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Schlicht Aigul nennt sich die neue Platte der russischen Mezzosopranistin Aigul Akhmetshina. Sie ist das erste Ergebnis eines Exklusivvertrages der Sängerin, die mit ihren 28 Jahren bereits die wichtigsten Zentren der Opernwelt erobert hat, bei DECCA. Und die man bereits als „Stütze“ auf der CD Freddie de Tommaso – Il Tenore bewundert hatte. Ihre Visitenkarte ist die Carmen, die sie an der Met, am Royal Opera House London und bei den Festspielen in Glyndebourne gesungen hat. Die Arienauswahl beginnt dann auch mit Ausschnitten aus Bizets Opéra-comique. Die Habanera, Seguidilla und die Kartenszene zählen zu den bekanntesten Nummern des Werkes und gehören zu den Lieblingsarien aller renommierten Mezzosoprane. Entsprechend zahlreich sind die vorhandenen Aufnahmen, was die Messlatte hoch setzt.
Mit ihrem aparten, sinnlichen Timbre kann sich Aigul mühelos gegen die Konkurrenz behaupten. Sie führt die Stimme schlank und verzichtet auf vulgäre Effekte, ohne an erotischer Wirkung einzubüßen. In der Seguidilla assistiert ihr Freddie De Tommaso als Don José. Dessen kurze Einwürfe von einem solch prominenten Tenor singen zu lassen, spricht für die seriöse Besetzungspolitik der Firma. In der Kartenszene sind es die Sopranistin Elisabeth Boudreault als Frasquita und die Mezzosopranistin Kezia Bienek als Mercédès. Auch das Royal Philharmonic Orchestra unter Daniele Rustioni ist erste Wahl als engagiert begleitender Klangkörper. Der Carmen folgt die Charlotte aus Massenets Werther mit deren Briefszene und der Arie „Va! laisse couler mes larmes“. Vielleicht ist die Stimme für diese Partie zu dunkel gefärbt, aber keineswegs fehlt ihr die Empfindsamkeit für die Rolle. Nach Auftritten in der Partie in London wird sie diese im Mai 2027 auch an der Deutschen Oper Berlin vorstellen. Als Romeo in Bellinis I Capuleti e i Montecchi hatte die Sängerin einen spektakulären Erfolg bei den Salzburger Festspielen. Drei Ausschnitte aus diesem Werk belegen ihre besondere Eignung für die Partie. Romeos ersten Auftritt mit der schwelgerischen Kavatine „Se Romeo t´uccise un figlio“, absolviert sie mit voluminösem, generös strömendem Mezzo. Die satte Tiefe, die strahlende Höhe in der Sopranregion, das sinnliche Vibrato und der energische Aplomb sind auch für die Cabaletta „La tremenda ultrice spada“ ideale stimmliche Voraussetzungen. Die Apollo Voices, auf dem Album mehrfach im Einsatz, überzeugen hier besonders. Berührend die letzte Szene an Giuliettas Grab mit der wehmütigen Kavatine „Deh! tu, bell’anima“ von berückend schönen Tönen.
Paradenummern aus zwei populären Opern Rossinis komplettieren das Programm. Als Angelina in der Cenerentola war Akhmetshina erfolgreich am Teatro Real in Madrid aufgetreten und kann in der Schlussszene neben ihrer Virtuosität auch Anmut und Charme zeigen. Die Rosina im Barbiere di Siviglia verkörperte sie bereits in London und Paris. Mit der Paradenummer „Una voce poco fa“ zeigt sie sich als gewitzte und temperamentvolle Interpretin. Am Schluss stellt die Sängerin mit baschkirischen Wurzeln nach all den bekannten Titeln noch ein Volkslied aus ihrer Heimat vor: „The Nightingale“, arrangiert für Stimme und Orchester von Kamil Yusufovich Rakhimov. Damit gibt es immerhin eine Novität – und diese setzt durchaus einen attraktiven Schlusspunkt.
Die CD, aufgenommen im November 2023 in London (487 02629), hat alle Chancen für einen OPUS KLASSIK. Ärgerlich ist allein die Gestaltung des Booklets, dessen Seiten durchgängig von roter Farbe triefen und dessen Text in winziger Schriftgröße kaum lesbar ist. Bernd Hoppe