mich ist der Titel zweideutig: „sweet creative abandonment“ – also Hingabe, und seiner Kreativität freien Lauf zu geben – und natürlich eine Beschreibung der zentralen Thematik: Verlassenheit, Verlust, und alle Emotionen, die dadurch erweckt werden.
Ich glaube auch, dass es dabei eine dritte Ebene gibt, und zwar, dass ich mich meiner kreativen Berufung hingegeben habe – dafür bin ich weit weg von meinem Heimatland gezogen und habe viel geopfert. Diese Wahrheit existiert für mich auch im Titel meines ersten internationalen Albums.
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Persönliche Entwicklung und Zukunftsperspektiven. Wie haben die unterschiedlichen kulturellen Einflüsse von Südafrika bis Wien Ihre musikalische Entwicklung geprägt? Ich sage immer, ich bin unter der Sonne aufgewachsen – ich meine das sowohl tatsächlich als auch im übertragenen Sinne. Südafrika ist auch ein „Melting Pot“ für mehrere Kulturen und musikalisch habe ich das vor allem im Schulchor gespürt. Als wir in China auf Tournee waren, haben die Mädels, oder wir alle (ich war in einer Mädchenschule) überall auf der Straße einfach frei afrikanische Volkslieder gesungen, harmoniert, und dazu improvisiert – dieses seelische Jubeln hat mich geprägt und ich habe auch diesen „Spirit“ in mir. Das ist die Basis, auf die meine ganze wundervolle Ausbildung aufgebaut wurde. Ich habe mich dann in Wien sofort wohl gefühlt. Meine ganze Sozialisierung ins erwachsene Leben hat in Wien und an der (sehr internationalen) Universität für Musik und darstellende Kunst stattgefunden.
Megan Kahts fotographiert von Carolyn Gregorowski (Kleider von Immagika Creative Designs)
Deswegen fühle ich mich ziemlich österreichisch – als ob ich eine doppelte Kultur habe: halb Südafrikanerin und halb Österreicherin. Die ersten Jahre in Wien hatte ich das Gefühl, ich leben einen Traum und konnte es kaum glauben, denn schon mit 11 war ein Headline in einem Zeitungsartikel über mich als Kindersängerin “Megan aims for Vienna”. Ich war bzw. bin sehr oft an der Staatsoper oder im Musikverein und habe fast täglich meine Idole und große Stars der Klassikwelt teilweise hautnah erlebt. Außerdem hatte ich Spitzenlehrer und war umringt von Leuten, auf deren Kultur klassische Musik aufgebaut wurde, so mein Gefühl. Das alles hat eine riesige Auswirkung auf mich gehabt. Das Zugehörigkeitsgefühl, das ich in Wien wegen der musikalischen Verbindung habe, war immer schon ausschlaggebend und stark. Denn in Südafrika gibt es keine große Begeisterung für klassische Musik, aber in Wien fühlte ich mich sofort verstanden und konnte meine Interessen seriös ausüben und ausleben.
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Welche Projekte und künstlerischen Herausforderungen stehen in Ihrer Zukunft? Ich möchte gerne, dass mein Ensemble und ich immer weitere Konzerte bekommen und immer mehr Bühnen betreten und dass wir die Möglichkeit haben, zu wachsen und unser Repertoire immer auszubreiten. Ein großes und tolles Projekt mit Martin Haselböcks Wiener Akademie Orchester freut mich ganz besonders. Nächstes Jahr singe ich meine erste Rosina und tauche somit zum ersten Mal richtig in die Rossini-Welt ein. Auch in der Welt der zeitgenössischen Musik gibt es für nächstes Jahr in einer Zusammenarbeit mit dem Komponisten Nuno Côrte-Real tolle Entwicklungen, auf die ich mich freue – ich halte alle, via meine Website, Instagram, Facebook und LinkedIn, auf dem Laufenden! Ruth Wiedwald (oben: Megan Kahts fotographiert von Carolyn Gregorowski/ Kleider von Immagika Creative Designs)