Archiv des Autors: Geerd Heinsen

Ensemblegeist gleicht manches aus

 

2016 jährte sich der 200. Todestag des Mozart-Zeitgenossen Giovanni Paisiello. Natürlich waren einige seiner Werke deswegen auch auf diversen Festivals zu sehen. Der Mitschnitt einer dieser Aufführungen ist nun auf CD erhältlich –  La Grotta di Trofonio (Die Grotte/Höhle des Trofonio).Eigentlich war die originale „Grotte des Trofonio“ ein sehr populäres Stück von Antonio Salieri von 1785. Dies ist eine der ersten großen Partnertausch-Opern – die titelgebende Grotte ist nämlich verzaubert, und wer sie betritt, der ändert seinen Charakter grundlegend, melancholische Menschen werden aufgedreht, cholerische sanftmütig – und diese Wiener Oper beschrieb, wie es Liebespaaren erging, die sich auf dieses Höhlenabenteuer einließen.

Die Idee war sehr erfolgreich und hatte enormen Einfluss auf die zeitgenössische Opernszene – der bekannteste Ableger ist Mozarts Così fan tutte. Aber auch Paisiello hat sich anregen lassen und sich noch im  Monat der Premiere von Salieris Oper eine neue Text-Fassung für Neapel schreiben lassen. Genau diese Version wurde nun in Martina Franca beim Opernfestival della Valle D´Itria 2016 mitgeschnitten. Das Ganze ist ein Riesenspaß mit herrlichem Chaos und vielen turbulenten, fast schon rossinisch klingenden Ensembles.

Giovanni Paisiello“ „La Grotta di Trofonio“ in Martina Franca 2016/ Szene/ Foto Paolo Conserva/ FVI

Paisiello ist leider immer noch ein Insider-Tipp, und vor allem ist er ein typischer Festival-Komponist. Er wird gern bei Sommerfestivals aufgeführt, denn er ist relativ leicht zu besetzen, und er hat so viel komponiert, dass man immer damit werben kann, eine Paisiello-Oper ganz neu vorzustellen. Und der Bodensatz  ist da noch lange nicht  erreicht – weder qualitativ noch quantitativ. Er ist eigentlich fast immer nett anzuhören; ich mag ihn viel lieber als Cimarosa, weil Paisiello sich meist aus der Verwechselbarkeit und Oberflächlichkeit durch einen Hang zur Melancholie rettet, der sogar E.T.A. Hoffmann, einen eingeschworenen Feind italienischer Buffe, zum Paisiello-Fan machte. Kein Wunder: Paisiellos Figuren sind meist ziemlich lädiert, innerlich zerrissen und psychisch beschädigt; es sind nie Marionetten, und das macht ihn in seinen besten Momenten zu einem Mozart des kleinen Mannes.

Vergleicht man diese Grotta mit Salieris Oper, kommt Paisiello zunächst nicht allzu gut weg. Paisiellos Stammlibrettist Giuseppe Palomba hat nämlich das ursprünglich schön herbe Libretto von Casti, das durchaus den Biss der Così hat, für das neapolitanische Publikum zu einem total albernen Stück gemacht. Das ist, als würde man den Film „Zwei ziemlich beste Freunde“ in eine Sitcom umwandeln. Nun folgt ein (platter) Gag nach dem anderen, und die herrliche Durchsichtigkeit der Salieri-Oper mit ihren sechs Personen geht völlig verloren, weil Palomba das Ganze um zwei unnötige Personen aufstockt. Dann kommt viel neapolitanischer Dialekt hinzu, und so wird aus einer eleganten Komödie ein spröder Schwank. Und doch – Paisiello schafft es immer wieder, seine melancholischen Stücke hineinzuschmuggeln, es gibt auch hier wie in fast jeder Paisiello-Oper wunderschöne Herzschmerzarien; Eufelias Solonummern sind superb.

Zu klein besetzt und auch orchestral etwas breiig – aber der Ensemblegeist dieser Produktion gleicht vieles wieder aus. Es ist viel geschimpft worden auf dies kleine, aber weltbekannte Festival in Martina Franca in Sachen Besetzung usw., und doch es hilft alles nichts, es bleibt eines der wichtigsten Opern-Festivals in Europa. La Grotta verblasste etwas neben einer der großartigsten Produktionen in der gesamten Geschichte des Festivals, der Uraufführung der nachgelassenen, nie gespielten Francesca di Rimini von Mercadante unter Fabio Luisi (die ebenfalls gerade bei Dynamic erschienen ist – als CD und DVD Bluray). Da dümpelte diese Paisiello-Schaluppe etwas im Schatten dieses Riesentankers vor sich hin. Und das ärgert mich, weil man den großen Buffo-Maestro damit dann doch zu sehr zum Lückenbüßer verdammt. Diese buffe aus dem 18. Jahrhundert könnten richtig großartig klingen, wenn man ihnen eine Chance gäbe; meist sind sie (wie hier wieder) aber zu klein besetzt und auch orchestral etwas breiig, und das ist der Tod für diese fragilen Stücke.

Man könnte sich generell fragen, ob die alte buffa nach Martina Franca gehört. Man spielt ja auch keine Puppenstücke in der Arena von Verona. Martina Franca ist ein Open-Air-Festival, und diese kleinen Perlen klingen einfach immer schrecklich im Freien. Das braucht die Akustik intimer Häuser, und so hört  sich der Orchestersound auch meist an wie aus der Tonne. Oft sind die Sänger mit ihren Rollen überfordert. Zwar hat man auch hier einige Stars eingekauft, Roberto Scandiuzzi als Magier Trofonio dröhnt die Partie wirklich ehrfurchtgebietend, und der unverwüstliche Buffo Domenico Colaianni als genervter Vater launischer Töchter ist wie immer sehr komisch – aber die Töchter selbst schwächeln dann doch, und grade in den expressiven Momenten hört man nicht mehr gerne zu. Was diese Produktionen allerdings hat, ist Ensemblegeist – hier sind 100 % Italiener auf der Bühne, das ist ein Heimspiel, und die herrlich verwickelten Ensembles schnurren ab wie ein wundervolles antikes Uhrwerk. Diese Spielfreude gleicht dann doch vieles wieder aus (Titel Giovanni Paisiello: La Grotta di Trofonio mit Benedetta Mazzucato, Caterina di Tonno, Matteo Mezzaro, Domenico Colaianni, Angela Nisi, Roberto Scandiuzzi | Orchestra Internationale d’Italia | Leitung: Giuseppe Grazioli; 2 CD Dynamic CDS 7754.02). Matthias Käther

„Uthal“ von Étienne-Nicolas Méhul

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Étienne-Nicolas Méhuls mehr oder weniger einziger Ruhm in unserer Zeit ruht fast ausschließlich auf seinem Joseph, dem einzigen unter seinen 35 dramatischen Werken, dessen Aufführungen sich seit seiner Premiere 1807 bis heute finden, und vielleicht noch auf der prachtvollen Ouvertüre zu La Chasse du jeune Henri (von vielen berühmten Dirigenten aufgenommen).

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Etienne-Nicolas Méhul, Gemälde von Antoine-Jean Gros/OBA

Étienne-Nicolas Méhul, Gemälde von Antoine-Jean Gros/Wiki

Das Ausmaß einer solchen Vernachlässigung ist jedoch nichts Neues, wie sie schon Berlioz 1852 beklagte. 1763 in Givet in den Ardennen geboren und in Paris zur Vervollständigung seiner Studien ausgebildet, hatte Méhul das große Glück, Gluck vorgestellt zu werden. Der erkannte sein Talent und riet ihm, sich der Oper zuzuwenden. 1797 erzielte Méhul einen brillanten Erfolg an der Opéra-Comique mit Euphrosine. Während er zur selben Zeit das Seine zu den prunkvollen Revolutions-Feierlichkeiten beitrug (dessen typischer Stil sich in den Morceau d´ensemble no. 4 in Uthal findet: „Abreuvez-vous du sang des traîtres“), komponierte er mit wechselndem Erfolg weiter für die Comique. Zudem war er auch eines der Gründungsmitglieder des Conservatoire de Paris. Seine Karriere, die während der Zeit Napoleons unbeschadet weiter gelaufen war, erreichte ihren Höhepunkt 1805 mit Joseph, bis die Errungenschaften Spontinis und eine fortschreitende Tuberkulose Méhuls Energien erschöpft hatten. Sein Tod 1817 fiel mit der ersten Vorstellung von Rossinis Italiana in Algeri zusammen – der Beginn einer Revolution du gout, die sich tödlich auf eben die Ästhetik auswirkte, die Méhul so sehr verfochten hatte.

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Und heute? Ein paar Wiederbelebungen ohne große Wirkung (darunter der Horatius aus den Radio-Sechzigern, verschiedene Josephs und Iratos), die Einspielungen seiner Klaviersonaten, seiner vier Sinfonien und einiger Opern (darunter L´irato, Stratonice und Adrien, s. jpc oder Amazon) erlauben es uns glücklicherweise, die Einschätzung seines Genies zu erweitern.  Aus Paris gibt es vom 30. Mai 2015 – nach einem verdienstvollen ersten Anlauf der BBC 1972 (Sarti, Wakefield/ Robinson auf UORC-LP) – Méhuls Opéra comique in einem Akt, Uthal, von 1806, konzertant unter Christophe Rousset mit einer illustren Besetzung durch Karine Deshayes, Yann Beurron (in der Titelrolle), Jean-Sébastien Bou, Sébastien Droy, den Talens Lyriques und dem Kammerchor aus Namur – dies alles wieder einmal im Zuge der Bemühungen des hier vielfach gelobten und erwähnten Palazetto Bru Zane in der prachtvollen Opéra Royale de Versailles, am Radio bei Radio France und natürlich nun auf einer CD bei Ediciones Singulares im unpraktischen, aber eleganten Buchformat mit vielen Aufsätzen in Französisch und Englisch sowie dem zweisprachigen Libretto – Qualität wie meist.. Gesungen wird, wie oft bei Rousset und dem Palazetto, ebenfalls hervorragend: Karine Deshayes, Yves Beurron, Jean-Sebastien Bou, Sebastien Droy und andere machen dem französischen Gesang der mittleren Größe Ehre; dazu kommt Christophe Rousset mit seinen Mannen ganz wunderbar. Alles in allem eine Ossian-Story zum Füße Wippen.

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Méhul: Christophe Rousset leitet die Wiederbelebung des "Uthal" in Versailles/Spectacles de Versailles/Ceric La Rayadieu/chateauversailles-spectacles.fr

Méhul: Christophe Rousset leitet die Wiederbelebung des „Uthal“ in Versailles/Spectacles de Versailles/Ceric La Rayadieu/chateauversailles-spectacles.fr

Kommentare zur Oper Uthal sind knapp, weil kaum jemand sie bislang gehört hat. 1925 schrieb der Musikwissenschaftler Lionel de la Laurencie: „Am 17. Mai 1806 gab es an der Opéra-Comique eine merkwürdige Oper, Méhuls Uthal, auf ein von Ossian inspiriertes Libretto, die besonders romantisch wegen ihrer Orchesterfarben  wirkte. Die Geigen wurden durch Violas ersetzt.“ Und er hatte recht, darauf hinzuweisen, dass sich einige Opern der Napoleonischen Periode durch besondere Originalität auszeichnen und nicht wie oft angenommen nur durch überflüssigen Pomp. Als Reaktion auf den Erfolg von Les Bardes, eine Oper von Lesueur 1804 an der Académie Impériale de Musique, beauftragte die Opéra-Comique Méhul, ein kurzes, beeindruckendes Werk zu schreiben, das von den Ossianischen Gesängen des James Macpherson inspiriert sein sollte (s. Wikipedia), die kurz zuvor ihren Weg nach Frankreich gefunden hatten (und die Goethe bereits 1774 zu seinem Werther angeregten).

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Méhul: Die Wirkung der Gesänge Ossians - Illustration zu Goethes "werter" von Nicolai Abraham Abildgaard/ Staatsbibliothek Berlin

Méhul: Die Wirkung der Gesänge Ossians – Illustration zu Goethes „Werter“ von Nicolai Abraham Abildgaard/ Staatsbibliothek Berlin

Der Komponist hatte die brillante – und wagemutige – Idee, die Nebel durchzogene Landschaft Schottlands (so, wie er sie sich vorstellte) von einem Orchester ohne Violinen evozieren zu lassen. Die „Gotische“ Farbe der Holzinstrumente und die poetische Melancholie einer Harfe, die ab und zu aus dem Ensemble herauszuhören ist, kontrastieren auffällig mit den martialischen Chören und den kriegslustigen Charakteren Larmors und Uthals. Bereits in der Ouvertüre überrascht Méhul mit dem Kunstgriff, Malvina in der Kulisse verzweifelt nach ihrem Vater rufen zu lassen. Der Chor selbst besteht aus dreigeteilten Männerstimmen. Die Hymne au soleil ist ein ausgesprochen romantisches Stück und wird von den Barden gesungen – einer der besten Einfälle unter Méhuls Kompositionen . Die Studenten des Pariser Conservatoires (unter dessen Gründern Méhul selbst gewesen war), sangen dieses Hymne an die Sonne bei seinem Begräbnis 1817.

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„Ossian“ von Francois-Pascal Simon Gérard/OBA

Im Folgenden bringen wir zur Ergänzung einen Text des eminenten französischen Musikwissenschaftlers und Musikkritikers Gérard Condé zum Uthal von Méhul  (…) Einige Wiederaufnahmen ohne große Bedeutung, die Einspielung seiner Klaviersonaten, seiner vier Sinfonien und einiger Opern (darunter L’irato, Stratonice und zuletzt Adrien) haben es glücklicherweise ermöglicht, den Blick auf sein Genie zu erweitern. In den Köpfen der wenigen, die sich seiner Existenz bewusst sind, ruft Uthal jedoch immer noch nur den harschen Ausruf von Grétry am Ende der Uraufführung am 17. Mai 1806 hervor: „Ich würde einen Louis geben, um eine E-Saite zu hören“. Diese ironische Bemerkung rührt von Méhuls Entscheidung her, die Geiger zu bitten, ihre Instrumente gegen Bratschen zu tauschen, um dem Orchester einen verschleierten und melancholischen Klang zu verleihen, der mit der Atmosphäre der ossianischen Welt übereinstimmt. Dies wird besonders in der Ouvertüre deutlich, wo die Holzbläser, die die Rolle der Violinen übernehmen, mit einer intensiven Schneide über den rastlos wogenden Wellen der tiefen Streicher ausbrechen, wie sie es auch im Morceau d’ensemble („Nous le jurons, ce jour qui nous éclaire“) wieder tun werden. Dies ist auch in der Romance d’Uthal (Nr. 5, „Pour prix d’un bien si pleine de charme“) und im Chant des bardes („Près de Balva“) zu beobachten, wo die Bratschenstimmen, die auf den unteren Teil ihres mittleren Registers beschränkt sind, die ständige Bewegung der Harfe überdecken. In seinen Soir

Gretrys Witz war zwar treffend, ging aber im Vergleich zu den Argumenten, die Cherubini (in einem von Arthur Pougin notierten Artikel) vorbrachte, um die geringe Sympathie zu rechtfertigen, die Uthal bei ihm weckte, nicht weiter: Diejenigen, die auf den Ruf und die Erfolge von Méhul eifersüchtig waren, warfen ihm lange Zeit vor, er habe sich nicht genug mit seinen kompositorischen Studien beschäftigt. Méhul hatte die Schwäche, auf diese Vorwürfe empfindlich zu reagieren, und etwa seit der Zeit, in der er Joanna [1802] komponiert hatte, hielt er es für notwendig, zu beweisen, dass er solche Studien durchgeführt hatte, indem er in seine Kompositionen vorschnell Formen einführte, die sowohl zu scholastisch als auch zu pedantisch für die Oper waren, und mit denen er die nachfolgenden Stücke zu überfrachten pflegte. Diese prätentiöse und schädliche Methode hat er seither in allen Opern, die er komponiert hat, egal ob es sich um ernste oder komische handelt, beibehalten. Cherubini hatte die – etwas zu sehr ausgeprägte – Tendenz zur Nachahmung im Sinn, wie sie in Malvinas Arioso „Pour soulager tes maux“ zu beobachten ist. Dabei ließ sich Méhul vom stilistischen religiösen Archaismus inspirieren, um die Frömmigkeit der Figur zu unterstreichen.

Méhul: „Ossian“ – Gemälde von Jean-Auguste Dominic Ingres/OBA

Das umstrittene oder in Vergessenheit geratene Uthal hat dennoch seine Anhänger gefunden. Im Jahr 1904 führte das Dessauer Opernhaus eine Aufführung durch, die laut „Le Monde artiste“ ein großer Erfolg war. Im Jahr 1908 enthielt die Beilage der Revue musicale nicht weniger als 150 Seiten eines Klavierauszugs des Werks. Man kann jedoch auf das Jahr 1856 zurückgehen, als Castil-Blaze in seiner Histoire de l’opéra einen der denkwürdigsten Abschnitte hervorhob: Die Hymne au sommeil, in der vier Barden singen, die nur von zwei Harfen, zwei Flöten und zwei Hörnern begleitet werden, ist sehr schön; ihr melodiöses Ensemble wird durch die harmonische Gestaltung und die Merkwürdigkeit einer Folge gemeinsamer Akkorde, die geschickt miteinander verbunden sind, angenehm variiert. Wie in Les musiciens célèbres von François Desplantes nachzulesen ist, versammelten sich einige Zeit nach Méhuls Tod Gesangsstudenten des Conservatoire um sein Grab auf dem Friedhof Père Lachaise, um dieses Stück aufzuführen; der einzige Abschnitt aus dem Gesamtwerk, der sich am längsten gegen diese Vernachlässigung wehrte. Die auffällige Kombination von Hörnern, Flöten und Harfe, die die fließende Vokalpolyphonie mit dezenten Chromatisierungen untermauert, vermeidet akademische Vorbilder völlig, während die Klagen von Malvina, die in der zweiten Strophe an die Spitze gestellt werden, den natürlichen Eindruck, der dieses Stück so reizvoll macht, nicht beeinträchtigen.

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Méhul: Malvina beweint den Tod Oscars, Gemälde von Elizabeth Harvey/Grand Palais de Paris

Trotz seiner offensichtlichen musikalischen Schönheiten gelang es Uthal nicht, über seine ersten 15 Aufführungen hinaus im Repertoire zu bleiben. Arthur Pougin vermutete Méhuls „großen Fehler, dass er sich nicht ausreichend um das inhärente oder dramatische Potenzial der Gedichte kümmerte, die ihm angeboten wurden und die er zu leicht akzeptierte“. Das Thema bezieht sich auf den Guerre d’Inistona [Krieg von Inis-thona], in dem Ossian die Autorität Oskars feiert, indem er den alten Anio, der von seinem Verwandten Cormalo vom Thron vertrieben worden war, wieder auf den Thron bringt. Jacques Bins de Saint-Victor hat sein Libretto mit einigen Episoden aus anderen Kompositionen von James Macpherson (1736-1796) ausgeschmückt.

Die gälischen Gedichte, die dieser dem legendären Barden Ossian aus dem dritten Jahrhundert zuschreibt, dessen Veröffentlichung 1760/63 eine ganze Generation begeisterte, wurden zu einem beliebten Lesestoff für Napoléon Bonaparte. Saint-Victor widmete sein Gedicht Girodet, der für einen Mort de Malvina verantwortlich zeichnete: Die Leute sind jedoch nicht auf den Betrug des Autors hereingefallen, der aus fast dem gesamten Stück eine schottische Mythologie konstruiert hat. Außerdem wies der Chronist des Journal de l’Empire vom 21. Mai 1806 mit charmantem Schalk darauf hin, dass es sich bei der Handlung um eine Umgestaltung von Plutarchs Leben von Agis und Kleomenes handelt, wo Kleombrotus (Uthal), der Ehemann von Chelonis (Malvina), den Thron seines Schwiegervaters Leonidas (Larmor) besteigt. „Vielleicht wollte der Autor von Uthal eine Art flüchtige Mode ausnutzen, die die schottischen Barden in Paris genossen:

Méhul: Der Autor des Fake-„Ossian“ – James Macpherson, Gemälde von George Romney/Wiki

Er dachte vielleicht, dass Ossian mehr à la mode wäre als Plutarch, und ich denke, dass er nicht weit daneben lag. Das Thema wäre allerlei Glanz und Ansehen beraubt worden, wenn M. de Saint-Victor es nach griechischen Gepflogenheiten behandelt hätte. Es gab eine Zeit, in der die Lakedämonier für einen besseren Ton gesorgt hätten als die Barden […] Ich habe eher das Gefühl, dass die Leiern der lakedämonischen Musiker sich als harmonischer erwiesen hätten als die so genannten goldenen Harfen dieser vergangenen schottischen Priester, die zu einer Zeit und in einem Land lebten, in dem es nicht viel Gold zu sehen gab und in dem man überhaupt keine Musik kannte.“ Auch die Gazette de France vom 19. Mai 1806 zeigte sich streng mit Saint-Victors Libretto, das in seiner Gestaltung nichts Neues und nichts wirklich Interessantes bietet. Die einzelnen Szenen sind unzureichend miteinander verbunden. Der Autor begreift auch nicht, welchen Weg er einschlagen will.

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Méhul: James Macphersons Fake-„Ossian“/OBA

Es ist bekannt, dass die ossianischen Helden – wie ihre homerischen Vorbilder – oft zu Fuß unterwegs waren, weder mit Gefolge noch mit Prunk. Die Schönheiten aus Morven und Erin machen es sogar noch besser; sie greifen gelegentlich im Kampf zur Lanze und trotzen dem Tod an der Seite ihrer Liebsten. Doch in unserem Theater erwecken all dieses Herumgehetze und die nächtlichen Monologe nicht dieselbe Illusion; uns erscheint es sehr eigenartig, dass der wilde Uthal ganz allein auf der Jagd nach seiner Frau steht und ein ganzes feindliches Heer herausfordert. Der Inhalt des Themas hat eine gewisse Ähnlichkeit mit dem von König Lear: Malvinas großmütige Art, zu erklären, dass sie die Unglücklichste ist, ist schon tausendmal verwendet worden; im Übrigen aber sind die Charaktere recht gut definiert, das Lokalkolorit wird erfolgreich beibehalten. Oft sind die Verse gelungene Nachahmungen des schottischen Barden; die Stille des Abends, das Murmeln der Gebirgsbäche, die Sturmwinde, die Wolkenpaläste, die Gespenster der Helden kehren immer wieder dorthin zurück; mit beiden Händen streut der Autor die Wildblumen der ossianischen Zunge aus, und das alles erzeugt eine recht merkwürdige Wirkung im Land der Opéra Commique.

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Was die Musik betrifft, so hat sich die Meinung des Kritikers völlig geändert: Der Komponist hat das Thema viel besser erfasst: Seine Musik wird an der Stelle des trône de la fête merklich erregt. Seine Ouvertüre, von breitem Stil und dunklem Kolorit, kündet gekonnt von den nächtlichen Gespenstern und den Sturmwinden. Das Duett zwischen Larmor und Malvina ist äußerst süß und zärtlich eingefangen. Die Ankunft von Morvens streitlustigen Kindern [Nr. 2, „Le grand Fingal, pour punir les rebelles“] ist ein originelles Stück; der Klang der Harfen, vermischt mit den fernen Worten der Barden, erzeugt einen herrlich weltfremden Effekt. Die Ankunft der Barden aus Ossian ist schon oft gepriesen worden; ich bezweifle, dass dies auf eine bezauberndere Weise geschehen kann als hier.

Der Verweis auf Jean-François Le Sueurs Oper Ossian oder Les Bardes (nach dem Gedicht von Calthon und Colmal), die am 10. Juli 1804 an der Opéra uraufgeführt wurde, war unvermeidlich; ebenso vorausschauend warf das Ausmaß ihres Erfolgs einen Schatten auf Méhuls kleines Werk. Unter diesem Gesichtspunkt sind die einleitenden Bemerkungen im Journal du soir, de politique et de littérature des frères Chaigneau vom 18. Mai 1806 zu verstehen: Gestern hat die Uraufführung der einaktigen Oper Uthal, die die Gedichte nach dem Vorbild der Ossian-Gedichte nachahmt, im Théâtre Feydeau einen vollen Erfolg erzielt. Dieses Werk hätte auch an der Académie Impériale de Musique Erfolg gehabt, wo es weder besser aufgeführt noch sorgfältiger inszeniert worden wäre. Der Stil ist großartiger und gehobener, als man es von den Opern des Théâtre Feydeau gewohnt ist; aber was diese Oper noch interessanter macht, ist die Tatsache, dass ihre Musik von dem berühmten Méhul stammt.

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Méhul: Und noch einmal die folgenschwere Ausgabe des „Ossian“/ibrary.loyno._.edu

Das Journal général de France vom 19. Mai 1806 geht sogar noch weiter und präzisiert: „Es handelt sich keineswegs um eine Opéra comique, sondern um eine Tragödie im wahrsten Sinne des Wortes. Das Stück ist fast gänzlich in alexandrinischen Versen geschrieben und mit der ganzen Feierlichkeit des tragischen Stils geschmückt. Die ausgedrückten Gefühle, die Figuren und die Situationen entsprechen den Anforderungen dieses Stils. Dieses neue Stück hat die Schauspieler gezwungen, den Tonfall, den Akzent, die Gestik und die ganze der französischen Bühne angemessene Formalität zu erfassen, und für einen ersten Versuch muss man sagen, dass sie sich sehr erfolgreich verhalten haben. Bei mehreren Gelegenheiten wurde die Abschaffung des Rezitativs in der Oper und das Sprechen desselben vorgeschlagen. Hier gab es wirklich eine große Oper mit einem gesprochenen Rezitativ, und das Publikum schien damit zufrieden zu sein“. Der Chronist scheint vergessen zu haben, dass es an alexandrinischen Dialogen auf den französischen Opernbühnen von Méhuls Euphrosine bis zu Cherubinis Médée keinen Mangel gab.Die Gazette de France vom 19. Mai 1806 griff dieses Thema auf und nutzte die Gelegenheit, um die Interpreten zu würdigen: Der Übergang von der Übertragung von Prosa zum Gesang hat immer etwas Merkwürdiges und Unstimmiges; aber die Verbindung von Poesie und Musik ist wirklich trügerisch; viele Schauspieler wären besser, wenn sie dieses Genre unterstützen würden: zum Beispiel Madame Scio, die, ausgestattet mit einer tiefen Intelligenz und Sensibilität, fast so gut rezitiert wie sie singt. Sie hätte es verdient, am Ende des Werks zusammen mit den Autoren zurückgerufen zu werden. Gavaudan ist in diesem Genre, in dem er seine Ambitionen begrenzen sollte, bereits hinreichend bekannt. Möge es ihm eine Freude sein, uns an der Opéra-Comique zum Weinen zu bringen. Andernorts könnten sowohl er als auch das Publikum verloren gehen: Er ist in der Rolle des Uthal so grimmig wie Madame Scio in der der Malvina rührend ist. Solie hat die Rolle des Larmor übernommen; seine Stimme ist zwar im Niedergang begriffen, hat aber immer noch etwas Ehrwürdiges und Väterliches an sich. Baptiste, dem die Rolle des ersten Barden anvertraut wurde, hat ihren Chant Consolateur perfekt vorgetragen. Er ließ die Unwahrscheinlichkeit der Szene vergessen, und dieses Lob sollte für ihn ausreichen.

Méhul: Der Naturkult in der Folge des „Ossian“/Stich von Mallet/OBA

Wenn man sich diese Berichte zwei Jahrhunderte später ansieht, ist es interessant zu sehen, wie diese provokativen Bemerkungen immer noch ihren Sinn erfüllen; so fällt der Chant des bardes, der nahe am Schluss der Oper steht (für dessen emotionale Haltung er den Weg ebnet), weniger durch seine Unwahrscheinlichkeit als durch die Expressivität der Baritonstimme auf, die sich um das tonale Zentrum in seinem oberen Register und durch seine schroffe Unterbrechung entwickelt. Castil-Blaze informiert uns, dass „das Thema dieser Romanze oder Ballade aus der rührenden Episode von D’Ailly stammt, die in La Henriade mit dieser Zeile endet: ‚Il le voit, il l’embrasse, hélas! C’était son fils‘„. Voltaire zu Gast bei Ossian, in der Tat; das gibt zu denken…

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Méhul: Der Autor, Komponist und Musikwissenschaftler Gérard Condé/paris.mg

Unser Verhältnis zur aufkommenden Romantik mit ihren Trends, Wurzeln und Moden hat sich verändert. Bei der Entdeckung von Uthal suchen wir nicht mehr nach der Neuheit, die die Zeitgenossen mit Recht erwarten durften, sondern nach jenem Gefühl der Verbesserung, das uns ein retrospektiver Ansatz bieten kann, denn Werke aus der Vergangenheit können uns interessieren, wenn sie sich ausreichend in ihre eigene Zeit einschreiben, um uns dorthin zurückversetzen zu können, und gleichzeitig reich genug an Substanz sind, um sich mit unserer Zeit zu befassen und ein Licht auf sie zu werfen. Auf diese Weise können wir eine gültige Verbindung zu dem herstellen, was unsere Vorgänger vielleicht aus Gründen abgelehnt haben. Man kann die Geschichte nicht ändern; es ist die Geschichte, die uns auffordert, sie neu zu schreiben. Gerard Condé/ Übersetzt mit DeepL

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Den Text entnahmen wir dem Booklet zur Einspielung beim  Palazetto Bru Zane mit Dank; Bild oben: Ossian Receiving the Ghosts of Fallen French Heroes, 1805; Ölgemälde von Anne Louis Girodet-Trioson/Wikipedia. 

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Eine vollständige Auflistung der bisherigen Beiträge findet sich auf dieser Serie hier.

Tsunami d’amour

 

Wo besser als in Indien oder Ceylon und damit in Bizets Les Pȇcheurs de Perles bietet sich für Regie die Möglichkeit, archaische Bräuche, religiöse Verstiegenheit und moderne Technik unter einen konzeptionellen Hut zu bringen, und so kombiniert denn auch Regisseurin Penny Woolcock unbekümmert, aber durchaus nicht werkentstellend einen zottelhaarigen guruhaften Hindupriester mit einem laptopbedienenden Verwaltungsbeamten, der allerdings durch allgemeinen Zuruf zum König berufen wurde, kein Ende findendes Voreinanderverneigen mit Benzinkanistern, die über den Häuptern der zum Tode Verurteilten ausgegossen werden. Auch die Kostüme von Kevin Pollard reichen von in allen möglichen Orangetönen gehaltenen Saris und Pluderhosen zu strengen Anzügen im europäischen Stil. Bühnenbildner Dick Bird hat viel Holzgestänge auf die Bühne gebracht, dahinter ist das Bild eines wohl ertrinkenden Mädchens zu sehen, noch weiter entfernt Hochhäuser einer modernen Großstadt, die librettogerecht am Schluss abbrennen, während das Liebespaar die Flucht ergreift. Die erste Szene des dritten Akts spielt im mit Akten vollgestopften, aber auch mit Bierflaschen gefülltem Kühlschrank versehenen Büro von Zurga.

Viel zu tun hat der Chor (Donald Palumbo), und er erledigt sich seiner vielfältigen, zwischen Gebet und Rachegeschrei angesiedelten Aufgaben mit Bravour. Das Orchester der Met unter Gianandrea Noseda bringt das Ungewöhnliche der Instrumentierung durch Bizet wirkungsvoll zur Geltung.

Diana Damrau als Leila ist auch als Brünette sehr hübsch anzusehen, ihr Sopran erfreut durch seine außergewöhnliche Reinheit und Süße, die leichte Emission und die schwerelos wirkende Führung der Stimme passen gut zur Partie. Das entsprechende Lied klingt tatsächlich so federleicht schwebend wie Text und Musik es erwarten lassen, die Koloraturen sind wahrhaft deliziös, haben nichts rein Mechanisches an sich. Die Darstellung mag Geschmackssache sein, wird manchen Zuschauer als zu zappelig, zu affektiert, zu manieriert anmuten. Nicht durch sein angenehmes Spiel, sondern durch seinen Gesang ist der Nadir von Matthew Polenzani eine Enttäuschung, denn sein Tenor ist nicht prägnant genug, hat auch nicht die Süße und Eleganz von Vorgängern in der Partie wie  Legay, Vanzo oder auch aus neuerer Zeit wie Alagna oder Korchak, und die heiklen Höhen erscheinen als allzu wenig an die Stimme angebunden. Wesentlich besser kann Mariusz Kwiecien als Zurga mit dunklem Timbre und schlanker Stimmführung, dazu großzügiger Phrasierung gefallen. Eher optisch als vokal imponieren kann Nicolas Testé als Nourabad.

Insgesamt bezeugt die Produktion, dass das Werk durchaus repertoirefähig ist und es mit entsprechender Besetzung sein Publikum finden kann (Erato 0190295893613). Ingrid Wanja        

Ein Vielvermisster

 

Am 27. Jänner 2017, ist Rudolf Bibl überraschend im 88. Lebensjahr in Frontignan (Frankreich) verstorben. Dazu schreibt die Wiener Volksoper : Die Volksoper und ihr Publikum trauern um einen hoch geschätzten und geliebten Kollegen und Freund.

Bis zuletzt stand Professor Bibl am Pult unseres Orchesters. Er begleitete die Volksoper im Mai 2016 zum Japangastspiel nach Tokio, wo er drei Vorstellungen von „Die Csárdásfürstin“ dirigierte. Seine letzte Vorstellung an der Volksoper war die Fledermaus am 1. Jänner 2017.

Volksoperndirektor Robert Meyer: Professor Rudolf Bibl war der Volksoper fast ein halbes Jahrhundert verbunden. Er hat an unserem Haus unglaubliche 2273 Vorstellungen dirigiert. Er war eine Dirigentenlegende, eine Ikone, vor allem ein wunderbare Kollege und Freund, hochgeschätzt und geliebt. Trotz seines hohen Alters ist sein plötzlicher Tod ein großer Schock für uns alle. Es ist aber ein Trost, dass er bis zuletzt aktiv geblieben ist und an unserem Haus dirigiert hat. Ich empfinde es als großes Glück, dass er die Volksoper noch einmal auf das Japangastspiel im Mai 2016 begleiten konnte und sich so von dem japanischen Publikum, das ihn vergöttert hat, verabschieden konnte. Wir werden ihn alle sehr vermissen.

Rudolf Bibl wurde in eine musikalisch vorbelastete Familie hineingeboren. Großvater und Urgroßvater waren k. u. k. Hofkapellmeister und Domorganisten. Schon während der Gymnasialzeit studierte Rudolf Bibl an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien Klavier, Klarinette und Komposition und besuchte die Dirigentenklasse. Nach der Matura wollte er Biologie oder Veterinärmedizin studieren, doch Prof. Hans Swarowsky, der Dirigent und weltberühmte Lehrer einer ganzen Dirigentengeneration, wusste dies zu verhindern. Er engagierte den jungen Künstler 1948 als Solorepetitor an die Grazer Oper. Von dort ging er 1952 als Kapellmeister nach Innsbruck und wieder nach Graz als Operettenchef. 1960 kehrte Rudolf Bibl nach Wien zurück, zuerst an das Raimundtheater und dann als Erster Dirigent an das Theater an der Wien. Von 1969 bis 1973 war er Musikdirektor in Trier, verbunden mit ständigen Gastspielen in Frankreich und Luxemburg.

Seine lange Verbundenheit mit der Volksoper begann, als er am 2. Dezember 1972 für „Das Land des Lächelns“ zum ersten Mal am Pult des Hauses stand. Ab der Saison 1973/74 bis zu seiner Pensionierung am 31.8.1989 war Prof. Rudolf Bibl fest an der Volksoper engagiert. Aber auch danach blieb er dem Haus bis zuletzt auf einzigartige Weise verbunden.

1991 wurde Prof. Rudolf Bibl zum Ehrenmitglied der Volksoper Wien ernannt. Er ist Träger des Ehrenkreuzes des Landes Burgenland. Vom österreichischen Bundespräsidenten erhielt Rudolf Bibl das Verdienstkreuz erster Klasse für Kunst und Wissenschaft und anlässlich der Vorstellungen von „Die lustigen Witwe“ und „Die Fledermaus“ in der Wiener Staatsoper das Silberne Ehrenkreuz der Republik Österreich.

An der Volksoper hat er im Laufe von 45 Jahren an 2273 Abenden ein umfassendes Opern-, Operetten- und Musicalrepertoire dirigiert. Er leitete die Uraufführung von „Robert Stolz – Servus Du“ und weitere 18 Premieren: u. a. „Zwei Herzen im Dreivierteltakt“ (1975), „Im weißen Rössl“ (1976 und 1993), „Der Fremdenführer“ (1978), „Gasparone“ (1980) „Die Csárdásfürstin“ (1982), „Die lustigen Weiber von Windsor“ (1982), „Hello, Dolly!“ (1984), „Das Land des Lächelns“ (1985), „Madame Pompadour“ (1986), „Der Zigeunerbaron“ (1989) und „Der fidele Bauer“ (1997). Weiters dirigierte der Künstler die Neuinszenierungen von „Die Fledermaus“ (1974), „Der Graf von Luxemburg“ (1977) und „Die Zirkusprinzessin“ (1990).

Ein wichtiges Ziel war ihm immer, Wiener Musik in höchster Qualität der Welt bekannt zu machen. Er betreute zahlreiche Auslandsgastspiele, wie jene in Den Haag (1975, 1976), Moskau (1983), Berlin (1986), Japan (1979, 1982, 1985, 1989, 1993, 2016) oder den USA (1984).

Als Konzertdirigent war Rudolf Bibl stets gern gesehener Gast in Japan, wo er auch zahlreiche Neujahrskonzerte mit dem Symphonieorchester der Volksoper Wien und dem NHK Tokio dirigierte. Zudem leitete er Operettenproduktionen in St. Gallen, an der Opéra de Bastille Paris, an der Berliner Staatsoper und bei den Seefestspielen Mörbisch, deren musikalischer Leiter er über viele Jahre war. (Quelle: Wiener Volksoper; Foto oben: Rudolf Bibl/ Foto Wiener Volksoper)

Jennifer O’Loughlin

 

Als Titelheldin in Bellinis La Sonnambula feierte Jennifer O’Loughlin in der Spielzeit 2015/16 große Erfolge im Münchner Prinzregententheater. Ein weiteres Rollendebüt für die US-amerikanische Sopranistin stellte im Januar 2017 die Leïla in Les Pêcheurs de perles von Bizet dar. Nach ihrem Karrierebeginn an der Wiener Volksoper und neben dem aktuellen Engagement am Münchner Gärtnerplatztheater verfolgt Jennifer O’Loughlin eine internationale Karriere; in den letzten drei Jahren gastierte sie z.B. am New National Theatre Tokyo als Fledermaus-Adele (inszeniert von Heinz Zednik und dirigiert von Alfred Eschwé),  2015 mit dem Sopransolo in Orffs Carmina burana unter Kristjan Järvi beim „Georges Enescu“-Festival 2015 von Bukarest und 2016 in Händels Messias mit dem Baltimore Symphony Orchestra unter Edward Polochick sowie als Tytania in Brittens Midsummer Night’s Dream am Opernhaus von Valencia, unter der musikalischen Leitung von Roberto Abbado. Sebastian Stauss traf die Sängerin in München während der Proben zu den Pêcheurs de Perles!.

Sexy und selbstbewusst: Jennifer O’Loughlin/ Foito David Martin Jacques

Wie für alle ihre Partien beschäftigt sich Jennifer O’Loughlin beim Einstudieren von Bizets Leïla sehr gründlich mit dem Idiom und dem Stil ihrer Partie: „Schon während der Ausbildung am Konservatorium waren meine intensivsten Aussprachekurse jene in der französischen Sprache. Es gibt so viele Regeln und Nuancen! Aber ich habe es immer genossen, französisches Lied zu singen. Vor ein paar Jahren habe ich für meine Interpretation von Poulenc-Liedern den ‚Poulenc Plus’-Wettbewerb unter der Leitung von Dalton Baldwin gewonnen.“ Auch mit Thomas Grubb (u.a. Autor des Buches Singing in French, a Manual of French Diction and French Vocal Repertoire) hat Jennifer O’Loughlin zusammengearbeitet: „Es war wichtig zu lernen, wie man die nasalen Vokale singt, ohne dass Töne direkt in die Nase gehen. Dies erfordert, wie in allen Sprachen, im Französischen aber ganz besonders: viel Stütze, eine sehr offene Kehle, Nase und ein hohes Gaumensegel. Was ich außerdem als Herausforderung empfinde, ist das Schwa, wie z.B. in: ‚Me voilà seule’. Im Wesentlichen ist es ein offenes E mit abgerundeten Lippen – gefährlich, weil es regelrecht in die Kehle zurückfallen kann. Dieses Problem wird durch das Hinzufügen der abgerundeten Lippen verschärft. Also muss ich mir vorstellen, den Schwa-Laut ‚da draußen’ zu halten.“

Jennifer O’Loughlin: Amina in „La Sonnambula“ mit Maxim Kuzmin-Karavaev/ Münchner Gärtnerplatztheater/ Foto Thomas Dashuber

Neben souveräner Koloratur und großer Phrasierungskunst ist, wie selbst Muttersprachler/innen attestieren, auch im italienischen Repertoire die sorgfältige Aussprache kennzeichnend für Jennifer O’Loughlins Interpretationen. Beste Voraussetzungen also für weitere Rollen im so genannten Belcanto-Fach, nach der hoch gelobten Amina in La Sonnambula? Schließlich brachte gerade die Wahnsinnsszene aus Lucia di Lammermoor Jennifer O’Loughlin schon bei den Paris Opera Awards 2013 den „Maria Callas“-Preis ein, und die Aufnahmen der Callas kennt sie ebenso gut wie jene von anderen berühmten Sopranistinnen in italienischen Koloratur-Partien (z.B. Sutherland oder Scotto).  „Was wir heute als Belcanto bezeichnen – Rossini, Donizetti und Bellini –, war bereits das Ende der Belcanto-Ära, die bei Händel und Mozart auf dem Höhepunkt stand. Bellinis Musik finde ich in ihrer Eleganz, Raffinesse, Melodiösität und Introvertiertheit am stärksten, ähnlich wie Chopin. Wie dieser starb Bellini ja jung und konnte nicht annähernd so viel komponieren wie Donizetti oder Rossini, dessen Musik ich als extrovertiert und sehr funkelnd empfinde. Donizetti erscheint mir dagegen dramatischer; er malt gleichsam mit breiteren Strichen und führt näher an Verdi heran.“ Als Partnerin von Elīna Garanča (auf deren jüngstem CD-Recital) ist Jennifer O’Loughlin übrigens in einem Duett aus Verdis Don Carlo als Tebaldo zu hören. „Verdi war quasi die Brücke. Er verkörperte beides, sowohl die ältere Schule des Gesanges als auch das, was wir jetzt Verismo nennen. Ich denke, deshalb sind seine Werke so beliebt. Der Grund, warum das Konzept von Belcanto als Sängerschule so schwer fassbar ist, ist wohl, dass es anfangs von Kastraten perfektioniert und weitergegeben wurde. Eine vereinfachte Sichtweise besteht darin, dass es zwei Gesangsphasen und zwei pädagogische Philosophien gibt: ‚Prä- und Post-Wagner’ bzw. die Kontrolle der Stimme als rein physikalischer Mechanismus gegenüber der Verwendung der Phantasie, um den Körper zu kontrollieren. Ich persönlich gebe der älteren Schule des Gesanges den Vorzug.“

Jennifer O’Loughlin: „Die Kluge“ (mit Wolfgang Koch)/ Volksoper Wien/ Foto Dimo Dimov

Mozart als „eigentlicher“ Belcanto-Komponist bleibt in der Fachentwicklung von Jennifer O’Loughlin zentral. Zu den Münchner Wiederaufnahmen 2016/17 von Così fan tutte und der Entführung aus dem Serail mit O’Loughlin als Fiordiligi bzw. Konstanze kommt bei der Don Giovanni-Premiere im Juni noch das Rollendebüt als Donna Anna: „Meiner Meinung nach ist Donna Anna die bisher dramatischste Rolle in meinem Repertoire.  Und ich denke, es ist gut, dass ich davor noch einige Male als Konstanze auf der Bühne stehe. Rollen mit Noten über dem hohen C halten mich ‚rein und ehrlich’! Ich bleibe damit auf Kurs.“ Zwischen Leïla und den Mozart-Rollen steht im März noch eine Uraufführung des Gärtnerplatztheaters an, Frau Schindler von Thomas Morse, auf die sich Jennifer O’Loughlin ebenfalls freut: „Ich mag moderne Musik und habe eine Menge davon in der Schule gesungen,  einschließlich einem Opern-Einakter, geschrieben von einem der Kompositionsschüler. Es ist interessant, eine Rolle zu kreieren, die niemand zuvor verkörpert hat. Es ist meiner Meinung nach wichtig, daran teilzunehmen und neue Musik zu fördern, weil nur so unsere Kunstform erweitert wird. Ich genieße und erschließe mir möglichst viele verschiedene Stile, damit meine Repertoire-Möglichkeiten schier endlos sind, besonders wenn ich noch das Lied und Oratorium hinzufüge.“

Auch die abschließende Frage, welche Möglichkeiten der Regie sie für exotische Handlungsorte wie bei den in München nur konzertant gespielten Pêcheurs de perles sieht, beantwortet Jennifer O’Loughlin sehr offen: „Ich glaube, dass dieser Exotismus uns im 21. Jahrhundert weniger befremdet als zur Entstehungszeit von Pêcheurs de perles oder Lakmé! Reisen ist so viel schneller heute, und wenn ich etwas über Sri Lanka erfahren will, muss ich gar nicht hinfahren. Ich kann mir im Internet eine Reihe von Dokumentationen über dieses Land abrufen. Das Einzige, was ich von einer Inszenierung verlange, ist, dass sie sinnfällig ist und der Musik dient. Ob sie in der ursprünglich vorgesehenen Zeit angesiedelt ist, finde ich nicht so wichtig. Die Inszenierung muss dem Drama dienen, das in der Musik liegt.“

 

(Foto oben: Jennifer O’Loughlin als Tytania im „Midsummer Night’s Dream“, Volksoper Wien (C) Dimo Dimov; eine ausführliche Biographie und weitere Details finden sich auf Jennifer O’Loughlins website: http://www.jenniferoloughlin.com/)

Ein Leben lang Erste Geige

 

Eher ein Trachtenjanker als der feierliche Frack scheint zu dem freundlich-verschmitzt lächelnden Gesicht auf der Titelseite des Buches von Peter Brem, Ein Leben lang Erste Geige, zu passen, und so kontrastreich wie das Cover ist auch der Inhalt des Buches, das sich mit den höchsten und letzten Dingen der Musik in einer Art und Weise befasst, dass man es lesen kann wie einen spannenden Roman. 46 Jahre lang war der Münchner Mitglied der Berliner Philharmoniker, Teil einiger berühmter Kammerensembles und für einige Semester auch Lehrer an der Berliner Hochschule für Musik.

Wie ein Musikstück gegliedert ist die Autobiographie mit Kapiteln wie „Vorspiel“, „Auftakt“ oder „Punktierung“, nicht durchweg chronologisch aufgebaut, sondern dem Leser auch „Intermezzi“ anbietend und vor allem jedem, der eine Karriere als Musiker anstrebt, wertvolle Einsichten und Ratschläge vermittelnd. So mag es manchem Leser nicht schmecken, wenn er kategorisch erklärt: “Eine andere Methode funktioniert nicht“, und damit das kontinuierliche, von Vorlieben und Launen unabhängige ständige Üben und noch einmal Üben meint. Bei Brem führte das sogar so weit, dass er zunächst auf den Besuch des Gymnasiums verzichtete, um die Geige nicht zu kurz kommen zu lassen. Und seine Karriere wäre vielleicht anders verlaufen, wenn er sich nicht so vehement gegen ein Studium in der SU gewehrt hätte, denn an anderer Stelle stellt er fest, dass von dort vor allem zum Solisten ausgebildete, aber nicht Orchestermusiker kamen und kommen.

Höchst aufschlussreich ist der Bericht über das Vorspielen bei den Berlinern, deren besondere Organisationsform dem Leser ausführlich und nachvollziehbar geschildert wird, interessant sind die musikalischen Charakterbilder der Konzertmeister, so Michael Schwalbés, von Brandis, in dessen Quartett er jahrelang mitspielte, und von Spierer – Berliner Konzertbesuchern der letzten Jahrzehnte bestens bekannt. Brem scheut nicht vor gewagten Vergleichen zurück, wenn er schildert, dass ihm Karajan als Gott, Schwalbé als Petrus und der Rest des Orchesters als Engel vorkamen.

Der spezielle Klang der Berliner wird erwähnt, die Findung der Chefdirigenten Abbado und Rattle beschrieben und nicht nur deren spezielle Arbeitsweisen analysiert, sondern auch die von Maazel, Muti, Bernstein, Celibidache, Thielemann und vieler anderer Dirigenten, die mit dem Orchester arbeiteten. Dabei weist Brem mehrfach drauf hin, dass eigentlich bei der Wahl Abbados wie der Rattles eigentlich Daniel Barenboim sein Favorit war. Die Probenarbeit und Aufführungspraxis der drei Chefdirigenten, die er erlebte, wird miteinander verglichen, so die an Brahms‘ 3. Sinfonie. Ab und zu gibt es auch einen Einblick in Privates, so  das gemeinsame Kind von Abbado und Mullova betreffend.

Als jahrelanger Geschäftsführer kann Brem natürlich auch über Nichtkünstlerisches berichten, so darüber, dass die Philharmoniker eigentlich, wer hätte das gedacht, zu schlecht bezahlt wurden oder dass es feine Unterschiede zwischen dem Berliner Philharmonischen Orchester und den Berliner Philharmonikern gibt. Besonders hervorgehoben wird die Jugendarbeit von Rattle, der der Verfasser zunächst recht skeptisch gegenüber stand, und ein leiser Tadel schwingt in der Feststellung mit, dass der britische Dirigent trotz angeblichen Thomas-Mann-Lesens im Original die Proben nie auf Deutsch stattfinden ließ. Er befasst sich auch aufschlussreich mit der Frage, was einen „Superdirigenten“ ausmache, schildert die Aktivitäten der Philharmoniker anlässlich des Mauerfalls und setzt sich mit den atmosphärischen Strömungen im Publikum der Philharmonie auseinander. Als Revolutionär zeigt er sich in der Zusammenarbeit seines Orchesters mit den Scorpions unter Klaus Meine (gegen Abbados Meinung dazu), ebenso in seiner Bejahung der Einrichtung der Digital Concert Hall, die weit weniger umstritten war.

Aber nicht nur musikalische Höhenflüge, sondern auch ganz „Gewöhnliches“ beschäftigt ihn, so  die Hustengeräusche aus dem Publikum und die einheitliche Kleidung für nichtabendliche Auftritte, dunkelblaue Anzüge von Joop, die sich zu seinem Leidwesen bis heute bei den Damen im Orchester nicht durchsetzte.

Zu denken geben sollte manchem Musiker, wie strikt Brem persönliche Beziehungen zwischen z.B. Angehörigen eines Kammermusikensembles ablehnt, welche Schwierigkeiten die Aufführung von Opern, insbesondere des Rosenkavaliers, einem Orchester bereiten können. Nicht überraschend ist für den Leser, wie eng hingegen die Beziehung eines Musikers, vor allem eines Geigers zu seinem Instrument ist, und mit viel Anteilnahme wird er lesen, welche Bedeutung die vier Geigen Brems für ihren Besitzer hatten. Auch Niederlagen wie das vergebliche Bemühen um die Stelle des Konzertmeisters werden nicht verschwiegen, und manch kritischer Blick wird u.a. auf die Auswüchse des Artenschutzgesetzes geworfen, das die Mitnahme uralter Instrumente z.B. in die USA verhindert. So pessimistisch der Blick auf die Zukunft der zu zahlreichen Musikstudenten ausfällt, so optimistisch ist dieser, wenn der Verfasser auf seine nun nicht mehr beruflich, aber privat geübte Beschäftigung mit Musik richtet und damit den Leser in einer gar nicht pessimistischen Stimmung zurücklässt (260 Seiten, rororo 2016; ISBN 978 3 499 63141 2Ingrid Wanja

 

Klara Takacs

 

Mit Bedauern hören wir vom Tode der ungarischen Mezzosopranistin Klara Takács, die am 21. Januar 2017 in Budapest im Alter von nur 71 Jahren verstarb. Sie ist westlichen Opernliebhabern natürlich durch ihre Königin von Saba auf der Hungaroton-Aufnahme in Erinnerung, aber auch als Donizettis Favorite oder Heldin Zaida im Dom Sebastien unter Eve Queler in New York. Zudem hat sie bei Hungaroton viele Aufnahmen hinterlassen. Sie galt als der Mezzoexport Ungarns. Nachstehend ein Auszug aus dem unersetzlichen Kutsch-Riemens.

 Takács, Klara, Mezzosopran, * 24.4.1945 Lengyeltoti (Ungarn); sie sang zuerst im Budapester Madrigalchor, wurde darauf an der Franz Liszt-Musikakademie von Budapest zur Solistin ausgebildet. 1975 war sie Preisträgerin beim Internationalen F. Erkel- Wettbewerb in Budapest. Seit 1973 bekanntes Mitglied der Nationaloper Budapest, an der sie als Lola in »Cavalleria rusticana« debütierte. Hier hatte sie als Orpheus von Gluck, als Adalgisa in Bellinis »Norma«, als Titelheldin in Goldmarks »Königin von Saba«, als Titelfigur in Rossinis »La Cenerentola«, als Cherubino in »Figaros Hochzeit« und in einer Fülle weiterer Partien sehr große Erfolge. Ähnliche Erfolge ergaben sich bei Gastspielen in Ungarn wie im Ausland und auf den Gebieten des Konzert- und Oratoriengesanges. Sie gastierte mehrfach an der Wiener Staatsoper und nahm 1986 an deren Japan- Tournee teil. 1987 Gastspiel am Teatro Colón Buenos Aires als Charlotte im »Werther« von Massenet und als Eudoxia in »La Fiamma« von O. Respighi. 1991-92 sang sie bei den Festspielen von Salzburg die Marcellina in »Figaros Hochzeit«. – Sie sollte nicht mit der jüngeren Sängerin Tamara Takácz (* 1950) verwechselt werden, die fast gleichzeitig, und auch als Mezzosopranistin, in Budapest tätig war.

Schallplatten der Marke Hungaroton, darunter mehrere integrale Opernaufnahmen: »Medea« von Cherubini als Partnerin von Sylvia Sass, »Königin von Saba« von Goldmark, »Nerone« von Boito, »Hunyadi László« von Erkel, »Der Apotheker« von Haydn, »Belfagor« von O. Respighi, »Andrea Chénier« von Giordano, Mozart-Requiem, »Die Legende der hl. Elisabeth« von F. Liszt, Missa solemnis von Beethoven, »Lieder eines fahrenden Gesellen« von G. Mahler, »Hary János« von Kodály, geistliche Musik von J. Haydn, Suzuki in »Madame Butterfly«, Krönungsmesse von F. Liszt, Petite Messe solennelle von Rossini; auf Ariola-Eurodisc Maddalena im »Rigoletto«, auf Legato Zaida in »Dom Sébastien« von Donizetti. [Lexikon: Takács, Klara. Großes Sängerlexikon, S. 23853/ (vgl. Sängerlex. Bd. 5, S. 3424) (c) Verlag K.G. Saur] (Foto oben Klara Takacs/ Meghalt Takács Klára operaénekes24.hu)

 

 

Hermann Levi

 

Acht Jahre war der jüdische Dirigent Hermann Levi als gefeierter Hofkapellmeister in Karlsruhe tätig. Ein bedeutender Höhepunkt seiner Laufbahn war das Dirigat der Uraufführung von Richard Wagners Parsifal 1882 in Bayreuth – gegen den Widerstand des Komponisten, der der Überzeugung war, dass ein Jude diese christliche Oper nicht dirigieren könne. Im Gedenken an den heute fast vergessenen Künstler wird der Vorplatz des Badischen Staatstheaters Karlsruhe offiziell Hermann-Levi-Platz benannt. Darüber hinaus erinnern wir in einer Ausstellung im FOYER an den Musiker und Komponisten. Außerdem wird Levi in unserer Opernuraufführung Wahnfried auch auf der Bühne zu erleben sein. Ab Februar 2017 wird sich die Adresse des STAATSTHEATERS von Baumeisterstraße 11 in Hermann-Levi-Platz 1 ändern. (Quelle Badisches Staatstheater/ Foto swr)

 

Dazu auch eine Vita aus dem unersetzlichen Wikipedia (mit Dank): Hermann Levi (* 7. November 1839 in Gießen; † 13. Mai 1900 in München) war ein deutscher Orchesterdirigent und Komponist. Hermann Levi war der Sohn des hessischen Landesrabbiners Benedikt Levi und Henriette Mayer (1807–1842). Seine Mutter entstammte der bekannten Tabakfabrikantenfamilie Mayer in Mannheim. Seine Urgroßväter mütterlicherseits waren der kurpfälzische Hoffaktor Gottschalk Mayer und der Mannheimer Bankhaus-Gründer Wolf Hajum Ladenburg. Sein Großvater väterlicherseits war der Wormser Rabbiner Samuel Levi, ein Sohn des Rabbiners Wolf Levi in Pfersee bei Augsburg. Sein Bruder war der Bankprokurist Wilhelm Levi des Bankhauses Ladenburg, der sich später Wilhelm Lindeck nannte und Vermögensverwalter des Komponisten Johannes Brahms wurde. Hermann Levi heiratete 1895 Mary Fiedler geb. Meyer (1854–1919), eine Tochter des Kunsthistorikers Julius Meyer und Witwe des Kunsthistorikers Konrad Fiedler (1841–1895).

Hermann Levi wuchs in Gießen auf. In Mannheim absolvierte er bei Hofkapellmeister Vinzenz Lachner eine Art musikalische Lehre. Von 1855 bis 1858 studierte er am Leipziger Konservatorium. Nach Reisen unter anderem nach Paris übernahm er den Posten des Musikdirektors in Saarbrücken und wechselte 1861 nach Mannheim. Von 1862 bis 1864 war er Chefdirigent der Deutschen Oper in Rotterdam, anschließend bis 1872 am Großherzoglichen Hoftheater Karlsruhe. In Karlsruhe begann er 1864 mit dem Lohengrin und dirigierte dort zweiter nach der Münchener Uraufführung Die Meistersinger von Nürnberg. Das Angebot, die Uraufführung von Die Walküre in München zu übernehmen, schlug er 1869 aus. Levi freundete sich Johannes Brahms an, die Freundschaft zerbrach allerdings Mitte der 1870er Jahre, und mit Clara Schumann.

Ab 1872 amtierte er als Generalmusikdirektor und Hofkapellmeister am Königlichen Hof- und Nationaltheater in München, bis er sich 1896 aus gesundheitlichen Gründen zurückzog und in Partenkirchen niederließ. 1872 wurde er Mitglied der Zwanglosen Gesellschaft München[1], der er bis zu seinem Tode angehörte.

1874 dirigierte er erstmals den Tristan und wurde nach eigenem Bekenntnis gegenüber Joseph Joachim zum „Wagnerianer“, und 1878 den kompletten Ring. Auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn dirigierte Levi im Juli 1882 die Uraufführung des Parsifal in Bayreuth. Obwohl aus bedeutenden jüdischen Familien stammend, war Levi in die christliche Mythenwelt Wagners hineingewachsen und seit 1871 mit dem Komponisten freundschaftlich verbunden. Wagner selbst wies Kritik, sein „heiligstes“ Werk nicht von einem Juden dirigieren zu lassen, entschieden zurück. Jedoch stand immer die Forderung Wagners an Levi, sich taufen zu lassen, im Raum. Dieser Erwartung entsprach Levi bei aller Verehrung Wagners zwar nie, der äußere und vor allem innere Konflikt belastete ihn jedoch sehr, wie sich Levis Schüler Felix Weingartner erinnerte.

Im Februar 1883 besuchte er Wagner in Venedig, am Tag nach seiner Abreise starb Richard Wagner. Levi dirigierte März/April des Jahres den Zyklus von Gedächtnisaufführungen mit allen Opern Wagners in München. Er blieb bis 1894 der „Major“ und die rechte Hand der Witwe Cosima Wagner bei der Leitung der Bayreuther Festspiele. Der anhaltende Erfolg der Musik Richard Wagners nach dessen Tod ist eng mit Levis Namen verknüpft. Antisemitische Anfeindungen auch durch Richard Strauss, der sich 1891 über das jüdische Dirigat des heiligen Parsifal bei Cosima Wagner, ebenfalls eine glühende Antisemitin, beschwerte, belasteten ihn schwer.

Levi führte den „Mozart-Zyklus“ in das deutsche Opernrepertoire ein. Er übersetzte selbst die Libretti von Lorenzo da Ponte zu Mozarts Opern Le nozze di Figaro, Don Giovanni und Così fan tutte ins Deutsche. Dabei bemühte er sich geschickt, die beim Gesang wichtigen Vokale des italienischen Originals möglichst zu erhalten; so übersetzte er zum Beispiel in „Cinque… dieci…. venti… trenta… trentasei…quarantatre“ (Le Nozze di Figaro) das letzte Zahlwort nicht (wörtlich) mit „dreiundvierzig“, sondern (vokalerhaltend) mit „ja, ja, es geht“. Diese Übersetzungen erfreuen sich bis heute großer Beliebtheit und haben sich gegen andere Übersetzungsversuche durchgesetzt; viele Formulierungen daraus wurden geflügelte Worte („Reich mir die Hand, mein Leben“). Ein Umstand, der die Nationalsozialisten in Verlegenheit bringen sollte: Einerseits sollten Opern nur in deutscher Sprache aufgeführt werden, und andererseits war das Libretto des konvertierten Juden da Ponte auch noch von einem weiteren Juden, nämlich Levi, übersetzt worden.

Levi verfolgte in jungen Jahren zunächst eine Karriere als Komponist: In Paris entstand als sein op. 1, ein an Schumann orientiertes Klavierkonzert in a-Moll, das vom Gewandhausorchester Leipzig uraufgeführt wurde, außerdem eine Symphonie, eine Violinsonate, Klavier- und Kammermusik sowie verschiedene Liedvertonungen. Nach einer harschen Kritik von Brahms an seinen Werken gab Levi jedoch diesen Teil seiner musikalischen Tätigkeit trotz großer Erfolge auf und vernichtete alle Manuskripte. Erhalten geblieben sind lediglich die im Druck erschienenen Werke, zwei Liederzyklen und die Solostimme des Klavierkonzerts. Das verloren geglaubte Orchestermaterial des Klavierkonzerts wurde vom Pianisten und Dirigenten Martin Wettges in der Zentralbibliothek Zürich wiederentdeckt. Er rekonstruierte daraus die Partitur und führte das Werk am 1. Juni 2008 wieder auf (Christian Schröder, Begleitheft zu einer Aufführung des Klavierkonzerts am 4. Februar 2014 in Gießen) (Quelle Wikipedia).

 

Musik eines Heimatlosen

 

Lust auf Operette? Die neue Aufnahme der Polnischen Hochzeit bei cpo ist von Herzen zu empfehlen. Das wunderbare Werk von Joseph Beer kommt unter der Mitwirkung der Hauptdarsteller Nikolai Schukoff und Marina Rüping ganz und gar zu seinem Recht. “In der Heimat blüh’n die Rosen – nicht für mich den Heimatlosen”, singt Graf Boleslav in seiner ersten Arie. Es hätte genausogut aus der Biografie des Komponisten stammen können.

Joseph Beer wurde 1908 in Lemberg (Lwów, Lviv) geboren, das damals noch zum österreichisch-ungarischen Reich gehörte, aber 10 Jahre später eine der wichtigsten Städte des wiederauferstandenen Polens wurde. Beer studierte in Wien, und nach dem “Anschluss” flüchtete er nach Frankreich,  nach Paris, wo er sich mit Hilfe des Direktors des  Châtelet am Leben hielt und die Musik für den Film Festival du Monde komponierte. Sein Versuch die USA zu erreichen missglückte: Weiter als bis Nizza kam er nicht. Er ging in den Untergrund.

Joseph Beer als junger Mann/ Dank an seine Tochter Beratrice Beer/ Jaworski

Untergetaucht komponierte er Stradella in Venedig, eine Oper im veristischen Stil (Premiere in Zürich 1949), die seine letzte zu sein scheint. Er hat überlebt. Nach dem Krieg erreichte ihn die Nachricht, dass seine Eltern in Auschwitz ermordet worden waren. Auch sein Freund, Mentor und Librettist von Polnische Hochzeit, Fritz Löhner-Beda, hatte das Lager nicht überlebt. Anfang der 50er Jahre heiratete Beer Hanna Königsberg, auch eine Holocaustüberlebende (Königsberg war als Kind, zusammen mit ihren Eltern, aus Deutschland geflüchtet). Zusammen mit ihr und ihren zwei Töchtern blieb er in Nizza – bis zu seinem Tod 1987.

Joseph Beer ist niemals über die Nachricht vom Verlust seiner Familie hinweggekommen. Er zog sich aus dem öffentlichen Leben zurück und hörte mit dem Komponieren auf. Stattdessen stürzte er sich auf sein Studium der Musikwissenschaft: 1966 promovierte er mit dem Thema: „Die Entwicklung des harmonischen Stils in den Werken von Scriabin“.

Seine Operette Polnische Hochzeit wurde nach dem Krieg nicht mehr aufgeführt, Beer wollte dazu seine Zustimmung nicht geben. Das „Warum?“ können wir nur raten, aber offenbar war die Konfrontation mit der Operette für ihn angesichts des Schicksals seiner Familie zu schmerzhaft.

Aber seine Wurzeln verleugnete er nie. Laut seiner Tochter Bèatrice fühlte er sich in erster Instanz als Jude, aber danach sofort als Pole. Kein Österreicher bitte, aber auch nicht Franzose. Er wohnte jedoch in Frankreich beinahe fünfzig Jahre und wurde nach dem Krieg französischer Staatsbürger, aber sein Herz blieb in Lemberg, auch wenn er die Stadt niemals mehr wiedergesehen hat. Er sprach fließend polnisch, was ohne Zweifel wichtig war, um die richtigen Akzente in seinen Partituren zu setzen.

Es ist beinahe nicht zu glauben, aber Beer komponierte Polnische Hochzeit in nur drei Wochen. Die Premiere 1937 in Zürich war ein enormer Erfolg. Sie wurde in acht Sprachen übersetzt und, außer in Nazi-Deutschland, in vierzig verschiedenen Ländern auf die Bühne gebracht.

Unter dem Titel Les Noces Polonaises sollte die Operette am 1. Oktober 1939 im Théâtre du Châtelet aufgeführt werden. Für die Hauptrollen warn Jan Kiepura und Martha Eggerth vorgesehen, was durch den Beginn des Zweiten Weltkrieges verhindert wurde.

Polnische Hochzeit ist eine herrliche Operette in reicher Wiener Tradition. Man hört Anleihen an Emmerich Kálmán und Paul Abraham (Victoria und ihr Husar!), aber die Partitur ist auch reich gespickt mit polnischen Volkstänzen und jüdischen Volksmelodien. Dazu kommen die  in dieser Zeit viel verwendeten Jazzeinflüsse: Das Duett „Katzenaugen“ ist ein unverfälschter Charleston.

Joseph Beer: Poster zur Uraufführung in Zürich/ Dank an die Tochter Beatrice Beer, die bei youtube mit einem Lied aus der Operette zu hören ist/ Jaworski

Der Operettenliebhaber entdeckt darin alle notwendigen Ingredienzien. Die Jugendlieben  Boleslav und Jadja treffen sich wieder, als Boleslav in sein Vaterland zurückkehrt. Jadja ist Boleslavs reichem Onkel versprochen, aber das schlaue Dienstmädchen Suza (eine Art weiblichen Figaro) weiß das Treiben zu einem guten Ende zu bringen. Die Geschichte hat auch viel von Don Pasquale. Was die Polnische Hochzeit anders sein lässt, ist der hohe Patriotismusgehalt: Die Geschichte spielt im Jahr 1830, im durch die Russen besetzten Polen.

Nikolai Schukoff begegne ich öfter bei den (vergessenen) Operetten von Schirmer und cpo, und das macht mich froh. Nach Giuditta und Zigeunerbaron ist es schon seine dritte Operettenaufnahme. Seine Stimme eignet sich sehr dafür, meiner Meinung nach viel besser als für Wagner, der kleine Narben auf seiner Stimme hinterlassen hat. Er hat braucht etwas  Zeit, um sich „aufzuwärmen“ (die Aufnahme ist live). Schon bei der Mazurka „Polenland mein Heimatland“ kommt er richtig in Schwung und lässt ein paar strahlende hohe Noten hören. Ganz besonders ist auch sein Gefühl für den Rhythmus, wobei er sehr gut unterstützt wird durch den Dirigenten Ulf Schirmer. Und für den schmachtend gesungenen Hit, „Du bist meine große Liebe“, würde selbst ein Gedda sich nicht für schämen müssen. Martina Rüping ist eine wunderbare Jadja. Ihr warmer Sopran weiß mich in dem mit melancholischem Unterton gesungenen „Wenn die Mädel zu Mazurka gehen“ sehr zu rühren. Und was für eine schöne Nummer das ist! Genau wie das Duett „Herz an Herz“ (wo man an „Lippen schweigen“ denkt). Genießen! Michael Kupfer-Radecky imponiert als Graf Staschek, und Susanne Bernhard ist eine zauberhafte Suza. Alles in allem ein absoluter Gewinn. Basia Jaworski (Den Artikel entnahmen wir dem Blog von Basia Jaworski: basiaconfuoco mit Dank; Übersetzung aus dem Niederländischen von Beate Rothen-Heithausen.)

https://basiaconfuoco.wordpress.com/2017/01/16/joseph-beer-polnische-hochzeit-english-translation/   https://www.facebook.com/Basia-con-fuoco-1482758521751156/

http://www.josephbeercomposer.com/      http://beatricebeer.com/

 

Sinnlicher Glaube

 

Warum soll es in der Kirche eigentlich nicht genauso klingen wie im Opernhaus? In Gaetano Donizettis  Messa di Gloria e Credo c-Moll klingt das Kyrie wie die Introduktion zu einer Oper und vor allem das Gloria wie eine umfangreiche Szene aus einer seiner Königinnnen-Opern inklusive Vertrauten und Schleppenträgerinnen, bei der zwei Sopransoli einen Bass-Solo effektvoll umrahmen; aufgerüstet wird die Szene durch ein ausgedehntes Flötensolo in „Domine Deus“ und vor allem durch ein umfangreiches, ungewöhnlich reichhaltiges Violinsolo in „Qui sedes ad dextram Patris“, das Donizetti für den Geigenvirtuosen Pietro Rovelli geschrieben hatte, der ab 1819 mehrere Musikpositionen in seiner Heimatstadt Bergamo inne hatte (Naxos 8.573605). Seinem Lehrer Simon Mayr Schrieb Donizetti bezüglich einem Kaiser Ferdinand I. gewidmeten Ave Maria; „Es ist immer gut, wenn Seine Majestät weiß, daß es selbst unter den Opernkomponisten einen guten Christen gibt, der sich ein wenig mit der geistlichen Musik auskennt“. Hätte er Kyrie, Gloria und Credo einen anderen Text unterlegt, könnte man die Messa di Gloria e Credo für eine entlegene Donizetti-Rarität halten, die sich Franz Hauk, wie schon bei der Ersteinspielung der Kantate Aristea, vorgenommen hat, doch auch bei der Messa di Gloria e Credo, die Hauk mit dem Simon Mayr Choir und dem Concerto de Bassus-Ensemble im September 2014 in der Ingolstädter Asamkirche aufgenommen hat, ist die Konkurrenz überschaubar. Ergänzt wird die 1837 in Neapel erstmals aufgeführte Messe, die auf bereits 1820 komponierten Einzelsätzen basiert, durch drei Kompositionen Mayrs, welche um die gleiche Zeit entstanden sein sollen: Sanctus, Benedictus und Agnus Dei. Man könnte sich bei den Solisten Stimmen mit mehr Gesicht und einen etwas farbigeren Zugriff vorstellen – wie mag der große Sopranpart bei einer wirklichen Donizetti-Primadonna klingen? -, doch die Aufnahme kann durch Hauks stilistische Ernsthaftigkeit gefallen, die er auch in seiner schier unüberschaubaren Mayr-Diskographie bei Naxos vielfach unter Beweis gestellt hat. Rolf Fath

 

Dirigentenportraits

 

Sehr unterschiedlich sind die beiden Sujets, die Dirigenten Leonard Bernstein und Carlos Kleiber, viel Gemeinsames hat die jeweilige Machart der Filme, die sich ihnen widmen. Larger than Life nennt sich das Werk Georg Wübbolts, das bei major erschienen ist, der Film von Eric Schulz und beide Titel atmen bereits etwas von dem Geist, der Leben und Wirken von Bernstein und Kleiber bestimmte. Enttäuscht wird in beiden Fällen der Betrachter und Hörer sein, der sich größere Abschnitte, wenn nicht gar ganze Sätze von Konzerten erwartet hat, von Kleiber bekommt man im wesentlichen und wiederholt kleinste Bruchstücke von den Proben zum Stuttgarter Freischütz, etwas Fledermaus, Tristan, Rosenkavalier zu hören, von Bernstein Mahler, aber auch Bruchstücke aus eigenen Kompositionen wie West Side Story, Candide oder Mass, wobei die Auseinandersetzung mit Carreras ausgespart bleibt.

Nicht mit Superlativen sparen die Zeugen des Wirkens der beiden Musiker, so hört man die Vokabeln Universum oder Kaleidaskop für Bernstein, von dem auch viel Menschliches berichtet wird wie die Liebe zu Tabak und Whisky, der Hang zum Küssen von jederman, es wird darauf hingewiesen, dass er der erste komplett in den USA ausgebildete Komponist und Dirigent war, aber auch ein leidenschaftlicher Lehrer und Moderator.  Mitropoulos, Koussevitzky und Copland werden als seine Vorbilder erwähnt, Tanglewood als Mekka des musikliebenden Amerika. Als seine Götter werden Mozart, Brahms und Mahler genannt, als Orchester, mit denen er besonders gern arbeitete, u.a. das des Bayerischen Rundfunks und die Wiener, ab 1986 arbeitete er im Rahmen des Schleswig Holstein Festivals.. Auch wenn der „gymnastische“ Dirigent Bernstein sich in vielem von seinem Kollegen Kleiber unterschied, vereinte beide der ständige Zweifel, der sie plagte, bei Bernstein auch einer des Glaubens und der Fähigkeit, das „ultimative Werk“ zu schaffen.

Vieles berichten seine drei Kinder über Bernstein, viel Überzeugendes Kent Nagano, der ihm nahe stehen durfte, „weil er der Einzige war, der nichts von ihm wollte“.

Nicht zu verwechseln mit dem ebenfalls bei Major erschienenen Portrait Kleibers mit dem Titel I am lost to the World ist der bei Arthaus herausgegebene Film Traces to Nowhere, obwohl es auf beiden Aufnahmen gemeinsame Zeitzeugen gibt wie Otto Schenk oder Otto Staindl. Der Film versucht neben der Würdigung des Dirigenten, vor allem auch durch zahlreiche Orchestermusiker, die mit ihm arbeiteten, auch eine Hinterfragung des problematischen Verhältnisses zwischen Vater Erich und Sohn Carlos, des Einflusses desselben auf die allgemein bekannten Absonderlichkeiten des Menschen und Künstlers Kleiber. Mehr noch als durch die Schwester erfährt man durch die Mezzosopranistin Brigitte Fassbaender viel über den Dirigenten, von Orchestermusikern viel Einleuchtendes, und auch die Zeugnisse anderer Weggefährten lassen deutlich werden, dass der als düster, scheu, stets unzufrieden geltende Dirigent das Gegenteil von all dem sein konnte und dass er zudem dankbar war, wenigstens Herbert von Karajan gegenüber, dessen Grab er regelmäßig besuchte.

Dass Red Bull diese Aufnahme ermöglichte, lässt zudem denjenigen schmunzeln, der weiß, dass sich Kleiber einst für ein Konzert mit einem Audi entlohnen ließ (Bluray Bernstein  C-Major 736004; Bluray Kleiber Arthaus 108 041). Ingrid Wanja

Gerd Grochowski

 

Mit nur 60 Jahren starb überraschend der Bass-Bariton Gerd Grochowski. Das Hessische Staatstheater Wiesbaden schreibt: Am 16. Januar 2017 ist Gerd Grochowski überraschend verstorben. In tiefer Trauer nehmen wir Abschied von dem großen Sänger und unserem wahren Freund Gerd Grochowski.  Am 15. Januar 2017 hat er nach einer beglückenden Probenphase die Premiere der »Walküre« gesungen und als Wotan Ovationen geerntet. Am 16. Januar rief er wegen starker Schmerzen im Herzbereich den Notarzt und ist in Mainz, trotz aller Versuche der behandelnden Ärzte, um 15:09 Uhr verstorben.

Gerd Grochowski erlangte seinen internationalen Durchbruch an der Metropolitan Opera New York als Kurwenal (»Tristan und Isolde«). In dieser Rolle und auch als Gunther (»Götterdämmerung«) wurde er daraufhin an die Mailänder Scala und die Berliner Staatsoper eingeladen. Es folgten weitere Engagements an großen internationalen Bühnen: San Francisco Opera (Gunther, Telramund (»Lohengrin«), Covent Garden London und Tokyo NNT (Telramund), Berliner Staatsoper (Pizarro /»Fidelio«) und Scarpia (»Tosca«)), bei den Proms London (Pizarro, Gunther), am Teatro Real Madrid (Doktor Schön /»Lulu«), Salzburger Osterfestspiele (Gunther), Festival Aix en Provence (Schischkow/ »Aus einem Totenhaus«) und der Münchner Staatsoper (Scarpia, Klingsor/ »Parsifal«). In diesem Sommer gab er sein Debüt bei den Bayreuther Festspielen als Klingsor. Dem Wiesbadener Publikum ist er bekannt in den Titelpartien von »Herzog Blaubarts Burg« und »Der fliegende Holländer«. Als Wotan kehrte Gerd Grochowski im »Ring des Nibelungen« zurück, den er bereits in der Produktion des Landestheaters Linz sang. (Quelle Hessisches Staatstheater Wiesbaden; das Foto oben zeigt Gerd Grochowski in einem Werbe-TV-Feature der San Francisco Opera anlässlich seines Telramund ebendort/ Foto youtube)

 

Dazu ein Eintrag bei wikipedia: Gerd Grochowski (1956 in Krefeld – 16. Januar 2017 in Mainz) war ein deutscher Opernsänger der Stimmlage Bassbariton. Er wurde insbesondere in Wagner-Partien und für Rollen des frühen 20. Jahrhunderts bekannt. Am 16. Januar 2017 verstarb Grochowski unerwartet an einem Herzinfarkt.

Grochowski studierte zuerst Klavier und Musikerziehung, schließlich auch Gesang bei Edith Kertész an der Hochschule für Musik und Tanz Köln. Zu seinen Lehrern zählten auch der Dirigent Konrad Junghänel und der Bariton Josef Metternich. Nach seinem Abschluss wurde er 1986 als Ensemblemitglied an die Oper Köln verpflichtet.

Der Sänger blieb drei Spielzeiten am Kölner Opernhauses und war danach überwiegend als Lieder- und Konzertsänger tätig. Ab 2001 folgte ein Engagement an die Oper Bonn, parallel dazu Gastspiele an den Wuppertaler Bühnen, an der Oper Frankfurt und beim Brucknerfest in Linz. In diesen Jahren erarbeitete er sich ein breites Repertoire, welches von der Frühklassik (Gluck) bis ins späte 20. Jahrhundert (Britten) reichte, und spezialisierte sich auf die dramatischen Partien seines Faches. Besonderen Erfolg errang er mit den klassischen Bösewichtern der Opernwelt, dem Pizarro in Beethovens Fidelio oder dem Scarpia in Puccinis Tosca, er etablierte sich aber schon früh als verlässlicher und kompetenter Wagner-Sänger, zuerst als Holländer, Telramund und Klingsor, später auch als Kurwenal, Gunther, Wotan und Wanderer.

Seinen Durchbruch zu einer internationalen Karriere erarbeitete sich der Sänger in der Titelpartie des Doktor Faustus von Ferruccio Busoni am Württembergischen Staatstheater in Stuttgart. Für diese Rolle wurde er von der Zeitschrift Opernwelt als Sänger des Jahres nominiert. Es folgten in rascher Folge Verpflichtungen an die Metropolitan Opera in New York (als Kurwenal), ans Teatro alla Scala von Mailand (als Kurwenal und Gunther) und an die Bayerische Staatsoper in München (als Scarpia und Pizarro). Die Plattform Bach Cantatas schrieb im Jahre 2009, Grochowski habe sich einen gut begründeten Ruf als einer der besten Sänger seines Faches erarbeitet. Der Gunther in Wagners Götterdämmerung brachte ihn auch nach Berlin und London, an die San Francisco Opera und – unter der musikalischen Leitung von Sir Simon Rattle – zu den Salzburger Osterfestspielen. Als Telramund gastierte er am Royal Opera House Covent Garden in London, weiters in San Francisco, am NNT Tokyo und in der Berliner Philharmonie. Als Amfortas und Klingsor war er an der Opéra de Lyon, in Frankfurt und München zu sehen und zu hören.

Grochowski sang in zwei Inszenierungen des legendären französischen Regisseurs Patrice Chéreau, die beide auch als DVD erschienen sind: Im Sommer 2007 übernahm er die Rolle des Šiškov in einer internationalen Koproduktion von Janáčeks selten gespielter Oper Z mrtvého domu [Aus einem Totenhaus], die für die Wiener Festwochen erarbeitet und danach an weiteren wichtigen Bühnen gezeigt wurde, unter anderem beim Festival d’Aix-en-Provence und beim Holland Festival in Amsterdam, an der Mailänder Scala und an der New Yorker Met. Es dirigierte Pierre Boulez. Im Dezember desselben Jahres sang er – in der feierlichen Premiere zur Saisoneröffnung der Mailänder Teatro alla Scala – den Kurwenal in Tristan und Isolde. Es dirigierte Daniel Barenboim.

Neben Wagner und den Bösewichtern entwickelte sich im Laufe der Jahre ein weiterer Schwerpunkt im Repertoire des Sängers, die Oper des frühen 20. Jahrhunderts. Er absolvierte sein Rollendebüt als Dr. Schön in Bergs Lulu am Teatro Real in Madrid, sang an De Nationale Opera in Amsterdam den Orest in der Elektra von Richard Strauss sowie in San Francisco und Stuttgart den Prus in Janáčeks Sache Makropulos. Am Palau de la Música Catalana von Barcelona verkörperte er erstmals die Titelpartie in Bartóks Herzog Blaubarts Burg, unter der musikalischen Leitung von Pinchas Steinberg, eine Rolle, die er 2015 auch am Hessischen Staatstheater Wiesbaden übernahm. In Barcelona, allerdings am Gran Teatre del Liceu, war Grochowski auch in einer Barockoper zu sehen und zu hören, als Thoas in Glucks Iphigénie en Tauride, inszeniert von der deutschen Tanzkünstlerin Pina Bausch.

Sein Bayreuther Debüt erfolgte im Jahre 2016 als Klingsor in der Parsifal-Neuinszenierung von Uwe-Eric Laufenberg. Es dirigierte Hartmut Haenchen.  Er war für diese Rolle auch bei den Bayreuther Festspielen des Jahres 2017 vorgesehen.

In Laufenbergs Inszenierungen des Rings des Nibelungen am Musiktheater Linz in den Jahren 2013 bis 2015 sowie am Hessischen Staatstheater Wiesbaden in der Spielzeit 2016-17 war er als Wotan und Wanderer verpflichtet. Am Vorabend seines Todes sang er mit großem Erfolg den Wotan in der Premiere der Walküre in Wiesbaden. Das Publikum dankte mit Ovationen.

Gerd Grochowski trat regelmäßig in konzertanten Opernaufführungen und als Bass-Solist in großen Chor-Orchesterwerken auf. Beispielsweise sang er den Herzog Blaubart im Auditori von Barcelona (unter der musikalischen Leitung von Pinchas Steinberg) und den Fremden in Henzes Opfergang in der deutschen Erstaufführung am 16. Dezember 2010 an der Ruhr-Universität in Bochum (mit den Bochumer Symphonikern unter Leitung von Steven Sloane). Weiters übernahm er eine Reihe von Wagner-Parien in konzertanten Aufführungen: den Amfortas am Teatro Regio di Parma und an der Ungarischen Staatsoper in Budapest, den Gunther bei den BBC Proms (unter der musikalischen Leitung von Daniel Barenboim) sowie den Telramund an der Opéra National de Montpellier (geleitet von Michael Schønwandt). Im Sommer 2016 war er – neben Camilla Nylund – Solist der MDR-Wagner-Gala im Gewandhaus von Leipzig.

Zu seinem Konzertrepertoire zählten die Bass-Solopartien in Beethovens Missa solemnis, Bruckners Te Deum, Janáčeks Glagolitischer Messe und in Brittens War Requiem. Im Januar 2014 übernahm er in der Tonhalle Düsseldorf die Baritonpartie in Zemlinskys selten gespielter Lyrischer Symphonie, op. 18. Das War Requiem sang er unter Leitung von Charles Dutoit in der Tokyo Radio Hall, Brahms‘ Deutsches Requiem mit der Dresdner Philharmonie unter Rafael Frühbeck de Burgos im Salzburger Festspielhaus. Er gastierte auch an der Royal Albert Hall in London sowie in Konzertsälen in Rom und Lille, Brüssel, Amsterdam, Berlin, Saarbrücken und Stuttgart.

Grochowski sang weiters unter der musikalischen Leitung Sylvain Cambreling, Paolo Carignani, Vladimir Jurowski, Ingo Metzmacher, Kent Nagano, Carlo Rizzi, Dennis Russell Davies, Sebastian Weigle und Lothar Zagrosek. (Quelle Wikipedia)

Rosemarie Lang

 

Die Intendanz der Berliner Staatsoper schreibt: Die Staatsoper Unter den Linden trauert um Rosemarie Lang, die am 12. Januar 2017 nach langer schwerer Krankheit im Alter von 69 Jahren verstarb. Aus dem Erzgebirge stammend kam die Mezzosopranistin nach Stationen am Theater Altenburg und am Opernhaus Leipzig, wo sie seit den frühen 1970er Jahren sang, 1987 an die Berliner Staatsoper. Seitdem war sie unserem Haus als Ensemblemitglied eng verbunden. Ihr Debüt feierte sie als Klytämnestra in Glucks Iphigenie in Aulis. In der Folgezeit trat sie u. a. in Partien wie Cherubino (Die Hochzeit des Figaro), Dorabella (Così fan tutte), Rosina (Der Barbier von Sevilla), Octavian (Der Rosenkavalier), Brangäne (Tristan und Isolde), Fricka (Die Walküre), Magdalene (Die Meistersinger von Nürnberg), Clairon (Capriccio) und Gräfin Geschwitz (Lulu) auf. Auch als Konzertsängerin und Liedinterpretin machte sie sich einen Namen. Gastspiele führten sie u. a. zu den Salzburger Festspielen, an die Wiener Staatsoper, das Teatro Real Madrid, das Opernhaus Oslo sowie an die Oper Washington. Zahlreiche Rundfunk- und Schallplattenaufnahmen – etwa mit Werken von Bach, Beethoven, Mendelssohn, Brahms, Tschaikowsky, Prokofjew, Schönberg und Eisler – dokumentieren ihre vielseitige künstlerische Tätigkeit.

2009 musste Rosemarie Lang, die über mehr als zwei Jahrzehnte zu den Publikumslieblingen der Staatsoper zählte, aus gesundheitlichen Gründen ihre Karriere beenden. Die Staatsoper Unter den Linden wird Rosemarie Lang, der großartigen, sensiblen Sängerdarstellerin, die vielen Bühnenfiguren ein besonderes Profil gegeben hat, ihr ehrendes Andenken bewahren. In Trauer die Intendanz (Quelle: Berliner Staatsoper)

Auf youtube gibt es einiges von Rosemarie Lang zu hören, so Auszüge aus der Matthäuspassion unter Heinz Rögner 1985 und mehr. G. H.

 

Dazu auch eine Vita im amerikanischen Online-Musik-Magazin Bach-Cantatas: Rosemarie Lang (Mezzo-soprano) Born: May 21, 1947 – Grünstädtel by Schwarzenberg (Erzgebirge), Germany; The German mezzo-soprano, Rosemarie Lang, studied in Leipzig singing and was there pupil of Elisabeth Breul, Eva Schubert-Hoffmann and later of Helga Forner. In 1969 she won the Robert Schumann Competition in Zwickau, and in 1972 the Bach Competition.

After singing first at the National Theatre of Altenburg (Thuringia), Rosemarie Lang joined in 1972 the Opera House of Leipzig, at which she appeared through a career of many years. Appearances led her to the State Operas of Dresden and Berlin (where she appeared in 1987 as Klytaemnestra in Iphigenie in Aulis by Gluck, in 1988 as Brangaene in Tristan) and on more stages in East Germany. Since 1987 she was a regular member of the State Opera of Berlin. In addition she had a versatile, successful concert career. The high points in her stage repertoire were roles such as Dorabella in Cosi fan tutte, Cherubino in Le Nozze di Figaro, Sesto in La clemenza di Tito by Mozart, Romeo in I Capuleti e I Montecchi by Bellini, Rosina in Il Barbiere di Siviglia by Rossini, Octavian in Rosenkavalier and Clairon in Capriccio by R. Strauss. In July 1989 she sang at the State Opera Berlin in the premiere of the opera Graf Mirabeau by S. Mathus. At the Salzburg Festival she sang in 1990 the alto solo in the Stabat Mater of Dvorák. In 1996 she made guest appearance at the Opera of Oslo as Fricka and as Waltraute in Der Ring des Nibelungen. In 2004 she sang Elegie für junge Liebende at Kirchstätten in Berlin.

Rosemarie Lang was an estimated Lieder singer (Frauenliebe und -leben by R. Schumann, Winterreise by Schubert, Wesendonck-Lieder by R. Wagner).

Recordings: Philips (Alto solo in Paulus by Felix Mendelssohn), DGG (Larina in Eugen OneginDer feurige Engel by Prokofieff, 8th Symphony by Gustav Mahler), Ars vivendi (Deutsche Sinfonie by Hanns Eisler, Lieder by R. Schumann and Johannes BrahmsTe Deum by Bruckner), BGM (Silla in Palestrina by Hans Pfitzner). Foto oben: /Bach-Cantatas 

 

Errungenschaft und Erfolg

 

Im Jahr 2016 wurde René Jacobs 70 Jahre. In fünf Jahrzehnten als Sänger und Dirigent hat der Belgier die Wiederentdeckung der Musik des 17. und frühen 18.Jahrhunderts maßgeblich beeinflußt und hat Werke wieder aufgeführt und hörbar gemacht, für die es keine Aufführungstradition mehr gab. Wer etwas über Jacobs künstlerischen Werdegang und dadurch auch über die Re-Etablierung der Musikepoche zwischen Monteverdi und Mozart auf Opern- und Konzertbühnen erfahren will, für den lohnt sich der Griff zu einem Buch, das bereits 2013 bei Bärenreiter/Henschel erschien. Ich will Musik neu erzählen ist der Titel eines Gesprächsbands zwischen Jacobs und der Heidelberger Musikwissenschaftlerin Silke Leopold, in dem Jacobs umfangreiche Auskunft zu seinem künstlerischen Wirken gibt. Es gibt vier große Kapitel, die von Leopold jeweils über wenige Seiten mit einleitenden Anmerkungen versehen wurden. In den „Stationen einer Karriere“ geht es um den Werdegang vom Chorknaben über den Sänger, dessen männliche Altstimme stilbildend war, indem er die durch England übermittelte Art des Falsettierens durchbrach und einem neuen Klangbild zur Popularität verhalf, bis zum Dirigenten. Angesprochen werden auch kurz die Tätigkeit als Lehrer an der  Schola Cantorum Basiliensis sowie die künstlerische Leitung der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik. Die Aufbruchsstimmung der Szene zeigt sich im gemeinsamen Forschen, Entdecken und Musizieren, früh lernte Jacobs die Kuijkens, Gustav Leonhardt, Ton Koopmann und Jos van Immerseel kennen, mit Konrad Junghänel und William Christie erlebte er einen besonderen Moment bei der Aufnahme von Charpentiers „Leçons de ténèbres“ für harmonia mundi, eine weitere mit Cavallis Calisto in der Inszenierung von Herbert Wernicke.

Mehrere Seiten über Arie und Rezitativ sowie über Stimmlagen und Gesangstraktate folgen unter der Überschrift „Über alte Musik und historische Aufführungspraxis“. Jacobs erläutert seine Praxis, verrät bspw., was es mit der „Pathosformel“ auf sich hat, die es sowohl bei Händel als auch bei Mozart und anderen Komponisten dazwischen gibt und die aus zwei Sechzehnteln, einer Viertel und zwei Achteln besteht. Viele aufführungspraktische Entscheidungen, Interpretations- und Ästhetikprobleme werden von Jacobs angeschnitten oder beantwortet. „Über Komponisten und ihre Werke“ dreht sich in unterschiedlicher Ausführlichkeit um Schubert, Bach, Händel, Telemann, Keiser, Purcell, Lully, Rameau, Mozart, Haydn, Rossini und um Monteverdi, Cavalli und die venezianische Oper sowie um Reformopern und Opernparodie (Gassmanns „L’Opera Seria“); Jacobs‘ Anmerkungen zu den Komponisten erfolgen praxisbezogen aus den Erfahrungen seiner eigenen Aufführungen und Aufnahmen. Das abschließende Kapitel „Produktionsbedingungen im Opernbetrieb“ handelt von Eingriffen in den Notentext und kreative Freiheiten, die Verpflichtung von Sängern und Orchestern, Dirigenten und Regisseuren bzw. historische Aufführungspraxis und Regietheater sowie Festivals, Jacobs‘ Arbeit in Innsbruck und Zukunftsplänen. Ergänzt wird das Buch durch Fotos (farbig und schwarzweiß) und ein fünfseitiges Namensregister: auf den ca. 210 Seiten fallen ca. 250 unterschiedliche Namen, das Buch ist auch ein interessantes Who-is-who der Szene für Alte Musik, nur ein Register der erwähnten Werke und Produktionen fehlt zur schnellen Übersicht. Das Gespräch ist keine konträre Diskussion, Leopold fungiert überwiegend als kenntnisreiche Stichwortgeberin. „Ich will Musik neu erzählen“ ist moderierte Selbstdarstellung in lockerem und gut zu lesendem Gesprächston, ein informationsreiches Buch über Erfahrungen, Erfolge und Errungenschaften des Künstler René Jacobs, das seinen Reiz aus dem Wechsel zwischen musikwissenschaftlicher Fragestellung, künstlerischem Werdegang und persönlicher Ansicht bezieht. (Silke Leopold, René Jacobs – „Ich will Musik neu erzählen“, 223 Seiten, Bärenreiter/Henschel ISBN 978-3-7618-2266-1) Marcus Budwitius

Roberta Peters

 

Die Met-Legende Roberta Peters starb am 18. Januar 2017 in New York. Roberta Peters, eigentlich Roberta Peterman (* 4. Mai 1930 in der Bronx, New York; † 18. Januar 2017 in Rye, New York war eine US-amerikanische Opern-, Operetten-, Musical-, Lied- und Konzertsängerin (Sopran). Sie gehörte zu den bekanntesten Koloratursopranistinnen des 20. Jahrhunderts. Sie war das einzige Kind eines Schuhmachers und einer Hutmodistin. Im Alter von 13 Jahren begann sie ihre musikalische Ausbildung u.a. bei William Pierce Herman. 1950 debütierte sie, die bisher noch nie auf einer Bühne stand, als Zerlina in (Don Giovanni) an der Metropolitan Opera in New York und wurde über Nacht bekannt. Roberta Peters sang auf allen großen Opernbühnen der Welt. Ab Mitte der 1950er Jahre gastierte sie an mehreren italienischen Opernhäusern sowie an der Staatsoper Wien. Besonderes Aufsehen erregte sie als Königin der Nacht bei den Salzburger Festspielen 1963/64.

Zum Repertoire der international gefragten Sängerin gehörten u.a. die Rollen der Susanna in Die Hochzeit des Figaro, der Rosina in Der Barbier von Sevilla, der Norina in Don Pasquale, der Nanetta in Falstaff, der Sophie in Der Rosenkavalier, der Lucia in Lucia di Lammermoor, des Amore in Orpheus und Eurydike, der Marzeline in Fidelio, der Despina in Così fan tutte, um nur einige der vielen zu nennen. Gelegentlich sang sie auch die Violetta in La traviata und die Mimi in La Bohème. In ihrer späteren Karriere fügte sie ihrem Repertoire einige Operetten- und Musicalrollen hinzu, wie beispielsweise Die lustige Witwe oder The King and I.

Die Sopranistin war eine weltweit gefragte Lied- und Konzertsängerin. Eine umfangreiche Diskografie und eine hohe Anzahl diverser TV- und Videoaufzeichnungen dokumentieren das große musikalische Spektrum dieser Ausnahmekünstlerin.

Roberta Peters und Robert Merrill/ youtube

Roberta Peters war 1951 mit ihrem Kollegen an der Metropolitan Opera, dem Bariton Robert Merrill, für wenige Monate verheiratet. Aus ihrer 1955 geschlossenen zweiten Ehe gingen zwei Söhne hervor. (Quelle Wikipedia)

 

Dazu auch eine Biografie be idem amerikanischen Musik-Blog Bach-Cantatas: Roberta Peters (Soprano); born: May 4, 1930 – New York City, New York, USA; The outstanding American soprano, Roberta Peters (real name: Petermann), was the daughter of a shoe salesman and a hat maker. She grew up in the Bronx, loving to sing and dreaming of becoming a star. Her parents made great financial sacrifices to prepare her for a career in music. Her grandfather, who was a headwaiter, knew the tenor Jan Peerce, who was a well-known cantor. Her grandfather convinced the famous cantor to listen to his grand-daughter. She was only 13, but Jan Peerce was very impressed and arranged for her to study with William Herman, who had coached many opera stars. Herman made sure she had French, German, and Italian lessons and made her sing scales from a clarinet method. He made sure she did not perform prematurely, but worked with her for six years, finally having her sing for Sol Hurok when she was 19. Hurok arranged for an audition with Rudolph Bing, general manager of the Metropolitan Opera. Bing had her sing the Queen of the Night aria from W.A. Mozart’s The Magic Flute, with its high Fs, seven times, listening from all parts of the hall to make sure she could fill the hall with sound. He scheduled her to sing the role in 1951.

However, on November 17, 1950, Roberta Peters received a phone call from Rudolph Bing, asking her if she could sing that night. Nadine Conner, cast as Zerlina in W.A. Mozart’s Don Giovanni had a mild case of food poisoning and could not perform. She was hired a few weeks earlier on the basis of a single audition, but had never sung with a full orchestra, never performed in a full opera production, never even performed on stage, professionally or otherwise, except for her audition. She was not an official understudy, but she knew the role and accepted. The rest, as they say, is history. Her parents were planning to go to the opera that night in the standing section. When they got home from work, Roberta surprised them with the announcement that they would be watching her perform, from box seats. She and her mother took a cab, but ended up getting on the subway when the cab got stuck in traffic. Fritz Reiner, the conductor that night, was known for being hard to follow, but he made a point of coming to Roberta’s dressing room to encourage her. Her performance was received with great enthusiasm, and her career took off.

Benjamin Rayson , Luigi Alva und Roberta Peters in „The Barber of Seville“ 1966/ Foto Des Gates Seattle Opera

Roberta Peters subsequently remained on its roster for more than 40 years, the longest tenure of any soprano in the history of the Met. Combining a wonderful voice with attractive good looks, she became the darling of America and a great proponent of opera for the masses. She gave more than 500 performances at the Met in 24 roles. She also sang with the opera companies of San Francisco and Chicago, at Covent Garden in London, at the Salzburg Festivals, and at the Vienna State Opera.

Roberta Peters was on of the leading coloratura sopranos of her generation. She also appeared with success on television, films, and in a great number of Voice of Firestone radio broadcasts. In addition to opera, she appeared in operettas and musical comedies and has performed her varied repertoire around the world. She twice represented the USA in the former Soviet Union, becoming the first American-born artist to receive the Bolshoi Medal. She has also given recitals and master-classes in the People’s Republic of China, Japan, Korea, Hong Kong and Taiwan and was once caught in the middle of the Six-Day War in Israel while performing for soldiers with her late colleague, Richard Tucker.

President John F. Kennedy first invited Roberta Peters to perform at the White House, where she has performed for every president since. In addition to supporting social causes and performing frequently for charity, she has taken an active part in promoting government funding for the arts. President Bush appointed her to the National Council on the Arts in 1991, and in 1998, President Clinton awarded her the National Medal of Arts. She holds honorary doctorates from Elmira, Ithaca, Westminster, Colby and New Rochelle Colleges, Lehigh and St. John’s Universities and the University of Rhode Island.

Roberta Peters was briefly married to Robert Merrill, With Louis Biancolli she wrote A Debut at the Met (1967). She is still giving solo recitals at 70, 50 years after that first auspicious audition. Contributed by Aryeh Oron (July 2005)/ Bach-Cantatas.com / Foto oben https://de.wikipedia.org/wiki/Roberta_Peters)