Alle Frühwerke Giuseppe Verdis bis hin zum Macbetto wollen die Heidenheimer Festspiele unter ihrem Leiter Marcus Bosch in den kommenden Jahren aufführen und haben 2016 zwangsläufig mit dem ersten überlieferten, nämlich Oberto (eigentlich mit dem Zusatz Conte di San Bonifacio) begonnen. Eine Aufzeichnung davon liegt jetzt auf zwei CDs vor. Das Cover kündet von einer halbszenischen Aufführung mit vielen Stühlen, auf denen die Solisten offensichtlich auch ab und zu balancieren mussten, was dem Gesang wahrscheinlich nicht zuträglich war, aber selbst bei Halbszenischem und bei ansonst trauten Festspielen ist man offensichtlich als Sänger nicht mehr vor eigentlich Unzumutbarem sicher.
Die Oper jedenfalls ist unverkennbarer Verdi, und sowohl die Capella Aquilea wie der Chzech Philharmonic Choir Brno stellen sich mit viel feinsinnigem Brio kultiviert federnd darauf ein und machen unter Marcus Bosch einen guten Eindruck, wirken insbesondere bei den Finali mitreißend.
Erfreut ist man über das Textbuch in drei Sprachen, auch wenn die Trackliste nicht ganz zutreffend ist und auch mal Sätze, die es im Italienischen gibt, im Deutschen und Englischen weggefallen sind. Eine Besetzungsliste am Anfang des Booklets gibt es nicht, man muss sich Namen und dazu gehörende Rolle aus den Biographien zusammensuchen, wenn man nicht zufällig auf die Angaben nach einem Aufsatz über das Werk gestoßen ist, wo aber der Tenor irreführend als Bariton geführt wird.
Dass die Oper nicht zum gängigen Repertoire gehört, mag auch an der spröden Handlung liegen. Ein in seiner und der Tochter Ehre gekränkter Vater schreitet unbeirrt zur Rache, obwohl die neue Verlobte auf den Ungetreuen verzichten und die beiden einst Verlobten wieder zusammen führen will. Er fordert den zum Rücktausch Bereiten heraus, wird getötet, die Tochter geht ins Kloster, der siegreiche Duellant flieht ins Ausland und die edelmütige Zweitbraut bleibt betreten zurück.
Für die Titelpartie hat man mit Woong-Jo Choi einen der typischen machtvoll-weichen Bässe eingesetzt, die angenehm samtig klingen können und von schönem Ebenmaß sind. In der Cabaletta im zweiten Akt entwickelt der Bass auch den bis dahin etwas fehlenden Furor, den man für die Rolle haben sollte. Adrian Dimitru, der den ungetreuen Riccardo singt, ist zweifelsfrei ein Tenor, wenn auch einer der eher wehleidig als melancholisch klingen, leicht meckernden Art, dessen Stimme manchmal zu eng klingt, der aber eine achtbare Cabaletta singt und im Duett mit dem Mezzosopran an Stimmschönheit gewinnt. Die verlassene Braut Leonora hat mit dem Sopran von Anna Princeva ein apartes Timbre, singt mit schönem Legato und findet besonders in der Mittellage zu innigen Tönen, während die Höhen oft nur angetippt werden. Anrührend wird die Schlussarie gesungen, wenn auch mit beachtlichen Einschwingzeiten. Die schönste Stimme hat der Mezzosopran Katerina Hebelkova als verzichtsbereite Cuniza mit viel Leuchtkraft, schöner Agogik und sehr spritzig in der Cabaletta.
Auf die weiteren Projekte der Festspiele darf man gespannt sein, so auch darauf, ob es gelingt, die richtigen Soprane für die in dieser Hinsicht schwer zu besetzenden Frühwerke zu engagieren (Coviello 2 CD COV 91702), Ingrid Wanja