Und wieder eine neue …

 

 

Ohne Rast und ohne Ruh‘ erarbeitet sich Plácido Domingo eine Baritonpartie nach der anderen, im eigenen Haus in LA mit Puccinis Gianni Schicchi, dem bauernschlauen Erbschleicher auf ganz besondere Art. Ob es allerdings das extrem ausgeprägte Gerechtigkeitsempfinden von Regisseur Woody Allen ist, das ihn sich der durch eine List errungenen Beute nicht erfreuen, sondern durch einen rachsüchtigen Messerstich der Zita dramatisch wie einst seinen Otello sterben lässt, bleibt im Dunkeln. Auf jeden Fall bleibt es eine äußerst dumme Idee, nachdem der Zuschauer sich bereits darüber wundern durfte, dass das Stück, in dem in jeder dritten Zeile Firenze gepriesen wird, zwischen antiken römischen Säulen und über die Straße gespannten neapolitanischen Wäscheleinen stattfindet. Die Verlegung in die Fünfziger, Zeit des italienischen Filmneorealismus, ist da viel glücklicher. Eine einfallsreiche, die Personen unverwechselbar zeichnende Personenregie, die durch die originellen Kostüme von Santo Loquasto eine wirkungsvolle  Unterstützung erhält, hätte der Regie eigentlich genügen können, so der nette Einfall, dass man nach Testamentseröffnung gleich einmal an den Totenkerzen zu sparen beginnen will.  Musikalisch begonnen wird mit „Funiculi Funicula“, ehe Puccini zu Gehör kommen darf. Makaber ist, wenn der zusammengekrümmt an der Tür lehnenden Leiche Almosen in den Schoß geworfen werden, unwahrscheinlich selbst für Oper der Einfall, das Testament im (gefüllten) Spaghettitopf aufzubewahren. An Situationskomik wird jedenfalls nicht gespart und die Inszenierung ist insgesamt und abgesehen vom Schluss einfallsreich und vergnüglich.

Mit Auftrittsapplaus bedacht wird Plácido Domingo, der 2015 noch mit graumeliertem, onduliertem Haupthaar (auf dem Cover und im Booklet sogar mit braunem!!!) auftritt.  Irgendwie wirkt er nicht nur vokal immer noch wie ein Heldentenor, denn auch optisch passt er nicht so recht in die Rolle des gewieften, doch auch windigen Schlaubergers, sondern wirkt einfach nur jovial und hochseriös. Eine südliche Schönheit ist die Lauretta von Andriana Chuchman, die ihren Babbo mit süß flehenden Klängen umzustimmen weiß. Mit farbigem, etwas ungefüge geführt klingendem Tenor preist der Rinuccio von Arturo Chacón-Cruz die Reize seiner Heimatstadt. Meredith Arwady ist die rabiate Zita, deren dunkel orgelnde Stimme von Beginn an nichts Gutes verheißt. Leicht erstickt klingt der Bass von Craig Colclough als Simone. Auch alle anderen Ensemblemitglieder erweisen sich in ihren Partien als typgerecht bis hin zum unglücklichen, als Leichnam schonungslos strapazierten Buoso Donati von Momo Casablanca. Grant Gershon lässt ein gut aufgelegtes LA Opera Orchestra die Musik Puccinis üppig blühen (Blu-ray Sony 88985315099). Ingrid Wanja