Archiv des Autors: Geerd Heinsen

Erfrischendes Debüt

 

Aus den drei Da-Ponte-Opern Mozarts stammen die Arien auf der Debüt-CD von Anett Fritsch, was nur auf den ersten Blick verwundert, während der zweite darüber belehrt, dass der Sopran aus den Nozze gleich drei, aus Così und Don Giovanni immerhin noch zwei Partien sich zu eigen gemacht hat. Auf der Bühne singt sie, so verrät ein Blick auf ihre Auftritte, jeweils eher die dramatischere Partie, so Donna Elvira und die Contessa, während man als Hörer der CD eher dazu neigt, ihr (noch) die Susanna und die Zerlina zuzuweisen.

Es beginnt mit den beiden Arien des Cherubino, deren erste ungewohnt sopranig klingt, sehr schnell, aber nicht atemlos gesungen wird und die eine junge, geschmeidige Stimme hören lässt. Der Sängerin selbst war wohl das Ungewohnte ihrer Rollenwahl bewusst und sie versucht sie im Booklet zu begründen. Hübsch ist der melancholisch klingende Schluss gestaltet, und sehr schön auf Linie gesungen erklingt „Voi che sapete“, mit kindlichem Ton und in der zweiten Strophen mit hübschen Verzierungen variiert. Die Contessa fällt sehr mädchenhaft aus, sehr anmutig, das Ebenmaß der Stimmführung ist bemerkenswert. Die Susanna ist mit ihrer Rosenarie wohl bewusst nicht kapriziös angelegt, aus ihr spricht mehr die aktuelle Situation als der Charakter der Rolle, sie ist ganz Sanftmut, und die Stimme spricht im Piano sehr gut an.

Eine relativ zarte Elvira kreiert Anett Fritsch mit deren beiden Arien, einem interessant gesungenen Rezitativ folgen Arien, die Fulminantes eher durch das Tempo als durch vokale Nachdrücklichkeit bekunden. Die Zerlina liegt ihr gut, die leicht hingetupften Töne des „Batti, batti“ charakterisieren die Figur nachdrücklich.

Mit ihren beiden großen Arien ist Fiordiligi vertreten, für deren Gestaltung der leicht elegische Ton spricht, für die sie auch die angemessene Mittellage hat und dazu noch die Koloraturgeläufigkeit. Etwas schärfer, prägnanter dürfte das kleine Aas Despina klingen, erst am Schluss der Arie klingt die notwendige grinta an.

Den Abschluss bilden zwei Konzertarien, „Resto, oh caro“, sehr facettenreich gesungen ,und „Misero, dove son‘“ mit feinem, elegischem Ton.

Alessandro De Marchi als Spezialist für Alte Musik gibt den Grundton einer sehr schlanken Interpretation mit dem Münchner Rundfunkorchester vor und beeinflusst damit wohl auch die vokale Gestaltung (Orfeo C 903 161 D). Ingrid Wanja

Jutta Vulpius

 

„Wer war doch noch …?“:   In unserer Serie über weitgehend vergessene Sänger erinnern wir an uns wichtige Personen, die oft nur wenige oder keine Spuren hinterlassen haben, die aber für ihre Zeit und für den Fortbestand von Oper und Konzert so immens wichtig gewesen sind. Es waren und sind ja nicht allein die Stars, die die Oper am Laufen halten, sondern die Sänger der Nebenrollen und Komparsen, auch die Provinzsänger, die Diven und Heroen aus den kleineren Orten, wo Musik eine ganz andere Rolle spielte als hochgehypt in den großen Städten. Vor allem vor dem Krieg, aber auch in den Fünfzigern und Sechzigern hatte allein in Deutschland jedes der 36 und mehr Theater seine eigene Primadonna, seinen Haustenor und  langlebigen Bariton, die von der Operette bis zu Mozart und Wagner alles sangen. Das macht Oper aus. Nicht (oder nicht nur) die Auftritte der umjubelten Stars.

„Mein Leben ist die Kunst und es gibt nichts anderes für mich“, diese Äußerung der am Silvestermorgen des Jahres 1927 in Erfurt geborenen und seit 1951 im damaligen Ostberlin lebenden Jutta Vulpius steht wie ein Motto über dem Leben der Sopranistin. Dabei war ihr Dasein aber nicht nur durch ihre Gesangskarriere bestimmt, sondern auch durch die geschichtlichen Zeitläufe, geprägt durch die Ereignisse des 2. Weltkriegs und der deutschen Teilung, mit bestimmt durch Arbeiteraufstand, Mauerbau und Mauerfall.

 

Jutta Vulpius in "Der spizte Kreis"/ youtube

Jutta Vulpius in „Der spitze Kreis“/ youtube

Dazu schreibt die Berliner Staatsoper in ihrem Nachruf: Die Staatsoper trauert um ihr langjähriges Ensemblemitglied Kammer-Sängerin Jutta Vulpius, die am 17. November im Alter von 89 Jahren verstorben ist. Die Sängerin, die 1927 in Erfurt geboren wurde, debütierte 1954 als Königin der Nacht in Walter Felsensteins Inszenierung von Mozarts  »Zauberflöte« an der Komischen Oper Berlin und wechselte 1956 in das Ensemble der Berliner Staatsoper Unter den Linden, dem sie 35 Jahre lang die Treue hielt.

Ihr umfangreiches Opernrepertoire umfasste dabei die ganze Palette des Sopranfaches – von Mozart über Händel bis hin zu Wagner. Darüber hinaus pflegte sie auch den Konzert-, Lied- und Oratoriengesang.Zu einigen ihrer bedeutenden Partien an der Staatsoper zählten u. a. Konstanze (»Die Entführung aus dem Serail«), Violetta (»La traviata«), Woglinde (»Das Rheingold«), Donna Elvira (»Don Giovanni«), Gräfin (»Die Hochzeit des Figaro«), Eva (»Die Meistersinger von Nürnberg«), Alice (»Falstaff«), Praskowja Ossipowna (»Die Nase«), Erste Dame (»Die Zauberflöte«), Fulvia (»Ezio«), Abigail (»Nabucco«) oder Fiordiligi (»Così fan tutte«). 1974 wirkte sie an der Uraufführung von Paul Dessaus Oper »Einstein« mit. Gastspiele führten sie u. a. nach Kairo, Barcelona, Lissabon, München, Rom, Prag und Hamburg, an das Royal Opera House Covent Garden in London, an die Opéra in Paris sowie an das Moskauer Bolschoi Theater. Über zehn Jahre sang sie in Halle (Saale) bei den Händelfestspielen, von 1954 bis 1956 folgte sie dem Ruf nach Bayreuth.

Stimmliche Virtuosität und technische Brillanz vereinten sich bei dieser außergewöhnlichen Künstlerpersönlichkeit mit einer subtilen Ausdruckskraft sowie einem dramatischen Gestaltungwillen und ließen Jutta Vulpius zum Liebling des Berliner Opernpublikums wie der Presse gleichermaßen werden. 1959 wurde sie mit dem Titel Kammersängerin sowie dem Nationalpreis der DDR ausgezeichnet.

Neben der Trauer um den Tod von Jutta Vulpius empfinden die Mitglieder der Staatsoper Berlin auch Dankbarkeit dafür, mit einer Ausnahmesängerin wie Frau Vulpius als Kollegin über so lange Zeit zusammengearbeitet zu haben. Wir werden Jutta Vulpius unser ehrendes Andenken bewahren.(Quelle: Berliner Staatsoper)

Jutta Vulpius (* 31. Dezember 1927 in Erfurt – gestorben 17. November 2016 in Berlin), die aus derselben Familie stammt wie Christiane Vulpius, der Gattin Goethes, spielte in ihrer Jugend Klavier. Die Begegnung mit Gerhard Unger anlässlich eines Konzertes während des Krieges verstärkte ihren Wunsch, in Zukunft als Sängerin tätig zu werden. Sie studierte von 1946 bis 1951 in Weimar bei Franziska Martienssen-Lohmann. Sie debütierte als Königin der Nacht in der Premiere von Walter Felsensteins Inszenierung der Zauberflöte in der Komischen Oper Berlin am 25. Februar 1954. Dort blieb sie bis 1956. Danach wechselte sie an die Staatsoper Berlin, deren Ensemble sie 35 Jahre angehörte. Sie hatte ein umfangreiches Repertoire, sang in Mozart-Opern, in Händel-Opern, aber auch Wagner. Gastspiele führten sie nach Barcelona, Rom, Lissabon, Kairo, Moskau, Prag, München und Hamburg. Über 10 Jahre sang sie in Halle (Saale) zu den Händelfestspielen. Von 1954 bis 1956 folgte sie dem Ruf nach Bayreuth. Neben ihrer Opern-Tätigkeit pflegte sie aber auch den Konzert-, Lied- und Oratoriengesang. (Quelle Wikipedia/ WDR/ Foto oben: Edel/ Eterna)

 

So aufschlussreich wie sympathisch

 

Theater- und Opernfreunde, Wiener und Berliner gleichermaßen  kann die Autobiographie des Österreichers Peter Matić  interessieren, die er in seinem 80. Lebensjahr mit Hilfe von Norbert Mayer verfasst hat. In einem knappen, pointierenden Stil, der einfache erweiterte Satz ist das hervorragende Stilelement, berichtet der Künstler über seine Kindheit im Krieg, die Jugendjahre in Salzburg, seine Ausbildung zum Schauspieler und sein Wirken als solcher, aber auch als Sänger am Theater an der Josefstadt, in Basel, München, für 22 Jahre am Schiller- und Schlossparktheater in Berlin, hier aber auch am Renaissancetheater, und danach bis heute am Burgtheater in Wien.

peter matic amalthea„Ich sag’s halt ist der Titel des Buches im Wiener Amathea Verlag, so unprätentiös wie dieser auch die Art seiner Darstellung, eher unter- als übertreibend, eher sein Licht unter den Scheffel als sich selbst ins Rampenlicht stellend. Nur ab und zu lässt er in Kritiker-Zitaten aufleuchten, welche Bedeutung er für das kulturelle Leben in der jeweiligen Stadt seines Wirkens hatte.  Die taktvolle  und dezente Art und Weise, in der Matić schreibt, lässt sich auch an den Abschnitten über Harald Juhnke, mit dem eine Zusammenarbeit geplant war, ablesen.

Tannhäuser weckte seine Opernleidenschaft, ein auf Deutsch zu singender Rodolfo ist sein wiederkehrender Albtraum, der Haushofmeister in Strauss‘ Ariadne auf Naxos eine Lieblingsrolle, in Berlin unvergessen ist sein Mitwirken in Aribert Reimanns Kafka-Oper Das Schloss an der Deutschen Oper, wo er auch den Sprecher in Ödipus Rex verkörperte. Wie sehr er der Musik verbunden war, zeigt das Bekenntnis „prima la musica“, das er als Regisseur auch von Opern zu seinem Credo gemacht hatte.

In bescheidener, zurückhaltender Art beschreibt Matić  seine Herkunft aus einer aus Kroatien stammenden adligen Offiziersfamilie, seine Abstammung vom Minnesänger Bligger von Steinach, Familienfotos sind in den Text eingestreut, im Mittelteil gibt es einen Block mit Rollenportraits.

Für den Musikfreund sind besonders interessant die Ausführungen über die Regieassistenz bei Karajan  und dessen Wiener Ära, über das Wirken in Offenbach-Operetten, so als Orpheus, Mars oder Styx.

Der Berliner Leser erlebt noch einmal die schmerzliche Zeit, als politischer Unverstand zur Schließung von Schiller- und Schlossparktheater führte, und der freundliche Abschiedsbrief von Eberhard Diepgen ist kein wirklicher Trost  für den Verlust nach 22 Jahren und fast fünfzig verschiedenen Rollen in der Stadt. Da wird auch im Leser noch einmal die Sehnsucht nach dem alten Westberlin wach.

Wird aber an der Gegenwart Kritik geübt, dann nur in vornehm zurückhaltender Weise wie mit einem das „wird heute nicht mehr so sehr angestrebt“, und Kollegenschelte ist sowieso etwas, was streng vermieden wird.

Gut nachvollziehen kann man die Gedanken  des Künstlers über die Folgen der Präsenz im Fernsehen oder das Synchronisieren, interessant ist die Darstellung des besonderen Wegs, den Österreich nach 1945 ging und der weit weniger schmerzvoll war als der Deutschlands. Das Buch gehört zu den kenntnisreichsten,vielseitigsten und angenehmsten unter den vielen Künstlerbiographie der letzten Zeit (225 Seiten Wien 2016 Amalthea Verlag; ISBN 978 3 99050 051 4). Ingrid Wanja 

Problematischer Aufbruch in den Verismo

 

Manchmal wünschte man sich, Opernsänger würden sich nur singend äußern, um nicht den hervorragenden Eindruck, den sie mit ihrem Gesang machen, zumindest teilweise durch törichte Äußerungen zu mindern. Elina Garanča hatte bereits mit ihrer Autobiographie leicht verstörend gewirkt, nun hat sie auch das Booklet zu ihrer neuen CD mit dem Titel Revive (Wiederbelebt) geschrieben, die von den „schwachen Momenten starker Frauen“ handeln soll.  Man muss ja nicht unbedingt die einzelnen Tracks einer CD zu einem Thema passend zusammenstellen, versucht man dies aber, dann sollte es wenigstens stimmen, was mit Adriana Lecouvreur, Dalila, Eboli im Schleierlied, Marina, Preziosilla, der Leoncavallo-Musetta oder Anna Bolena in Saint-Saens Oper Henry VIII nicht der Fall ist, denn die sind zumindest zu dem Zeitpunkt, in dem sie ihre Arie singen, gar nicht schwach.

Anlass für die CD ist nach Booklet das Debüt mit Garančas erster Verismo-Partie, der Santuzza, die sie bereits konzertant gesungen hat, Ende dieses Jahr aber auch szenisch in Paris verkörpern wird. Die Sängerin behauptet, Laura aus La Gioconda lohne sich nicht zu studieren, da das Werk kaum aufgeführt werde, es gebe nur wenige junge Rollen für Mezzosopran in italienischen Opern und die Sängerin der Azucena müsse mindestens 60 Jahre alt sein, da der Tenor ja an die 45 Jahre auf den Stimmbändern trage. Den Wahrheitsgehalt aller dieser Aussagen kann man leicht überprüfen.

Auch die biographischen Bezüge, die zu den einzelnen Debüts hergestellt werden, so Schwangerschaft und Krebsdiagnose der Mutter, sind eher peinlich als erhellend. Und die Unterstellung, der Käufer der CD könne meinen, ein spanisches Orchester (Orquestra de la Comunitat Valenciana unter der Leitung des Italieners Roberto Abbado!) könne keine italienische oder französische Musik spielen, scheint auch nicht von dieser Welt zu sein.

Das also zum Booklet, dessen Verfassen man in Zukunft bei weiteren CDs eher dazu Berufenen überlassen sollte. Die vielen schönen Fotos allerdings erfreuen sicherlich uneingeschränkt die Fans.

Wesentlich besser ist es um die CD selbst bestellt. Sie beginnt mit Santuzzas Arie, die mit einem wahrlich begnadeten Timbre und erstklassiger Technik gesungen wird, mit einem leidenschaftlichen „l’amai“, aber insgesamt zu sehr auf reinen Schöngesang bedacht und mit, das zieht sich durch fast die gesamte CD, zu verwaschener Diktion. Die findet sich auch bei der Principessa di Bouillon, besonders  deutlich auf „ogni ombra nella notte incesa“, versöhnlich stimmt die bruchlos angebundene tiefe Lage, das generös gesungene „stella d’Oriente“. Mit Berlioz‘ Dido sollte die Sängerin eigentlich vor Jahren an der DOB debütieren, und für die sanfte Karthager-Königin eignet sich die Stimme vorzüglich, auch für die im Abschied nachklingenden „nuits d’ivresse“. Noch kein „Don fatal“ lässt sich aus dem Mezzo heraushören, wohl aber das hier vertretene Schleierlied der Eboli, bei dem nur die hohen Extremtöne etwas aus dem insgesamt deliziösen Rahmen fallen, die Koloraturfähigkeit trotz des Reifens der Stimme beachtlich ist. Sehr verführerisch und mit schöner, reicher Agogik lässt sich Dalila vernehmen, während sich Marina in ihren Zukunftshoffnungen in einen wahren Taumel hineinsteigert. Adrianas „umil‘ ancella“ zielt auf den hohe Ton hin, der bei dem in der Mittellage wunderschönen Mezzosopran nicht recht aufblühen will. Massenets Hérodiade schwelgt am schönsten in den Erinnerungen an glücklichere Zeiten, von wunderbarem Ebenmaß ist Mignons Sehnsuchtslied, Preziosillas Rataplan fehlt es etwas an vokalem Biss, insgesamt liegt der Sängerin das französische Repertoire mehr als das italienische. Das gilt auch für Lauras Gebet, das man von den großen Interpretinnen schon vollmundiger, einfach veristischer gehört hat, während sie als Charlotte kaum zu schlagen sein dürfte, der elegische Ton einfach vollkommen ist. Interessant sind die beiden unbekannten Stücke, in denen das Orchester bei Musettas Aschied aus der Bohéme Pagliacci-Töne anklingen lässt (DG 479 5937). Ingrid Wanja    

 

Maulen auf hohem Niveau

 

Niemand kann sagen, ich bewunderte die Arbeit des Palazetto Bru Zane nicht, und es gibt kaum drei Monate, in denen wir nicht bei operalounge.de über deren Konzerte, Aufführungen und Neuaufnahmen im hochverdienstvollen Programm der romantischen französischen Oper berichten, fast schon obsessiv in den Augen mancher. Und natürlich sind diese Leckerls wie Uthal oder Herculanum, Les Bayadères, Les Danaides, Les Barbares oder vor allem auch Dimitri unverzichtbar! Lobeshymnen sind bei uns nachzulesen. Chapeau und un très grand merci!

catel bayaderesUnd natürlich ist man als Sammler und Opernliebhaber dankbar, sehr dankbar, für die vielen ebenso seltenen wie unbekannten Titel, die da aufgenommen werden, nicht nur beim Palazetto. Und ebenso natürlich weiß man, dass den meisten Firmen das Geld fehlt, eine sorgsam vorbereitete Studioproduktion wie zu Walter Legges Zeiten zu machen, die dann auch noch – anders als in manchen Fällen bei Opera Rara – ebenso idiomatisch  besetzt ist. Insofern bleibt vielen Compagnien (und dem Musikliebhaber) nichts anderes übrig, als sich mit Live-Mitschnitten zufrieden zu geben, die eben (wenngleich oft spannender als Studioaufnahmen) nur eine Moment-Aufnahme des Geschehenen sind und die trotz manchmal möglicher Nachaufnahmen eben den Stand der Dinge widerspiegeln. Gelegentlich – und leider immer öfter – läuft es aber auch auf eine Art musikalisches Fast-Food hinaus. Wie in manchen Aufnahmen aus Italien oder Belgien, wo offenbar Nachaufnahmen nicht mehr möglich waren und man sich kostengünstig an die Rundfunkbänder dranhängt (oder DVD-Firmen an wirklich zu viele TV-Übertragungen sehr oft der lässlichen Art – kaum eine Woche vergeht, wo nicht die x-te Aida etc. als DVD-Mitschnitt herauskommt).

david herculanum edicionesDas ist nun bei den Palazetto-Aufnahmen, denen nun zu Beginn meine Kritik gilt, nur bedingt der Fall. Aber immer häufiger mehren sich hier doch jetzt die Eindrücke von schlecht geplanten oder schlampig besetzten oder vor allem editorisch zweifelhaften Projekten, die den gutgewillten Sammler und Bewunderer verstimmen. Die gerade in Amsterdam abgelaufene Olympie Spontinis, aus Versailles kommend und von dem gewiss sehr hübschen und wie ein Halbgott in Paris gehandelten Jeremy Rhorer dirigiert, ist so ein Fall. Das klingt durchgedroschen, um das Ballett und manche Musik beraubt, uninspiriert auf einem leidenschaftslos-historischen Klangkörper abgestrickt. Und man ärgert sich über diese vertane Chance. Da greift man doch lieber zur alten Radioaufnahme mit der kompetenten Hayashi und einem leuchtenden Hollweg unter dem wissenden Gavazzeni, dem Rhorer zu keiner Minute das Wasser reichen kann. Ihm fehlen Pathos und Würde im viel zu brutalen Duktus. Da will sich jemand wichtig machen.

Palazzo Bru Zane: Alexandre Dratwicki und Nicole Bru/ PBZ

Palazzo Bru Zane: Alexandre Dratwicki und Nicole Bru/ PBZ

Und warum ist eigentlich das Herculanum Davids nun kürzlich aus Wexford um 33 Minuten länger als die Münchner/Versailler Einspielung bei Ediciones Singolares? Woher haben die dieses mehr an Musik? Das fragt man sich ebenso, wie man seine Verärgerung nicht verbergen kann, wenn man hört, dass die für 2017 geplante Reine de Chypre Halévys nur bearbeitet, gekürzt und orchestral reduziert gegeben (und aufgenommen) werden soll. Volker Tosta hat doch eine Edition in ganzer Länge erstellt, warum also Kürzungen und orchestrale Bearbeitungen? Das gilt – apropos Orchester – auch für die Mini-Fassung der Phèdre von Lemoyne, die demnächst auf uns zukommt. In einer von Studenten erstellten „entschlackten“ Orchesterfassung für kleine Besetzung! Das Letzte, was die große französische Oper braucht, ist eine Minifassung! In Paris gings um Rausch, Hüftenschwenken und ganz große Pappe, vor allem im Orchester. Nicht um Sparprogramme.

cinq-mars gounod ediciones singolaresÜberhaupt die Auswahl von M. Alexandre Dratwicki, musikalischer Chef der Palazetto Bru Zane Stiftung! Muss gespart werden? Dann doch weniger Gounod (dessen Idiom ist bekannt, wie man im Cinq-Mars hörte). Und keinen wirklich strunzlangweiligen Saint-Saens (auch wenn dessen Proserpine sicher sein Wagner-Coming-Out darstellt und musiklogisch hoch interessant ist. Fade war das Konzert aus München und Wien dennoch). Nach eben der Proserpine kommt nun auch noch  Le Timbre d’argent. Vorher dieser wirklich behäbige Lalo, der nicht mal 100 Prozent Lalo war (La Jacquerie), aber dafür auch nicht vor Rausch sprühte. Nun, wo wir doch – dank auch und vor allem wegen des Palazetto – viel mehr über dies bislang obskure Umfeld wissen, sind wir mit dem sich häufenden Zweitklassigen nicht mehr zufrieden. Salieris Rom-Oper Les Horaces ist so ein Fall (Wien und Versailles 2016):  Waren die Danaides wirklich eine Sensation, so schien Dirigent Rousset diesmal nicht gut vorbereitet und zogen sich die ellenlangen Rezitative doch quälend durch die auch stimmlich (Sopran!) nicht wirklich erstklassig besetzte Oper. Das kommt auch auf die CD. Im Ganzen möchte man dem Palazetto zurufen: weniger und dafür mehr Qualität und mehr wirklich Unbekanntes, nicht so viel Lässliches

nicolai heimkehr cpoAber die Jeremiade über anfechtbare Neuaufnahmen, die den Markt für weitere Einspielungen desselben Titel verstopfen, sind ja noch nicht zu Ende. Nicolais Heimkehr der Verbannten bei cpo wird es ganz sicher nicht noch einmal auf CD geben (schon das Konzert des Salzburger Templario  war ein Wunder und kommt ebenfalls auf CD heraus) – nur weil der Chemnitzer Dirigent aus wenig  nachvollziehbaren Gründen eine verhunzte Wiener Fassung (wohl wegen der Leonoren-Arie, dafür mit abenteuerlich bearbeitetem  Libretto) und nicht die künstlerisch überragendere Berliner wählte, stehen wir nun mit einer mäßig gesungenen, unbefriedigenden Aufnahme eines vielversprechenden Werkes da. Zumal die Berliner Fassung ja als Edition vorlag. Warum also nicht die? cpo-Editionen bzw. Aufnahmen haben es ja oft in sich, und manche Operetteneinspielungen lassen die Augenbrauen im Haaransatz verschwinden (Ausnahmen wie Giuditta bestätigen da oft die Regel) ob der provinziellen Qualität der Ausführenden bzw. Editionen. Der neue Studentenprinz von Romberg fand bei uns niemanden, der ihn rezensieren wollte…. Aber natürlich gilt das Wort „hochverdienstvoll“ für cpo und seine vielen unbekannten Titel!!!

fedra paisiello dynamicUnd auch die italienische Firma Dynamic kommt nicht ohne Schelte davon. Die neue Fedra von Paisiello ist wirklich eine kaum erträgliche Aufnahme (aus Catania). Schlecht gesungen und orchestral suspekt reiht sich dieser Mitschnitt in eine längere Reihe von gewöhnungsbdürftigen Dokumenten ein, ob nun Mayrs Medea in Corinto oder anderes, das eben – wie zu Bongiovannis Zeiten – einfach so von der Bühne übernommen wird. Es sind musikalische Fast-Food-Produkte, Momentaufnahmen aus einem Opernhaus mit meist zu wenig Geld für Sorgfalt der Besetzungen. Aber sie blockieren den Markt, denn eine Fedra wird es eben auch so schnell nicht wieder geben, da greift man doch auf die alte Tucci-Einspielung zurück, wenngleich auch die barbarisch gekürzt und schwerblütig ist.

meyerbeer le prophete myto gedda horneImmer öfter geht deshalb der Opernfan in jüngerer Zeit auf die Knie und dankt den Rundfunkanstalten für ihre Arbeit älteren Datums. Denn was die Rai und der französische Rundfunk nebst BBC und einigen deutschen Anstalten damals produzierten, hat oft mehr Bestand als vieles von dem Heutigen (man denke an die Abencerages oder den immer noch unschlagbaren Prophete sowie die vielen prachtvollen Opernaufnahmen im französischen Repertoire des ORTF). Auch Orfeo sei Dank für Wiederbelebungen – und natürlich den Piraten!!! Ich wünschte mir für die heutigen Produktionen des Besonderen größere editorische Sorgfalt und weniger Eingriffe durch Dirigenten, Regisseure oder Produzenten.

Und vor allem: mehr Transparenz! Wenn denn schon bearbeitet oder gekürzt oder verändert wird möchte man das als Käufer/Musikliebhaber auch wissen. In kaum einer Live-Ausgabe wird darauf hingewiesen. Und das wärer sowohl die Aufgabe des Programmhefts der Quelle oder des beiliegenden Ausatzes im jeweiligen Booklet. So bleibt der Käufer mit den oft fragwürdigen Ergebnissen einer Bühnen-/ Konzertaufführung oder Produzenten-Entscheidung perplex und auch unwissend. Wer unter den normalen Käufern ist schon ein Musikwissenschaftler, dass er beurteilen kann, was fehlt oder verändert wurde? Und was vorenthalten wurde? Wie im Falle des Davidschen Herculanum bei Ediciones, wo die Mezzosopranistin wohl wegen ihrer Krankheit nur eine Arie statt zweier beisteuerte – wie man nun nach Hören der umfangreicheren Übertragung aus Wexford weiß. Bei unbekannten Stücken ist das kaum nachzuverfolgen. Nur unbekannt ist einfach nicht genug. Womit wir wieder bei Alexandre Dratwicki angekommen sind (Foto oben: Winter)Geerd Heinsen

Wer verhunzt hier wen?

 

Das mit Abstand Beste am Buch mit dem Titel Die Oper auf dem Prokrustesbett ist das Titelbild, das einen weiblichen Lohengrin in SS-Uniform und mit Laserschwert auf einem von einem erschöpften Schwan gezogenen Trabbi zeigt und auch sonst noch einige gern in modernen Opernproduktionen verwendete Utensilien wie Müllsack, Klorolle und an die Wand gekritzelte Slogans wie „Deutschland braucht Einwanderer“ oder“ Gegen Massentierhaltung“.

Enttäuscht wird man allerdings, wenn man Texte erwartet, die sich ausführlich und vielleicht sogar noch humorvoll mit den Umwandlungen befassen, die Regisseure heutzutage Opern angedeihen lassen, und die nach den Gründen dafür suchen, warum Regisseure einander zu übertrumpfen versuchen, was Unglaubwürdigkeit , Lächerlichkeit, Blasphemie oder sexuelle Freizügigkeit auf der Bühne angeht. Beispiele gibt es in Hülle und Fülle, und man is viagra over the counter at walmart könnte in der politischen Ausrichtung (meistens links), den persönlichen psychischen Problemen, dem Wunsch, das Publikum zu schockieren oder das Feuilleton für sich zu interessieren viele Motive für diesen Umgang mit den Werken der Opernliteratur suchen und würde fündig werden.

Richtig wird von den Verfassern Fritz Erik Hoevels, Peter Priskil und Ralph MacRae zwar erkannt, dass der Verzicht auf die Dimension des Historischen, die Aktualisierung, das Hauptmerkmal „moderner“ Regie ist, aber der Grund, warum das so ist, wird allein in dem Bestreben der Herrschenden gesehen, dem Opernbesucher weiszumachen, jedes Auflehnen gegen die herrschenden, natürlich schrecklichen Zustände sei zwecklos. Der „Haß des nachbürgerlichen US-abhängigen monopolistischen Staats“, das Wirken der „Lügenpresse“ sei schuld daran, dass „grobe und tagesbezogene Propagandafetzen“ dem Publikum um die Ohren gehauen würden.

Bei dem Hauptautoren Hoevels weiß man zunächst nicht, ob die Ablehnung der modernen Regie von rechts oder links kommt, wenn er sich cialis drugs online zunächst zum Anwalt der Pegida-Demonstranten von Dresden macht, bald aber wird deutlich, dass alle drei Autoren, die DDR für „den besseren buy generic cialis online deutschen Staat“ halten und sie als vom schlechteren als „annektiert“ ansehen.

Es geht in den einzelnen Kapiteln um Aufführungen von Mathis der Maler, Tosca, La Juive, Iwan Sussanin und Der feurige Engel, aber der größte Anteil des Textes befasst sich weniger mit den Werken oder ihrer jeweiligen Aufführung, sondern ist ein Gift- und Gallespeien gegen unsere Gesellschaft. Auffallend ist die Inkonsequenz, wenn

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einerseits gegen jede Verlegung der Handlung in eine andere als die vom Libretto festgelegte Zeit aufs schärfste verdammt wird, aber die Verfasser selbst die Bauern im Mathis mit der KPD vergleichen oder eine Verlegung von Iwan Sussanin in den russischen Bürgerkrieg nach 1918 geradezu gefordert, die in den Zweiten Weltkrieg jedoch verdammt wird. Dazu kommen als unangenehme Begleiterscheinung Kraftausdrücke aus der Fäkalsprache und machen die Argumentation nicht überzeugender.

Besonders abgesehen hat man es auf den Regisseur David Pountney, dessen Namen nicht genannt wird, aber erschlossen werden kann, und 20 mg cialis cut in half seine Tosca in Bregenz und La Juive in Zürich, wo die Dreyfus-Affäre anstelle des ausgehenden Mittelalters auf die Bühne gebracht wurde, was zur Benennung des Regisseurs als „umtriebiger Propagandist des klerikal verseuchten Neo-Byzantismus“ führt. Und was hat es noch mit Oper zu cialis and viagra alternatives tun, wenn über den „Viagra-befeuerten libyschen Massenvergewaltiger“ geschimpft wird.

Auch Wels und seine Wagner-Aufführungen kommen nicht ungeschoren davon, weil zu „zahm“ und keine Kampfansage gegen die „Verhunzer“. Und die Verwendung der Originalsprache schließlich wird angeblich als Mittel online pharmacy viagra dazu benutzt, das Publikum im Unklaren über den Gehalt der Oper zu lassen.

Kurz und gut: Selbst wer es bedauert, dass Opernaufführungen heutzutage sehr oft die historische Dimension fehlt, Aktualisierungen und damit oft verbundene Semplifizierungen das Publikum für dumm verkaufen und manche Werke zur Karikatur ihrer selbst werden lassen, möchte sich wohl kaum jemand auf eine Stufe mit diesen Autoren stellen, denen es offensichtlich eher um die Verbreitung abstruser politischer Ideen als um die Oper geht (Ahriman Verlag ISBN 978 3 89484 832 3). Ingrid Wanja

Hummel Hummel

 

Mit dem Album Mein Hamburg erfüllt sich Daniel Behle einen langgehegten Herzenswunsch. Der gebürtige Hamburger ist nicht nur ein international gefragter Opern-, Konzert und Liedsänger, sondern auch Komponist. Für die Aufnahme hat er weltbekannte Klassiker für Klaviertrio und Tenor bearbeitet, neu getextet und eigene Songs für eben jene Besetzung geschrieben. Entstanden ist ein Album, das Traditionelles neu erstrahlen lässt und dabei auf höchste musikalische Qualität setzt. Kongenialer Partner ist das Schnyder Trio, mit dem Daniel Behle seit Jahren eng zusammenarbeitet.

"Mein Hamburg": Daniel Behle/ © Marco Borggreve/ Edel Classics

„Mein Hamburg“: Daniel Behle/ © Marco Borggreve/ Edel Classics

Mit Mein Hamburg zeichnet Daniel Behle ein ganz persönliches Bild ‚seiner‘ Stadt und reflektiert mit großer Emphase über den Norden. Die Idee war es, ein abwechslungsreiches Potpourri zu schaffen, mit einem renommierten Ensemble, technisch anspruchsvollen Kompositionen, Arrangements und interessanten Texten – eine Mischung von berühmten Gassenhauern aus Oper, Operette, Film und Seemannskajüte, ausgeschmückt mit eigenen Kompositionen. Dadurch mischt sich Wiener Kaffeehaus mit Hamburger Bauhaus im Rahmen eines gehobenen Kammermusikkonzerts – ganz nach Daniel Behles Geschmack, in der Reduzierung auf das musikalisch Wesentliche. Nach der Bearbeitung von Schuberts „Winterreise“ im Jahr 2014 – ebenfalls mit dem Schnyder Trio – geht der Tenor mit dieser Aufnahme noch einen Schritt weiter, da hier Werke eingespielt wurden, die ganz aus seiner Feder stammen.

Also, Vergesst Hans Albers, hier kommt Daniel Behle! Denn mit ihm wird es nie langweilig. Er ist einer der vielseitigsten deutschen Tenöre und fühlt sich in Konzert, Lied und Oper gleichermaßen zu Hause – vom Barock bis ins 21. Jahrhundert. Als Hamburger Jung liebt er seine Heimatstadt. Um dieser Liebe Ausdruck zu verleihen, mangelt es jedoch an entsprechenden Arien oder Liedern für klassisch singende Tenöre. Mit diesem Programm ändert Daniel Behle dies und reflektiert mit großer Emphase über den Norden – so wie man es als Tenor kann (Quelle Edel Classics). Und nun der Tenor in einem kurzen Gespräch mit Anna Novak.

 

Daniel Behle/ © Marco Borggreve/ Edel Classics

Daniel Behle/ © Marco Borggreve/ Edel Classics

Moin, Herr Behle. Moin, Moin! Sie leben jetzt in der Schweiz… Was vermissen Sie am meisten an ihrer Heimatstadt Hamburg? Ganz klar: das Wasser.

Sie sind in Hamburg aufgewachsen. Butter bei die Fische: Wie hanseatisch sind Sie? Meine Mutter ist aus der Steiermark und mein Vater aus dem Rheinland. Ich bin zwar in Niendorf aufgewachsen, aber ein Ur-Hamburger bin ich wohl nicht.

Warum ist Hamburg die schönste Stadt der Welt? Hamburg ist das Venedig des Nordens. Für mich stimmt einfach die Mischung. Viel Grün, viel Wasser. Alster und Elbe. Die Fleete, Landungsbrücken, Jungfernstieg, Blankenese und so weiter – es gibt sehr viele Gründe.

Der Albumtitel Mein Hamburg klingt sehr persönlich. Lassen Sie uns da in Ihr eigenes Familienalbum

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gucken? Der Titel Hamburger Lieder für einen klassisch singenden Tenor würde es vielleicht besser beschreiben. Ein neuer Weg, meine Heimatstadt musikalisch zu würdigen, möglichst ohne Klischees, um dem Ganzen eine Frische zu geben. Das Akkordeon wurde deshalb gleich ausgeklammert.

Was war für Sie musikalisch so reizvoll an einem Hamburg-Album? Ich wollte in erster Linie ein humorvolles Album machen, wo ich mich auch als Komponist, Arrangeur und Texter einbringen kann. Etwas Neues sollte es sein, mit einem gewissen Anspruch an die Musiker und den Zuhörer. Über meine Heimatstadt zu singen, hat mir die emotionale Basis geschaffen, für dieses Herzensprojekt, an dem ich drei Jahre geschrieben habe.

Hamburg: Hafen von 1889/ Wiki

Hamburg: Hafen von 1889/ Wiki

Wie heikel ist es denn, solche Klassiker wie „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“ für klassischen Gesang umzuschreiben? Ich musste einige Stücke so weit verändern, dass man ein Klaviertrio und einen klassischen Sänger als ideale Besetzung für diese Version akzeptiert. Die Bearbeitungen dürfen uns als Musiker einerseits nicht unterfordern und andererseits die Essenz der originalen Werke nicht zerstören. Das war viel Arbeit, immer den richtigen Ton zu finden. Auf der Reeperbahn nachts um halb eins ist das Eröffnungsstück dieses Albums. Trotz Ges-Dur, Modulation, hohen Bs und betrunkenen Streichern, bleibe ich aber recht nahe am Original.

Genaues Hinhören lohnt sich, um auch die versteckten Bezüge zu entdecken? Unbedingt. Manche neugetexteten Stücke setzen einen Bezug zum Originaltext. Da wird aus Kummer und Sorgen

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zum Beispiel Hummer und Fjorden. Oder Wird Dir zum Ruhm erklingen ändert zu Wird dir beim Rum erklingen. Musikalisch habe ich – wie bei meiner Bearbeitung der Winterreise auch – versucht, motivische Querverweise zu setzen. Im ersten Trio-Solostück geht es um die Tonarten H-A-B-G – HAmBurG. Man hört das tutende Schiff und im Kontrapunkt erscheint die Melodie aus dem Prelude. Und so weiter.

Wie klingt Hamburg für Sie? Der Freiheits-Gedanke, der oft besungen wurde, macht Hamburg aus. Wenn man nach Hamburg kommt, hat man das Gefühl: Die Welt steht einem offen. Man atmet durch und das Leben ist schön. So klingt Hamburg.

Hamburg: Stülkenwerft beim Hochwasser 1960/ Wiki

Hamburg: Stülkenwerft beim Hochwasser 1960/ Wiki

Transportieren Sie dieses Lebensgefühl auch auf dem Album? Ich hoffe, dass sich das transportiert. Wir hatten bei den Aufnahmen jedenfalls sehr viel Freude.

Franz- oder Fischbrötchen? Franz. Hummel hummel oder mors mors? Hummel, hummel. Große Hafenrundfahrt oder paddeln auf der Alster? Paddeln auf der Alster. Schietwedder oder Sonnenschein? Also ich mag Schietwedder auch. HSV oder St. Pauli? Ganz klar: St. Pauli! Staatsoper oder Elbphilharmonie? Im Moment noch die Staatsoper. Das Beste am Norden … … ist Hamburg. (Dank an Edel Classics für das Interview mit Anna Novak, Textquelle Edel Classics)

Spanisches aus Wexford

Eigentlich wäre sie Deutschland als Akt der Wiedergutmachung dem Komponisten schuldig gewesen: die erste Aufführung seiner Oper Maria del Carmen außerhalb Spaniens. Schließlich wurde Enrique Granados ein Opfer des uneingeschränkten U-Boot-Kriegs, als er 1916, von einer USA-Tournee heimkehrend, im Ärmelkanal ertrank, nachdem ein deutsches U-Bot die Sussex, auf der er reiste, torpedierte. Zwar hatte sich der Komponist bereits in einem Rettungsboot in Sicherheit gebracht, als er seine Gattin im Wasser treibend sah und nicht zögerte, sich wieder zu ihrer Rettung in die Fluten zu stürzen. Beide fanden den Tod, und dem experimentierfreudigen Festival von Wexford war es vorbehalten, im Jahre 2003 das bei seiner Uraufführung 1899 zunächst erfolgreiche, danach weitgehend vergessene Werk wieder aufzuführen. Bei Naxos ist, mit einem knappen, aber trotzdem inhaltsreichen Booklet ausgestattet, die Aufnahme erschienen, derer sich zuvor bereits Maco Polo angenommen hatte. Es handelt sich um eine Dreiecksgeschichte im ländlichen spanischen Milieu: Pencho (Bariton), der mit Maria del Carmen (Sopran) ein Liebespaar bildet, hat Javier (Tenor), der ebenfalls in Maria verliebt ist, mit seinem Messer verletzt. Damit Pencho nicht zur Rechenschaft gezogen wird, erklärt Maria sich bereit, Javier zu heiraten. Dieser aber verzichtet, nachdem ihm bewusst geworden ist, dass er nicht mehr lange zu leben hat, und Maria und Pencho können das Dorf frei und glücklich verlassen. Immerhin eine Besonderheit des Stoffs ist, dass der Bariton und nicht der Tenor den Sopran bekommt oder mit ihm gemeinsam sterben darf. Die Musik ist spätestromantisch mit Verismoanklängen und viel Folklore, besonders, was den Chor betrifft. In

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Spanien selbst stritt man sich darum, ob Granados der Chopin, der Grieg oder der letzte Romantiker Spaniens sei, so der Artikel von Justo Romero im Booklet. Die Protagonisten haben effektvolle Arien, die Chöre einprägsame Melodien zu singen. Vom Inhalt und der Musik her könnte das Werk auch als Zarzuela durchgehen. Die georgische Sopranistin Diana Veronese (wohl ein Künstlername) hat eine üppig timbrierte Stimme mit präsenter Mittellage, ein Spinto-Sopran, den man sich gut als Santuzza vorstellen kann. Einen spröden Bariton setzt Jesús Suaste für den am Ende glücklichen Pencho ein. Sehr schöne Momente und mehr Geschmeidigkeit hat er in den Duetten mit Maria. Dante Alcalá hat einen sehr leichten Tenor mit angedeuteten lyrischen Qualitäten, leider aber gepresst klingender Höhe für den Javier. Weitere Tenöre sind der angenehm klingende David Curry für den Don Fulgencio und ebenso Riccardo Mirabelli für den Antón. Über eine zarte, mädchenhafte Sopranstimme setzt Silvia Vásquez für Marias Freundin Fuensanta ein, mit mütterlichem Mezzo singt Larisa Kostyuk die Concepción. Mit markantem Bariton ist Alberto Arrabal Pepuso, ebenso verdienstvoll Gianfranco Montresor als Javiers Vater Domingo. Das im ansonsten sparsamen Booklet restlos aufgelistete National Philharmonic Orchestra of Belarus unter Max Bragado-Darman klingt durchaus spanisch, so wie auch der Wexford Festival Opera Chorus (Naxos 8.660144-45). Ingrid Wanja

Stenhammars „Fest auf Solhaug“

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Es gibt nicht eben viele Ibsen-Opern. Die siebte Ausgabe von The Romantic Opera in Sweden (Sterling CDO 1108/1110-2) sticht deshalb sofort ins Auge. Nach Opern u.a. von Hallström und Berwald folgte nun Wilhelm Stenhammars 1899 an der Stuttgarter Hofoper uraufgeführtes Fest auf Solhaug (Gillet pa Solhaug) nach Hendrik Ibsens gleichnamigem frühem Stück, mit dessen nationalromantischem Stoff er als Leiter des Theaters in Bergen einen Beitrag zum Aufbau eines norwegischen Nationaltheaters leisten wollte. Aus diesen Gründen beschäftigte sich der 25jährige Ibsen mit dem norwegischen Mittelalter, „Ich versuchte, so gut es ging, mich in die Sitten und Gebräuche jener Zeit einzuleben“, schrieb er im umfangreichen Vorwort zur zweiten Ausgabe, die in meiner alten Insel-Ausgabe abgedruckt ist und in der er sich gegen Plagiatsvorwürfe wehrte, „in das Gefühlsleben ihrer Menschen, in ihre Denkungsart und Ausdrucksweise….Ein großes Festgelage mit aufreizenden Reden und verhängnisvollem Zusammenstoß sollte in dem Stück vorkommen“. Aus isländischen Familiensagas entwickelte er die im 14. Jahrhundert spielende Geschichte der Schwestern Margit und Signe und des Ritters und Sängers Gudmund Alfsön. Gudmund war einst fortgezogen und in die Dienste des Königs getreten. Margit wurde mit dem ungeliebten Bengt Gauteson verheiratet. Nun kehrt der aufgrund einer Intrige mit der Acht belegte Gudmund nach Solhaug zurück, wo immer noch seine Harfe aufbewahrt wird. Margit liebt Gudmund noch immer, beabsichtigt, ihren Mann zu vergiften und mit Gudmund zu fliehen, erkennt aber, dass dieser ihre Schwester Signe liebt.

Wilhelm Stenhammar/ wiki pl

Wilhelm Stenhammar um 1900/ wiki pl

Leidenschaften kochen hoch, nicht aber Wilhelm Stenhammars Musik, die nach einer kurzen schönen spätromantischen Einleitung und einem an den frühen Strauss erinnernden Klang in einem Ton pfleglicher Langeweile verweilt. Das finstere Mittelalter mit saufenden, kämpfenden Männern erinnert an manche Grundkonstellationen, die wieder bei Schreker auftauchen, doch Stenhammar verarbeitet das alles ohne Raffinesse und mit endlos wirkenden, dröhnend pathetischen und staubtrockenen Dialogen, man fühlt sich als Hörer geradezu in das düstere Haus von Margits Mann Bengt Gauteson gesperrt und von dem Gesöff aus den schweren Bierhumpen benebelt. Im mittleren der drei Akte lichtet sich der Ton ein wenig tanzbeschwingt und ekstatisch auf, wie wenn die Fenster aufgerissen werden und endlich einen Blick auf die Fjorde erlauben.

Der 1871 in Stockholm geborene Wilhelm Stenhammar ist von den Skandinaviern wie Grieg beeinflusst, wurde während seines Klavierstudiums, das er 1893 in Berlin beendete, mit der deutschen Musik von Bach bis zur Spätromantik vertraut, und wuchs inmitten der auch in Schweden geführten Wagner-Debatten und dem Ruf nach einem Gesamtkunst auf, nicht zuletzt kam er durch seine Tante, Frederika Stenhammar, die erste namhafte Wagner-Sängerin Schwedens, mit Wagner in Berührung. Stenhammar begann 1892 mit der Arbeit an der Oper, wobei er Ibsens umgearbeitete Fassung von 1883 benutzte, deren Text er ohne Umweg über ein Libretto direkt vertonte, wodurch Das Fest auf Solhaug zu den frühen Literaturopern zum Beginn des 20. Jahrhunderts gehört. Das Werk wurde von Ader Berliner Hofoper angenommen, die es aus unerfindlichen Gründen liegen ließ, wodurch 1899 die Hofoper in Stuttgart die Uraufführung ausrichtete. Man berichtete von einem „vollen Haus und warmen Beifall“. Die Oper fand in Deutschland keine Verbreitung, 1902 leitete Stenhammar die schwedische Erstaufführung am Kungliga Teatern, zu dessen zweiten Kapellmeister er 1900 ernannt worden war.

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Der aus Bochum stammende derzeitigen Musikchef der Göteborgs Operan Henrik Schäfer versucht in der im August 2015 in Norrköping in Zusammenarbeit mit dem Schwedischen Radio entstandenen Aufnahme mit dem seit 1912 bestehenden Symphony Orchestra of Norrköping die Verbindung von Wagners Musikdrama und nordisch nationalromantischen Traditionen und Stenhammars handwerkliche Sicherheit geschmeidig und elegant umsetzen, wenngleich ich der Aussage im Beiheft, Stenhammar sei in Das Fest auf Solhaug „ein leidenschaftlicher, intensiver intuitiver Musiker, der Personenbeziehungen, pulsierendes Drama und Stimmungen einfängt“ nach 2 ¾ Stunden nicht bedingungslos beipflichten möchte. Karolina Andersson, die 2007-09 an der Komischen Oper wirkte, wo sie u.a. die Ophelia in Josts Hamlet kreierte, singt die Signe mit ansprechendem lyrischem Sopran, Matilda Paulsson ist mit hohem Mezzosopran die Margit, Per-Hakan Precht besitzt mit seinem leichten lyrischen Tenor den rechten Klang für den Sänger Gudmund, und der Bariton Frederik Zetterström gibt einen dräuenden Bengt Gauteson. Rolf Fath

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Foto oben: Carl August Söderman als Bengt Gautesön in der Uraufführung/Wikipedia; Eine vollständige Auflistung der bisherigen Beiträge findet sich auf dieser Serie hier.

Bilderbuchkarriere

 

Zu meinen Erinnerungen an den Jubilar Klaus Heymann fügen sich Erinnerungen an die vielen Schuhkartons voller Musikkassetten, die ich ihm ins ferne Hongkong schickte, wohin er seinen Lebensmittelpunkt verlegt hatte – für damalige Zeiten ein mehr als gewagter Schritt. Wir hatten uns bei einer Teldec-Veranstaltung in Hamburg (oder Berlin? wo ich bei Bote & Bock Klassik-Schallplatten verkaufte) kennengelernt. Seine wie meine Leidenschaft waren die Raritäten des klassischen Repertoirs, alle diese Dinge, die sich nicht im Bielefelder Katalog (der damaligen Bibel des Handels) fanden. Und da wir danach im Kontakt blieben, schickte er mir lange Wunsch-Listen von jenen Desiderata, die er für interessant befand. Er wollte eine Plattenfirma gründen – als Billiglabel noch und als Kampfansage gegen die Etablierten. Daraus wurde Naxos, zuerst noch im gruseligen schwarzen Cover und mit verdächtigen Orchestern/Dirigenten/Solisten, nachdem er vorher als Exklusiv-Importeur für RCA, TELDEC und Bose sowie Revox unterwegs gewesen war und als Generalvertreter für Highprice-Lautsprecher und Stereoanlagen dem chinesischen Festland kapitalistische Töne beigebracht hatte. Auf dieser Basis dann und auch mit der Hilfe seiner bezaubernden Frau, der eminenten Geigerin Takako Nishizaki, die ich das Glück hatte, bei einem Besuch in Hongkong kennenzulernen, gründete er 1987 eben Naxos als Label des Besonderen, Alternativen. Was gab und gibt es da nicht alles an Titeln und Namen, die niemand kannte. Die Neugier von Klaus Heymann scheint unermüdlich.

Viele Preise: Takako Nishizaki und Klaus Heymann/ ©Emily Chu/ Naxos

Viele Preise: Takako Nishizaki und Klaus Heymann/ ©Emily Chu/ Naxos

Allmählich arbeitete sich das Prestige von Naxos nach oben, war es kein Makel mehr, bei Naxos aufgenommen zu werden, nachdem

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zu Anfang im fernen Deutschland und Europa die Nase gerümpft wurde. Naxos (und auch die nicht ganz so erfolgreiche Serie Marco Polo als Highprice-Label) war angekommen. Nicht zu letzt auch wegen seines sensationellen, weltumspannenden Vertriebssystems und seiner klugen Labelpolitik. Heute ist es eines der führenden, wenn nicht das führende Label, nicht nur im Klassiksektor. Heute finden sich hier die Namen der Großen, aber es bleibt doch auch das Label des Besonderen, Mutigen, Innovativen. So die bahnbrechende Callas-Edition nach den orginalen LPs. Hier gibt es die Opern-Liveaufnahmen aus Wildbad und Washington und vielen anderen Zentren der Welt. Aus der innovativen Idee eines deutschen Auswanderers wurde ein überwältigender Welterfolg. Chapeau und alle unsere Wünsche für beide, Klaus Heymann und Naxos. Gut dass es sie gibt – wir wären ärmer ohne sie. G. H.

 

Klaus Heymann mit Ehefrau Takao Nishizaki und Sohn Henryk/©Emily Chu

Klaus Heymann mit Ehefrau Takao Nishizaki und Sohn Henryk/©Emily Chu

Dazu schreibt die Firma (Quelle Naxos Pressestelle) : Doppelter Grund zum Feiern: NAXOS wird 30, Klaus Heymann wird 80! Der deutsche Unternehmer Klaus Heymann ist eine visionäre Kraft in der Welt der Klassik-Tonträgerbranche. Am 22. Oktober 2016 feiert er seinen 80. Geburtstag. Heymanns Name steht als Synonym für den Plan, klassische Musik einem Millionenpublikum nahezubringen. Eine Vision, die vor der Gründung seines Labels NAXOS im Jahr 1987 noch als fast unmöglich galt. NAXOS war das Label, das Furore machte, indem es die sogenannten „Major Labels“ mit niedrigsten Preisen unterbot, dies jedoch bei ebenso hoher Qualität der Aufnahmen. Heymanns Firma NAXOS feiert 2017 ihr 30-jähriges Bestehen und ist noch immer Vorreiter der Branche. Klaus Heymann hat viel Anerkennung erhalten für seinen Einsatz wie auch für das unverwechselbare Gepräge, das er der Klassikbranche gegeben hat. Im Mai 2015 wurde Klaus Heymann die Samuel Simons Sanford Ehrendoktorwürde der Yale University verliehen. Diese höchste Auszeichnung, die die Yale University zu vergeben hat, wurde zuvor z.B. dem Komponisten Aaron Copland, dem Pianisten Alfred Brendel und dem Cellisten Mstislaw Rostropowitsch zuteil. Auch in seinem 80. Lebensjahr bleibt Klaus Heymanns unternehmerisches Talent für Innovation und Produktentwicklung ungebrochen. Es ist weiterhin die Basis für die inzwischen global vernetzte NAXOS Music Group, der Klaus Heymann vorsteht. Als besonders bemerkenswert gilt Heymanns Weitsicht bei der Zusammenführung von klassischer Musik mit der Technologie des Internet, die er bereits in den 1990er-Jahren mit Nachdruck betrieb. Bereits 1996 gründete Heymann mit einem Vorläufer der heutigen, weltweit erfolgreichen NAXOS Music Library den ersten Musikstreaming-Service – glatte zwölf Jahre bevor Spotify die Bühne betrat! Noch immer ist NAXOS technologischer Vorreiter beim Musikstreaming, zuletzt 2015 mit dem Launch von Classics Online in Deutschland, dem weltweit ersten Hi-Res-Streamingdienst mit adaptiver Bitrate. Classics Online bietet höhere Datenauflösungen und damit eine bessere Klangqualität als jeder physische Tonträger. Klaus Heymann ist nach wie vor auch die treibende Kraft hinter der immensen Repertoirevielfalt, die NAXOS anbietet. Jedes einzelne Aufnahmeprojekt wird bis heute von ihm persönlich genehmigt.

 

Klaus Heymann: Familienbild mit Pudeln/ ©Emily Chu

Klaus Heymann: Familienbild mit Zuwachs/ ©Emily Chu

Seine Mission, auch unbekanntes Repertoire einem breiten Publikum nahe zu bringen, erreichte eine neue Dimension durch die Akquisition der Kataloge so bekannter Labels wie Capriccio, Ondine, Dynamic, BelAir Classiques und Orfeo International, die heute, ebenso wie SWRmusic und SWR Jazzhaus, Teil der expandierenden NAXOS Music Group sind. 2015 erwarb die NAXOS Music Group in Form von Arkiv Music zudem den größten Musikversand der USA und ist damit in den USA nun auch aktiv im Handel mit Tonträgern präsent. Weitere Projekte der jüngeren Zeit umfassen die weltweit einmalige NAXOS Works Database, die Aufführungs- und Metadaten zu zehntausenden klassischer Musikstücke bereitstellt, den ersten Streamingservice, der sich ausschließlich der Weltmusik widmet und die Gründung einer audiovisuellen Abteilung bei NAXOS, die sich der Veröffentlichung, der Lizenzierung und dem Vertrieb von Videomitschnitten von Opern und Konzerten verschrieben hat. Matthias Lutzweiler, Geschäftsführer von NAXOS Deutschland, unterstreicht den gesellschaftlichen Wert von Klaus Heymanns Lebensleistung: „Klaus Heymann hat seinen unternehmerischen Erfolg stets mit einem hohen gesellschaftlichen Engagement verbunden. NAXOS stellt von allen Musikvermarktern weltweit die meisten pädagogischen Angebote zur Verfügung. Mit der NAXOS Music Library ging Heymann erstmals auf die Bedürfnisse von Musikschulen, Universitäten und Bibliotheken ein. Nicht umsonst gehören von Beginn an vor allem Studierende und Hochschullehrende zur Kernkundschaft von NAXOS. Dieses gesellschaftliche Verdienst Klaus Heymanns kann man nicht hoch genug einschätzen.“ Marin Alsop, erste Dirigentin bei der Last Night of the Proms der BBC, kommentierte: „Von Klaus Heymanns Einfluss auf die klassische Musik zu sprechen, ist zu kurz gegriffen. Seine Vision als innovativer Unternehmer hat einer ganzen Industrie, die fast im Niedergang begriffen war, eine Wiedergeburt verschafft. Das ist nicht nur gut für die Klassik, sondern für die gesamte Gesellschaft.“ In der Tat: Ohne NAXOS sähe die Welt der Klassischen Musik heute anders aus. Heute umfasst der gigantische Katalog von NAXOS über 9.000 Alben. NAXOS ist damit der weltweit größte Klassikanbieter.

 

Naxos: Eine der Großtaten der Firma in jüngerer Zeit ist die Ausgabe sämtlicher Schubert-Lieder - "Sämtliche Lieder "(Deutsche Schubert-Lied-Edition/Naxos) mit Roman Trekel, Michael Volle, Ulf Bästlein, Cornelius Hauptmann, Christian Elsner, Martin Bruns, Ruth Ziesak, Christoph Genz, Hanno Müller-Brachmann, Christiane Iven, Lothar Odinius, Marcus Ullmann und weiteren/ 38 CDs / fast 700 Lieder, darunter die Zyklen "Winterreise", "Schwanengesang" und "Die schöne Müllerin",sowie die mehrstimmigen Gesänge/ Naxos 8.503801

Naxos: Eine der Großtaten der Firma in jüngerer Zeit ist die Ausgabe sämtlicher Schubert-Lieder – „Sämtliche Lieder „(Deutsche Schubert-Lied-Edition/Naxos) mit
Roman Trekel, Michael Volle, Ulf Bästlein, Cornelius Hauptmann, Christian Elsner, Martin Bruns, Ruth Ziesak, Christoph Genz, Hanno Müller-Brachmann, Christiane Iven, Lothar Odinius, Marcus Ullmann und weiteren/ 38 CDs / fast 700 Lieder, darunter die Zyklen „Winterreise“, „Schwanengesang“ und „Die schöne Müllerin“,sowie die mehrstimmigen Gesänge/ Naxos 8.503801

NAXOS bildet heute mit über 400 Mitarbeitern zudem das größte, weltumspannende Netzwerk für Klassische Musik und ist mit seinen über 60 Vertriebsablegern selbst in solchen Ländern vertreten, die andere Firmen gar nicht als Markt begreifen, etwa in Sri Lanka, Kasachstan, Uruguay oder auf den Westindischen Inseln. Die internationale NAXOS-website naxos.com ist mit einer Viertelmillion Klicks pro Monat die meistbesuchte Website zum Thema Klassische Musik. Kein Wunder, finden Besucher dort doch mehr als 3.500 Komponistenbiografien, mehr als 9.000 Künstlerbiografien und rund 142.000 CD-Rezensionen. 100.000 Nutzer lassen sich weltweit vom internationalen NAXOS-Newsletter informieren – auch dies ein Rekord in der Welt der klassischen Musik. Klaus Heymanns Projekt NAXOS hat sich also in den nun fast 30 Jahren seines Bestehens rasant gewandelt, doch der Markenkern ist gleich geblieben: Klassik für alle! Dafür steht Klaus Heymann auch in seinem 80. Lebensjahr (Foto oben ©Emily Chu/ Naxos).

Weiter so!

 

„Ich bleib noch ein bissl“– Flüssiges und Überflüssiges hieß das vorläufig vorletzte Buch von Otto Schenk, nun hat er mit 86 Jahren sein vorläufig letztes auf den Markt gebracht, und es heißt beinahe schon entschuldigend „Ich kann’s nicht lassen“– Rührendes und Gerührtes“, schon im Titel den Sinn für Ironie und Zweideutigkeit unter Beweis stellend, die Formulierungssucht, als Alterserscheinung klassifizierend. Der Anhang zählt noch einmal die unerhört große Zahl von Schauspielrollen, die Regiearbeiten, die Schauspiel und Oper umfassten, auf, und in der im Buch abgedruckten Laudatio von Michael Niavarani zur Verleihung der Platin-Romy wird besonders betont, dass die Met ihn siebzehnmal nach New York rief, damit er dort vorwiegend Wagner, so auch den Ring, inszenierte.

Beim Lesen der vielen kurzen Kapitel des neuen Buches, die teilweise nur wenige Zeilen, teilweise mehrere Seiten umfassen, meint man den Meister der geschliffenen Worte quasi vor sich auf der Bühne stehen zu sehen. Kleine Episoden oder Betrachtungen allgemeiner oder spezieller Art, sogar einzelne Witze sind durchweg unterhaltsam, angefangen vom widerspenstigen Kindegartenkind, über den Eislaufbegeisterten bis hin zum im Duett mit Niavarani Kabarett Machenden, deren Auftritte stets „auf Wochen im Voraus“ ausverkauft sind.

Viel Österreichisches wird wie immer bei Schenk vermittelt, seien es einzelne Ausdrücke, so auch für den Geschlechtsverkehr, seien es Einblicke in die Veränderungen, die ein Land oder eine Stadt wie Wien im Verlauf der letzten achtzig Jahre durchgemacht haben, einschließlich der oft zitierten Straßenbahn. Sogar eigentlich Unappetitliches, die Verdauung betreffend, wird in Schenks Darstellung lustig und damit akzeptabel. Für Schauspieler und Sänger dürfte das Buch eine nützliche Handreichung sein, wenn Fragen beantwortet werden wie die, wie man „Gerührtsein“ spielen könne. Nicht nur wenn als Zeuge der Freund Marcel Prawy zitiert wird, erkennt der Leser, dass heutige Regiearbeiten nicht den Beifall von Otto Schenk finden können, der noch 2014 an der Wiener Staatsoper „Das schlaue Füchslein“ inszenierte und von dem einige Produktionen vergangener Jahre noch heute das Publikum erfreuen. Schließlich hat kaum ein Zweiter so wie er erkannt, dass in der Oper vom Erhabenen zum Lächerlichen nur ein Schritt ist, und hat sich das für viele seiner Sketche zunutze gemacht.

Galgenhumor kennzeichnet Sätze wie „Früher ist man gestorben (zwischen 60 und 80), heute geht man halt ins Philharmonische“, bezogen auf das hohe Alter der Konzert- und Opernbesucher und daraus erwachsenen Gefahren für die Gattung. Sehr bildhaft und humorvoll äußert sich Schenk über die „Zwidrigkeit“ der Klassikhelden, über den Rückzug der Kultur aus den Fernsehprogrammen des ORF, die unterschiedliche Aufnahme von Kunst durch den Laien und den Kritiker, über jüdischen Humor, das Regieführen und vieles mehr, was mit Theater und Oper zu tun hat, nicht zuletzt die Wichtigkeit angemessener Schuhe auf der Bühne beachtend. Manchmal ist es nur ein Wort, so „ausdekoriert“ in Anlehnung an das schreckliche „austherapiert“, das aufmerken lässt und amüsiert, wenn er es dafür benützt mitzuteilen, dass er bereits sämtliche denkbaren Orden erhalten hat. Und er kann auch ganz ernst werden, wenn er über die Einsamkeit des Erfolgreichen berichtet. Zwar „ausdekoriert“, aber nicht „ausgequetscht“, was neue Ideen angeht, zeigt sich Otto Schenk, der, das würde man ihm zutrauen, bereits an einem neuen Buch schreiben wird.

Das jetzige Buch kann man sich auf den Nachttisch legen, vor dem Einschlafen ein paar Absätze daraus lesen und lächelnd einschlafen (255 Seiten Amalthea Verlag 2016; ISBN 978 3 99050 055 2). Ingrid Wanja

Zwischen Zeiten und Stilen

 

Christina Pluhar hat mit ihrem 2000 gegründeten Ensemble L’Arpeggiata einige bemerkenswerte Einspielungen mit frühbarocker Musik vorgelegt, die österreichische Lautenistin und Harfenistin ist nun auch als Komponistin aktiv geworden. Mit Orfeo Chamán (Orfeo, der Schamane) wählte Pluhar ein Libretto des kolumbianischen Dichters Hugo Chaparro Valderrama. Europäische und lateinamerikanische Mythologie treffen hier aufeinander. Erzählt wird die Orpheus-Geschichte, ergänzt durch weitere Figuren, Orpheus‘ Bruder Aristeo will Eurydike vergewaltigen, die Fliehende wird durch einen Schlangenbiss getötet. Weiterhin sind auch der Meeresgott Proteus, Odysseus, eine Nymphe und ein Schutzgeist dabei. Auch der schamanische Orpheus dreht sich um, Eurydike verschwindet und der Sänger wird von den Bacchantinnen zerrissen. Zu hören ist ein Pasticcio verschiedenster Stile, lateinamerikanische Musik in frühbarocker Instrumentierung, arrangierte Volkslieder katalanischen, sizilianischen, bulgarischen, venezolanischen und mexikanischen Ursprungs, dazu wenig bekannte Barockmusik – eine Sinfonia von Giovanni Battista Pederzuoli (1630-1689) sowie Musik von Christian Ritter (1645-1725). L’Arpeggiatas Klangbild ist adaptiert, die 16 Musiker spielen nicht nur typisch barocke Instrumente, sondern zusätzlich eine in Kolumbien verbreitete kleine, viersaitige Gitarre, Rumbarasseln und Schlaginstrumente – durch den folkloristischen Einschlag entsteht eine neobarocke Oper mit einem zeitgenössischen Latino-Flair, die nicht dramatisch zugespitzt ist, sondern sich zwischen rhythmischen Schwung und Melancholie bewegt. Die Hauptrolle singt der Argentinier Nahuel Pennisi, ein Star in Lateinamerika, der von Geburt an blind ist und als Gitarrist und Sänger vor seinem Durchbruch als Straßensänger tätig war. Mezzosopranistin Luciana Mancini ist eine ungewöhnliche Eurydice mit starkem lateinamerikanischem Einschlag, Vincenzo Capezzuto ist hauptberuflich Ballett-Tänzer und sang mit seiner Counterstimme bereits 2010 auf Pluhars Album „Via Crucis“, Tenor Emiliano Gonzalez Toro ist der Vierte im gut zusammengestellten Bunde. Die CD wurde 2015 eingespielt, auf einer zusätzlichen DVD (als Bonus der „Deluxe“-Version) ist die für das Teatro Mayor Julio Mario Santo Domingo im kolumbianischen pharmacy board america Bogotá geschaffene Inszenierung aus dem Jahr 2014, die Gesang, Tanz und Schauspiel als kunterbuntes Phantasiewerk mit Anspielungen an Mozarts Zauberflöte vereint. (Erato 0190295969691)

John Frandsen DacapoJohn Frandsen (geboren 1956) ist einer der viagraonlinepharmacy-best.com renommiertesten lebenden dänischen Komponisten mit einem umfangreichen Werk: Opern, Konzerte, Kammermusik sowie sakrale Werke (darunter auch ein Stabat Mater und ein Requiem) und Vokalmusik für Chor und Einzelstimme. Die hier zusammengestellten Lieder heißen schlicht Songs für solo voice, piano & guitar. Frandsen setzte deutsche, englische und skandinavische Lyrik in Töne und ordnete sie in Zyklen. Zu Beginn steht die 1993 viagra online canadian pharmacy geschaffene „Lystens liturgi“, eine Liturgie der Lust nach Worten von Pia Tafdrup und Salomons Hohelied, eine Liebeserklärung in Dänisch und Latein, die zwei Idiome zusammen bringt, präsentiert von der Pianistin Sofia Wilkmann und die Sopranistin Lise Davidsen. „Winternächte“ sind vier Gedichte von Hermann Hesse, die von Countertenor Morten Grove Frandsen und dem Pianisten Orsi Fajger präsentiert werden. Aus dem Jahr 1984 stammen die sieben „Songs of Innocence“, 1991 entstanden die fünf „Songs of Experience“, beide basieren auf Gedichten von William Blake, Frandsen hat beide Zyklen durch musikalische Parallelen miteinander verknüpft. „Unschuld“ bezieht sich auf die Kindheit und Jugend in Form von Erwartung und Freude, „Erfahrung“ ist ein Lamento ohne Zuspruch oder Trost und auch als Antwort auf „Unschuld“ konzipiert. Der Sopran von Liv Oddveig Midtmageli wird dabei begleitetet vom Gitarristen Jesper Sivebæk. Weiterhin gibt es Gedichte von Henrik Nordbrandt sowie „Seven silly songs“ nach anonymen englischen Spott- und Nonsense-Versen, die die CD beschließen. Man hört hier dicht gewebte Strukturen, singbare Melodien und suggestive Stimmungen – Frandsen ist einfallsreich, manche Lieder erinnern an Benjamin Britten. Wer sich exemplarisch die in Deutsch gesungenen „Winternächte“ nach Hermann cheapcialisforsale-online Hesse (Oktober 1944, La belle qui veut, Knarren eines geknickten Astes, Böse Zeit) vornimmt, die von Altern, Entfremdung und Kälte handeln, kann beim Anhören von Frandsens Liedern den Eindruck erhalten, dass manche Verknüpfungen zwischen Wort und Ton nicht unmittelbar überzeugen. Das Kriegsgedicht „Oktober 1944“ beginnt mit einer Wetterbeschreibung, Frandsen vertont dies unruhig, fast aufgeregt, die folgende persönliche Bilanz mit dem Vers „Durch entlaubter Äste Gitter / Blickt der Winter todesbitter“ ist hingegen ohne innere Aufregung und schicksalsergeben. „La belle qui veut“ mit Reminiszenzen an eine verflossene Liebe beginnt nüchtern, die Musik beklagt nicht den Verlust der Liebe, sondern das Vergehen der Zeit, der Vers „Ich glaub’ es geht dem Winter zu“ wirkt nicht melancholisch, sondern lakonisch. „Kahl, fahl, zu langen Lebens, zu langen Sterbens müd“ – die Lebensmüdigkeit in „Knarren eines geknickten Astes“ mit abgehackten Silben bündelt eine Empörung, die an anderen Stellen der Sammlung passender wäre. Und die lange Dunkelheit, die im Vers „Gib mir die Hand, vielleicht ist unser Weg noch weit“ des Gedichts „Böse Zeit“ kumuliert, besitzt kaum Kummer. Es ist kein selbstverständlicher Zugang zu Hesses Lyrik. Ca. 10 Opern scheint der Däne bisher komponiert zu haben – es wäre interessant zu wissen, wie präzise er dort den Ausdruck seiner Themen trifft. Anhand dieser Liedersammlung scheint der Zugang zu seiner tonalen, aber manchmal spröde anmutenden Musik nicht schwer und doch benötigt es wahrscheinlich Geduld. Wer auf der Suche nach einem interessanten zeitgenössischen Lied-Komponisten ist, sollte sich Frandsens Œuvre purchase cheap cialis soft tabs anschauen, der Komponist hat eine Homepage mit Notenbeispielen (http://www.johnfrandsen.eu/). (Dacapo 8.226582) Marcus Budwitius

 

Bekanntes und Neues

 

Unter dem etwas reißerischen Titel Fantastic Cencic veröffentlicht Erato/Warner Classics auf 3 CDs Aufnahmen mit dem Countertenor Max Emanuel Cencic, die aus mehreren seiner Einspielungen der Jahre 2007 bis 2012 zusammengestellt sind (0190295904722). Für die Freunde des Sängers und Sammler seiner Dokumente dürfte die dritte CD der Anthologie von besonderem Interesse sein, enthält sie doch bisher unveröffentlichtes Material mit dem Knabensopran aus den Jahren 1992/93. Da findet sich romantisches Liedgut neben geistlicher Musik, einer Verdi-Arie und dem Frühlingsstimmen-Walzer von Johann Strauß. Bei den ersten 16 Titeln – Lieder von Schubert, Mendelssohn, Mahler, Schumann und Strauss – begleitet Norman Shetler am Klavier sehr einfühlsam. Die klare, helle Stimme weiß in Kompositionen wie Schuberts ”Ständchen“ und „Romanze“ oder Schumanns „Mondnacht“ durch einen keuschen, innigen Klang besonders anzurühren. In anderen („Die Taubenpost“) geht von dem Vortrag eine zu niedliche Wirkung aus, die nicht den gesungenen Texten entspricht. Überzeugend die Schlichtheit bei drei Mendelssohn-Liedern, imponierend die lupenreine Höhe in zwei „Wunderhorn“-Vertonungen Mahlers. Schuberts „Der Hirt auf dem Felsen“ ist eine bei lyrischen Koloratursopranen beliebte Nummer, und auch der junge Sänger weiß hier (in einer Live-Aufnahme) mit einer ausgewogenen Wiedergabe im getragenen ersten Teil und flüssiger Koloratur im finalen Allegro zu brillieren. Auch drei Lieder von Strauss sind live mitgeschnitten, aber hier gerät der Interpret in der exponierten Lage („Cäcile“/„Zueignung“) an seine Grenzen mit dem Resultat eines verzerrten Klanges. Bei den Oratorien und anderen Werken begleitet Kazuhiro Yamawaki am Flügel. Offenbar handelt es sich dabei um die Aufzeichnung eines Konzertes aus Japan. Leider gibt die Trackliste darüber keine Auskunft, ohnehin ist sie die einzige Beilage dieser bescheiden ausgestatteten Ausgabe. Dem virtuosen „Let the Bright Seraphim“ aus Händels Samson folgen das asketische „Pie Jesu“ aus Faurés Requiem und die innige Arie „Zerfließe mein Herze“ aus Bachs Johannespassion. Für alle Stücke findet Cencic den entsprechenden Ausdruck. Der Übergang zur Canzone des Oscar aus Verdis Ballo in maschera ist allerdings etwas krass, doch hat Cencic dafür den passend koketten Ton parat, was mit spontanem Beifall honoriert wird. Mit dem Frühlingsstimmen-Walzer endet das Programm schwungvoll und charmant mit brillanten staccati, aber einigen knappen Tönen in der Extremlage.

CD 1 bringt zu Beginn fünf Nummern aus der Rossini-CD von Cencic aus dem Jahre 2007, bei der ihn Michael Hofstetterund das Orchestre de Chambre de Genève begleitet hatten. Der Counter gehört damit in der Neuzeit (neben Matthias Rexroth/2004 und Franco Fagioli heute) zu den Pionieren seiner Stimmgattung, die sich auch der Interpretation von Rossinis Musik widmen. Er zeigt sich hier auf der Höhe seiner Kunstfertigkeit mit einem mühelosen Fluss der Koloraturen und – je nach dem Charakter der Arien – vehementem wie berührendem Vortrag. Der Rest der Scheibe stammt aus seinem Venezia-Programm von 2013 mit Riccardo Minasi am Pult des Ensembles Il Pomo d’oro. Der Interpret lässt hier – im Abstand von sechs Jahren zur voran gegangenen Platte – einen neuen Reifegrad der Stimme und ein gewachsenes Ausdrucksspektrum erkennen. Am Beispiel des schmerzlichen „Sposa… non mi conosci“ aus Giacomellis Merope ist das unschwer zu belegen. Von ähnlich ergreifender Wirkung ist „Dolce mio ben“ aus Gasparinis Flavio Anicio Olibrio, während „Barbaro non comprendo“ aus Caldaras Adriano in Siria und „Mi vuoi tradir“ aus Vivaldis La verità in cimento gleichermaßen der Virtuosität wie dem furiosen Affekt huldigen.

CD 2 bietet Ausschnitte aus erfolgreichen Gesamtaufnahmen mit dem Sänger, darunter die Weltersteinspielung von Vivaldis Farnace mit den Barocchisti unter Diego Fasolis, der spektakuläre Artaserse von Vinci, ebenfalls unter Fasolis und die CD-Premiere von Glucks Ezio mit Alan Curtis. Natürlich wurden aus diesen Opern die Highlights ausgewählt – wie das „Gelido in ogni veno“ aus dem Farnace, das die Stimme in ihrem ganzen sinnlichen Reiz und der überwältigenden Ausdruckskraft festhält, das fulminant auftrumpfende „Va’ tra le selve“ aus dem Artaserse und aus dem Ezio das berührend schlichte „Dubbioso amante“ wie halsbrecherisch bravouröse „Se tu la reggi al volo“.

Mehrere Raritäten von Händel runden das Programm ab. Gleich die ersten drei Arien des Titelhelden aus Faramondo fordern in ihrem hohen Anspruch einen Ausnahmeinterpreten, dem sich Cencic souverän gewachsen zeigt. Zu den unbekannten Opern des Komponisten gehören auch Fernando, aus der das heroisch-kämpferische „Sì, sì minaccia“ zu hören ist, und Arianna in Creta, aus der mit „Salda quercia in erta balza“ ein Feuerwerk der Affekte erklingt. Ein solches setzt sich fort bei „Sorge nell’ alma mia“ aus Imeneo, während des Titelhelden „Alma mia“ aus Floridante eine von Händels ergreifend getragenen Arien ist. Immer für ein Counter-Duell gut ist Tamerlano, waren doch der Titelheld und Andronico zwei berühmte Kastratenrollen. Cencic singt hier Andronicos „Benchè mi sprezzi“, das einmal mehr seine Beherrschung des virtuosen Zierwerks demonstriert. Mit „Pena tiranna“ aus Amadigi di Gaula endet das Programm mit einer von Händels berühmten melodischen Eingebungen.

Barockfreunden dürften all diese Nummern bekannt und Bestandteil ihrer Sammlung sein – wer aber keinen gesteigerten Wert auf komplette Werk-Einspielungen legt, ist mit dieser Ausgabe (Und die drei CDs sind randvoll gefüllt!) gut bedient. Vielleicht sind die Ausschnitte auch eine Anregung, sich diese oder jene Gesamtaufnahme zuzulegen. Bernd Hoppe

„Wandern mit Clemens“

 

Was veranlasst einen noch nicht einmal 40 jährigen Sänger, seine Biographie zu schreiben bzw. (von Michaela Brenneis) schreiben zu lassen? Im Falle des Baritons Clemens Unterreiter scheint es die Tatsache gewesen zu sein, dass er im Jahre 2015 auf zehn Jahre Mitgliedschaft zum Ensemble der Wiener Staatsoper zurückblicken konnte, ein Jubiläum, das er offensichtlich nicht hat unbemerkt von der Welt verstreichen lassen wollen. Davon zeugen die über das gesamte Buch verstreuten Glückwünsche anderer, berühmterer Sänger und Sängerinnen, die irgendwann einmal seinen Weg gekreuzt und sicherlich nicht in ihrem Kalender diesen Termin angestrichen hatten. Der Bariton selbst singt an der Staatsoper eher kleinere als mittlere Rollen, bei Festivals und anderen Veranstaltungen, die sämtlich als „renommiert“ apostrophiert werden, auch Partien wie Wolfram, Telramund oder Tonio. Und Agenten wie Opernhäuser werden aufmerken, wenn sie die Wünsche des Sängers, der sich für einen Kavaliers- und Heldenbariton hält, für die Zukunft zur Kenntnis nehmen: Wotan, Rigoletto, Scarpia, Rodrigo, Mandryka, Conte Almaviva. „Sie sind mit ihren Höhen und Tiefen genau mein Fach.“ Ehe es so weit ist, beteuert Unterreiner immer wieder, wie wichtig es ist, auch kleine Partien sehr ernst zu nehmen und ihnen alle Kraft und Aufmerksamkeit zu widmen.

Das Buch hat einige Schwächen, die es mit anderen teilt, so das vorgetäuschte Schreiben in der Ich-Form, das eigentlich (Eigenlob!) Bescheidenheit voraus setzt. Vom eigenen „ausgeprägten Gerechtigkeitssinn“ zu schwärmen oder „immer ein Liedchen auf den Lippen“ zu haben, klingt peinlich. Unangenehm berührt auch, dass seine „Höhepunkte“ in der Begegnung mit berühmten Sängern bestehen, angefangen von Eva Marton, die in derselben Straße in Wien wohnte, über Edita Gruberova, die sich für Hilfestellung beim Überklettern einer Barriere „mit keckem Lächeln“ bedankte, bis hin zu Natalie Dessay, die er in „Die Regimentstochter“ am Arm festhalten durfte.

Neben der Tätigkeit als Sänger, und die an der Wiener Staatsoper ist sicherlich eine höchst erstrebens- und achtenswerte, um die ihn viele Berufskollegen beneiden, widmet sich der Bariton noch vielem anderen, so der Veranstaltung eines Gesangswettbewerbs (Opera Mania), der augenblicklich aber wohl nicht stattfindet, einem Wohltätigkeitsverein, der Konzerte zugunsten Hilfsbedürftiger organisiert, dem Management, dem Vizevorsitz des Wiener Wagner-Vereins (wohl augenblicklich nicht mehr), auch mal der Veranstaltung „Wandern mit Clemens“ in Anlehnung an Hansi Hintermeier.

Den Kollegen, die nach Aussage Unterreiners kritisieren, er suche zu oft und gern die Präsenz in den Medien, dürfte das Buch ein weiterer Stein des Anstoßes

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sein und Stoff zu weiterem Lästern geben. Aber auch Nichtsänger stört vielleicht eine Aussage wie „Arzt oder Jurist kann man immer noch werden“ und das offensichtliche Gieren nach dem Titel „Kammersänger“ oder „Divo“, auch wenn entsprechende Episoden „humorvoll“ geschildert werden. Bemerkenswert ist immerhin, dass sich der Sänger, der mit fünf Jahren erblindete und erst allmählich das Augenlicht, wenn auch ein eingeschränktes, zurückgewann, durch keinerlei Rückschläge davon abbringen ließ, den Sängerberuf anzustreben , auch deswegen zehn Jahre lang als Statist an der Wiener Staatsoper tätig war, um seine Ausbildung zu finanzieren. Aber immer wieder stören längst bekannte Gemeinplätze über die Anforderungen des Sängerlebens und Aussagen wie „wenn man mich besetzt, wird die Vorstellung auch abseits der großen Arien der Hauptrollen keine schwachen Momente haben“, was allerdings auch dazu führen kann, dass man ihm vorwirft, in Nebenrollen „zu sehr aufzufallen“.

Wird der Bariton originell, dann oft auch anfechtbar, wenn er meint, wegen ihrer „wunderschönen Arien“ könne die Königin der Nacht doch gar nicht schlecht sein, was angesichts der Aufforderung an die Tochter zu morden kaum nachzuvollziehen ist.

Insgesamt wird der Leser den Eindruck nicht los, dass das Buch weniger ein Rückblick auf eine große Karriere als eine Werbung dafür ist, dass dem Sänger bisher unerfüllt gebliebene Wünsche doch noch erfüllt werden, und dass es keinen Anhang mit Angaben über die bisherige Tätigkeit gibt, lässt den Leser auch stutzig werden. (Amalthea Verlag Wien: „Wandern mit Clemens“ 2016; 250 Seiten; ISBN 978-3-99050-027-9 eISBN 978-3-903083-13-4) Ingrid Wanja

 

Interpretation und Emotion

 

Schier aus dem Häuschen geriet das Publikum des Teatro San Carlo di Napoli, eingeschlossen Ministerpräsident Matteo Renzo und die Minister für Kultur und Erziehung, als Jonas Kaufmann mit seinem italienischen Programm „Dolce Vita“ den Saal zum Kochen brachte. Wobei die nun vorliegende CD doch einige Verwirrung schafft. Eigenartig dass gerade das Stück, nämlich Lucio Dallas Caruso, dessen Interpretation am meisten befremdet, an den Anfang der CD gestellt wurde. Das Fehlen von scheinbarer Mühelosigkeit der Emission des Tons, die Stimme, die eher, je höher sie klettert, gepresst klingt statt zu strahlen, irritieren, und auch Leoncavallos Mattinata, die folgt, hat nicht die dolcezza, die ihr andere Sänger, man denke nur an Gigli, verliehen. Stupend ist allerdings der Spitzenton. Neben Tracks, die wie diese beiden eher enttäuschen, gibt es solche, in denen Kaufmann mehr zu bieten hat als verflossene oder noch lebende Kollegen. Dazu gehört Nino Rotas Parla più piano, das wunderbar zärtlich und schwerelos, dabei sehr erotisch klingend, interpretiert wird. Auch das dunkel-verhangene Passione mit imponierendem Spitzenton und Un amore così grande mit schöner Steigerung von einem Refrain zum anderen sprechen von künstlerischer Meisterschaft, die die Canzonen von jedem Verdacht der Banalität befreien. Effektvoll ist der Reichtum an Agogik in Il canto, insbesondere der Pianoschluss. Die Leichtigkeit von Voglio vivere così wird ebenso getroffen wie Catarì fast zu einer Opernarie zu werden scheint. Nicht zuletzt die Fermaten-Spitzentöne wie nicht nur in Non ti scordar di me oder Torna a Surriento werden das Publikum ins Delirium geführt haben, auch wenn die sacht verklingende Melancholie von Fenesta ca lucive vielleicht von noch größerer Könnerschaft spricht.

Insgesamt macht Kaufmann das Fehlen eines strahlenden Canzone-Timbres durch viele interpretatorische Feinheiten wett, so auch in Musica proibita mit einem dunklen Schwelgen der Stimme und in Parlami d’amore, Mariù durch einen geradezu ätherisch wirkenden Schluss.

Was Interpretation vermag zeigt sich am stärksten im oft herunter geplärrten Volare, das bei Kaufmann zu einem zärtlichen Schweben wird mit einem witzigen Schluss und durchgehend den Text detailverliebt ausdeutend, Ob Rondine al nido als überinterpretiert angesehen werden kann, weil ihm die Naivität des Canzonencharakters genommen wird, bleibt Geschmackssache ebenso wie das Falsett in Con te partirò.

Eine insgesamt einfühlsame, nur manchmal zu pompöse, breit-breiige Begleitung bietet das Orchester des Teatro Massimo di Palermo unter Asher Fish (Sony 88875183632). Ingrid Wanja